Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden  
Sie können sich hier anmelden
Dieses Board hat 13 Mitglieder
77 Beiträge & 64 Themen
Beiträge der letzten Tage
Foren Suche
Suchoptionen
  • VicoDatum13.03.2009 17:15
    Thema von Rosalie Hale im Forum Fanfiktion

    So, nun stand ich und meine Familie vor dem kleinen Vorgarten unserem neuem Haus. Es war süß. Rote Backsteine, 2 Stockwerke, ein riesen Garten hinter dem Haus und ein kleiner Teich im Vorgarten. Ich atmete tief durch. Endlich hatte ich es, zu mindestens bis jetzt, geschafft. Ich war zum ersten mal hier. Genau wie meine Geschwister. Die beiden stiegen aufgeregt aus dem Auto und sahen genauso wie ich das Haus gebannt an. Rene knallte die Autotür zu und stellte sich zufrieden neben mich. „Und? Wie gefälltes euch?“ Er sah gespannt zwischen uns hin und her. Sandra stand strahlend neben dem Wagen. „Wow!“ brachte ich nur raus.
    „Na dann lasst uns eintreten“ Rene ging voraus. Ich starrte immer noch auf das Haus.
    Als ich eintrat kam mir ein warmer Wind entgegen. Hier war eindeutig die Heizung an. Zum Glück, denn in dieser kleinen Stadt namens Forks, in Washington war kaum ‚warmes Wetter’. Ich vermisste eigentlich nichts von Berlin. Ich wollte schon immer raus aus dem öden Deutschland. Diese komische Politik, die Menschen und und und....
    Und plötzlich wurde mein Traum wahr. Mein Vater hatte eine Arbeitsstelle hier in Forks bekommen. Irgendwas Biologisches. Interessierte mich in dem Moment überhaupt nicht, hauptsache Tschüss Deutschland. Meine Mutter Susan war ja überhaupt nicht damit zufrieden. Sie hatte mein Vater am Telefon angeschrieen, was ihm wohl einfällt und so. Ich konnte sie verstehen. Was würde ich den machen wenn meine Tochter bei ihrem Vater leben würde und plötzlich aus heiterem Himmel in eine Mini Stadt zog, die man auf einer Weltkarte nicht mal sah.
    Mein Vater hat das Sorgerecht für mich allein und schließlich bin ich 15 Jahre alt. Ich glaube jeder Teenager würde sich mit Händen und Füßen wehren um sich nicht von seiner Schule + Freunde zu trennen.
    Aber eine Sache vermisste ich natürlich schon. Hanna! Meine beste Freundin, die bis jetzt immer zu mir gehalten hatte. Sie fing an zu weinen als ich ihr meine tolle Neuigkeit erzählt hatte. Ich hätte es wissen sollen und hatte dann ein schlechtes Gewissen gehabt. Doch ich hab ihr versprochen das wir ja über Brief und E-Mail in Kontakt bleiben konnten und auch über die Webcam.
    Von meinen beiden Katzen, Lulu und Lucky wollte ich mich nicht trennen. Deshalb mussten sie wohl oder übel die, für sie, schreckliche Flugsstrecke hinter sich bringen. Sie saßen immer noch etwas verängstigt hinten im Auto in ihren Käfigen.

    „So, das ist der Flur“ Rene knipste den Lichtschalter an und der lange Raum erhellte sich. Er war Orange gestrichen. Ok, so lang war er auch wieder nicht. Rechts von mir hing ein Kleiderhaken wo ich auch gleich meine wollige Jacke aufhing. Rene ging weiter damit wir auch alle vor der großen breiten Treppe stand. Die Familie verteilte sich. Ich sah mir als erstes die Küche an. „Wunderbar!“ quietschend klatschte ich in die Hände. Ich hatte immer schon eine richtige Amerikanische Küche haben wollen und nun glitzerte sie vor mir. Die Küche war in zwei Teile geteilt. Einmal wo der Herd, Kühlschrank,....usw. war und eine große Theke. Der rest des Raumes war mit einem großem runden Tisch zu gestopft. Ich ging immer noch verwundert von diesem realen Traum rückwärts wieder in den Flur. Von oben hörte ich Stellas Jubelgeschrei. Offenbar hatte mein Vater ihr das Zimmer in Rosa gestrichen.
    Das Wohnzimmer war noch schöner als die Küche. Sehr groß, auch Orange/Rot gestrichen. Ein großes Sofa stand etwas entfernt von der Wand. Der Raum war hell erleuchtet. Es gab 3 große Fenster mit ,wie zu erwarten, orangenen festgebundenen Vorhänge. Am Ende des Wohnzimmers war eine große Glasschiebetür. Ich kannte es von meiner Grandma. Es ging dort zum Garten. Ich wollte aber erst nach oben um mein Zimmer zu begutachten.
    Hinter mir polterten meine Geschwister runter. Stella erzählte mir aufgeregt von ihrem Barbie- Zimmer und ich stieg dann nach oben. War eigentlich der gleiche Flur wie unten nur das hier eben statt einem Kleiderhaken, ein Telefon hang. Ich sah mich um und suchte nach meinem Zimmer. Links von mir war das Badezimmer, mittelgroß und blau. Rechts von mir war Leanders Zimmer, daneben Stellas und um einer kleiner Ecke waren noch drei weitere Türen. Von meinem Vater und ein Zimmer von Sandra (Die beiden sind getrennt; Sandra ist die Mutter meiner Geschwister). Und da erblickte ich meine Tür. Ich verzog mein Gesicht. Auf dem Türschild stand dick und fett „Vico“ drauf. Muss das denn da stehn? Egal, ich trat ein. Mir klappte der Mund auf. „PAPA? Ich hab ein eigenen Balkon?“ Ich rannte zur der Tür und riss sie auf. Unglaublich. Er war klein, aber für mich war das schon ein Weltgeschenk. Langsam, damit sich mein Herz wieder beruhigt ging ich wieder zurück. Mir gefiel die Einrichtung. Rene hatte mir als er damals noch renoviert hatte ein Katalog zugeschickt und ich sollte mir Möbel aussuchen. Ich hab mich für helles Holz entschieden. Noch eine Freude kam in mir hoch, als ich meinen Wandschrank entdeckte. Er war groß. „Den muss ich wohl noch auffüllen!“ sagte ich und sah mich noch um. Ich hatte zwar zwei Koffer mit Klamotten mit transportiert, aber soviel war das auch wieder nicht. Ich mochte Shoppen, aber was die Mode anbelangt war ich eine Null. Ich war irgendwie ein nichts.
    Ich lies mich erschöpft, ausgepowert und gleichzeitig erleichtert auf mein wunderschönes, kuscheliges Bett fallen.
    Ich seufzte und setzte mich wieder auf. Ich hatte jetzt riesen Lust mein Zimmer einzuräumen. Ich rannte nach unten. Rene half mir einige Kisten nach oben zu bringen und musste meine Anlage aufstellen. Dann scheuchte ich ihn raus. Meine Sachen flogen nur so durchs Zimmer, ich suchte meine CDs.
    „Ayumi Hamasaki? Koda Kumi? Oder Morning Musume?“ Ich blickte verzweifelt auf die CDs. Als ich mich dann doch für Morning Musume entschieden hatte, drehte ich die Japanische Mädchenband laut auf. „Ok! Und nun, alle kraft voraus!!!“ Ich machte ein Kommandozeichen und wirbelte mit den Sachen rum. Singen ist bei mir so ne Sache. Eher grottenschlecht, aber ich muss immer mitsingen. Und Japanisch ist das beste was es für mich gibt.
    Es ging schnell, was mich freute. Immer noch mit lauter Musik setzte ich mich erst mal erschöpft auf mein Schreibtischstuhl und überlegte. „Ojeee....übermorgen fängt ja auch schon die Schule an“ Ich seufzte. Zum Glück konnte ich perfekt Englisch sonst hätte ich einige kleine Probleme.
    „Vico? Es gibt Essen!“ Sandras Stimme ertönte von unten. Ich schaltete die Anlage aus und spurtete nach unten. Mein Magen hatte sich schon seit einiger Zeit angekündet das er Hunger hatte.
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Der nächste Morgen war ziemlich eigenartig. Ich hatte die Nacht nicht gut geschlafen und das Haus war am Morgen zu ruhig. Sonst sprangen die Kleinen schon um halb sieben durch die Wohnung. Aber nichts zu hören. Waren wohl alle noch zu erschöpft. Außer ich. Ich würde Morgen auf die Forks High School kommen. Als ich das dachte schluckte ich schwer und starrte auf meine neue Zimmerdecke. Ich würde eine Schuluniform anziehen müssen. Das war eines der Sachen in denen ich mich nicht wohl fühlte. Ich liebte zwar Schuluniformen....aber
    1. Habe ich sie noch nicht gesehen
    2. Ich werde erst von der Sekretärin aufgeklärt wo man eine bekommt und das 3. Ich würde morgen als einzige ohne Uniform, Orientierungslos und keine Ahnung von irgendwas durch die Schule stolpern. Außerdem kam ich mitten im Schuljahr reingeplatzt. Da wird man so oder so im Mittelpunkt stehen werden. Wie ich Richtig verstanden hatte, würden es exakt mit mir 357 Schüler sein. Und das waren nicht gerade viele. Auf meiner alten Schule waren ca. 600 Schüler. Ich stehe ungern im Mittelpunkt und morgen war so ein Tag. Ich hatte gemischte Gefühle. Einmal freute ich mich riesig darauf, anderseits breitete sich bei mir eine Angst aus. Seufzend setzte ich mich auf. „Sind ja nur ein paar weniger!“ murmelte ich und schlurfte auf den Balkon. Es war kalt, nass und GRÜN. „Guck mal Vicolein meine Schuluniform“ Leander stand an der Tür und hielt seine empor. „Vico wenn dann schon.“ knirschend und lächelnd sah ich ihn an. Für meine Geschwister war es am schwersten. Meine Sis war gerade mal 5 Jahre alt und mein Bruder 6 Jahre alt. Von Englisch hatten sie null Ahnung. Ok, die Zahlen, Danke und Bitte und so hatten sie ja gelernt.
    Meine Bruder verschwand wieder und ich schaltete mein PC an. Hanna hatte mir bestimmt haufenweise Emails geschickt und ich hatte recht. Aber ich hatte gerade keine Lust zu Antworten. Ich fuhr den Computer wieder runter und gesellte mich zur meine Zahnbürste im Bad. Was sollte ich heute machen? Vielleicht die Gegend mal abchecken, hier rum zu hocken hatte kein Sinn. Am besten suche ich mal eine Bücherei. Wohl oder übel, musste ich ja etwas in Englisch lesen.
    Frisch angezogen schnappte ich mir ein Brötchen und meine Tasche. „Bin unterwegs!“ rief ich nach oben. Ob die anderen schon wach waren, außer Leander wusste ich nicht. Vielleicht hatte er es ja gehört.

    Ich ging die Straße entlang ohne zu wissen wo ich hinlief. Ich folgte meinem Instinkt, obwohl meine Instinkte nicht gerade gut ausgeprägt waren. Die Straßen waren wie in Filmen. Typisch Amerika. „Ene – mene – Muh – und – raus - bist - du!“ Rechte Seite hatte gewonnen und so ging ich nach rechts. Es war ein Waldweg. Hmmmh....ich mal wieder.
    Irgendwann hatte ich es zumindestens zu einer Tankstelle geschafft. Der nette Junge Mann an der Tankstelle, vielleicht etwas zu nett, hatte von uns schon gehört und wollte ein Gespräch anfangen. „Sorry, aber wo gibt’s hier ein Bibliothek?“ „Einfach die Straße weiter runter und da siehst du sie schon“ Er winkte mir zu als ich den Laden verließ.
    Die Bücherei war nicht gerade groß was mich etwas enttäuschte. Ich ging vielleicht drei mal durch die Reihen, aber nirgends fand ich ein interessantes Buch oder eins das ich schon kannte. Ich fuhr mit meinen Fingern durch meine langen, brauen Haaren.
    Langsam und durcheinander schlurfte ich zurück.

    Wir sind Einkaufen

    stand auf einem Zettel, als ich in den Flur trat. Ich schaltete mein Pc wieder an und hörte laut Tata Young. Ich ladete mir MSN hoch und zum Glück war eine on.

    Hi^^
    ..........
    Hey, wie geht’s in Forks?
    ............
    Gut – wegen Forks hab ich mal eine Frage
    ...............
    ? Du lebst doch da lol
    ........................

    Ach schon gut^^ Hab was verwechselt
    ...................
    Asu^^

    Ohne mich zu verabschieden beendete ich MSN.
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Der Montag war für mich der reinste Horror. Ich hatte schon wieder kein Auge zu getan und fiel die Treppe runter. Mein Vater fuhr mich zur Schule. Sandra nahm die beiden anderen mit. „Und?“ Er sah in den Rückspiegel zu mir und hatte sein Grinsen im Gesicht. „Was und?“ Ich schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Ich hatte mir was blaues Angezogen. Die Uniformen sollten blau seien und da ich sowieso schon auffiel, wollte ich nicht noch mit hellem Rot durch die Schule spazieren. „Ich denke mal das schaffst du schon“ Er lächelte und bog in die Straße wo ich gestern Richtung Bibliothek gelaufen war. „Und was machst du?“ Rene fing erst nächste Woche an zu arbeiten. Er und Sandra wollten das Haus noch einräumen. „Na ich werd - oh guck mal wir sind schon da“ Er fuhr auf ein Parkplatz. Sofort kurbelte ich das Fenster runter und streckte mich so weit es ging aus dem Fenster. „Oh mein Gott.....“ Dagegen war ja meine alte Schule ein mickriges Wohnhaus. Ich dachte für so wenig Schüler braucht man nicht so ein mega Gebäude? Als ich merkte wie das Auto anhielt fiel ich schon fast aus dem Auto. Ich schluckte und nahm meine, noch leichte, Schultasche und lief meinem Vater hinter her. Er war hier schon mal gewesen deshalb waren wir auch schon nach einigen Minuten im Sekretariat. Die Frau war genauso aufgeregt wie der Mann an der Tankstelle. Das musste wohl wirklich ein Highlight sein, das eine Deutsche Familie hier her zog. Nun, jedenfalls sollte ich das Blatt was sie mir in die Hände gab nach Schulschluss wieder abgeben und dann gab sie meinem Vater noch die Adresse für die Uniform.

    Die Schüler tummelten sich um uns als wären wir neugeborene Löwen im Zoo. Ich sah auf meinen Stundenplan um die neugierigen Blicke um mich herum zu entgehen. MATHE! Ich blieb stehen. „Papa...wieso?“ Ich bemerkte das ich auf Deutsch gesprochen hatte und nun hörte ich „Oh“ und „Ah“ von überall. Ich lief rot an und Rene fing an zu lachen. „Dad“, fing ich diesmal auf Englisch an, „Erster Tag und dann gleich Mathe!“ Ich seufzte.
    Mein Vater schob mich in ein Klassenzimmer. „Ah....Vico?“ Der Lehrer kam auf mich zugerannt und schüttelte uns die Hand. „Wie geht es Ihnen? Haben Sie sich hier schon gut eingelebt?“ Der Lehrer plapperte meinen Vater voll und das Klassenzimmer füllte sich langsam. Und jetzt fiel mir die Uniform erst auf. Das sah ja echt nach Japanischem Cosplay aus. Ich versuchte die flüsternden Mädchen nicht so anzustarren. Die Uniform bestand aus einem blauen, fast Knielangem Rock, der hatte am Rand weiße Streifen, dazu ein Armlanges Blaue Shirt was ebenfalls kleine weiße Streifen und vorne hing eine große weiße Schleife dran. Sah eigentlich total süß aus. Die Jungs natürlich auch in blau, aber eben Hosen. Mein Vater holte mich wieder ins Reale zurück um „Ciao“ zu sagen. Dann stand ich allein da vorne mit dem Lehrer. „Guten Morgen. Ihr könnt euch setzen“ Die Klasse setze sich, immer noch die Augen auf mich gerichtet. „Das ist Vico Poehler. Sie kommt aus Deutschland, kann aber perfekt Englisch?“ Er sah mich an und ich nickte, dann fuhr er fort „Ich möchte euch daran erinnern das wir nett miteinander umgehen.....“ Man was für ein Babykram. Ich atmete tief ein. Entweder ist man zu einem nett oder nicht, oder? Außerdem bin ich bei 15 Jährigen untergebracht, in dem Alter muss man doch wenigstens etwas Vernunft haben. Ich sah eine Hand vor mir. Sie bewegte sich leicht auf und ab. „Vico?“ Ich schreckte auf und die Klasse fing an zu kichern. “Ich bin übrigens Mr. Wales, dein Klassenlehrer und das ist hier deine Klasse 9a“ Er zeigte strahlend in die Runde. Als ich dann zum Glück mich setzen durfte in die hintere Reihe beruhigte sich mein Herz wieder etwas. Nur noch 5 Std. dann wäre der erste Tag geschafft. Ich stopfte mein Stundenplan in die Tasche und versuchte dem Lernstoff zu folgen. Leider bin ich ein Hoffnungsloser Fall was Mathe angeht. Fragt mich einer „Wie viel ist 542-235?“ Muss ich erst groß überlegen. Ja ja, schlimm schlimm mit mir. Ich wurde leicht von links angeschubst und blickte verwundert in ein Mädchengesicht. Sie hatte braune, lange Haare dazu braune Augen genau wie ich. Sie streckte mir ein Zettel entgegen. Ich nahm ihn vorsichtig:

    Hey, mein Name ist Marie. Du bist witzig^^

    Ähm...ok. Ich starrte das Blatt an. Du bist witzig. Na da weiß ich ja schon mal wie die mich jetzt aufgenommen hatten. „Das hast du ja gut hinbekommen“ murmelte ich verärgert zu mir selber. Ich kritzelte zurück:

    Danke^^

    Ich streckte ihr den Zettel zurück und wartete gespannt auf ihre Antwort.

    Ok Vico, soll ich dir nachher die Schule zeigen?......

    Und so schrieben wir bis die Stunde zuende war. „Was hast du jetzt?“ Sie nahm mein Stundenplan aus der Hand „Kunst da bin ich jetzt auch“ Ich lächelte sie an. Sie war wirklich nett. Ich wurde immer noch angestarrt, aber ich konnte mich wenigstens ablenken, dank Marie. Sie stellte mir Haufen von Fragen. Wieso ich hier her gezogen bin, wie es in Deutschland ist und und und.... Ein paar aus meiner Klasse kannte ich nun auch schon. Sophia, Charlotte, Daniel und Mimi. Sie waren echt nett und nahmen mich so auf wie ich war.

    Die Cafeteria war groß. Marie erklärte mir wie das funktionierte mit dem Essen, da ging das alles schon leichter als ich es mir vorgestellt hatte. Ich kaute auf einen Apfel rum als Charlotte plötzlich sich etwas zur Seite beugte und mit großen Augen auf die Eingangstür starrte. „Guckt mal, die Cullens und Bella sind wieder da“
    Cullens und Bella?
    Mein Kopf schnallte automatisch zur Tür wo mich ein Schlag traf. „I...Ich muss kurz weg!!!“ sagte ich in Panik, schnappte meine Tasche und wollte aus diesem plötzlichem Albtraum raus. Ich suchte verzweifelt ein anderen Ausgang als die Eingangstür. Gab’s denn hier keine Tür zum Hof. Ich drehte mich um und knallte voll mit einem Essenswagen zusammen. Es krachte und man hörte das klirren der zerbrochenen Teller. Augenblicklig war der Raum Mucksmäuschen still und mich starrten Unmengen von Augen an. Auch die Personen die an der Eingangshalle standen. Als die Teller sich gelegt hatten, sprang ich auf und kämpfte mich durch die Mengen aus der Cafeteria. Als ich um die 6 Personen rannte, bekam ich ein erneuten Schlag. Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle. Was regst du dich so auf Vico? Es sind nur Vampire......
    Und ich dachte...die gibt es nicht!

  • Escape to EternityDatum12.03.2009 19:15
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Escape to Eternity

    Kapitel 25: Für immer



    Einige Zeit lag ich einfach nur still auf meinem Bett und dachte an Elizabeth. Ich konnte es nicht fassen, dass sie tot sein sollte. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr kam es mir vor wie ein schrecklicher Alptraum. War es wirklich erst wenige Tage her, als ich das letzte Mal in ihrem Haus gewesen war? Mein glückliches Leben lag keinesfalls lange hinter mir zurück und doch fühlte es sich an wie Jahre oder Jahrzehnte. Ich seufzte unglücklich und drehte mich auf die Seite, sodass ich Edward ansehen konnte.
    Ich war überrascht, als ich Dr. Cullen an seinem Bett stehen sah. Ich hatte angenommen, er hätte die Überführung von Elizabeths Leiche ins Leichenschauhaus selbst überwacht. Doch nun stand er hier und sah auf meinen Verlobten herab, während er seinen Puls überprüfte. Sein Gesichtsausdruck machte mir Angst. Eine Gänsehaut überzog meine Arme und ich konnte nicht sagen, wieso. Dr. Cullen starrte Edward mit einer Mischung aus Trauer, innerer Zerrissenheit und ohnmächtiger Wut an. Es sah so aus, als würde er mit sich ringen, doch ich wusste leider nicht, um welchen Gegenstand dieser innere Kampf ging. Die Art, wie er Edwards Armgelenk hielt, seine eigene Haltung, seine Augen, die so hart wie ein Fels waren – all das verursachte eiskalte Schauer in meinem Körper.
    Und er schien nicht einmal zu bemerken, dass ich ihn beobachtete. Er schien von seiner Umwelt überhaupt nichts wahrzunehmen. Das war mehr als ungewöhnlich.
    Mein Herz raste, als mir wieder einfiel, um was Elizabeth ihn gebeten hatte. Er sollte Edward retten, er sollte alles tun, was in seiner Macht steht. Barg diese verzweifelte Bitte etwa doch eine tiefere Wahrheit als ich angenommen hatte?
    Plötzlich hob Dr. Cullen seinen Kopf und sah mir direkt in die Augen. Ich schrak zurück und musste gegen den plötzlichen Drang zu fliehen stark ankämpfen.
    „Wie geht es ihm?“, flüsterte ich leise. Er konnte unmöglich hören, dass meine Stimme zitterte, wenn ich leise flüsterte. Dennoch wurden seine Augen sofort weich und warm, fast so, als ob er wusste, dass ich Angst vor ihm gehabt hatte und dies nicht wollte.
    Er schüttelte nur traurig den Kopf. Auf einmal sah er uralt aus. Mit gebeugten Schultern trat er zurück und lief weiter.
    Von dieser Reaktion war ich ziemlich erstaunt. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen, ihn regelrecht zu quälen. So hatte ich Dr. Cullen noch nie gesehen.

    Ich schloss seufzend meine Augen, da mir von der ganzen Aufregung der letzten Minuten schon wieder schwindlig wurde. Ich hatte das Gefühl, dass mein Kopf bald platzen würde, wenn ich noch weiter so viel grübeln würde.
    Auf einmal wurde mir eiskalt. Irgendetwas sagte mir, dass sich in den nächsten Stunden alles entscheiden würde. Meine Zukunft, mein Leben – all dies hatte sich in den letzten Tagen in der Schwebe befunden. Der entscheidende Punkt, an dem sich die Dinge klären würden stand mir unmittelbar bevor. Eine starke Unruhe erfüllte mich und belebte meine müden und steifen Glieder. Ich konnte unmöglich weiterhin so ruhig liegen bleiben. Ich musste etwas tun, egal was!
    Entschlossen setzte ich mich langsam auf und stellte erstaunt fest, dass sich der Raum dieses Mal nicht drehte. Auch die schwarzen Punkte, das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren oder das Herzrasen hielten sich in Grenzen. Die Schmerzen in meinen Gelenken waren ebenfalls beinahe erträglich. Woran das wohl lag? Würde ich bald sterben und spürte diese Dinge deswegen kaum noch? Oder träumte ich womöglich nur?
    Diese Gedanken machten mir Angst, doch ich schob sie vehement beiseite. Ich hatte in diesem Moment erkannt, was mein Körper schon längst wusste: Ich wollte bei Edward sein, ich wollte ihm so nahe sein wie es nur möglich war. Womöglich war es die letzte Gelegenheit, die ich noch hatte.

    Aus diesem Grund bemühte ich mich, langsam und vorsichtig aufzustehen. Seit mehreren Tagen schon hatte ich schwach und kraftlos im Bett gelegen, kaum gegessen und getrunken. Mein Körper war erschöpft, abgemagert und schwach. Dennoch gelang es mir zu stehen. Obgleich ich ziemlich schwankte und meine Knie stark zitterten schaffte ich die wenigen Schritte zu Edwards Bett.
    Keuchend und völlig außer Atem setzte ich mich auf den Bettrand und fasste mir mit einer Hand an meinen Brustkorb. Mein Herz raste, es überschlug sich fast. Diese wenigen Schritte hatten mich vollkommen erschöpft. Ich war deswegen ziemlich erschrocken, doch ich zwang mich nicht daran zu denken. Ich wollte die letzten Stunden auf der Erde nicht damit verbringen, mir Sorgen zu machen.
    Endlich war ich wieder in Edwards Nähe. Er lag nur wenige Zentimeter unterhalb von mir auf seinem Bett. Ich konnte sein Gesicht ganz nah vor mir sehen, sein Haar berühren, seine Hand nehmen. Dies waren ungemein tröstende Gedanken.
    Vorsichtig strich ich mit meinen Fingern über seinen Unterarm, der kraftlos auf der Decke lag. Ich zuckte nur kurz zurück, als ich seine schweißnasse Haut berührte. Er glühte, er glühte so sehr! Das Fieber hatte ihn noch nicht verlassen, selbst nach all diesen Tagen tobte es immer noch in ihm. Ich fragte mich, wie sein Körper diesen Fiebersturm so lange hatte überstehen können.
    „Edward“, flüsterte ich, während meine Hände weiter sanft über seinen Körper strichen. Seine Arme, sein Hals, seine Wangen, seine Haare – ich versuchte, so viel wie möglich zu berühren. Ob er es wohl bemerkte? Er zuckte manchmal ein wenig zusammen, doch sah er mich nicht durch seine Augen an. Sie blieben die ganze Zeit über geschlossen. Vielleicht hatte er einfach keine Kraft mehr um sie zu öffnen. Ich beugte mich etwas herab und küsste ihn auf seine Stirn. Meine Lippen berührten ihn nur kurz, doch es genügte ihm offenbar. Ein kleines Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und er seufzte leise. Als ich seine rechte Hand ergriff drückte er sie sanft.

    In diesem Moment konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Die Erleichterung war so groß, dass ich schluchzend über ihm zusammenbrach. Immer wieder murmelte ich seinen Namen, während ich ihm mit zitternder Hand über sein Gesicht strich. Er war noch so weit bei Bewusstsein, dass er meine Anwesenheit spüren konnte. Seine kleinen Reaktionen auf meine Berührungen waren das größte Geschenk, das man mir machen konnte. Tränen fielen auf sein Gesicht, doch das war mir gleich. Er war trotz allem immer noch bei mir, das war das einzige, was zählte.
    „Edward Anthony Masen, ich liebe dich“, flüsterte ich leise, als ich mich wieder ein wenig beruhigt hatte.
    „Bella“, murmelte er undeutlich. Mein Herz blieb für eine Sekunde fast stehen. Hatte er gerade mit mir gesprochen?
    Seine Atemzüge wurden tiefer und erfolgten nun rascher. Sein ganzer Körper regte sich und seine Finger streckten sich etwas. Ungläubig beobachtete ich die Veränderungen seines Körpers und wartete angespannt auf mehr. Quälend langsam öffnete er seine Augen und sah sich verwirrt um, bis er mich endlich erkannt hatte.
    „Bella“, flüsterte er erneut.
    „Oh Gott“, stöhnte ich und schlug mir meine freie Hand vor mein Gesicht. Ich konnte es nicht glauben, dass er aufgewacht war. Die ganzen letzten Tage war er nicht bei Bewusstsein gewesen und nun lag er vor mir und sah mich nicht nur an, sondern sprach auch noch mit mir. Das alles konnte doch nur ein Traum sein.
    „Du bist ja immer noch hier“, sagte er mit kraftloser und heiserer Stimme. Dennoch konnte ich einen winzigen Funken Spott heraushören, ebenso wie einen größeren Teil Liebe.
    „Edward“, murmelte ich und versuchte ein wenig wütend zu klingen. „Ich habe es dir versprochen: Ich verlasse dich nicht!“
    Etwas Unglaubliches geschah: Er verzog seinen Mund zu seinem schiefen Lächeln und selbst seine Augen funkelten belustigt.
    Seine Hand, die meine immer noch umschlossen hielt drückte sie ein wenig fester. Sie war so entsetzlich heiß, viel heißer als meine eigene.
    „Ich...“, begann er vorsichtig, doch seine Stimme versagte ihm.
    „Du darfst nicht sprechen Edward, du bist viel zu schwach“, sagte ich leise und strich ihm über seine Wange.
    Er schüttelte nur den Kopf. „Es ist wichtig“, murmelte er und sah mich forschend an.
    „Du musst dich schonen Edward, sonst wirst du nicht gesund“, entgegnete ich und musste schlucken. „Dr. Cullen hat gesagt, dass du dich ausruhen musst. Dann wirst du bald wieder gesund.“ Wie leicht mir diese Lüge doch von meinen Lippen ging. Doch ich wollte einfach nicht, dass Edward Angst hatte. Er sollte ruhig glauben, dass er es schaffen könnte, um seine letzten Stunden in einem beruhigten Zustand zu verbringen.
    „Lügnerin“, sagte er leise, doch in seiner Stimme schwang kein Vorwurf mit. Er sah mich verständnisvoll an. Er wusste, weswegen ich das tat.
    Tränen liefen mir über meine Wangen und ich schniefte leise. Wieso nur mussten wir beide diese Qualen erleiden?
    „Bella, ich werde bald sterben“, sagte er in mein Schluchzen hinein und seine Stimme bebte ebenfalls. „Ich kann es fühlen. Ich spüre, wie sämtliche Kraft meinen Körper verlässt, bald wird keine mehr übrig sein, um gegen dieses Fieber zu kämpfen. Meine Zeit hier ist wohl abgelaufen.“
    „Nein“, keuchte ich nur, doch er unterbrach mich sanft.
    „Shh, Bella“, flüsterte er und streckte eine Hand nach meinem Gesicht aus. Sie zitterte stark, als sie mir über meine Wange strich. Ich konnte nur ahnen, welch übermenschliche Kräfte ihm diese Geste abverlangte.
    „Wenn Gott mich bei sich haben will, dann kann ihn niemand aufhalten“, sagte er seufzend.
    „Du darfst mich nicht verlassen“, schluchzte ich und klammerte mich an seinen Arm. „Du hast es mir versprochen!“

    Ich wusste selbst nicht, weswegen ich mich so irrational verhielt. Ich machte ihm dadurch seinen Abschied nur noch viel schwerer. Hatte ich nicht selbst die ganze Zeit über gewusst, dass es so enden würde? Hatte ich nicht genug Zeit gehabt, mich auf diesen Moment vorzubereiten? Weswegen fiel es mir nun bloß so schwer? Weshalb hatte ich das Gefühl entzweigerissen zu werden?
    „Ich weiß, ich hab es dir versprochen“, antwortete Edward. Immer noch lag dieses Lächeln auf seinen Lippen. Er sah mich so liebevoll an, wie es ihm möglich war. Doch er wirkte auch unendlich traurig. Wie konnte ich ihm dies nur antun? Jetzt würde er sich doch die ganze Zeit um mich sorgen, obwohl ich genau das verhindern hatte wollen.
    „Und ich weiß auch, dass ich mein Versprechen wohl nicht halten kann. Es tut mir so unendlich leid Bella.“
    „Edward, hör auf dir Vorwürfe zu machen“, entgegnete ich seufzend, aber mit Bestimmtheit. „Es ist nicht deine Schuld! Ich weiß nur nicht, wie ich es ertragen soll, ohne dich weiterzuleben“, fügte ich leise hinzu.
    Auch wenn mein Leben wohl selbst nicht mehr allzu lange gehen würde. Ich würde wohl ebenfalls bald sterben. Das war zumindest ein kleiner Trost.
    „Jeder Sekunde ohne dich wird eine einzige Qual sein“, flüsterte er. „Egal, wie wundervoll der Ort auch sein mag, an dem ich mich befinden werde, ohne dich wird er mich nicht trösten können. Eine Welt ohne dich ist unvollkommen.“
    „Edward“ Meine Stimme zitterte so stark, dass ich keinen einzigen Satz mehr zustande bringen konnte. Ich schloss meine Augen und legte meinen Kopf auf seiner Brust ab. Edward umarmte mich zögerlich. Seine heißen Arme brannten auf meinen Schultern und mein Gesicht glühte bereits nach wenigen Augenblicken, doch das war mir gleich. Ich konnte seinem Herzschlag lauschen, der zwar schwach war, doch immerhin noch vorhanden.

    „Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich und dankbar ich dafür bin, dass ich dich kennen lernen durfte“, sagte er leise. Ich richtete mich wieder auf, um ihn ansehen zu können. Ich wollte seine grünen Augen so lange sehen wie es mir möglich war.
    Voller tiefgehender Liebe strahlten sie mich an. „Mein Leben wäre so leer, so sinnlos gewesen, hätte ich dich nicht getroffen. Ich danke Gott so sehr dafür, dass du es erhellt hast, dass du meinem Leben einen Sinn gegeben hast.“ Unendlich zärtlich fuhr er mir seinem Handrücken über meine erhitzte Wange.
    „Ich werde mir jedoch nie verzeihen, dass ich dich nicht zu meiner Frau nehmen konnte. Die Zeit hatte dafür nicht ausgereicht“, murmelte er traurig.
    „Ich gehörte schon immer dir Edward. Ganz gleich, ob mit offizieller Bestätigung oder nicht“, antwortete ich sofort.
    „Ich weiß“, flüsterte er leise. „Und dennoch würde ich diese Sache gerne erledigen, bevor...“ Seine Stimme brach und ich nickte nur. Schlimm genug, dass es wahr war, was er hatte sagen wollen. Er musste es nicht auch noch aussprechen.
    „Ich wäre so gerne mit dir zusammen vor den Altar getreten“, sagte ich traurig. „Mein Kleid hätte dir sicher gefallen“, fügte ich hinzu und musste ein wenig lächeln.
    Er grinste zurück. „Ich vermute fast, dass dein Anblick mich auf der Stelle getötet hätte. Kein Mann ist so viel Schönheit gewachsen.“
    „Übertreib nicht so maßlos“, schalt ich ihn sacht.
    Es war erstaunlich: Obwohl uns beiden bewusst war, dass dieses Gespräch das letzte sein würde, das wir je führen könnten konnten wir trotzdem noch Scherze machen. Irgendwie war ich für diese Tatsache sehr dankbar. Ich hätte es nicht ertragen, über ernste Themen zu sprechen. Diese Scherze lockerten die angespannte Atmosphäre etwas und ich wusste, dass sie mir den Abschied ein wenig erleichtern würden. Immerhin würde Edward glücklich sterben und würde mich lächelnd in Erinnerung behalten.  
    „So schön du auch in diesem Kleid ausgesehen hättest, ich hätte alles darum gegeben, dich in der Hochzeitsnacht unverhüllt zu sehen.“ Er schloss seufzend die Augen, während ich feuerrot anlief.
    „Edward“, zischte ich und sah ihn vorwurfsvoll an.
    Er öffnete seine Augen wieder und sah mich äußerst amüsiert an. Er genoss es wohl mich in Unbehangen zu versetzen.
    „Du siehst so schön aus, wenn du rot wirst“, murmelte er sanft. „Vergib mir bitte mein ungehobeltes Benehmen, ich hätte das nicht sagen sollen.“ Sein Blick hielt mich gefangen. Ich seufzte leise. Wenn er mich so ansah, dann vergaß ich recht schnell, weswegen ich eigentlich auf ihn wütend sein sollte.
    „Ich verzeihe dir“, flüsterte ich und lächelte ihn an.
    Er versuchte sich etwas aufzurichten, doch ein Hustenanfall hielt ihn davon ab. Ich reichte ihm rasch etwas Wasser, das er langsam und schwerfällig hinunterwürgte. Sanft strich ich ihm über seine glühende Stirn, als er seinen Kopf matt ins Kissen zurück sinken ließ und seine Augen kurz schloss.

    „Das ist nicht gerecht“, grummelte er leise. „So vieles wollte ich dir geben, ich wollte dich an jedem einzelnen Tag glücklich machen. Aber jetzt lässt man mich nicht mehr.“
    Ich sah zur Seite, um meine Tränen vor ihm zu verbergen. Er hatte Recht, es war wirklich ungerecht. Ich war plötzlich ungemein wütend. Wieso musste ich dies alles erdulden? Wieso hatte man mir erst meine Eltern und dann die Masens genommen um mir dann schließlich auch noch Edward wegzunehmen? Und wieso war ich diejenige, die dies alles mit ansehen musste? Was hatte ich nur verbrochen?
    „Bella, sei nicht traurig.“ Edwards Stimme, schwach und leise, aber dennoch immer noch so schön wie ich sie kannte, holte mich aus meinen Gedanken zurück.
    „Machen wir uns nichts vor Edward“, sagte ich bitter. „Ich habe allen Grund um traurig zu sein.“
    Er sah mich betrübt an. „Bitte, so darfst du nicht denken. Auch wenn ich bald nicht mehr sein werde, du wirst weiterleben und erneut jemanden finden, den du lieben kannst. Du wirst glücklich sein, Bella. Ich kann es fühlen!“
    Ich widerstand nur schwer dem Drang, mir die Ohren zuzuhalten. „Hör auf Edward!“, rief ich, fast schon zu laut. Eine Krankenschwester, die in unserer Nähe stand drehte sich neugierig zu uns um.
    „Ich will das nicht hören! Ich werde niemals mehr jemanden finden, den ich lieben kann, denn du wirst der Einzige sein, der diese Gefühle überhaupt verdient. Und wenn du nicht mehr am Leben bist, dann ist mein Leben ebenfalls vorbei“, stieß ich hervor. Diesmal konnte ich nicht verhindern, dass die Tränen über meine Wange liefen.
    „Ach Bella“, sagte Edward und klang überaus unglücklich. „Du darfst nicht so an mir festhalten. Ich bin das nicht wert.“
    „Sei einfach still Edward“, murmelte ich und blickte zu Boden.
    Heiße Hände fuhren meine Wangen entlang und hoben mein Kinn an, sodass ich ihn ansehen musste. Wie gebannt starrte ich ihm einige Zeit lang in seine wunderbaren Augen.
    Hatte er denn gar keine Angst zu sterben? Er sah so mutig aus.
    „Mein einziger Wunsch ist, dass du glücklich sein wirst. Ich möchte nicht, dass du dein Leben lang um mich trauerst. Du wirst noch so viele Menschen kennen lernen und ich kann mir gut vorstellen, dass einige dabei sein werden, für die du wieder so tief empfinden kannst wie für mich. Du darfst dich nur nicht dagegen stellen“, flüsterte er. Ich sah ihm deutlich an, dass diese Worte ihm Überwindung kosteten, aber trotzdem ernst und aufrichtig gemeint waren.
    „Edward, verlang das nicht von mir“, hauchte ich benommen. Es tat so schrecklich weh. Ich wusste, dass er dies nur aus Liebe zu mir tat, doch trotzdem fühlte es sich furchtbar an. Er gab mich frei - es war wie ein grässlicher Alptraum.
    „Versprich es mir Bella. Ich kann nicht in Frieden sterben, wenn ich nicht weiß, dass du alles tun wirst, um wieder glücklich zu sein“, entgegnete er.
    „Ich kann das nicht tun“, sagte ich aufgewühlt. Seine Hände, welche die ganze Zeit über mein Gesicht umfasst hatten zogen mich näher zu sich heran.
    „Bitte“, flehte er. Seine grünen Augen funkelten mich eindringlich an. „Versprich mir, dass du weiterleben wirst. Dass du eine Familie haben wirst, einen Mann und viele, wundervolle Kinder. Dass du etwas aus deinem Leben machst, so wie du es vorhattest – studieren, einen Beruf erlernen und die Welt bereisen. Du hast noch so viel vor dir Bella und ich wünsche mir so sehr, dass du dein Leben in vollen Zügen genießt. Dies ist meine einzige Bitte an dich Bella“, sagte er. Seine Worte waren ehrlich gemeint und seine Stimme klang so intensiv, dass ich unwillkürlich erschauderte. Ich wusste, wie meine Antwort lauten sollte, doch ich konnte sie unmöglich aussprechen. Niemals würde ich ihn vergessen können, geschweige denn so weiter machen, als sei nichts geschehen.
    Der Gedanke, dass ich selbst bald sterben würde, machte mir auf einmal überhaupt keine Angst mehr. Im Gegenteil, ich begrüßte diese Aussicht mit offenen Armen. Denn eins war mir bewusst: Ein Leben ohne Edward würde ich niemals führen können.
    „Bella“, sagte er drängend.
    Ich blickte seufzend in sein Gesicht, dass meinem so nahe war. Sein wunderschönes Gesicht, das mich nun so besorgt ansah.
    „Ich versuche es Edward. Mehr kann ich dir nicht versprechen“, flüsterte ich, bevor meine Stimme versagte.
    „Das genügt. Für den Anfang“, antwortete Edward. Dann lächelte er ein wenig.
    „Edward.“ Nun schluchzte ich wahrhaftig. „Ich werde dich immer lieben. Ich werde jeden Tag an dich denken. Ich werde dich niemals vergessen“, brachte ich hervor.
    „Das weiß ich Bella“, murmelte er sanft. Seine Hände glitten über meine Schultern zu meiner Taille. Ich hievte meine Beine umständlich auf sein Bett und schmiegte mich eng an ihn. Sein Körper war fürchterlich heiß, doch das störte mich nicht. Allein das Gefühl wieder neben ihm zu liegen war wundervoll.
    Er vergrub sein Gesicht an meinem Kopf und küsste mich auf meine Haare. Seine Hände strichen über meine Taille und meine Hüfte. Es war fast so wie an jenen entsetzlichen Tagen, als wir noch nicht wussten, was das Schicksal für uns bereit hielt. Doch jetzt waren unsere beiden Körper vom Fieber geschwächt und Edwards Hände zitterten unkontrolliert. Ich konnte förmlich spüren, wie viel Kraft es ihn kosten musste, mich so zu umarmen. Ich schloss meine Augen und versuchte diesen Moment so gut wie es mir nur möglich war in mein Gedächtnis einzubrennen.

    „Isabella“, flüsterte Edward plötzlich in die Stille hinein. Er klang aufgeregt und nervös zugleich. „Heirate mich.“
    Ich war so perplex, dass ich mich etwas aufsetzte. Mein Herz schlug unkontrolliert, als ich in sein Gesicht sah und erkannte, dass er es ernst gemeint hatte.
    „Was? Aber, wie? Ich meine, hier ist doch kein Priester, oder...“, stammelte ich. Er unterbrach mich lächelnd.
    „Nun, es hätte wohl nur symbolischen Charakter, doch das ist mir gleich. Ich hätte damit mein Versprechen gehalten und würde mit dem Wissen sterben, dass du meine Frau bist – wenn auch nur für wenige Stunden“, erklärte er. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung.
    Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte. In meinem früheren Leben hätte ich seine Bitte wohl als absurd hingestellt. Doch jetzt, im Angesicht des Todes sah ich die ganze Sache mit anderen Augen.
    Der Vorschlag, ob absurd oder nicht, gefiel mir sogar. Es wäre nicht nur für Edward ein schöner Abschied von dieser Welt.
    „Einverstanden“, flüsterte ich leise. Ich hatte Angst, dass mir meine Stimme versagen würde, wenn ich etwas lauter sprechen würde. Ich setzte mich so hin, dass ich Edward direkt ins Gesicht sehen konnte, während er ebenfalls versuchte, sich etwas aufrechter hinzusetzen. Diesmal schaffte er es sogar. Vermutlich war er durch unser Vorhaben mehr als nur gestärkt.
    Sanft nahm er meine rechte Hand und sah mir tief in die Augen.
    „Ich, Edward Anthony Masen, nehme dich, Isabella Marie Swan zu meiner rechtmäßigen Ehefrau. Ich schwöre dir meine ewige Liebe und ewige Treue. Ich werde immer zu dir stehen, in guten wie auch in schlechten Tagen“, sagte er fast schon feierlich und drückte meine Hand sanft.
    „Es tut mir leid, ich habe die eigentlichen Ringe leider nicht bei mir“, fügte er entschuldigend hinzu.
    „Das macht gar nichts“, entgegnete ich und lachte nervös. Dieser Moment war etwas ganz besonderes. Mir war sehr wohl bewusst, dass wir beide auf einem schäbigen Krankenbett lagen, vollkommen erschöpft waren und vermutlich furchtbar aussahen und doch geschah gerade etwas so wunderbares, dass es mir den Atem verschlug.
    Edwards Blick riss mich aus meinen Grübeleien. Ich musste ihm schließlich auch noch mein Eheversprechen geben.
    „Ich, Isabella Marie Swan nehme dich, Edward Anthony Masen zu meinem rechtmäßigen Ehemann. Ich schwöre dir, dass ich dich immer lieben und dir immer treu sein werde, so lange ich auf dieser Welt lebe. Ich werde immer zu dir stehen, in guten wie in schlechten Tagen“, sagte ich mit bebender Stimme. Mein Herz raste in Höchstgeschwindigkeit als er nun auch meine andere Hand ergriff und mir in die Augen sah.
    Es war soweit – wir waren nun wirklich Mann und Frau. Auch wenn kein Priester anwesend war, der diese Eheschließung hätte bezeugen können – für uns beide war diese Ehe nun wirksam und das war das einzige was zählte.
    „Ich glaube, ich darf die Braut nun küssen, oder?“, murmelte Edward und grinste mich frech an. Mir stockte der Atem bei diesem Anblick. Er sah so schön aus, trotz des bleichen, eingefallenen Gesichts und den feuchten Haaren, die ihm an der Stirn klebten. Ich hätte ihn die ganze Zeit über nur anstarren können. Diese wenigen Minuten hatten seine ganze Ausstrahlung komplett verändert.
    Sein Lächeln wurde breiter, als er meinen Blick sah und beugte sich langsam zu mir. Bevor unsere Lippen sich berührten hauchte er noch „Ich liebe dich Bella“, dann trafen unsere Lippen aufeinander. Dieser Kuss war so wundervoll wie all die anderen und doch anders. Uns beiden war bewusst, dass dies unser letzter Kuss sein würde, keiner von uns wollte ihn vorzeitig beenden. Und auch wenn wir beide vollkommen am Ende unserer Kräfte waren, vom Fieber glühten und todkrank, so genossen wir doch diesen letzten Moment der Zweisamkeit.
    Schließlich löste ich mich von ihm, jedoch nur, da ich das dringende Bedürfnis hatte zu atmen- Edward ließ sich matt auf sein Kissen zurück sinken und lächelte selig. Ich legte mich wieder neben ihn und bette meinen Kopf an seiner Brust.
    „Mrs. Masen“, murmelte Edward leise, während er mir sacht über meine Haare strich.
    „Das klingt wirklich wundervoll“, antwortete ich lächelnd.
    „Ich bin froh, dass es dir gefällt.“
    Eine Weile sagten wir beide nichts und genossen nur die Nähe des anderen. Als ich spürte, dass Edward einschlief, klammerte ich mich nur noch umso fester an ihn.
    „Verlass mich nicht Edward“, bat ich ihn leise.
    „Ich verlasse dich nicht, Bella. Niemals.“ Seine Antwort war nur ein leises Murmeln. „Ich werde immer dort sein, wo du bist.“
    „Versprich es mir“, flehte ich ihn an.
    „Ich habe es dir bereits versprochen. Und ich stehe zu meinem Wort“, hauchte er. „Ich liebe dich, Isabella Masen.“
    „Ich liebe dich“, flüsterte ich.
    Als er nichts mehr sagte hob ich vorsichtig meinen Kopf. Er war eingeschlafen, seine Brust hob und senkte sich leicht. Sein Gesichtsausdruck war friedlich.

    Ich schniefte leise und strich ihm vorsichtig über sein Gesicht. Diesmal spürte er meine Berührungen nicht, zumindest konnte ich keine Reaktion erkennen. Ich wandte den Blick von seinem Gesicht und legte meinen Kopf wieder auf seine Brust, während ich mich an ihm festklammerte. Ich wollte nicht darüber nachdenken, dass es nun vorbei war. Ich konnte es nicht, mein Verstand weigerte sich vehement, diese Tatsache zu akzeptieren. Ich kniff meine Augen zusammen und versuchte zu schlafen, doch es ging nicht. Zum ersten Mal seit Stunden war ich nicht erschöpft genug um einzuschlafen. Auch die schrecklichen Schmerzen wüteten nicht wie sonst in meinem Körper. Ich hätte sie mit offenen Armen begrüßt, sie hätten mich von dem Schmerz ablenken können, der sich in meiner Brust ausbreitete und sich noch schrecklicher als all die Qualen davor anfühlte.
    Ich biss mir wütend auf die Lippen, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Unter mir stöhnte Edward leise auf. Besorgt lauschte ich seinem Herzschlag. Ich war erleichtert, dass er noch vorhanden war. Sein Herz schlug schwach und leise, doch wenigstens schlug es noch.

    Ich konzentrierte mich so stark auf Edwards Körperreaktionen, dass ich nicht bemerkte, dass Dr. Cullen zu unserem Bett herangetreten war und auf uns herabstarrte.
    Erst seine leise Stimme riss mich buchstäblich zurück in die Realität.
    „Miss Swan“, flüsterte er. „Es ist Zeit. Lassen Sie ihn los.“
    Seine Stimme war so sanft, genauso wie sein Blick, doch seine Worte hätten nicht grausamer sein können. Ich verstärkte meinen Griff und funkelte ihn herausfordernd an.
    „Es ist vorbei, Isabella. Sie können nichts mehr tun“, sagte er und sah mir direkt in meine Augen. Langsam senkten sich seine Hände und umfassten meine Handgelenke, um meinen Griff zu lockern.
    Ich konnte ihn nur wie gelähmt anstarren – was sollte ich bloß tun?
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 26: Flucht in die Ewigkeit



    Nun war es also so weit. Der entscheidende Augenblick, auf welchen ich die ganze Zeit über gewartet hatte, war gekommen. Ich wusste nicht, wieso, aber ich fühlte ganz genau, dass die Entscheidung nahe war. Und ich wusste nun auch endlich, was zu tun war. Ich würde bei Edward bleiben, egal, was Dr. Cullen unternehmen sollte. Ich würde ihn niemals alleine lassen.
    „Nein“, flüsterte ich deshalb nur und versuchte meine Handgelenke aus seinem festen, eisigen Griff zu befreien.
    Dr. Cullen seufzte. „Ich weiß, wie unendlich schwer es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren. Und Sie haben wahrlich viel zu viele Menschen, die Ihnen nahe standen in den letzten Tagen verlieren müssen. Aber trotz allem, Isabella, möchte ich Sie nun zum letzten Mal auffordern, ihn los zu lassen. Sie können nichts mehr für ihn tun und das wissen Sie ebenso gut wie ich!“ Seine Stimme klang eindringlich und überzeugend, doch diesmal widerstand ich dem Zauber, der ansonst von seiner Stimme ausging. Natürlich war mir vollkommen bewusst, wie kindisch und albern mein Verhalten war und dass ich Edward niemals retten konnte. Aber irgendetwas sagte mir, dass ich ihn jetzt auf keinen Fall alleine lassen sollte.
    Ich blickte tief in die Augen von Dr. Cullen, die von einem eigenartigen Ocker waren, das mir bis zu diesem Zeitpunkt noch nie aufgefallen war. Diese Farbe war wirklich ungewöhnlich und ich fragte mich, weswegen ich sie noch nicht bemerkt hatte. In der nächsten Sekunde zuckte ich grimmig zusammen. Wieso ließ ich mich in solch einer heiklen Situation von einer lächerlichen Sache wie der Augenfarbe meines Arztes ablenken?
    „Dr. Cullen. Carlisle“, begann ich zögernd und räusperte mich etwas. Ich musste versuchen, ebenfalls eindringlich zu klingen. Dann hatte ich vielleicht noch eine Chance.
    „Ich kann ihn nicht alleine zurücklassen. Nicht, wenn es noch die Möglichkeit gibt, dass man ihn retten kann“, flüsterte ich. Obwohl meine Stimme ihren Dienst versagte, blickte ich ihn weiterhin an.
    Bei meinen Worten zuckte er ruckartig und überraschend plötzlich zusammen. Er sah mich gequält an, seine makellose Stirn war mit Sorgenverfalten bedeckt, sein Gesichtsausdruck leidvoll. Ich schluckte und fragte mich, wieso er so reagieren mochte.
    „Isabella, das ist keine Möglichkeit“, gab er zur Antwort. Endlich gaben seine durchdringenden Augen mich frei, als er zu Boden sah. Ich atmete geräuschvoll ein und aus.
    „Sie haben es versprochen. Ich habe es genau gehört. Elizabeth Mason hat Sie angefleht, ihn zu retten“, murmelte ich.
    Er schüttelte den Kopf. „Das waren nur Worte. Ich habe einer sterbenden Frau den letzten Weg etwas erleichtern wollen.“
    „Das glaube ich nicht“, entgegnete ich trotzig. Und tatsächlich entsprach es nur der Wahrheit – ich schenkte seinen Worten wirklich keinen Glauben. Dafür, dass es nur hohle Worte gewesen sein sollten, hatte er erstaunlich sensibel reagiert und viel zu lange darüber nachgedacht. Oh nein, ich war mittlerweile viel zu misstrauisch, als dass ich seinen Ausflüchten jetzt glauben konnte.
    „Isabella, das... das kann ich einfach nicht tun. Es geht nicht. Bitte, zwingen Sie mich nicht das zu tun“, flüsterte er plötzlich und schlug sich die Hände vors Gesicht. Er stöhnte gequält auf und sah dann auf mich und Edward herab.

    Mein Herz schlug schneller als ich diese Antwort vernahm. Ich hatte doch gewusst, dass es noch einen Ausweg gab. Hoffnung keimte in mir auf, so dass mir fast schwindlig wurde und ich setzte mich etwas aufrechter hin. Edward würde vielleicht leben können, er würde nicht sterben müssen. Unzählige Bilder erschienen vor meinen Augen, die allesamt mich und Edward zeigten, in einer glücklichen Zukunft.
    „Bitte, Carlisle“, flehte ich ihn an und fühlte mich auf einmal wie Elizabeth. „Helfen Sie uns! Sie sind dazu in der Lage, Sie könnten uns beide gesund machen. Wieso wollen Sie das denn nicht?“
    „Ich würde Ihnen damit keinen Gefallen tun“, antwortete er brüsk und sah sich unbehaglich nach allen Seiten um. Ich tat das gleiche und stellte erleichtert fest, dass uns sowieso niemand zuhörte. All die Kranken um uns herum lagen ebenfalls im Sterben oder waren kurz davor und die Krankenschwestern schenkten uns allesamt keine besondere Beachtung. Niemand würde mitbekommen, welchen Pakt ich hier gerade schloss. Oder zumindest versuchte zu schließen.
    „Isabella“, murmelte er leise. Ungläubig sah ich, wie er sich auf mein altes Bett setzte und mich musterte. Seine ganze Haltung deutete auf einen inneren Kampf hin, dessen Ausgang momentan zu meinen Gunsten sein könnte. Er sah so gequält, so zerrissen aus, dass ich mich sehr zusammen nehmen musste, um nicht einfach aufzustehen und ihn zu trösten.
    „Ich wünschte so sehr, Sie würden das nicht von mir verlangen. Sie können nicht ahnen, wie sehr mich dieser Gedanke quält. So viele Stunden habe ich darüber nachgedacht und versucht, diese Lösung zu akzeptieren, aber ich kann es einfach nicht. Ich kann nicht zwei junge Menschen zu etwas verdammen, was nicht einmal die schlimmsten Verbrecher verdienen.“ Er seufzte leise.
    Ich saß ganz still auf Edwards Bett und hörte ihm wie gebannt zu. Er war im Begriff, mir sein wohl gehütetes Geheimnis zu verraten, das konnte ich spüren. Zudem ergab jetzt endlich alles einen Sinn. All diese merkwürdigen Kleinigkeiten, die mir stets im Zusammenhang mit Dr. Cullen aufgefallen waren, schienen wohl mit seinem Geheimnis zusammen zu hängen. Trotz dieser heiklen und angespannten Lage war ich sehr neugierig, was er mir wohl berichten würde.
    „Ich weiß, ich habe Elizabeth Masen versprochen, ihren Sohn zu retten. Und ich bin durchaus in der Lage, ihr Versprechen einzuhalten. Und dennoch frage ich mich, ob sie das gewollt hätte. Würde sie es sich wünschen, ihren Sohn der ewigen Verdammnis auszusetzen? Welche Eltern möchten schon solch ein Schicksal für ihre Kinder?“, flüsterte er und klang beinahe verzweifelt.
    „Ewige Verdammnis?“, hauchte ich ungläubig. Ich überlegte fieberhaft, was genau er wohl damit meinen könnte. Spontan fielen mir nur ein paar Gruselgeschichten ein, die mir meine Gouvernante manchmal vorgelesen hatte, als ich noch ein kleines Mädchen gewesen war. Diese Gesichten handelten allesamt von so genannten Untoten, Menschen, die ewig lebten und sich vom Blut anderer Menschen ernährten. Mir wollte der Name nicht mehr einfallen, aber ich erinnerte mich noch daran, dass er im Zusammenhang mit den Begriffen `ewige Verdammnis´ gefallen war. Warum aber sollte Dr. Cullen darauf anspielen? Es kam mir schon sehr albern vor.

    „Das ist das, was Sie erwarten wird, wenn Sie meine Hilfe wirklich annehmen sollten“, gab er nur zur Antwort und starrte wieder auf seine Hände.
    „Ich... ich fürchte, ich kann nicht ganz folgen“, brachte ich hervor. Mein Herz raste in meiner Brust und als Dr. Cullen mich durchdringend ansah, war ich mir plötzlich absolut sicher, dass er es hören konnte. Kalter Schweiß rann meinen Nacken hinab und auf einmal spürte ich dieses Gefühl der Bedrohung, von dem mir Edward einmal erzählt hatte. Der Blick von Dr. Cullen brachte meinen ganzen Körper dazu, sich auf eine schnelle Flucht vorzubereiten. Das Blut strömte durch meine Adern, meine Atmung wurde schneller, hektischer und ich musste mich geradezu dazu zwingen, nicht aufzuspringen und wegzurennen. Ich fühlte mich fast so, wie eine Beute, die ihrem Räuber ins Gesicht sieht, kurz bevor er angreift.
    „Sehen Sie? Sie können es spüren, nicht wahr?“, murmelte er leise. „Alles in Ihnen schreit Sie an, wegzulaufen, sich in Sicherheit zu bringen. Und wenn sie klug wären, dann würden sie diesem Rat auch folgen. Denn ich bin gefährlich. Äußerst gefährlich, für jeden Menschen, der mir begegnet.“ Er seufzte wieder und sah zu Edward hinab, der regungslos auf seinem Bett lag. Sobald er seinen Blick von mir abgewandt hatte, fühlte ich mich schlagartig besser. Ich verspürte zwar immer noch eine unerklärliche Furcht, aber immerhin fühlte ich mich nicht mehr wie gelähmt.

    Eine Zeit lang sagte niemand etwas. Dr. Cullen erhob sich von meinem Bett und stellte sich neben Edward. Er prüfte vorsichtig dessen Puls und schloss gequält die Augen. Er war immer noch am Leben und ich wusste genau, dass Dr. Cullen darauf gehofft hatte, dass Edward vielleicht sterben würde, bevor er sich entscheiden müsste. Und gleichzeitig sah ich auf einmal eine unendliche Zuneigung in seinem Gesicht – als er seine Augen wieder öffnete sah er Edward so an als wäre er sein eigener Sohn, der gerade auf dem Sterbebett lag. Dieser Blick gab mir ein neues und in meinen Augen unschlagbares Argument.
    „Carlisle, ich glaube Ihnen, dass Sie gefährlich sind und dass ich mich eigentlich fernhalten müsste. Aber, trotz dieser dunklen Seite weiß ich genau, dass Sie niemals willentlich jemanden verletzen oder Schaden zufügen würden. Sie haben eine ganz besondere Gabe: Sie empfinden Mitleid und würden am liebsten jedem Menschen irgendwie helfen. Und ich finde auch, dass diese Gabe all Ihre Fehler und Schwächen, von denen Sie glauben sie zu besitzen, um das tausendfache überwiegen. Sie sind kein bösartiges Wesen! Carlisle, Sie sind genau das Gegenteil!“, sagte ich eindringlich und ergriff seine beiden, eiskalten Hände. Das was ich sagte, waren keine hohlen Worte – sie kamen in diesem Moment wirklich von meinem Herzen. Ich war absolut davon überzeugt, dass ich recht hatte.

    Dr. Cullen sagte für einen Moment gar nichts, er sah ganz so aus, als hätte es ihm die Sprache verschlagen. Dann drückte er meine Hände sanft.
    „Ich danke Ihnen, Miss Isabella Swan. Noch nie in meinem Leben hat jemand dergleichen zu mir gesagt. Und ich kann Ihnen versichern, dass mein bisheriges Leben sehr, sehr lange gewesen ist“, antwortete er mir mit leiser Stimme.
    „Bitte, helfen Sie uns! Ich nehme alles in Kauf, wenn ich nur bei Edward sein und mit ihm mein Leben verbringen kann. Ich verspreche Ihnen, ich werde Ihnen nie einen Vorwurf machen, ganz gleich, was immer Sie auch mit uns machen müssen, um uns zu helfen!“ Jetzt flehte ich ihn wirklich an. Ich konnte beinahe fühlen, wie Edward seine Kräfte verließen. Ich wusste, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb. „Uns“, dachte ich verzweifelt. In den letzten Stunden hatten Edward und ich so viel zusammen durchstehen müssen. Das hatte uns auf eine Art und Weise verbunden, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Dr. Cullen würde doch niemals wollen, dass diese Einheit zerstört wurde!
    „Isabella, ich kann nicht“, murmelte er und mein Herz setzte für eine Sekunde aus. Wieso stellte er sich nur so gegen eine rettende Lösung?
    „Wieso?“, hauchte ich. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Es waren Tränen der Wut und der Enttäuschung.
    „Sie werden wieder gesund. Sie überleben diese Grippe. Ich könnte niemals einem unschuldigen Menschen sein Leben rauben“, gab Dr. Cullen leise zur Antwort.
    „Was?“ Ich sah ihn bestürzt an. Woher wollte er wissen, ob ich die Krankheit überleben würde?

    „Ich kann es riechen. Die Viren, die sie infiziert haben, haben sich in den letzten Stunden verringert. Ihr Blut riecht ganz anders als noch vor wenigen Tagen. Sie sind außer Gefahr.“
    Entsetzt machte ich einen Schritt nach hinten und vergaß zu atmen. Soeben war mir das Wort eingefallen, nach dem ich so lange gesucht hatte: Vampir.
    „Sie haben eine Zukunft! Sie könnten Edwards Versprechen einlösen und sein Andenken in Ehren halten. Verschwenden Sie Ihr Leben nicht, es ist das Kostbarste was Sie je besitzen werden! Wie können Sie so etwas nur wegwerfen wollen?“ Er sah mich gequält an. Sein Blick fiel kurz darauf auf Edward und er sah nun wieder traurig aus. „Für ihn hingegen besteht keine Hoffnung. Bald ist es zu Ende und er muss nicht mehr leiden. Wollen Sie nicht auch, dass er endlich erlöst wird?“
    Ich konnte nicht antworten. Meine Gedanken rasten in meinem Kopf umher, ich nahm kaum wahr, was er da eigentlich sagte. Endlich wusste ich, wie er uns retten konnte und endlich hatte ich auch erkannt, weswegen er sich so dagegen wehrte. Er könnte uns verwandeln, uns unsere Sterblichkeit nehmen und Edward und ich wären für immer zusammen. Der Preis war wirklich hoch, doch das kümmerte mich trotzdem kaum. Ich sah in diesem Moment nur meine Zukunft mit Edward. Und ich hatte schreckliche Angst vor diesem Weg. So eine Verwandlung würde sicher nicht einfach sein und ich wollte nicht wissen, was dafür alles unternommen werden musste. Aber es würde sich lohnen. Jeder Schmerz, jede Qual würde es am Ende wert sein. Edward und ich würden beide unseren Schicksalen entkommen.
    „Isabella“, sagte Dr. Cullen in die Stille hinein und kam mir wieder etwas näher. „Ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich vertraue Ihnen und hoffe, dass Sie mein Geheimnis für sich bewahren können. Ich wünsche mir nur so sehr, dass Sie verstehen können, weswegen ich Ihnen nicht helfen kann, sosehr ich es auch möchte.“
    Ich hatte so viele Fragen, doch ich wusste, dass sie warten konnten. Ich musste ihn irgendwie überzeugen, dieses Vorhaben umzusetzen, ehe Edward tatsächlich  starb. Ich hatte wohl nur noch diesen einen Versuch.

    „Carlise“, sagte ich leise und musste kurz husten. Meine Stimme klang furchtbar rau und heiser, als hätte ich die ganze Zeit über geredet. „Ich fühle mich sehr geehrt, dass Sie mir Ihr Vertrauen schenken und mir ihr Geheimnis anvertraut haben. Ich verspreche, es niemals irgendjemandem zu erzählen“
    Er sah mich kurz an und lächelte milde. Er wusste, dass ich es ehrlich meinte und das freute mich.
    „Aber“, fuhr ich fort. „Auch wenn ich Ihre Gründe gut verstehen kann, uns nicht zu helfen kann ich sie nicht akzeptieren. Ich weiß nicht, ob sie das Entscheidende meiner Situation begriffen haben, daher werde ich es jetzt noch einmal direkt aussprechen: Edward und ich, das ist viel mehr als nur eine romantische Liebe zweier junger Menschen. Was wir füreinander empfinden kann man nicht in Worte fassen und wenn Edward stirbt und ich alleine weiterleben muss wird das mein Tod sein. Es gibt keinen Ersatz für ihn, ich würde nie wieder glücklich werden. Möchten Sie das? Wollen Sie, dass ich bis an mein Lebensende alleine und unglücklich sein werde? Ich werde an gebrochenem Herzen sterben, verlassen und vereinsamt. Es ist völlig egal, dass ich die schlimmste Krankheit dieser Welt überlebt habe, es wird mir nichts nützen. In einer Welt ohne Edward kann ich nicht sein und das wissen Sie auch!“ Ich hielt kurz inne um wieder zu Atem zu kommen. Dr. Cullen sah mich mit geweiteten Augen an und ich entschloss mich, ihn ein letztes Mal um seine Hilfe anzuflehen.
    „Carlisle, bitte. Wenn Edward stirbt, dann sterbe auch ich. Ich flehe Sie an, bitte helfen Sie uns beiden! Ich kann mir vorstellen, dass Sie wissen, was Einsamkeit bedeutet. Und ich wüsste nicht, weswegen Sie sich solch ein Schicksal für mich wünschen würden. Bitte, bitte retten Sie ihn“, hauchte ich eindringlich und ergriff seine beiden Hände.
    „Oh Gott“, stöhnte er gequält und schloss seine Augen. Meine Rede hatte ihn tief berührt, das konnte ich sofort sehen. Ein paar schreckliche Augenblicke lang sagte er kein einziges Wort. Dann öffnete er seine Augen und sah mich mit einer Entschlossenheit an, die mein Herz zum Rasen brachte. Ich wusste, ich hatte gewonnen.
    „Also schön“, presste er hervor. „Sie haben mich überzeugt.“
    „Danke!“, seufzte ich erleichtert und umarmte ihn stürmisch. Erst wenige Sekunden später fiel mir ein, dass dieses Verhalten für mich ziemlich gefährlich und für ihn wahrscheinlich sehr unangenehm war. Doch da hatte er mich auch schon wieder sanft von sich geschoben.
    „Legen Sie sich hin und schließen Sie die Augen. Geben Sie keinen Laut mehr von sich. Ich werde Sie und Ihren Verlobten in einer Stunde abholen kommen und in ein Leichenschauhaus fahren. Es ist absolut wichtig, dass Sie sich weder bewegen noch sonst irgendwie lebendig verhalten. Erst, wenn ich sie direkt anspreche dürfen Sie wieder die Augen öffnen. Sie müssen beide offiziell als tot anerkannt werden und auch wenn das nicht allzu schwierig werden dürfte, man kann nie wissen. Ich werde Sie dann an einen anderen Ort bringen und Ihnen dort alles weitere erläutern.“ Mit diesen Worten erhob er sich und eilte ohne einen weiteren Kommentar davon.
    Wie benommen legte ich mich wieder zu Edward und bettete meinen Kopf an seiner Brust. Sein Herz schlug noch und ich hoffte, dass er noch eine Weile durchhalten würde. Ich schloss meine Augen und versuchte mich ein wenig zu entspannen, was recht schwierig war, denn mit einem Mal hatte ich schreckliche Angst vor dem, was mich erwarten würde.

    Nach einer endlos langen Zeit, die mir wie eine Ewigkeit vorgekommen war bemerkte ich, wie jemand das Bett bewegte.
    „Sie sind wohl in der letzten Stunde verstorben“, hörte ich Dr. Cullen sagen, während er meinen Puls prüfte, der immer noch wie wild hämmerte.
    „Wie tragisch! Sie waren so ein hübsches Paar. Und so verliebt ineinander. Die Welt ist wirklich nicht gerecht“, hörte ich eine weibliche Stimme voller ehrlicher Trauer seufzen.
    „Ich werde mich um diese beiden kümmern. Ich bin es den Familien schuldig. Machen Sie hier weiter Betty, ich stoße dann später wieder zu Ihnen.“
    „Natürlich, Dr. Cullen. Lassen Sie sich Zeit. Ich weiß, dass die beiden Ihnen sehr am Herzen gelegen waren.“
    „Ja, das tun sie“, murmelte er leise. Ich hörte das Rascheln von Stoff, spürte einen leichten Wind an meinem Gesicht und fühlte, wie sich das Bett langsam bewegte. Dr. Cullen schien uns wirklich aus dem Krankenhaus herauszubringen.
    Ich versuchte mich so gut es ging wie eine Leiche zu verhalten und hoffte, dass ich einigermaßen überzeugend war. Nur einmal ermahnte mich Dr. Cullen leise, mein Gesicht nicht so anzuspannen. Obwohl ich so erschöpft war, war ich doch hellwach. Meine Ohren konzentrierten sich auf alle Geräusche und mein Atem ging viel zu schnell. Ich hatte mich etwas auf die Seite gedreht und war nun sehr froh darüber, denn so würde man nicht sofort bemerken, dass ich immer noch atmete und am Leben war.
    Endlich blieb das Bett stehen. Dr. Cullen wechselte ein paar Worte mit einem Mann namens Mitch, der anscheinend dafür verantwortlich war, die verstorbenen Patienten in einer Liste zu registrieren und mögliche Verwandte zu kontaktieren.
    „Lassen Sie nur Mitch, ich kümmere mich darum“, sagte Dr. Cullen mit müde wirkender Stimme. „Ich kenne beide Familien sehr gut und würde das gerne selbst erledigen. Ich... ich glaube, ich bin es ihnen schuldig.“
    Ich konnte mir gut vorstellen, wie demütig er jetzt gerade zu Boden sah. Dr. Cullen war ein wirklich hervorragender Schauspieler.
    Der andere Mann räusperte sich unbehaglich. „’Türlich, Doktor. Machen Sie ruhig so wie Sie denken“, murmelte er.
    „Ich werde die Leichen auch selbst den Familien überbringen, wenn Ihnen das nichts ausmacht. Ich denke, dass es für beide ein größerer Trost sein wird, wenn ich ihnen ihre Kinder zurückbringe“, fuhr Dr. Cullen fort und schaffte es, nachdenklich und zögernd zugleich zu klingen, ganz so, als ob er es nie wagen würde, etwas zu unternehmen, das Mitch nicht billigen würde.
    „Oh, nun, das ...“, stammelte Mitch, sog aber danach scharf die Luft ein. Vermutlich hatte Dr. Cullen ihn mit seinem durchdringenden Blick angesehen.
    „Klar, das können Sie gerne tun. Ich hab hier sowieso noch viel zu tun. Ich muss nur die Namen schnell aufschreiben, dann können Sie die Leichen mitnehmen“, beeilte er sich zu sagen.
    Dr. Cullen nannte ihm unsere Namen und verabschiedete sich rasch von ihm, dann wurde das Bett wieder in Bewegung gesetzt.
    „Was mache ich hier eigentlich?“, murmelte er leise vor sich hin. Ich musste mich sehr anstrengen, um mir ein Lächeln zu verkneifen. Eine ganze Weile lang schob er unser gemeinsames Bett durch lange Gänge, denn ich konnte seine Schritte an den Wänden hallen hören. Ein paar Mal kam es mir auch so vor, als würde er es tragen, denn da konnte ich nur seine Atemzüge hören und sonst nichts, nicht einmal das leise Quietschen der Räder des Bettes. Zudem wurde die Luft seltsamerweise immer kühler und ich zitterte leicht, trotz des Fiebers.

    Plötzlich blieb das Bett ruckartig stehen und ich hielt erschrocken die Luft an. Der Raum, in dem wir uns zu befinden schienen, war sehr kühl und die Luft enorm stickig. Es schien sich um eine Art Keller zu handeln.
    „Sie können die Augen aufmachen, Miss Swan“, sagte Dr. Cullen und ich gehorchte ihm sofort, neugierig, was mich wohl erwarten würde.
    Meine Augen benötigten etwas, um sich an die neuen Lichtverhältnisse anzupassen und mir war ein wenig schwindlig, da ich mich zu schnell aufgesetzt hatte, aber ich erkannte dennoch recht schnell, dass ich mit meiner ersten Vermutung recht gehabt hatte.
    Wir befanden uns tatsächlich in einer Art Kellergewölbe. Der Raum war düster, die Decke sehr hoch und die Wände aus Stein und ziemlich dick. Das einzige Licht fiel durch ein winzig kleines Fenster, das für einen normal gewachsenen Menschen kaum zu erreichen war. Ich kam mir vor wie in einem Verlies.
    „Was soll das? Wo sind wir?“, wollte ich misstrauisch wissen. Automatisch ergriff ich Edwards rechte Hand, als könnte ich ihn allein dadurch beschützen.
    Dr. Cullen seufzte. „Ich habe Sie an einen Ort gebracht, an dem ich die Verwandlung am besten vollziehen kann. Dieser Keller hier liegt tief im Gewölbe unter der Stadt und kein Mensch wagt sich hierher. Hier wird Sie niemand hören oder finden können“, erklärte er.
    Ich schluckte und kalter Schweiß lief mir meinen Rücken hinab. Plötzlich erschien mir die ganze Sache nicht mehr so brillant. Es klang ziemlich ernst und mir war schlagartig bewusst, dass meine Entscheidung viel größere Konsequenzen nach sich ziehen würde, als ich zunächst angenommen hatte.
    Dr. Cullen schien mein Unbehagen genau zu spüren.
    „Sie müssen das nicht tun, wenn Sie es nicht wirklich wollen. Isabella, das ist Ihre letzte Chance – sollten Sie Einwände haben, so werde ich Sie auf der Stelle zurückbringen!“
    Ich überlegte eine Sekunde lang, dann schüttelte ich den Kopf. Oh nein, ich würde eher sterben als von Edward getrennt zu sein. Die Schmerzen würde ich ertragen können, wenn am Ende als Preis mein Leben mit Edward zu erwarten war. Ich würde es durchstehen, ich war stark genug dazu.
    „Nein, ich werde hier bleiben“, antwortete ich mit fester Stimme. Auch wenn mein Herzschlag akut anstieg und meine Atmung immer schneller wurde, ich würde nicht von meiner Entscheidung abrücken.

    „Na schön“, entgegnete er seufzend. „Es wird schmerzhaft sein. Sehr schmerzhaft. Drei Tage lang wird es sich so anfühlen, als ob Sie bei lebendigem Leib verbrennen. Sie werden Ihre Entscheidung bereuen, aber dann wird es zu spät sein. Ich werde versuchen so oft es geht nach Ihnen und Edward zu sehen, aber ich kann Ihnen nicht helfen. Sie müssen diese Schmerzen alleine durchstehen.“
    Ich nickte nur, unfähig zu sprechen. Ich hatte auf einmal schreckliche Angst und klammerte mich nur noch fester an Edward.
    „Ich werde versuchen, Ihnen mehr zu erklären, wenn Sie sich im Prozess der Transformation befinden. Jetzt ist dazu keine Zeit, denn wenn ich nicht schnell handle, dann stirbt Edward“, flüsterte er.
    „Einverstanden“, hauchte ich. Tränen liefen mir über die Wangen und mein ganzer Körper zitterte, als Dr. Cullen meinen Griff um Edwards Hand lockerte.
    „Ich bringe Ihnen so schnell wie möglich ein eigenes Bett. Es ist nicht günstig, wenn Sie so nah beieinander liegen, während Sie sich in der Verwandlungsphase befinden“, murmelte er entschuldigend. Auf einmal fand ich mich auf seinen Armen wieder, wie schon zuvor trug er mich mühelos durch den Raum und setzte mich an der anderen Ecke ab.
    „Dies ist nur eine Sicherheitsmaßnahme“, versicherte er mir beruhigend, als ich ihn mit schreckgeweiteten Augen anstarrte.
    Dann lief er zu Edwards Bett zurück und beugte sich langsam über ihn. Ich krallte mich an meinem Nachthemd fest und sah ihm wie in Trance dabei zu, wie er zuerst in Edwards Arm- und Fußgelenke biss und dann schließlich in seinen Hals, genau an der Stelle, wo die Halsschlagader verlief. Ich zuckte jedes Mal zusammen. Der Anblick war einfach fürchterlich.
    „Edward“, stöhnte ich erschrocken, als er anfing schneller zu atmen. Ihn so zu sehen bereitete mir körperliche Schmerzen.
    „Das Gift breitet sich sehr schnell aus“, murmelte Dr. Cullen entschuldigend. Er stand auf einmal neben mir und sah zu mir herab. Ich rutschte unwillkürlich ein Stück zurück an die Wand und fühlte mich wie ein Beutetier, das von seinem Räuber umzingelt wurde.
    „Machen Sie schon“, brachte ich gerade noch so hervor.
    „Sie sind sich absolut sicher?“, fragte er leise.

    Ich warf einen Blick zu Edward. Er hatte sein Gesicht vor Schmerzen verzogen und seine Hände zu Fäusten geballt. Auch wenn dieser Anblick furchtbar war, so zeigte er mir doch eines – Edward lebte. Und das war es doch, was ich wollte, oder nicht?
    „Isabella?“ Fragend sah er mich an.
    „Moment“, flüsterte ich. Es gab noch eine Frage, die ich ihm stellen wollte.
    „Ja?“
    „Wieso helfen Sie uns? Wieso haben Sie sich auf einmal dafür entschlossen?“, fragte ich leise.
    Er seufzte leise und schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete sah er mich mit einer Mischung aus Zuneigung und Furcht an.
    „Sie haben etwas gesagt, das mich zutiefst berührt hat, Isabella. Und das hat dafür gesorgt, dass ich mich doch für Ihre Bitte entschieden habe“, antwortete er zögernd.
    Ich sah ihn nur durchdringend an. Er ließ sich auf die Knie sinken, sodass er jetzt in etwa auf meiner Höhe war.
    „Sie haben gesagt, ich wüsste, was Einsamkeit ist. Und damit haben Sie leider vollkommen recht. Mein ganzes langes Leben lang war ich einsam, hatte niemandem, dem ich mich anvertrauen konnte. Ich hatte keinen Gefährten, der mich auf meinem Weg begleiten konnte. Einsamkeit ist eines der schlimmsten Schicksale, die es für unseresgleichen wohl gibt und als Sie sagten, Sie würden daran sterben, da wusste ich genau, dass sie Recht haben.“ Er lächelte traurig.
    „Und das hat Sie überzeugt?“, hauchte ich.
    Er straffte seine Körperhaltung und nickte kurz. „Ich könnte Sie niemals solch einem Schicksal überlassen. Und mir war auch bewusst, dass wenn ich Edward retten sollte, er mich für immer dafür verantwortlich machen würde, dass ich Sie dem Tod überlassen habe. Er würde mich hassen und ich wäre wieder einsam. Es wäre nicht sinnvoll, nur einen von Ihnen zu retten, bei dieser engen Verbindung, die zwischen Ihnen beiden besteht“, antwortete er.
    „Ich danke Ihnen“, flüsterte ich und meinte es auch so.
    „Warten Sie lieber, bevor Sie sich bedanken“, entgegnete er mit harter Stimme.
    Eine kurze Zeit schwiegen wir beide. Die Stille wurde von einem Stöhnen unterbrochen und mein Blick glitt zu Edward, der sein Gesicht vor Schmerzen verzerrt hatte.
    „Ich bin bereit“, sagte ich rasch. Ich wollte es endlich hinter mich bringen.
    „Es wird alles gut gehen, auch wenn es sich nicht so anfühlt“, sagte Dr. Cullen beruhigend.
    Ich nickte nur matt.

    Plötzlich war ich ganz ruhig und entspannt. Ich schloss die Augen und wartete ergeben auf die Schmerzen. Ich spürte, wie Dr. Cullen sich über mich beugte, die Kälte, die sein Körper ausstrahlte verursachte eine Gänsehaut, die sich über meinen ganzen Körper zog. Ich zuckte zusammen, als seine messerscharfen Zähne meine feine Haut durchstießen und als ich das Feuer spürte, das sich an diesen Stellen auszubreiten schien. Mein Herz raste und mein ganzer Körper kämpfte diesen aussichtslosen Kampf gegen das Gift, aber das war im Moment nur zweitrangig.
    In Gedanken sah ich mich neben Edward stehen. Wir beide waren am Leben und glücklich zusammen. Meine Entscheidung hatte uns das Leben gerettet. Oder uns vor dem Tod bewahrt, ich war mir nicht sicher, wie man das ausdrücken konnte. Ich hatte einen Weg gefunden, meinem Schicksal zu trotzen, ihm zu entkommen und das gab mir all die Kraft, um die nächsten Tage irgendwie zu überstehen.
    „Eine Flucht in die Ewigkeit“, krächzte ich heiser und lächelte Dr. Cullen an, dessen engelhaftes Gesicht mich sorgenvoll und gequält musterte. Dann verschwamm alles vor meinen Augen und die Schmerzen begannen.


    ~~~ENDE~~~

  • Escape to EternityDatum12.03.2009 19:13
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Escape to Eternity

    Kapitel 23: Erklärungen


    Ich merkte, dass ich wieder zu mir kam, als ich das schmerzhafte Pochen in meiner rechten Schläfe nicht mehr länger ignorieren konnte. Unwillig öffnete ich meine Augen und stöhnte leise auf, als das viel zu helle Licht auf mich einstrahlte. Reflexartig schlossen sich meine Lider wieder und ich drehte mich ein wenig auf meine rechte Seite. Plötzlich spürte ich kühle Finger auf meiner Stirn und an meiner Wange, was mich dazu brachte, meine Augen erneut zu öffnen und nach der Person zu suchen, die mich berührte. Als mein Blick klar wurde erkannte ich das Gesicht von Dr. Cullen, das mich aufmerksam musterte.
    „Miss Swan“, sagte er leise und nickte mir zu.
    „Dr. Cullen“, krächzte ich heiser. Mein Hals war so entsetzlich trocken, dass ich sofort husten musste.
    „Hier, trinken Sie“, sagte Dr. Cullen sanft und hielt mir einen Becher vor die Nase. Ich ergriff ihn dankbar und trank das kühle Wasser in gierigen Schlucken. Obwohl ich den Becher leer trank hatte ich immer noch das Gefühl, vollkommen ausgetrocknet zu sein. Und das Pochen in meiner Schläfe wurde von Minute zu Minute unerträglicher.
    Dr. Cullen nahm mir den leeren Becher wieder ab und stellte ihn auf ein kleines Nachtkästchen, das sich neben meinem Bett befand. Erst jetzt sah ich mich neugierig um und fragte mich, wo ich mich wohl befinden mochte.
    „Wie...?“, begann ich zögerlich, doch dann fiel mir alles wieder ein. Sämtliche Erinnerungen strömten mit der Kraft eines Orkans auf mich ein und ließen mich erschrocken nach Luft schnappen. Ich fühlte wieder diese entsetzliche Angst, die Schmerzen und die Hitze, die Edward ausgestrahlt hatte. Wimmernd schloss ich meine Augen und versuchte, die Bilder zu verdrängen, die sich in meinem Kopf abspielten. Ich sah Edward, wie er gegen die Krankheit kämpfte, ich sah ihn zu Boden fallen, hörte wieder, wie der fremde Mann auf mich einschrie und sah das Blut, das von Edwards Kopf getropft war, als man ihn aufgehoben hatte. Mein Herz raste und ich hatte das Gefühl, dass sich mein Bett drehte.
    „Miss Swan, bitte beruhigen Sie sich!“, hörte ich Dr. Cullen sagen. Er legte seine Hand auf meinen rechten Arm und drückte diesen sanft. „Sie sind hier in Sicherheit!“
    Ich öffnete meine Augen und starrte ihn angsterfüllt an. „Edward“, brachte ich nur heraus und wartete sorgenvoll auf seine Antwort.
    Sofort verdunkelte sich sein engelhaftes Gesicht. Die Sorgenfalte auf seiner Stirn war mir Antwort genug. Ich biss die Zähne zusammen um nicht loszuweinen und war die nächsten Sekunden damit beschäftigt, meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen.
    „Miss Swan“, versuchte er es nochmals. „Ihrem Verlobten, Mr. Masen geht es den Umständen entsprechend. Ich kümmere mich persönlich um ihn, es mangelt ihm an nichts. Bitte, beruhigen Sie sich doch.“
    „Er lebt noch?“, fragte ich ungläubig. Mein Herz begann schon wieder zu rasen, diesmal wegen der ungeheuerlichen Erleichterung.
    Jetzt lächelte er. „Ja, er lebt. Und ich muss Ihnen sagen, dass er diese Tatsache vor allem Ihnen zu verdanken hat.“
    „Oh Gott sei Dank!“, stöhnte ich leise und schloss kurz meine Augen. Ich spürte, wie sich sämtliche Muskeln, die ich vor wenigen Augenblicken noch in meiner Panikreaktion verkrampft hatte langsam entspannten. Jetzt konnte ich auch den Schmerz fühlen, den jede Bewegung mit sich brachte. Ich hatte meine Muskulatur bei meiner Rettungsaktion wohl sehr beansprucht.

    Dr. Cullen wartete einen Moment, bis ich mich wieder im Griff hatte, dann setzte er sein Gespräch in einem sanften Tonfall fort.
    „Ich habe natürlich einige Fragen, wie Sie sich denken können. Und ich vermute fast, dass auch Sie noch einige Dinge klären möchten.“
    Ich nickte und setzte mich etwas auf, um ihm besser ins Gesicht sehen zu können.
    Mir fiel auf, dass er äußerst müde und abgekämpft aussah. Sein Gesicht war normalerweise immer schon sehr blass gewesen, doch nun waren seine Augen von schwarzen Ringen umrandet und ließen ihn sehr erschöpft wirken. Sein wunderschönes blondes Haar hing seltsam kraftlos herunter und seine Augen strahlten nicht wie sonst Ruhe und Gelassenheit, sondern Trauer und tiefe Sorge aus. Dennoch sah er noch bei weitem besser aus als sämtliche andere Ärzte, die ich im Hintergrund erkennen konnte.
    Jetzt, da ich aufrecht auf meinem Bett saß erkannte ich auch, wo ich mich befand. Mein Bett stand in einem hellen Raum mit hohen Decken, zusammen mit ungefähr zehn weiteren Betten. Alle standen in einem großen Abstand zueinander und waren so ausgestattet wie mein eigenes. Die Patienten sahen recht kräftig aus, manche schliefen, manch andere saßen aufrecht in ihren Betten und aßen oder sprachen mit den Krankenschwestern. Auch der Geruch in diesem Krankenzimmer war erträglich. So hatte ich mir die entsetzlichen Grippe-Lager nicht vorgestellt.
    Dr. Cullen musste die Verwunderung in meinem Blick gesehen haben, denn nun lächelte er mich wieder an.
    „Keine Sorge, Miss Swan. Sie befinden sich nicht auf den gefährlichen Stationen. Das hier ist lediglich eine normale Krankenstation.“
    „Aber wieso bin ich überhaupt hier?“, fragte ich ihn, ehe ich mich bremsen konnte. Ich wurde rot und biss mir auf die Lippe. Vermutlich wollte er mir das sowieso erklären, nur konnte ich es wieder einmal nicht abwarten, die Antwort zu hören.
    „Das wollte ich Ihnen soeben erklären“, sagte Dr. Cullen und sah so aus, als müsste er sich ein Lachen verkneifen.
    „An was können Sie sich noch erinnern?“, wollte er wissen.
    „Ich habe Edward, ich meine Mr. Masen, hierher gebracht“, antwortete ich zögerlich. „An diesen merkwürdigen Mann kann ich mich auch noch erinnern. Dann bin ich wohl ohnmächtig geworden.“
    Dr. Cullen nickte. „Das ist richtig. Ich bin sehr froh, dass Sie von dieser zweifelhaften Begegnung keine körperlichen Schäden davongetragen haben. Ihr Verlobter hat eine Platzwunde am Hinterkopf erlitten, doch darum habe ich mich bereits gekümmert. Um diese Verletzung müssen Sie sich keine Sorgen machen“, sagte er.
    Ich atmete erleichtert auf. All das Blut, das sich um seinen Kopf ausgebreitet hatte, als er am Boden gelegen war... Ich schauderte unwillkürlich. Auch wenn ich nun wusste, dass von dieser Seite aus keine Gefahr mehr bestand war die Erinnerung an dieses Geschehen einfach nur furchtbar.
    „Wir haben Mr. Masen in eine andere Krankenstation gebracht, da bei ihm die Grippe schon weiter fortgeschritten war als bei...“, er unterbrach sich und sah mich vorsichtig an.
    Ich hatte die ganze Zeit über meinen Atem angehalten und war nur kurz zusammengezuckt, als Dr. Cullen das ausgesprochen hatte, was ich bis dahin sowieso schon gewusst hatte. Edward war an der Grippe erkrankt und es stand nicht gut um ihn. Doch was hatte er nun sagen wollen? Weswegen hatte er aufgehört zu sprechen?
    „Bei wem?“, flüsterte ich drängend. Meine Hände krallten sich in die Decken. Ich kannte die Antwort bereits. Ich konnte die Hitze fühlen, die sich auf meiner Stirn ausbreitete, die Schmerzen in meinem Kopf und das Kratzen im Hals. Ich hatte es mittlerweile oft genug bei anderen Personen beobachten können.

    Dr. Cullen stöhnte unwillig, bevor er weiter sprach. „Miss Swan, ich will Ihnen nichts vormachen. Alle Symptome sprechen dafür, dass Sie ebenfalls erkrankt sind. Sie befinden sich noch am Anfang dieser Krankheit, daher haben Sie es vielleicht selbst noch nicht bemerkt. Aus diesem Grund liegen Sie auch nicht auf der so genannten Endstation dieses Krankenhauses. Auf dieser Station hier befinden sich die Patienten, die wir noch beobachten und von denen wir vermuten, dass Sie die Krankheit überleben werden. Dennoch kann ich Sie aufgrund dieser Diagnose nicht mehr nach Hause schicken. Sie bleiben bis auf weiteres hier, zur Beobachtung. Es kann immer sein, dass die Krankheit abgewehrt wird, wenn man sie rechtzeitig entdeckt hat. Glauben Sie nicht, dass dies Ihr Todesurteil ist!“ Intensiv funkelten mich seine Augen an und nahmen mich vollkommen in ihren Bann. Ich konnte nicht anders als zu nicken und seinen Worten Glauben zu schenken. Merkwürdigerweise schockierte mich diese Neuigkeit nicht im Geringsten.
    Ich versuchte angestrengt herauszufinden, weswegen ich über das mögliche, baldige Ende meines Lebens nicht allzu traurig war, während Dr. Cullen mir mitfühlend meine Hand tätschelte. Vielleicht lag es ja daran, dass ich mir mehr Sorgen um Edward machte, oder dass ich lieber selbst sterben würde, als ihm dabei zusehen zu müssen.
    „Was Ihren Zustand allerdings verschlechtern könnte ist die Erschöpfung, an der Sie sicher noch einige Zeit leiden werden. Sie haben bei dem Versuch Ihren Verlobten hierher zu bringen einiges an Kraft aufwenden müssen. Kraft, die Ihrem Körper zu dieser Zeit schon kaum noch zur Verfügung stand. Er muss sich erst erholen und ich weiß nicht, ob er dazu in der Lage ist, solange er sich noch gegen diese Krankheit wehren muss.“ Er seufzte und fuhr sich durch sein blondes Haar. Ich blickte einige Sekunden auf meine Hände, ich wollte seinen mitleidsvollen Blick nicht auf mir ruhen sehen.
    „Ich wollte nicht auf jemanden warten“, flüsterte ich leise.
    „Wie bitte?“, fragte Dr. Cullen höflich.
    Ich hob meinen Blick und sah ihm direkt in die Augen. „Ich weiß, dass ich nicht allein hätte losgehen dürfen. Aber ich konnte es nicht ertragen, Edward leiden zu sehen, während ich auf eine Kutsche hätte warten müssen. Und außerdem, wer wäre gekommen? Niemand möchte einen Infizierten in seiner Nähe haben.“ Er zuckte etwas zurück, als er die Bitterkeit in meiner Stimme wahrnahm. In meinem Blick musste sie ebenfalls gelegen haben, sonst würde er mich nicht so vorsichtig ansehen.
    „Es war unsere einzige Chance – Edwards einzige Chance“, verbesserte ich mich rasch. „Ich musste ihn so schnell wie möglich hierher bringen, in dieses Krankenhaus, wo man sich um ihn kümmern kann. Ansonsten würde er vielleicht nicht mehr am Leben sein.“ Meine Stimme brach und ich sah beschämt auf meine Fingernägel. Ich wusste selbst nicht, wieso ich mein Verhalten verteidigt hatte. Dr. Cullen hatte mir keinen Vorwurf gemacht. Und dennoch hatte ich den Drang verspürt, mich zu erklären.

    „Miss Swan“, sagte er nach einigen Augenblicken und legte mir seine kühle Hand unter mein Kinn, sodass ich nicht anders konnte, als ich anzusehen.
    „Niemand macht Ihnen einen Vorwurf. Ihr Verhalten verdient Lob und Anerkennung. Ich habe bislang nur bei sehr wenigen Menschen eine solche Hingabe und Aufopferung beobachten können wie bei Ihnen. Glauben Sie mir, ich kenne kaum jemanden, der sich auf diese Weise für das Leben eines geliebten Menschen eingesetzt hätte.“ Er lächelte mich freundlich an und ich wurde rot, als mein Verstand die Bedeutung seiner Worte erfasst hatte.
    „Ich bin sehr beeindruckt von Ihrem Mut und enormen Stärke. Ihre Liebe zu Mr. Masen muss wirklich sehr stark sein. Sie selbst waren zu dem Zeitpunkt bereits krank und trotz allem haben Sie es geschafft, ihn hierher zu bringen. Ich möchte mir nicht einmal vorstellen, wie anstrengend das gewesen sein muss“, fuhr er leise fort. Ich nickte unwillkürlich. Ich konnte die Schmerzen immer noch spüren.
    „Und damit meine ich nicht nur die körperliche Seite der Anstrengung. Sie müssen sich furchtbar gefühlt haben.“
    Eine Träne lief über meine Wange. Es stimmte, die emotionale Seite dieses schrecklichen Tages war weitaus schlimmer gewesen als die physische. Allein diese schreckliche Angst, Edward jeden Moment zu verlieren hatte all meine Energie konsumiert.
    „Ich wollte auf niemanden warten, ich hätte es nicht ertragen untätig zu sein“, flüsterte ich, während mir mehr Tränen über meine Wangen liefen. Ohne es zu merken, hatte ich nach Dr. Cullens Hand gegriffen und hielt diese nun ganz fest. Während ich über diesen Tag sprach kehrten auch nach und nach alle Gefühle zurück, die ich damit verbunden hatte. Ich war noch nicht in der Lage, diese Emotionen zu verarbeiten, ich hatte mich noch lange nicht erholt.
    „Zuerst wollte ich Ruby zu Ihnen schicken, aber sie war nicht da“, schluchzte ich. Ehe ich weiter sprechen konnte hatte Dr. Cullen mir mitfühlend einen Arm um meine Schultern gelegt.
    „Shh, es ist alles gut, Sie haben es bis hierher geschafft, es ist vorbei“, flüsterte er mir beruhigend zu.
    „Tut mir leid“, stammelte ich beschämt. Ich hatte mich in seiner Gegenwart schon viel zu oft so gehen lassen.
    „Entschuldigen Sie sich nicht. Sie haben sehr viel durchmachen müssen. Erst die Erkrankung Ihrer Eltern, dann die Ihrer baldigen Schwiegereltern und nun haben Sie auch noch Ihren eigenen Verlobten hierher bringen müssen“, sagte er leise. Seine Stimme klang hart. „Das ist weitaus mehr als andere junge Damen in Ihrem Alter leisten und ertragen müssen.“

    Eine Weile schwiegen wir beide. Ich sammelte mich wieder und konnte allmählich wieder etwas klarer denken. Es gab noch so vieles zu erledigen, doch ich konnte momentan nichts unternehmen. Wie es aussah, saß ich hier erst einmal fest.
    „Ich muss Ruby irgendwie Bescheid geben, wo ich bin. Sie macht sich bestimmt Sorgen“, sagte ich in die Stille hinein.
    „Das müssen Sie nicht mehr, Miss Swan“, antwortete Dr. Cullen sofort. Er klang traurig.
    Neugierig sah ich ihn an und wartete, dass er sich erklärte.
    „Erinnern Sie sich an jenen Mann, der sie vor zwei Tagen tätlich angegriffen hatte, weil er sich von Ihnen Informationen über den
    Aufenthaltsortes seines Sohnes erhoffte?“
    Ich nickte stumm. Innerlich war ich sehr erschrocken, als Dr. Cullen etwas von `zwei Tagen´ erzählt hatte. War ich so lange ohne Bewusstsein gewesen?
    „Sein Sohn kannte das Dienstmädchen der Masens. Beide haben versucht, die Stadt heimlich zu verlassen. Doch sie kamen nicht weit. Die Bürgerwehr, die sich in diesen Tagen darum kümmert, dass niemand Chicago verlässt, hat sie abgefangen und den jungen Mann erschossen. Das Dienstmädchen hingegen ist in Haft, so lange, bis man sich entschieden hat, wie man mit den vielen Flüchtenden weiter vorgehen soll.“
    „Das ist ja furchtbar“, hauchte ich entsetzt. Ich kannte Ruby nicht besonders gut, aber sie hatte sich in den letzten Tagen um mich und Edward gekümmert und irgendwie war sie mir ans Herz gewachsen. Dass sie solch ein Schicksal ereilen sollte war ein grauenhafter Gedanke. Immerhin wusste ich nun, weswegen sie nicht gehen hatte wollen.
    „Ich weiß. Ich bin selbst nicht damit einverstanden“, antwortete Dr. Cullen und klang beinahe wütend. „Ich verstehe, weswegen man den Bürgern verbietet, diese Stadt zu verlassen, doch die Art, wie man diesen Befehl durchsetzt will mir ganz und gar nicht gefallen.“
    Ich nickte zustimmend. Wieder schwiegen wir für eine Weile. Ich fragte mich, weswegen Dr. Cullen sich so intensiv um mich bemühte. Gewiss verlangten gerade unzählige andere Kranke nach ihm und doch saß er hier bei mir und beantwortete jede meiner Fragen mit einer Engelsgeduld. Plötzlich bemerkte ich, dass sein Arm immer noch um meiner Schulter lag. Auf meiner heißen Haut fühlte sich sein Arm merkwürdig kühl an, er linderte das Fieber ein wenig, daher sagte ich nichts. Und außerdem tröstete mich die Tatsache sehr, dass sich Dr. Cullen um mich sorgte.
    „Miss Swan, Sie wollen sicher wissen, wie es Mr. und Mrs. Masen geht, nicht wahr?“, fragte er plötzlich und verstärkte seine Umarmung etwas. Ich schluckte. Wollte ich das tatsächlich wissen?
    „Was ist mit ihnen?“, fragte ich leise. „Und wie geht es meinen Eltern?“
    Er schaute mich unendlich traurig an. „Ihr Vater ist kurze Zeit nachdem ich ihn hierher habe bringen lassen verstorben. Ihre Mutter war zu diesem Zeitpunkt bereits erkrankt und folgte ihm wenige Tage später. Es tut mir so leid, Miss Swan. Ich wollte es Ihnen sagen, doch ich konnte es einfach nicht. Jedes Mal wusste ich, dass Sie diese Nachricht nicht auch noch hätten verkraften können. Doch jetzt kann ich es Ihnen nicht länger vorenthalten. Sie haben ein Recht, dies zu wissen.“
    Ich fühlte mich auf einmal schrecklich taub. Zu ahnen, dass meine Eltern tot waren, war eine Sache. Es zu wissen, eine völlig andere. Doch ich hatte keine Tränen mehr übrig, um zu weinen. Und auch keine Kraft. Innerlich wappnete ich mich für noch mehr schreckliche Nachrichten, als ich darauf wartete, dass mich Dr. Cullen über den Verbleib der Masens aufklärte.
    „Mr. Masen ist in dieser Nacht verstorben. Das Fieber war viel zu hoch, er hat es nicht mehr länger ausgehalten. Elizabeth Masen ist noch am Leben, aber ich fürchte, auch ihre Kraft geht zur Neige“, flüsterte Dr. Cullen. Nun sah er so aus, als ob er Trost benötigen würde.
    „Und Edward?“, brachte ich mit unendlicher Mühe hervor.
    Dr. Cullen sah mir nicht in die Augen . „Er ist bei seiner Mutter“, sagte er nur.

    Ich wusste, was das hieß.
    Edward befand sich auf der so genannten Endstation. Die Station für aussichtslose Fälle. Auch wenn Dr. Cullen mir erklärt hatte, dass er es vielleicht schaffen könnte, glaubte ich ihm nicht. In den letzten Tagen hatte ich wirklich eine erstaunliche Wandlung vollbracht. Durch all diese schrecklichen Ereignisse war ich um einen Schlag um zehn Jahre älter geworden – zumindest, was den Geist anging. Ich war kein junges, naives Fräulein mehr. Nein, ich hatte gesehen, was Leid bedeutet. Und das hatte mich nun zu dem gemacht, was ich nun war: Eine Frau, die einen realistischen Verstand besaß. Und dieser sagte mir nun, was eigentlich die logische Konsequenz aus allem war: Edward würde es nicht schaffen. Er war viel zu schnell krank geworden. All meine Mühen waren vermutlich umsonst.
    In diesem Moment der Erkenntnis hatte ich nur einen einzigen Wunsch: Ich wollte bei Edward sein, ich wollte bei ihm bleiben bis zum Schluss. Ich wollte, dass das letzte, was er auf dieser Welt sehen würde, ich war. Er sollte mein Gesicht vor Augen haben, wenn er diese Welt verlassen würde. Er sollte meine Liebe mitnehmen, zu jenem Ort, der so viel besser war als diese schreckliche Erde.
    „Miss Swan?“ Dr. Cullen unterbrach meine Gedanken und musterte mich prüfend. Offenbar befürchtete er, dass ich erneut in Ohnmacht fallen würde.

    „Ich möchte Sie um etwas bitten“, flüsterte ich leise.
    Er sah mich nur erwartungsvoll an. Eine stille Aufforderung, fortzufahren.
    „Kann ich zu Edward?“
    Dr. Cullen sah mich nicht an, als er antwortete. „Das geht nicht, Miss Swan. Sie sind selbst nicht bei Kräften, und Sie haben noch die Chance, wieder gesund zu werden. Gehen Sie jetzt zu ihm, setzen Sie all das aufs Spiel.“
    „Das ist mir völlig gleich“, antwortete ich. Trotz mischte sich in meine Stimme. „Ich will ihm beistehen. Bestimmt fragt er sich, wo ich mich befinde und macht sich unnötig Sorgen“, erklärte ich rasch.
    „Miss Swan“, seufzte er nur.
    „Bitte“, hauchte ich. Ich versuchte, all meine Liebe für Edward in das Funkeln meiner Augen zu legen. Dr. Cullen sollte sehen, dass ich bereit war, mein eigenes Leben für Edward zu opfern.
    Er sah mich lange an und es sah fast so aus, als ob er mit sich selbst ringen würde. Schließlich wurde sein Blick wieder weich.
    „Also schön. Sie können zu ihm gehen. Aber ich werde Sie begleiten“, sagte er resigniert.
    Mein Herz raste, als sich die Anspannung legte und ich endlich begriff, dass ich Edward wirklich sehen würde. Langsam versuchte ich aufzustehen, doch als ich dann endlich auf meinen eigenen Füßen stand wurde mir beinahe sofort schwarz. Ich schwankte bedrohlich hin und her, bevor meine Beine ganz nachgaben und ich auf den Fußboden zuflog.
    Dr. Cullen fing mich beherzt auf und hob mich mühelos hoch.
    „Ich dachte mir schon, dass Sie noch zu schwach sind, um selbst gehen zu können“, murmelte er. Er klang halb belustigt, halb wütend.
    Bevor ich protestieren konnte war er schon selbst losgelaufen und trug mich zu der Krankenstation, in welcher auch Edward sein würde.
    Die Krankenschwestern, an denen wir unterwegs vorbei kamen sahen mich ungläubig an. Vermutlich lief ich so rot wie noch nie zuvor an. Mir war das ganze schon ein wenig peinlich, doch als ich dann an meinen Verlobten dachte, wich dieses Gefühl einem anderen, viel stärkeren: Was waren schon ein paar Blicke, verglichen mit der Gefahr bald zu sterben? Im Gegensatz zu Edward musste ich wirklich fast gar nichts ertragen.
    Dr. Cullen lief einige Treppen nach oben, passierte viele Türen und Gänge, bis ich schließlich vollkommen die Orientierung verloren hatte. Allmählich begann ich sogar etwas zu frieren. Und das, obwohl ich Fieber hatte. Bildete ich es mir nur ein, oder war sein Körper wirklich unnatürlich kühl? Und wieso um alles in der Welt war er nicht außer Atem? Er musste mich doch schon seit mindestens zehn Minuten tragen. Ich war ja schon erschöpft gewesen, als ich Edward lediglich dabei geholfen hatte, die Treppe in seinem Haus herunterzugehen. Und da hatte ich ihn nicht einmal getragen.
    Meine Gedanken über Dr. Cullen wurden von ihm selbst unterbrochen, als er schließlich vor einer großen Doppeltür stehen blieb und mich kurz ansah.
    „Sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt“, murmelte er leise, dann stieß er die Tür auf.

    Mit einem Schlag blieb mir die Luft weg. Ein abscheulicher Geruch hing in diesem großen, langen Saal. Unzählige Betten befanden sich in diesem Raum, ein jedes war belegt. Ein paar Krankenschwestern huschten herum und gaben den Patienten etwas zu trinken. Viele der Menschen lagen stumm auf ihren Betten, manche warfen sich unruhig hin und her und einige stöhnten leise. Dr. Cullen trug mich durch das Meer an Betten hindurch und schien ganz ruhig zu sein. Ich hingegen schaffte es nicht, meine Augen zu schließen. Voller Angst sah ich auf die Menschen herab, die allesamt etwas gemeinsam hatten: Niemand würde diesen Raum jemals lebend verlassen.
    Ich klammerte mich fester an die starken Schultern von Dr. Cullen, doch dieser zeigte keine Reaktion. Wie konnte er nur so arbeiten? Wie ertrug er es, zwischen all diesen Sterbenden umherzugehen? Ich wusste jetzt schon, dass ich diese Gesichter niemals wieder vergessen würde, ebenso wenig wie diesen Gestank, den ich nun endlich einordnen konnte: Es war der Geruch des Todes, der über all den Menschen schwebte.
    Auf einmal blieb Dr. Cullen stehen und ließ mich langsam herunter. Ich drehte meinen Kopf und stieß einen erstickten Schrei aus. Vor mir befand sich das Bett von Elizabeth Masen, die sich unruhig hin und her warf. Daneben, auf einem weiteren schmalen Bett, lag Edward, der zwar bei Bewusstsein war, jedoch trotzdem fürchterlich aussah.
    „Oh Edward“, hauchte ich und taumelte zu seinem Bett. Dr. Cullen machte sich diesmal nicht die Mühe, mich zurückzuhalten. Er ließ mich gewähren und sah stattdessen nach Elizabeth.

    Edward benötigte einen Moment, um mich zu erkennen.
    „Bella?“, murmelte er ungläubig und erfreut zugleich.
    Ich ergriff seine Hand, die er suchend nach meiner ausgestreckt hatte.
    „Ich bin hier, Edward“, sagte ich mit bebender Stimme. „Und ich werde auch nicht mehr weggehen.“
    „Bella“, flüsterte er nur und drückte meine Hand leicht. Sie war noch heißer als meine eigene, doch das war mir gleich. Ich setzte mich auf den Bettrand und strich ihm langsam durch sein Haar, das schweißnass war und an seiner Stirn klebte.
    „Es wird alles gut, Edward. Es wird alles gut“, flüsterte ich immer wieder. Edward antwortete nicht, doch seine Augen blieben stets auf mein Gesicht geheftet, sein Blick gab mich nicht frei. In diesem Moment konnte ich in ihnen lesen wie in einem Buch. Er war überglücklich, dass ich zurückgekommen war, so wie ich es ihm versprochen hatte.
    „Miss Swan“, sagte Dr. Cullen plötzlich und tippte mir auf meine Schulter. „Ich muss Sie wieder zurück bringen.“
    Edwards Hand schloss sich fester um meine, doch auch ohne diese Geste hätte ich gewusst, was zu tun war.
    „Nein“, antwortete ich. „Ich werde hier bleiben.“
    „Bitte, Miss Swan...“, begann Dr. Cullen, doch ich unterbrach ihn beinahe sofort.
    „Ich kann ihn nicht mehr verlassen. Er ist das einzige, was mir noch geblieben ist“, sagte ich leise.
    „Also schön“, murmelte er nur leise. „Ich komme später noch einmal, ich muss nach den anderen Patienten sehen.“
    Damit entfernte er sich rasch.
    Ich sah zu Edward, der mittlerweile die Augen wieder geschlossen hatte. Fast schon mütterlich strich ich ihm immer wieder über seine Wangen, seine Stirn und durch seine Haare.
    „Schlaf, Edward. Ich bin bei dir“, murmelte ich leise, dann drückte ich ihm sanft einen Kuss auf seine Stirn.
    Ich sah nicht, wie Elizabeth ihre Augen aufschlug und mich mit einem leisen Lächeln beobachtete.
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 24: Ein letzter Wunsch


    Dr. Cullen hielt sein Versprechen – er kam tatsächlich nach einigen Stunden wieder zu mir zurück. Er versuchte allerdings nicht noch einmal mich davon zu überzeugen, mit ihm mitzugehen. Stattdessen schob er nur wortlos ein kleines, leeres Bett neben das von Edward und sah mich betrübt an. Ich nickte ihm dankbar zu und erhob mich schwerfällig von Edwards Bett. Ich wusste nicht, wie lange ich schon an seiner Seite gesessen hatte, den Rückenschmerzen nach zu urteilen musste es jedoch eine ganze Weile gewesen sein. Edward schlief tief und fest, sodass ich kein schlechtes Gewissen verspürte, als ich mich auf dem leeren Bett ausstreckte und selbst meine Augen zufallen ließ. Ich war so entsetzlich müde, obwohl ich mich doch gar nicht besonders angestrengt hatte. Meine Gedanken schienen zu verschwimmen und mein Verstand arbeitete langsamer als sonst, während ich selbst in einen tiefen Schlaf glitt. Dr. Cullen blieb an meiner Seite, bis ich eingeschlafen war und strich mir ab und zu über meine heiße Stirn. Seine traurigen Augen waren das letzte, was ich an diesem langen Tag sehen sollte.

    Ein ruhiger Schlaf war mir jedoch nicht vergönnt. Ich hatte grässliche Alpträume, wachte andauernd auf und spürte, wie das Fieber langsam aber sicher meinen ganzen Körper befiel. Als wäre das nicht schon genug konnte ich trotz meiner enormen Erschöpfung kaum einschlafen, da viele Patienten ebenfalls unruhig schliefen und laut stöhnten. Es war einer sehr lange Nacht.
    Ich konnte nicht feststellen, ob es bereits Tag war oder nicht, denn die hohen Fenster des Raumes waren mit dunklen, schweren Vorhängen verdeckt, sodass das Sonnenlicht keinen Weg finden konnte, die Krankenstation zu erhellen.
    Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, als ich wie gerädert meine Augen aufschlug und meinen Blick unruhig durch den Raum gleiten ließ. Es dauerte einen Augenblick, bis mir wieder einfiel, wo ich mich befand. Ich wollte mich aufsetzen, doch mein Körper versagte mir den Dienst. Bei der kleinsten Bewegung hatte ich entsetzliche Schmerzen und mein Kopf schien zu zerspringen. Das Kopfweh war nur noch schlimmer geworden und die Gliederschmerzen trugen nicht gerade dazu bei, dass ich mich etwas ablenken konnte. Was mich jedoch erschreckte war die Tatsache, dass mein Nachthemd schweißnass war, ebenso wie mein Kopfkissen. Das Fieber war über Nacht extrem angestiegen und lähmte nicht nur meinen Köper, sondern auch meine Gedanken. Ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen und wünschte mir so sehr, dass eine der Krankenschwestern ein  Fenster öffnen würde, damit frische, kühle Luft durch diesen Raum ziehen konnte.
    Stöhnend warf ich mich auf meinem Bett hin und her, in keiner Position konnte ich länger als fünf Minuten verharren, ohne dass wieder alles schmerzte. Tränen liefen mir unkontrolliert über die Wangen, doch das Weinen half mir nicht im Mindesten, es sorgte lediglich dafür, dass ich mich noch elender fühlte. Mein Blick fiel oft auf Edward, welcher jedoch ruhig auf seinem Bett lag und nicht ein einziges Mal seine Augen aufschlug.

    Die Angst, die ich um ihn verspürte war grenzenlos. Ich wusste genau, dass ich nun selbst dabei war, aufgrund der Spanischen Grippe zu sterben, doch die Angst um meine Existenz war um ein Vielfaches kleiner als die um Edwards Leben. Dass er sich kaum noch rührte war kein gutes Zeichen, er schien sich offenbar bereits in einem fortgeschritteneren Stadium zu befinden als ich selbst. Ab und zu sah ich ungläubig dabei zu, wie sich Elizabeth, welche selbst dem Tode näher war als dem Leben, aus ihrem Bett erhob, zu Edward kroch und ihm entweder seine Stirn mit Wasser benetzte oder einfach nur eine Weile bei ihm saß, bis die Erschöpfung sie übermannte und sie zurück in ihr Bett taumelte. Ich bewunderte ihre Kraft und ihre enorme Ausdauer. Sie und ich hatten offenbar eine Sache gemeinsam – die Liebe zu Edward half uns dabei, über unsere Grenzen hinaus zu gehen.
    Dr. Cullen sah recht häufig nach uns. Alle paar Stunden stand er an meinem Bett und musterte mich mit fachmännischem Blick. Alles in mir drängte danach, mit ihm zu sprechen, aber meine Stimme wollte einfach nicht mehr funktionieren. Zudem hatte ich nicht einmal mehr die Kraft, den Becher mit Wasser in der Hand zu halten, den er mir reichte. Selbst das Schlucken strengte entsetzlich an, wie sollte ich da noch mit jemandem reden?
    Seine Sorgenfalten vertieften sich allerdings noch mehr, wenn er sich Edward zu wandte. Die Art, wie er ihn untersuchte machte mehr als deutlich, dass er keine Hoffnung mehr für ihn hatte. Ich konnte nicht mehr protestieren, doch Elizabeth schaffte es jedes Mal Dr. Cullen zu bitten, sich um ihren Sohn zu bemühen, obwohl sie selbst kaum noch sprechen konnte. Dr. Cullen saß oft an ihrem  Bett und hielt ihre Hand, während sie ihn immer wieder anflehte, ihren Sohn zu retten.

    Ich ertappte mich immer öfter dabei, dass ich zu Gott betete, er möge uns endlich erlösen. Ich wusste nicht, wann ich meinen Lebenswillen verloren hatte. All die vielen Stunden der Angst und des Hoffens kamen mir wie ein merkwürdiger Traum vor. Ich verstand nicht, wie ich so felsenfest überzeugt sein konnte, dieser grässlichen Epidemie zu entkommen. Jetzt, da ich selbst erkrankt war, wusste ich genau, dass man diesem Schicksal unmöglich entfliehen konnte. Ich wünschte mir nur, dass es endlich vorbei sein würde – diese Qualen waren kaum zu ertragen, ich konnte mich nicht einmal mehr mit meinen Fingern an der Bettdecke festkrallen, sie schmerzten einfach zu sehr. Schreien konnte ich auch nicht, ich brachte ja noch nicht einmal ein Flüstern zustande. Selbst die Tränen hatten irgendwann aufgehört zu fließen.
    In diesen unzähligen, einsamen Stunden dachte ich viel über mein früheres Leben nach. Ich versuchte, mir die Gesichter meiner Eltern ins Bewusstsein zu rufen, doch es war zu schwer. Ich erinnerte mich an so vieles, was mich an ihnen gestört hatte, doch an positive Momente konnte ich mich kaum erinnern. Ich hatte ihnen so oft Unrecht getan und nun war es zu spät, um sich zu entschuldigen oder um Vergebung zu bitten. Meine Eltern waren gestorben bevor ich sie noch einmal hatte sprechen können. Dieser Gedanke bedrückte mich sehr.
    Wenn ich nicht über meine Eltern nachdachte, dann spielte ich in Gedanken meine glückliche Zeit mit Edward durch. Ich war so unendlich dankbar, diese wenigen Momente des Glücks erlebt haben zu dürfen. Schon sehr bald würde ich diese Welt verlassen, aber ich war mir sicher, dass ich meine Bestimmung gefunden hatte: Ich hatte die Liebe meines Lebens getroffen und das war mehr, als die meisten Menschen von ihrem Leben behaupten konnten.
    Und zudem würden wir beide gemeinsam sterben. Wir würden diese Welt gemeinsam verlassen, keiner würde alleine zurück bleiben. Dieser Gedanke hatte irgendwie etwas Tröstliches. Und vielleicht... vielleicht würde unsere Liebe stark genug sein, um auch den Tod zu überstehen.

    Die Stunden vergingen, doch ich schenkte der fortlaufenden Zeit keine Beachtung mehr. Ich hatte mich auf die Seite gedreht, sodass ich Edward ansehen konnte, wenn ich meine Augen öffnete. Ich betrachtete ihn, prägte mir seine Gestalt ein so gut es ging. Ich wollte, dass er das letzte sein würde, was ich auf dieser Welt sah. Einmal, nur ein einziges Mal hatte er seine Augen geöffnet und mich angesehen. In seinem Blick lag Angst und Schmerz, aber auch unendlich tiefe Liebe. Auch er wusste, dass es nun bald vorbei sein würde, sowohl mit ihm als auch mit mir. Und scheinbar hoffte er ebenfalls, dass wir selbst nach dem Tod zusammen sein könnten.
    Es wurde Nacht – zumindest hörte ich Dr. Cullen dies sagen, als er noch einmal nach uns sah. Er wünschte mir eine erholsame Nacht, auch wenn wir beide genau wussten, dass jene Fiebernächte keinesfalls die Erholung brachten, die mein Körper so dringend benötigte. Etwas länger als nötig verweilte er bei Elizabeth. Lange Zeit saß er an ihrer Seite, hielt ihre Hand und tröstete sie leise. Dies verwunderte mich ein wenig, sodass versuchte ich mich aufzusetzen um zu sehen, was wohl vor sich ging.
    Mein Herz überschlug sich fast, als ich mich vorsichtig hinsetzte. Die Anstrengung war zu viel für meinen ohnehin schon erschöpften Körper, doch ich biss die Zähne zusammen und hievte mich weiter nach oben, meine zitternden Muskeln ignorierend. Eine plötzliche Unruhe hatte mich ergriffen, ich würde nicht eher ruhen bis ich herausgefunden hatte, was gerade vor sich ging.
    Endlich konnte ich die Gesichter von Dr. Cullen und Elizabeth erkennen.
    Sie sah elend aus: Ihre wunderschönen Haare waren schweißnass und hingen kraftlos herab. Ihr Gesicht war eingefallen, selbst ihre Augen hatten jegliches Strahlen verloren. Doch in ihrem Blick lag nun eine Intensität, die mich selbst etwas erschreckte. Mit ihren feinen Händen hatte sie Dr. Cullen bei den Schultern gepackt und zwang ihn somit, sie anzusehen. Er wirkte erschrocken und auch äußerst angespannt. Nur mit Mühe konnte ich verstehen, was sie zu ihm sagte.
    „Ich flehe Sie an, Dr. Cullen! Retten Sie meinen Sohn! Ich weiß, dass Sie dazu in der Lage sind!“, zischte sie. Ihre Stimme klang erschöpft und dennoch so kraftvoll, dass ich eine Gänsehaut bekam.
    „Ich weiß nicht, ob ich das kann“, sagte Dr. Cullen nur. Er klang mutlos.
    „Versprechen Sie es mir! Versprechen Sie mir, dass Sie ihn retten, ganz gleich zu welchem Preis!“, drängte sie nur.
    Eine lange Zeit starrten sie sich lediglich an. Seine Antwort überraschte mich jedoch.
    „Ich verspreche es, Elizabeth“, sagte er ruhig.
    Sie seufzte erleichtert, dann ließ sie sich in ihr Kissen gleiten und schloss die Augen. Dr. Cullen blieb noch eine Weile sitzen, dann erhob er sich und schritt leise davon. Ich konnte mich auch täuschen, doch es sah so aus, als ob er die Last dieses Versprechen kaum tragen konnte: Seine Schultern hingen herab und sein Gang hatte etwas Hoffnungsloses an sich.
    Ich legte mich ebenfalls erschöpft hin und versuchte, das eben Belauschte einzuordnen.

    Vermutlich hatte Dr. Cullen Elizabeth diese Dinge nur versprochen, damit sie in Frieden sterben konnte. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er Edward retten wollte – die Krankheit war mit Sicherheit viel zu weit fortgeschritten.
    Oder war er tatsächlich in der Lage uns zu helfen? Was, wenn es noch eine Möglichkeit gab, die ich einfach nicht in Betracht ziehen konnte, weil ich davon nicht wusste? Mein Herz begann erneut zu rasen, doch diesmal aufgrund dieses Gedankens, der sich meiner bemächtigte. Ich wollte nicht daran glauben, dass es noch Hoffnung geben könnte, aber ich konnte einfach nicht anders. Der Lebenswille, von dem ich angenommen hatte, dass ich ihn verloren hatte, meldete sich wieder zu Wort, mit einer solch lauten Stimme, dass mir fast schwindlig wurde. Ich warf einen raschen Blick zu Edward, der mit leichenblassem Gesicht auf seinem Bett lag und kaum noch atmete. Würde Dr. Cullen ihn wirklich retten können?
    Ich wusste genau, wie Elizabeth sich fühlen musste. Ich verstand ihre Beweggründe sehr gut – auch ich hätte selbst alles dafür getan, um Edward zu retten. Ich würde sogar meine eigene Seele verkaufen, wenn er dafür nur weiterleben könnte.
    Es ergab einfach keinen Sinn – ich durfte mir keine Hoffungen mehr machen, unser Leben war vorbei. Enttäuscht schloss ich meine Augen und versuchte den Schmerz dieser Ernüchterung zu verdrängen. Wider besseren Wissens hatte ich mich dazu hinreißen lassen, mich diesem Wunschdenken hinzugeben. Nun hatte ich meine Rechnung erhalten: Zu den körperlichen Schmerzen kamen jetzt auch noch die seelischen Qualen hinzu.

    „Isabella“
    Erschrocken öffnete ich meine Augen. Hatte ich mir dieses Flüstern nur eingebildet? Oder rief tatsächlich jemand nach mir? Ächzend drehte ich meinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. Ich zuckte beinahe zusammen, als ich Elizabeth erkannte, die auf dem Bett ihres Sohnes saß und mich ansah.
    Sie sah so anders aus – es war schwer zu beschreiben. Ihr Gesicht strahlte eine tiefe Ruhe aus, ihre Augen flackerten nicht mehr so fahrig hin und her und sie lächelte mich selig an. Mit einer Hand strich sie über Edwards Wange, mit der anderen drückte sie seine Hand ganz fest.
    „Elizabeth“, krächzte ich nur. Ich musterte sie ungläubig, als sie langsam aufstand und sich zu meinem Bett begab. Was war nur mit ihr vorgegangen? Vor wenigen Minuten hatte sie noch so erschöpft ausgesehen. Und nun wirkte sie so friedlich.
    „Meine liebe Isabella“, hauchte sie mütterlich. Sie reichte mir den Becher mit Wasser und hielt ihn an meine Lippen. Gehorsam würgte ich ein paar Schlucke hinunter. Die ganze Zeit über sah sie mich liebevoll an.
    Als ich nichts mehr trank stellte sie den Becher langsam zurück und ergriff mein Gesicht mit ihren beiden Händen.
    „Mein liebes Kind, ich kann dir nicht genug danken“, sagte sie ergriffen.
    Ich war immer noch nicht in der Lage, ihr zu antworten, so starrte ich sie nur wie gebannt an.
    „Du hast meinen Sohn so sehr verändert. Du hast ihm deine Liebe geschenkt und ihn damit zum glücklichsten Menschen auf dieser Welt gemacht. Bevor er dich kennen gelernt hatte war er ein wundervoller Sohn und liebevoller junger Mann, doch als du in sein Leben getreten bist, da gab es nicht einen Moment, in dem er nicht vor Lebensfreude gestrahlt hat. Du bist sein Gegenstück, du bist die Liebe seines Lebens“, sagte sie leise. Die ganze Zeit über strich sie mir über mein Gesicht und über mein Haar. Ich lauschte bewegt und wartete gespannt darauf, dass sie fortfuhr.
    „Was ich dir damit sagen will ist, dass ich weiß, dass er bei dir in den besten Händen ist. Du liebst ihn mehr als dein eigenes Leben, das kann ich in deinen Augen sehen. Und du hast ihn hierher gebracht, unter Aufbietung all deiner Kräfte. Das ist mehr, als die meisten jungen Damen für ihren Verlobten tun würden. Du hast dich als seiner würdig erwiesen, nicht nur durch diese Geste übermenschlicher Anstrengung.“

    Ich wollte etwas entgegnen, doch sie hielt mir einen Zeigefinger vor die Lippen.
    „Ich habe nur eine einzige Bitte an dich, Isabella. Ich werde bald sterben und Edward zurücklassen. Ich bitte dich darum, ihn niemals zu verlassen. Sei bei ihm, er wird dich brauchen. Werdet glücklich zusammen, auch wenn euer Glück große Opfer fordern sollte. Ich werde immer über euch wachen, das verspreche ich dir.“ Sie lächelte mich freundlich an. Sie klang so überzeugt, so sicher. Es war unmöglich ihr nicht Glauben zu schenken.
    „Pass gut auf Edward auf, hörst du?“, flüsterte sie nochmals.      
    Ich nickte nur schwach. Diese Bitte würde ich erfüllen solange ich noch leben sollte.
    „Ich bin so froh, dass ich dich kennen lernen durfte. Auch wenn uns nur eine kurze Zeit vergönnt war, so habe ich dich doch immer als meine Tochter gesehen und ich hoffe, dass du das gespürt hast. Du bist ein ganz besonderes Mädchen und ich bin glücklich, dass Edward dich gefunden hat. Schlaf nun, Isabella, ruh dich aus – ich spüre, dass deine Zeit auf Erden noch nicht gekommen ist.“
    Sie drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn, strich mir noch mal über meine Wange und lief dann engelsgleich zu ihrem Bett zurück. Ein leichter Wind schien ihre Haare zu durchwehen. Ob es Einbildung oder Tatsache war, wusste ich in diesem Moment nicht. Ehe sie sich hinlegte, lächelte sie mir noch einmal zu. Dann konnte ich sie nicht mehr erkennen.
    Auch ich schloss meine Augen. Ich war auf einmal schrecklich müde geworden und spürte, wie ich langsam aber sicher in den Schlaf glitt. Ich wusste nicht, ob ich diese Unterhaltung eben nur geträumt hatte, sie kam mir sehr unwirklich vor. Doch Elizabeths Worte, ob nun geträumt oder nicht, hatten mich tief in der Seele berührt.
    Zum ersten Mal seitdem ich im Krankenhaus angekommen war, schlief ich tief und fest. Kein Alptraum ließ mich hochschrecken, keine Schmerzen hielten mich vom Schlafen ab. Mein Körper fand endlich die Ruhe, nach der er sich so lange gesehnt hatte.

    Als ich erwachte sah ich, wie man Elizabeths leblosen Körper auf eine Bahre hievte. Dr. Cullen stand neben meinem Bett und sah traurig auf mich herab.
    Ich setzte mich rasch auf. Schwarze Punkte vernebelten meine Sicht, der Raum um mich herum schien sich rasend schnell zu drehen, doch das war mir gleich. Ich wollte unbedingt erfahren, was mit Elizabeth geschehen war, auch wenn ich es eigentlich schon ahnte.
    „Elizabeth?“, hauchte ich fragend.
    „Sie ist vor wenigen Stunden gestorben. Es tut mir sehr leid“, antwortete Dr. Cullen gepresst. Diese Tatsache schien ihm körperliche Schmerzen zu bereiten. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und starrte die Leiche von Edwards Mutter beinahe wütend an.
    Ich sank matt auf mein Kissen zurück, zu erschöpft um zu weinen. Sie fehlte mir bereits jetzt schon so sehr, dass es weh tat. Ich dachte an diese merkwürdige Unterhaltung, von der ich mir immer noch nicht sicher war, ob ich sie mit ihr geführt hatte.
    Mein Blick fiel auf Edward, der kraftlos auf seinem Bett lag und flach atmete.
    „Pass gut auf ihn auf“, murmelte ich leise vor mich hin. Das war Elizabeths letzter Wunsch gewesen. Ihr einzige Bitte an mich.
    In diesem Moment fasste ich den Entschluss, ihre Bitte zu erfüllen. Ich würde sie nicht enttäuschen, ich würde Edward nie verlassen, ganz gleich, welchen Preis ich auch dafür zahlen müsste.
    „So lange ich lebe“, flüsterte ich. „Ich verspreche es.“

  • Escape to EternityDatum12.03.2009 19:13
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Escape to Eternity

    Kapitel 21: Verzweiflung


    Als ich am nächsten Morgen erwachte lag ich immer noch in Edwards Armen. Er hatte mich die ganze Nacht über nicht losgelassen. Es dauerte eine Weile, bis ich mich endlich orientiert hatte, doch die ganze Zeit über achtete ich genau darauf, mich nicht zu bewegen, denn Edward schlief noch und ich wollte ihn nicht wecken.
    Ich drehte langsam meinen Kopf, damit ich sein Gesicht besser betrachten konnte. Es wirkte sehr entspannt und ich atmete erleichtert aus. Es sah ganz danach aus, als ob er sich ein wenig von den Schrecken des vergangenen Tages erholt hatte. Ein Sonnenstrahl fiel durch die Fensterscheibe, direkt auf sein Gesicht und ließ es noch makelloser als sonst erscheinen. Mir stockte der Atem bei diesem Anblick. Nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten, meine Hand auszustrecken und seine Wangen zu berühren. Er sah so wunderschön aus und erneut fragte ich mich, wie so eine engelsgleiche Person überhaupt existieren konnte. Erst jetzt fielen mir seine bronzefarbenen Haare auf, die noch verwuschelter als sonst aussahen und im Sonnenlicht glitzerten. Einen Moment lang schloss ich die Augen um meinen Herzschlag zu beruhigen, dessen Geschwindigkeit sich in den letzten Minuten drastisch erhöht hatte. Es war wirklich zu ärgerlich – selbst wenn er seelenruhig schlief hatte er eine unbeschreibliche Wirkung auf mich!
    Plötzlich runzelte er seine Stirn und seine gleichmäßige Atmung stoppte für einen Moment. Ich hielt ebenfalls den Atem an und wartete nervös, ob er vielleicht aufwachen würde, aber er murmelte nur etwas Unverständliches, verstärkte den Druck seiner Arme um meine Taille und atmete seufzend aus. Als er sich nicht weiter rührte atmete ich geräuschvoll aus. Es war seltsam, aber ich wollte nicht, dass er jetzt schon wach wurde. Ich hätte ihm so gerne noch viele weitere Stunden Schlaf gegönnt. Dieser Schlaf bedeutete Ruhe und er Erholung für ihn, die er sich wahrlich verdient hatte. Ich legte meinen Kopf auf seiner Brust ab und strich ihm gedankenverloren über seinen rechten Arm, während ich seinem Herzschlag lauschte. Dieser Moment war einfach wunderschön und ich hoffte, dass ich ihn noch lange im Gedächtnis behalten würde.
    Dennoch konnte ich die Tatsache, dass unangenehme Pflichten auf mich warteten nicht gänzlich verdrängen. Edward und ich waren von nun an praktisch in diesem Haus eingesperrt. Wir hatten keinerlei Kenntnis davon, wie es um unsere Eltern stand und überdies wussten wir nicht einmal, ob wir selbst noch krank werden würden. Ich fürchtete, dass die nächsten Tage sehr lange werden würden und dass die Langeweile und die vielen Sorgen all unsere Energien in Anspruch nehmen dürften. Ich seufzte leise – vor uns lagen anstrengende Tage.

    Erneut regte sich Edward unter mir, doch diesmal öffnete er seine Augen und sah sich verwirrt im Zimmer um, bis seine Augen mich registriert hatten. Sein Blick wurde weich und er strich mir sanft über meine Wange. Ich stütze mich etwas auf seinem Oberkörper ab, damit ich ihm weiterhin in die Augen sehen konnte.
    „Guten Morgen“, sagte ich lächelnd.
    „Isabella“, murmelte er. Seine Stimme klang immer noch schlaftrunken und verursachte eine Gänsehaut auf meinen Oberarmen.
    „Wie geht es dir?“, flüsterte ich leise, während ich ihm ebenfalls mit meinem Handrücken über seine Wange fuhr.
    „Etwas besser“, flüsterte er zurück.
    „Das ist schön.“ Ich lächelte ihn aufmunternd an.
    „Nun, die Tatsache, dass ich neben der wunderschönsten Person auf dieser Erde aufwachen durfte trägt sicher einiges dazu bei“, meinte er und lächelte ebenfalls.
    Ich wurde rot (wie konnte es auch anders sein) und vergrub mein Gesicht wieder an seiner Brust. Edward umarmte mich fest und eine Weile lagen wir nur still da und hingen unseren, jeweils für den anderen unbekannten, Gedanken nach.
    Schließlich befreite ich mich langsam aus seiner schützenden Umarmung und sah ihn wehmütig an.
    „Wir sollten uns zurecht machen“, sagte ich entschuldigend. Edward nickte verstehend und setzte sich ebenfalls auf. Seufzend erhob ich mich und streckte meinen Körper. So schön es auch gewesen sein mag, zusammen mit Edward einzuschlafen, auf die Dauer war es ein wenig unbequem. Meine Glieder begehrten schreiend auf, als ich sie dehnte und streckte. Ungeschickt stand ich auf und stolperte ein paar Schritte durch Edwards Zimmer. Edward lachte leise und ich funkelte ihn kurz wütend an. Bevor ich mich jedoch in mein Zimmer zurückzog eilte ich rasch zu seinem Bett zurück, küsste ihn kurz und bat ihn, so schnell wie möglich in den Salon zu kommen. Jede einzelne Sekunde, die ich ohne ihn verbringen musste war die reinste Qual für mich.

    Das Haus war merkwürdig still. Der Sturm des Vortages hatte sich gelegt und war einem schwül-warmen Wetter gewichen, das sich drückend über die ganze Stadt gelegt hatte. Ich öffnete das Fenster in meinem Zimmer, doch nach wenigen Augenblicken machte ich es wieder zu. Die Luft war so feucht, dass man das Gefühl hatte, zu ersticken. Nachdem ich mich angekleidet und ein wenig zu recht gemacht hatte, eilte ich in den Salon um nach dem Rechten zu sehen. Ruby erwartete mich bereits um mir mitzuteilen, dass sie das Haus gekennzeichnet hatte. Sie bereitete ein schlichtes Frühstück für mich und Edward vor, das wir beide schweigend einnahmen.

    Der ganze Tag schien wie in Zeitlupe zu vergehen. Die Stille im Haus war bedrückend und die Tatsache, dass auch außerhalb des Hauses keine Geräusche zu vernehmen waren trug zu unserer düsteren Stimmung einiges bei. Ruby hielt sich meistens in der Küche auf und wenn sie einmal in meiner Nähe war, dann unterhielt sie sich kaum mit mir. Ich bewunderte sie sehr für ihren Mut. Nicht jeder würde in einem Haushalt arbeiten, der von der Spanischen Grippe befallen worden war. Doch es kam nie ein Wort des Vorwurfes von ihren Lippen. Ich fragte mich, weshalb sie wohl nicht gehen wollte, konnte aber keinen plausiblen Grund erkennen.
    Edward saß den ganzen Tag über im Salon und war tief in Gedanken versunken. Ich sah ihm genau an, wie sehr er litt und dies traf mich ebenfalls sehr. Doch ich konnte ihm seinen Schmerz nicht ganz und gar nehmen. Hin und wieder fiel sein Blick auf mich und dann lächelte er mich liebevoll an. Es war seine Art mir für alles zu danken, was ich für ihn tat. Er konnte es noch nicht in Worte fassen, doch ich würde geduldig darauf warten. Die meiste Zeit saß ich neben ihm auf einem der Sofas und las eines der Bücher, die Elizabeth in einem kleinen Regal aufbewahrte. Manchmal strich Edward mir versonnen über den Rücken oder küsste mich auf meine Stirn. Hätte man nicht gewusst, welch schreckliche Dinge gerade in Chicago passierten hätte man annehmen können, dass wir vielleicht ein wenig gelangweilt, aber ansonsten völlig zufrieden waren.
    Doch die Fassade täuschte gewaltig. Tief in unserem Inneren bekämpften wir die große Angst, unsere Familie zu verlieren. Man sah es uns vielleicht nicht an, doch wir waren beide verzweifelt und klammerten uns an jedes bisschen Hoffnung, dass uns noch blieb. Doch welchen Sinn hatte es noch, in Tränen auszubrechen und sich dieser Verzweiflung hinzugeben? Wir würden uns dadurch nur gegenseitig verletzen und ich wollte nicht, dass Edward mich je wieder so aufgelöst sehen sollte. In diesen dunklen Stunden wollte ich eine Stütze für ihn sein und für ihn da sein, so lange er mich brauchte.

    In der Nacht blieb ich wieder bei Edward. Ich hätte unmöglich alleine in meinem Zimmer bleiben können, zu sehr fürchtete ich mich vor den dunklen Gedanken der Nacht. Seine Nähe half mir einen ruhigen Schlaf zu finden und offenbar ging es ihm genauso, denn am nächsten Morgen dankte er mir für meine Unterstützung und entschuldigte sich, dass er mir nicht genauso helfen konnte.

    Irgendwann schenkte ich der Zeit keine Beachtung mehr. Sie verging so langsam, dass jeder Blick zur Uhr eine Qual wurde. Es war fast so, als warteten wir auf etwas und dieses Warten machte einen ganz unruhig. Edward versuchte einmal ein wenig Klavier zu spielen, doch nach wenigen Augenblicken brach er wieder ab. Er sagte mir, dass er dabei viel zu sehr an seine Mutter denken musste und ich konnte seinen Schmerz gut nachvollziehen. Zwar hatte die Musik eine angenehme Abwechslung in die drückende Stille gebracht, doch wollte ich nicht, dass Edward sich unnötig quälte.
    Einmal jedoch wurde unsere äußere Ruhe auf eine harte Probe gestellt.
    Dr. Cullen hatte uns am dritten Tag unserer Quarantäne eine Nachricht geschickt, in der er uns schilderte, bei wem sich Elizabeth wohl angesteckt hatte. Sie hatte unbemerkt die Webers besucht, deren Kinder an der Grippe erkrankt waren. Dumpf erinnerte ich mich an meinen Besuch bei Mrs. Weber, kurz bevor ich die Nachricht von meinem Vater erhalten hatte: Damals hatte sie schon angedeutet, dass eins ihrer Kinder hohes Fieber hatte. Wie blind ich doch gewesen war! Schon dort hätte ich die Zeichen richtig deuten und somit zumindest die Masens vor ihrem jetzigen Schicksal retten können. Ich war unendlich erleichtert als Dr. Cullen berichtete, dass Angela nicht erkrankt war. Sie war zusammen mit Ben Cheney so weit weg wie möglich weggegangen um zu warten, bis die Epidemie in Chicago beendet war. Erleichterung durchströmte meine Adern, als ich daran dachte, dass sie vorerst in Sicherheit waren.
    Edwards Eltern jedoch waren beide schwer erkrankt und Dr. Cullen deutete an, dass er sich nicht sicher war, wie lange Mr. Masen noch am Leben bleiben würde. Zu meinen Eltern schrieb er wieder nichts und ich wusste plötzlich, dass sie tot sein mussten. Ich konnte nicht verstehen, weswegen er mir nichts dazu sagen wollte, wo ich doch viel lieber die Wahrheit gekannt hätte, als mich mit meinen spekulativen Gedanken beschäftigen zu müssen.

    Edward hatte die Nachricht nur einmal gelesen und saß danach lange Zeit auf dem Sofa und sprach kein Wort. Sein Gesicht war so blass dass ich fürchtete, er würde gleich in Ohnmacht fallen. Ich legte die Nachricht beiseite und setzte mich neben ihn, doch er sah mich nicht an. Er starrte mit ausdruckslosem Gesicht in die Ferne und schien mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Seufzend strich ich ihm kurz über seine Wange, dann erhob ich mich wieder. Ich wusste, dass er eine Weile alleine sein wollte, wobei ich ihn nicht stören wollte. So machte ich mich daran, Dr. Cullen zurück zu schreiben, denn er wollte wissen, wie es mir und Edward ging und hatte umgehend um Rückmeldung gebeten.

    Es war sehr befreiend, diesen Brief zu schreiben. Es gab mir ein Gefühl von einer gewissen Normalität zurück. Vor der Grippe hatte ich viele Briefe geschrieben und nun kam es mir so vor, als läge diese Zeit schon sehr lange zurück. Die letzten Tage waren wie ein Schnitt in den sonst so geregelten Fluss meines Lebens gewesen und ich wusste, dass ich diese Zeit niemals vergessen würde. Stets würde ich mich an diese lähmende Angst erinnern und an den Schmerz über den Verlust von Freunden und von meiner eigenen Familie. Tränen liefen mir über die Wangen, doch ich ließ sie gewähren. Edward sah mich nicht und ich konnte mir für einen Augenblick erlauben, meiner Trauer freien Lauf zu lassen.
    Merkwürdigerweise beruhigte es mich ein wenig Dr. Cullen ein paar Zeilen zu schreiben. Er war momentan meine einzige Verbindung zur Außenwelt und mittlerweile zu einer Art Vertrauensperson geworden. Vielleicht lag es daran, dass er der einzige war, der mir in dieser schweren Zeit helfen konnte (abgesehen von Edward natürlich) oder dass er mich nun schon mehrmals in einem aufgelösten Zustand gesehen hatte. Er kannte meine verletzliche Seite und er wusste, wie sehr ich Edward liebte. Nicht einmal meinen Eltern gegenüber hatte ich meine Gefühle so offen gezeigt wie Dr. Cullen. Im Grunde kannte er mich besser als so manch andere Vertrauensperson in meiner Umgebung. Möglicherweise beruhigte mich deswegen die Aussicht, dass er sich um mich kümmerte. Ich wusste, dass er sich wirklich um mich sorgte und nicht nur so tat als ob.
    Ruby versprach mir, den Brief sofort an Dr. Cullen weiterzuleiten und erneut war ich von ihrem Mut erstaunt. Sie zeigte bei der Aussicht, das Haus zu verlassen und die gefährlichen Straßen zu betreten keine Furcht. Das einzige, was ich in ihrem Blick lesen konnte war Entschlossenheit. Ich saß noch eine ganze Weile am Fenster und sah ihr zu, wie sie langsam immer kleiner Wurde und schließlich ganz aus meiner Sicht verschwand.

    Am nächsten Tag begann ich langsam unruhig zu werden. Ich spürte, dass der Punkt bald erreicht sein würde, an welchem ich nicht mehr konnte. Meine Kraft würde nicht mehr länger für mich und Edward ausreichen und ich sehnte mich so danach, dieses Haus zu verlassen, das für mich nun zu einem Gefängnis geworden war. In jeder Ecke spürte ich die Anwesenheit von Elizabeth und jedes Mal versetzte mir dies einen fürchterlichen Stich. Ich vermisste meine Eltern und ich konnte nicht einmal mehr um sie weinen. Meine Tränen waren komplett aufgebraucht. Ruhelos lief ich durch das Haus und konnte mich nicht einmal mehr mit Büchern ablenken. Edward hingegen wurde immer ruhiger, je mehr die Zeit fortschritt. Er saß meistens nur noch auf dem Sofa und starrte den ganzen Tag vor sich hin. Er hatte selbst damit aufgehört, mir manchmal seine Aufmerksamkeit zu schenken. Ich wusste, dass war ein schlechtes Zeichen. Zudem wurde er immer blasser und aß kaum noch etwas. Doch da es mir ähnlich ging sorgte ich mich nicht weiter darum. Ich war zu sehr damit beschäftigt, nicht verrückt zu werden.

    In dieser Nacht fiel mir zum ersten Mal auf, wie ungewöhnlich warm sich sein Körper anfühlte. Lag dies daran, dass ich selbst das Gefühl hatte, mir sei so kalt? Schon seit Tagen kam es mir so vor, als wäre mein Körper ausgekühlt, als würde sämtliche Energie dafür benötigt, dass ich Ruhe bewahrte, sodass keine mehr für meine Körperwärme übrig blieb. Für gewöhnlicht hatte ich den Eindruck, dass Edwards Körper immer angenehm warm war. Doch diesmal war etwas anders.
    Ich erwachte am nächsten Morgen schweißgebadet und stellte sehr schnell fest, dass der Grund dafür Edwards heißer Oberkörper und Arme waren, die er fest um mich geschlungen hatte. Nach einem weiteren Augenblick bemerkte ich ebenfalls, dass wir nicht zugedeckt waren. Edward musste uns in der Nacht abgedeckt haben, denn die Decke lag am Fußende des Bettes und fühlte sich auch recht kühl an. Langsam befreite ich mich aus seiner fast schon zu festen Umarmung und atmete erleichtert auf, als ein kühler Windhauch meine heißen Gliedmaßen kühlte. Edward neben mir stöhnte leise auf und holte ebenfalls tief Luft, doch seine Augen blieben geschlossen. Auf seiner Stirn perlten Schweißtropfen und Finger krallten sich in das Bettlaken.
    Es dauerte nur wenige Sekunden, doch kamen sie mir im Nachhinein wie eine kleine, angenehme Ewigkeit vor, in der ich noch ahnungslos war. Dann fügten sich alle Details in meinem Kopf zusammen und die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Ich sackte in mich zusammen und schnappte erschrocken nach Luft, als ich endlich begriff, was hier geschehen war.

    „Nein“, flüsterte ich, zu entsetzt, um klar denken zu können. Ich umarmte meinen Oberkörper, biss die Zähne zusammen und schloss meine Augen. Die Angst, der Schmerz – das alles war die reinste Folter. Ich zählte in meinem Kopf bis zwanzig um mich zu beruhigen. Danach öffnete ich meine Augen wieder nur um feststellen zu müssen, dass sich nichts geändert hatte. Langsam, fast zögernd legte ich meine rechte Hand auf seine Stirn um die Temperatur festzustellen. Sie zuckte automatisch zurück, als ich spürte, wie heiß seine Stirn war. Edward jedoch schien diese Berührung nicht gespürt zu haben. Er murmelte etwas Unverständliches und stöhnte erneut auf.
    Heiße Tränen liefen über meine Wangen, als ich begann, ihn an den Schultern zu packen und seinen Oberkörper zu schütteln. „Edward! Edward, wach auf, bitte wach auf“, flüsterte ich panisch. Die Tränen tropften auf sein Gesicht, doch ich kümmerte mich nicht darum. Ich hatte das Gefühl, in ein Loch zu fallen. Er durfte nicht krank sein, das konnte einfach nicht sein!
    „Edward!“, rief ich, diesmal etwas lauter und versuchte vergeblich, seinen Oberkörper etwas aufzurichten. Überall wo ich ihn berührte glühte seine Haut. Mir gingen tausend Dinge auf einmal durch den Kopf, es war so schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich wischte mir mehrmals über mein Gesicht, um meine tränenverschleierte Sicht zu klären, doch ich konnte mich nicht beruhigen.
    Da öffnete er die Augen einen Spaltbreit und sah mich an. Seine grünen Augen strahlten kaum Lebenskraft aus, doch er war wach und noch am Leben. Das war das einzige, was ich in diesem Moment sah.
    „Oh Gott“, schluchzte ich erleichtert und umarmte ihn fest.
    „Bella“, hauchte er und sah mich entschuldigend an. In diesem Moment war mir klar, dass auch er wusste, was mit ihm geschehen war. „Es tut mir so leid Bella.“
    Ich nahm sein Gesicht in seine Hände und sah ihm tief in seine Augen. „Hör auf dich zu entschuldigen!“, befahl ich ihm streng. „Spar dir deine Kraft lieber dafür auf, am Leben zu bleiben!“, fügte ich hinzu, bevor meine Stimme brach und noch mehr Tränen über meine Wangen strömten. Edward versuchte sie wegzuwischen, doch seine Hand zitterte zu stark.
    „Geh Bella. Bring dich in Sicherheit“, flüsterte er.
    „Bist du verrückt?“ Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich habe geschworen, dich nie zu verlassen!“
    „Aber ich bin krank. Und mit jeder Sekunde, in der du bei mir bist läufst auch du Gefahr, krank zu werden“, sagte er mit schwacher Stimme.
    „Wenn du wüsstest wie egal mir das ist“, flüsterte ich und lehnte meine Stirn an seine heiße. „Ich könnte dich niemals alleine zurücklassen“
    „Ich liebe dich Bella“, murmelte Edward, dann schloss er wieder seine Augen.
    „Nein! Nein Edward, schlaf nicht ein!“, rief ich panisch. Was, wenn er diesmal nicht mehr aufwachen würde?
    Rasch sprang ich auf und schlüpfte in mein Kleid, das neben dem Bett lag. Ich würde wohl kaum im Nachthemd auf die Straße treten können.

    „Edward, ich werde dich zu Dr. Cullen bringen!“, sagte ich und versuchte ihn erneut aufzurichten. „Bitte, streng dich an und steh auf!“
    „Ich kann nicht“, flüsterte er. „Mir ist schrecklich heiß“
    „Bitte“, flehte ich und schluchzte erneut. „Bitte, streng dich an! Wir müssen es nur zu Dr. Cullen schaffen, dann kannst du dich ausruhen!“
    „Ich weiß nicht, ob ich die Kraft dazu habe“, antwortete er und sah mich mutlos an. Seine Wangen glühten und erinnerten mich daran, dass uns nicht mehr viel Zeit blieb.
    „Du liebst mich Edward? Dann beweise es auch!“, rief ich verzweifelt. Das war gemein und ich wusste es auch, dennoch hoffte ich, dass er sich dadurch mobilisieren lassen würde.
    Und in der Tat, er bewegte sich schwerfällig und schaffte es, sich aufzusetzen. Ich ergriff seinen rechten Arm und legte ihn mir um seine Schulter, dann versuchte ich ihn hochzuziehen. Er schwankte zwar sehr und konnte sich nur schwer auf den Beinen halten, aber es gelang uns. Mit Mühe half ich ihm, die Treppen hinunterzulaufen. Am Fuße der Treppe setzte er sich hin und schloss müde die Augen. Von dieser kurzen Strecke war er völlig außer Atem und ich fragte mich, wie um alles in der Welt wir es zu Dr. Cullen schaffen sollten. Kurz überlegte ich, ob ich ihn nicht holen lassen sollte, doch ich wollte nicht auf ihn warten. Wer wusste schon, ob er sofort nach uns sehen konnte? Ich wollte das Risiko nicht eingehen, dass Edward womöglich... selbst in Gedanken konnte ich das Wort nicht aussprechen. Sofort verdrängte ich alles, was damit zu tun hatte und konzentrierte mich ausschließlich auf die Aufgabe, die vor mir lag.
    Ich musste Edward zu Dr. Cullen bringen und zwar so schnell wie möglich. Ich musste es einfach schaffen, egal zu welchem Preis!

    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 20: Endloser Weg


    „Edward, bleib hier sitzen, ich bin gleich wieder da, in Ordnung?“, flüsterte ich ihm beruhigend zu, während ich ihm sanft mit der Hand über seine Haare strich. Sein Kopf war so heiß...
    Er nickte nur und lehnte sich matt gegen die Wand. Seine Augen ließ er leicht geöffnet. Es fiel ihm zunehmend schwer, sich auf etwas zu fixieren, denn sein Blick wanderte unruhig hin und her.
    Ich eilte rasch durch das Haus und rief nach Ruby, doch sie war nirgends zu finden. Die Küche lag verlassen da und ich stand einige Augenblicke unschlüssig herum, ohne zu wissen, was ich tun sollte. Es ergab keinen Sinn, Ruby zu suchen – Edward war im Moment eindeutig wichtiger. Mein Blick fiel auf ein weißes Tuch, das auf einem Stuhl hing und mir kam eine Idee. Ich ergriff es rasch und tauchte es in das Wasser eines Eimers, der neben dem Herd stand. Das Wasser war eiskalt und ich atmete erleichtert auf. Das würde Edwards Fieber vielleicht ein wenig erträglicher machen für ihn. Ich hinterließ eine Spur aus Wassertropfen am Boden, als ich zurück zu Edward lief.

    Dieser saß zwar immer noch auf der Treppe, sah aber um einiges erschöpfter aus als noch vor ein paar Minuten. Ich unterdrückte nur mit viel Mühe eine erschrockene Reaktion und biss wütend die Zähne zusammen. „Sei stark Bella, sei stark für ihn“, murmelte ich mir leise zu, bevor ich mich neben ihn niederkniete.
    „Bella“, hauchte er leise und schaffte es tatsächlich irgendwie mir zuzulächeln. Ich erwiderte sein Lächeln halbherzig und drückte ihm das nasse, kühle Tuch vorsichtig auf seine Stirn.
    „Hier, fühlt sich das besser an?“, fragte ich ihn leise.
    Er stöhnte erleichtert auf. „Viel besser.“
    Ich hielt es eine Weile lang an seine Stirn gedrückt und gönnte ihm noch ein paar Minuten der Ruhe. Unauffällig versuchte ich seinen Puls zu prüfen. Ich hatte Dr. Cullen immer dabei beobachtet, wenn er sich um meine Mutter gekümmert hatte. Ich erinnerte mich, dass er seinen Daumen auf die Unterseite ihres Handgelenks gedrückt und dabei leise etwas gezählt hatte. Edward bemerkte nicht, dass sich meine Finger um sein Handgelenk schlossen, worüber ich sehr froh war. Ich wollte nicht, dass er sich noch mehr Sorgen um sich machte.
    Ich spürte seinen Puls nur undeutlich und konnte mich auch nicht recht konzentrieren, um seinen Herzschlag mitzuzählen. Andauernd stolperte ich über meine eigenen Zahlen und so gab ich es schließlich nach ein paar Versuchen auf. Ich wusste nur, dass sein Herz ungewöhnlich schnell schlug, obwohl er eigentlich ruhte und sich nicht anstrengte. Das konnte unmöglich ein gutes Zeichen sein. Ich wischte mir verstohlen mit der Hand über meine Augen, da sich dort erneut Tränen gesammelt hatten und atmete ein paar Mal tief durch. Weinen konnte ich später immer noch, jetzt musste ich Edward endlich in ein Krankenhaus bringen.
    „Edward“, sagte ich sanft. „Wir müssen jetzt gehen.“
    „Du willst immer noch bei mir bleiben?“, fragte er und klang dabei schon fast ungläubig und ein kleines bisschen hoffnungsvoll.
    Ich überging diese Frage und griff ihm unter die Arme, um ihn hochzuziehen. Es fiel mir sehr schwer, doch ich bemerkte, dass er wirklich mithalf und nach ein paar Versuchen stand er schließlich neben mir auf seinen Beinen, wenn auch etwas wacklig.
    Ich wickelte das nasse Tuch, das mittlerweile nicht mehr ganz so kalt war um seinen Hals und hoffte, dass es ihn ein bisschen kühlen würde. Er zuckte leicht zusammen, als das feuchte Material seinen Nacken berührte.
    „Das fühlt sich so gut an“, murmelte er versonnen.
    Ich umarmte ihn kurz, ließ ihn jedoch rasch wieder los. Er glühte immer noch und sein Hemd war mittlerweile feucht von seinem Schweiß.
    „Ich weiß, das wird nun sehr anstrengend sein, aber egal, wie viel Kraft du aufwenden musst, bitte halte durch“, sagte ich eindringlich zu ihm und sah ihm tief und ein wenig beschwörend in die Augen.
    „Ich versuche es“, gab er zur Antwort.
    „Versprich es!“, flüsterte ich zurück.
    Er stützte sich immer noch an meiner Schulter ab, doch mit seiner freien Hand ergriff er die meine und drückte sie sanft.
    „Also schön, ich verspreche es. Stures Mädchen“, murmelte er.
    „Du kannst dich später über mich ärgern“, entgegnete ich. Mein Herz raste bei dem Gedanken, dass er immer noch in der Lage war, sich über mich lustig zu machen. Dies gab mir Hoffnung, dass er diese Krankheit vielleicht doch überstehen würde.

    Langsam verließen wir das Haus und betraten die Straße. Ich fühlte mich so, als ob mir jemand einen Schlag auf beide Wangen verpasst hatte. Die frische Luft füllte meine Lungen und gab mir neue Kraft. Sämtliche Benommenheit der letzten Tage fiel von mir ab, als ich die ersten Schritte seit mehreren Tagen außerhalb des Hauses machte. Auch Edward schien sich etwas besser zu fühlen, als wir die drückende Schwüle seines Elternhauses verließen. Er atmete ein paar Mal tief durch und öffnete sogar seine Augen ganz, um in den blauen Himmel zu schauen, der sich über uns öffnete.
    Ich sah mich um und meine Hoffnung schwand. Die Straßen waren so ausgestorben wie vor ein paar Tagen und nirgends war jemand zu sehen, der uns hätte helfen können. Nicht eine Kutsche fuhr die Straßen entlang. Eine unheimliche Stille hatte sich über die Stadt gesenkt und selbst die Vögel waren still. Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus – Chicago war zu einer Geisterstadt geworden.
    „Wir müssen zu Fuß gehen“, murmelte ich leise und zog Edward mit mir. Er wäre am liebsten stehen geblieben, doch das konnte er sich nun wirklich nicht erlauben. Fünf Minuten gingen wir schweigend nebeneinander her, doch ich merkte, dass Edwards Kraft nachließ, denn er stützte sich immer stärker an mir ab und wurde zusätzlich langsamer. Seine Füße schlurften am Boden entlang und sein Atem ging keuchend, fast so als ob er einen steilen Berg erklimmen musste. Zuerst schenkte ich dem keine Beachtung und zog ihn unbarmherzig weiter, doch irgendwann musste ich stehen bleiben um ihm eine Atempause zu gönnen.
    „Lass mich hinsetzen Bella“, bat er mich.
    Ich schüttelte nur den Kopf. Wenn er sich jetzt hinsetzten würde, dann würde ich ihn vielleicht gar nicht mehr dazu bewegen können, weiterzugehen.
    „Du hast es mir versprochen Edward“, sagte ich streng.
    „Bella“, stöhnte er nur und schloss matt die Augen. Er lehnte seinen Kopf an meine Schulter und  ich ließ es geschehen. Ich benötigte selbst ein paar Minuten, um mich daran zu erinnern, welchen Weg ich eigentlich nehmen musste, um zum Krankenhaus zu gelangen. Ich wusste ja nicht einmal, in welchem Dr. Cullen arbeitete oder ob aufgrund der Grippe neue Lazarette eröffnet worden waren. Hoffnungslosigkeit machte sich in mir breit, doch bevor sie mich übermannen konnte verbannte ich sämtliche Gedanken an ein mögliches Scheitern aus meinem Kopf und packte Edward schon fast grob an seinem Arm.
    „Edward, komm schon, es ist nicht mehr weit“, sagte ich und bemühte mich um ein schwaches Lächeln.
    Er knurrte unwillig, doch lief tatsächlich weiter. Nach ein paar Minuten mussten wir zwar wieder stehen bleiben, doch ich gönnte ihm kaum längere Pausen. Ich wusste nicht, was mich antrieb oder woher ich diese Engelsgeduld nahm, mit der ich ihn immer wieder sanft ermahnte weiterzugehen. Doch es half.

    Wir schleppten uns fast den ganzen Tag durch die Stadt, auf der Suche nach einem der Krankenhäuser. Auf dem Weg begegneten wir niemandem, nur einmal fuhr eine Kutsche an uns vorbei. Ich versuchte sie anzuhalten, doch der Kutscher ignorierte uns einfach und warf nicht ein mal einen Blick in unsere Richtung. Ich konnte es ihm nicht verübeln – wer wollte schon infizierte Personen in seiner Nähe haben?
    Die ganze Zeit über frage ich mich, ob ich nun auch krank werden würde. Die letzten Tage hatte ich ständig Kontakt mit erkrankten Menschen gehabt. Den Webers, meinen Eltern, den Masens, Edward... Und trotzdem fühlte ich mich immer noch gesund. Ich war zwar sehr erschöpft und mir war nun, nach diesem anstrengenden Weg auch ziemlich warm, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Spanische Grippe sich so harmlos anfühlen würde. Mittlerweile war es mir schon beinahe egal, denn ich hatte bereits fast alle Menschen verloren, die mir etwas bedeutet hatten. Ich kam mir vor wie in einem Alptraum – alle um mich herum waren krank geworden, nur ich war bislang merkwürdigerweise verschont geblieben. Es war wie ein Fluch oder ein schlechter Witz meines Schicksals. Vermutlich war es einfach nur der Preis, den ich für mein Glück zahlen musste. Ich hatte mich schon gewundert, weswegen meine Wünsche sich in letzter Zeit alle so rasch erfüllt hatten.
    Im Nachhinein betrachtet kann ich sagen, dass dies eine der wichtigsten Lektion war, die ich je lernen musste. Denn wenn ich eins gelernt habe, dann das, dass auf der Erde nichts umsonst ist und alles seinen Preis hat. Dies sollte ich auch viel später noch feststellen.

    Mittlerweile waren wir in einem Stadtteil angekommen, in welchem ich mich überhaupt nicht auskannte. Edward schien davon anscheinend gar nichts zu bemerken, denn er konzentrierte sich anscheinend nur darauf, weiterzugehen. Oder sich weiterzuschleppen, denn das, was er tat konnte man unmöglich als `gehen´ bezeichnen. Meine Schulter spürte ich kaum noch, die Stelle, an der sich Edward abstützte pochte nur noch dumpf und tat fast nicht mehr weh. Ich wusste, dass sie am nächsten Tag ein einziger blauer Fleck sein würde, aber das war mir herzlich gleich. Meine Schmerzen waren nichts im Vergleich zu denen, die Edward in diesem Moment wohl ertragen musste.
    Ich hatte ein bisschen über die Spanische Grippe gelesen, in den Tagen, als sie nur als dunkle Bedrohung über uns schwebte, aber noch nicht die Stadt erreicht hatte. Es hieß, dass die Patienten nicht nur schrecklich hohes Fieber hatten, sondern auch noch an äußerst qualvollen Gliederschmerzen zu leiden hatten. An der Art, wie Edward bei jedem Schritt qualvoll sein Gesicht verzog oder ab und zu aufstöhnte wusste ich, dass diese Schmerzen wirklich nicht so leicht zu ertragen sein mussten. Mehrmals frage ich mich, ob es wirklich angebracht war, ihn durch diesen langen Weg noch mehr zu quälen, doch beinahe sofort wusste ich die Antwort auf diese Frage. Dies war die einzige Möglichkeit ihn zu retten und daher musste er die Qualen einfach ertragen. Ich hoffte, dass er wusste, dass ich nur sein Bestes wollte.
    Doch nun war ich vorerst von meinen quälenden Gedanken abgelenkt, denn ich wusste nicht mehr, wie wir weiterlaufen sollten. Die Straßen waren mir so fremd, nirgends sah ich etwas Vertrautes, an das ich mich vielleicht erinnern oder orientieren könnte. Edward hatte bemerkt, dass ich stehen geblieben war und seufzte erleichtert auf. Sein ganzer Körper zitterte vor Erschöpfung stark und er glühte, er glühte so viel stärker als noch an diesem Morgen.
    „Setz dich einen Augenblick Edward“, sagte ich seufzend. Es hatte momentan keinen Sinn, er musste sich diesmal wirklich ausruhen. Und vielleicht tat mir diese Ruhepause auch gut, vielleicht würde ich mich ja dann erinnern, welchen Weg wir einschlagen sollten.
    Edward ließ sich stöhnend am Straßenrand nieder und lehnte sich matt gegen eine Häuserwand. Sein Atem ging so flach und schnell, dass ich besorgt schlucken musste. Was, wenn die Erschöpfung seinen Zustand noch verschlechterte? Daran wäre ich diesmal schuld und ich wusste nicht, wie ich mit diesem Wissen umgehen sollte.

    Doch auch meine Kraft ließ langsam nach. Ich bemerkte erschrocken, dass meine Hände ebenfalls zitterten und dass meine Beine fürchterlich schmerzten. Meine Rückenmuskeln begrüßten diese Pause und zum ersten Mal registrierte ich auch den pochenden Schmerz in meinen Schläfen. Jetzt, wo ich es zuließ, dass ich mich ausruhen konnte, kehrten alle Schmerzen zurück, die ich die letzten Stunden unterdrückt hatte. Ich wusste nicht, ob ich noch die Kraft hatte aufzustehen, geschweige denn Edward dazu zu bringen weiterzulaufen. Ich hätte mich am liebsten hingelegt und ein wenig geschlafen.
    Ich erschrak etwas, als Edwards glühende Hand sich um meine schloss und er seinen Kopf an meine Schulter lehnte. Das Tuch, das ich ihm um seinen Hals gewickelt hatte, war mittlerweile ebenfalls warm geworden.
    „Du bist so tapfer“, flüsterte er mir leise ins Ohr.
    Ich musste gegen den Drang zu weinen ankämpfen. „Du irrst dich!“, gab ich mit zitternder Stimme zurück. „Ich bin viel schwächer als du glaubst.“
    „Sei nicht albern“, murmelte er. „Ich sehe genau, wie viel Kraft es dich kosten muss, um das alles durchzustehen.“ Bevor er noch mehr sagen konnte, hatte ihn ein schrecklich heftiger Hustenanfall erfasst und diesmal strömten mir die Tränen in Scharen über die Wangen.
    „Oh Edward“, schluchzte ich erschrocken und verängstigt zugleich. Ich schlug ihm sanft auf seinen Rücken und in der Tat, sein Husten besserte sich etwas.
    Mit glühenden Wangen und rot unterlaufenen Augen sah er mich an. Meine Hand hielt er immer noch in seiner. „Bella, ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich dich liebe“, flüsterte er.
    „Ich liebe dich, Edward. Und wenn dir tatsächlich irgendetwas an mir liegt, dann streng dich bitte an und bleib bei mir“, gab ich eindringlich zurück.
    Er lächelte etwas, bevor er erneut zu husten begann. Keuchend kauerte er sich auf dem Boden zusammen, sein Gesicht war vor Anstrengung und Schmerzen verzerrt.
    „Edward!“, schrie ich panisch und sprang auf die Füße. Dieser schreckliche Anblick meines von Schmerzen geplagten Verlobten hatte Kräfte in mir mobilisiert, von denen ich bislang noch nichts bemerkt hatte. Ohne zu wissen, wie ich dies vollbrachte ergriff ich seine beiden Arme und zog ihn hoch. Er krümmte sich immer noch etwas, doch ich schaffte es, ihn davor zu bewahren, wieder zu Boden zu gehen.
    „Ich warne dich Edward“, knurrte ich wütend, während ich ihn unbarmherzig mit mir zog. „Wir sind bald da, dann kannst du dich ausruhen. Aber jetzt musst du deine ganze Kraft dazu verwenden, weiterzugehen, verstanden?“
    Edward nickte schwach und stolperte mit halb geschlossenen Lidern neben mir her. Mit grimmiger Miene achtete ich darauf, dass er weiterlief und nicht noch einmal stehen blieb. Meine eigenen Schmerzen spürte ich kaum noch, ich hatte nur ein einziges Ziel, das ich in diesem Moment realisieren wollte, daher war alles andere für meinen Verstand unwichtig.

    In jenem Augenblick, als ich gesehen hatte, wie Edward am Boden gekauert war, da war mir schlagartig klar geworden, dass ich keine Zeit mehr hatte. Edward musste so schnell wie möglich zu Dr. Cullen gebracht werden und ich musste damit aufhören, mir etwas vorzumachen. Er musste schon die ganzen letzten Tage krank gewesen sein, ohne dass wir beide etwas davon gemerkt hatten. Möglicherweise war es bereits zu spät und er befand sich in einem Stadium, das als unheilbar galt. Ein eiskalter Schauer rann mir über den Rücken, als ich diese Möglichkeit ernsthaft in Erwägung zog.
    Mittlerweile waren wir in einer Straße angekommen, die mir vage bekannt vorkam. Mein Herz beschleunigte sich um das Zehnfache bei dem Gedanken, dass ich das Krankenhaus vielleicht doch noch rechtzeitig finden würde. Mein Körper mobilisierte meine allerletzten Kraftreserven und half mir, nicht nur Edward sondern auch mich selbst voranzutreiben. Mittlerweile war mein Rücken schweißnass und meine Haare klebten an meiner Stirn, doch ich vermutete, dass dies teilweise auch Edwards Fieber zuzuschreiben war. Meine Lippe blutete leicht, da ich die ganze Zeit so fest drauf gebissen hatte. Mein Atem ging keuchend, die Muskeln meiner Beine brannten, doch dies alles kümmerte mich kaum.

    Als wir um eine Ecke in eine große Straße bogen blieb mir vor Schreck mein Herz einen für einen Augenblick lang stehen. Ich sah zum ersten Mal seit langem wieder mehrere Menschen auf einem Fleck. Die Menschenmasse befand sich vor einem großen Gebäude, das wohl das gesuchte Krankenhaus sein musste.
    Ich blieb stehen und beobachtete die Szene vor mir genauer. Unter den Menschen befanden sich offenbar viele Angehörige von Erkrankten, denn manche hatten Zettel in der Hand und diskutierten miteinander. Offenbar suchten einige von ihnen ihre Angehörige oder wollten wissen, ob sie schon tot waren. Wieder andere schleppten sich ebenso matt wie ich in das Gebäude. Erkrankte oder Infizierte, so genau konnte ich den Unterschied nicht ausmachen. Frauen in langen, hellen Kleidern eilten geschäftig aus dem oder in das Gebäude. Dies waren wohl Krankenschwestern, die sich um die Patienten kümmern mussten.
    Edward stöhnte leise auf und ich setzte mich entschlossen in Bewegung.
    „Wir sind da, Edward“, flüsterte ich ihm beruhigend zu. Er antwortete mit einem Geräusch, das nach einem erleichterten Seufzen klang. Ich schluckte – er war mittlerweile sogar schon zu schwach zum Reden.
    Ich drängte mich durch die Menge hindurch, doch es war nicht schwer, mir einen Weg zu bahnen. Die meisten wichen mir mit erschrockenen Gesichtern aus, als sie sahen, dass Edward mehr tot als lebendig an meiner Schulter hing. Etwas Abseits vom Eingang sah ich einen Mann in einem hellgrauen Kittel, der wohl einer der Ärzte sein musste. Er hatte sich die Hände vors Gesicht geschlagen und weinte. Diesen Anblick, so wusste ich, würde ich wohl nie vergessen. Es war die personifizierte Hoffnungslosigkeit, die sich in Chicago breit gemacht hatte. Ich schloss die Augen und drehte meinen Kopf beiseite, um den Arzt nicht mehr sehen zu müssen.
    Ich wollte Edward gerade durch den Eingang ziehen, als mich jemand grob an meiner freien Schulter packte und mich unsanft umdrehte.

    „Hey, Mädchen!“
    Ich war zu perplex, um reagieren zu können. Stattdessen starrte ich nur wie hypnotisiert in das Gesicht des Mannes, der mich so ungehobelt angesprochen hatte. Er hatte blondes Haar, das ihm wirr ins Gesicht hing und ausgesprochen markante Gesichtszüge. Seine Augen waren von dunklen Ringen umrandet und er sah aus, als ob er schon sehr lange nicht mehr anständig geschlafen hatte.
    „Entschuldigen Sie bitte?“, sagte ich höflich, aber relativ kühl. Konnte er denn nicht sehen, dass ich Edward so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen musste?
    „Haben Sie meinen Sohn gesehen?“, fragte er mich nur und sah mich erwartungsvoll an.
    „Es tut mir leid, Sir, ich habe seit Tagen niemanden außer meinen Verlobten gesehen. Ich muss ihn jetzt sofort zu einem Doktor bringen, wenn Sie mich also entschuldigen würden“, sagte ich bloß und wollte mich bereits umdrehen, als er mich erneut zurückhielt.
    „Bitte, ich suche ihn schon seit Tagen!“, sagte der Mann eindringlich. Er hielt mir ein Blatt vor mein Gesicht, auf der das Gesicht seines Sohnes grob skizziert war. Ich hatte den Jungen noch nie gesehen und ich sah auch nicht ein, weswegen ich mich von diesem Mann noch weiter aufhalten lassen sollte. Ich konnte ihm nicht helfen und jede Sekunde, die ich mit ihm verbrachte könnte Edward schaden.
    „Ich habe ihn noch nie gesehen. Sir, es tut mir wirklich sehr leid, aber ich kann Ihnen nicht helfen“, antwortete ich erschöpft, aber bestimmt.
    „Verdammt, ich will wissen wo mein Sohn ist!“, brüllte der Mann plötzlich los und schüttelte mich grob an meiner Schulter. Edward verlor durch diesen Gefühlsausbruch seinen Halt und fiel unsanft zu Boden. Wie in Zeitlupe sah ich ihn fallen und hörte das dumpfe Geräusch des Aufschlags. Er blieb regungslos liegen und mein Herz setzte für einen kurzen Augenblick aus.
    Der Mann brüllte etwas Unverständliches und schüttelte mich hin und her. Ich jedoch war unfähig zu reagieren. Meine Augen waren immer noch auf Edwards leblose Gestalt am Boden fixiert. Er bewegte sich nicht und hatte sich anscheinend beim Sturz auch noch am Kopf verletzt, denn der Boden unter seinem Hinterkopf verfärbte sich in einem grässlichen Rot. Endlich fand ich meine Stimme wieder.
    „EDWARD!“, schrie ich wie von Sinnen und begann, gegen den Griff des Mannes anzukämpfen. Blinde Wut und Angst verschleierten meinen Blick und verliehen mir ungeahnte Kräfte. Ehe der Mann reagieren konnte hatte ich ihm in sein Schienbein getreten und eine seiner Hände abgeschüttelt. Bevor ich weitere Maßnahmen ergreifen konnte schritten die umstehenden Passanten ein. Zwei Männer packten meinen Angreifer von hinten und zogen ihn von mir weg, während sie ebenfalls auf ihn einbrüllten. Kühle Hände umfassten meine Schultern und zogen mich mit sanfter Gewalt von dem Mann weg, da ich immer noch nicht aufhörte diesen zu attackieren.
    „Miss Swan, beruhigen Sie sich!“ Die mir wohl vertraute Stimme von Dr. Cullen versuchte mich zu besänftigen. Ich drehte mich sofort um und starrte in sein wunderschönes Gesicht, das mich sehr besorgt ansah.
    „Dr. Cullen“, hauchte ich, unendlich erleichtert.
    „Miss Swan, geht es Ihnen gut?“, fragte er sofort und fuhr mit seiner rechten Hand prüfend über meine Stirn.
    Mein Blick fiel zu Edward, welcher mittlerweile von vier Männern auf eine Trage gehievt wurde. Er hatte die Augen geschlossen und atmete flach. Sein Hinterkopf blutete stark und dunkle Tropfen fielen auf den Boden.
    „Kümmern Sie sich um Edward“, bat ich matt, dann begann sich plötzlich alles um mich herum zu drehen. Ich kippte nach vorne und bekam gerade noch mit, wie mich Dr. Cullens starke Arme auffingen, dann wurde alles schwarz.

  • Escape to EternityDatum12.03.2009 19:12
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Escape to Eternity

    Kapitel 19: Ein Sturm zieht auf



    Irgendwann versiegten meine Tränen und ich kauerte nur noch matt und kraftlos auf dem kühlen Boden. Ich hörte Schritte neben mir, war aber zu schwach, um nachzusehen, wer sich mir näherte.
    „Bella! Bella, bitte, sag doch was!“ Dumpf drangen diese Worte an mein Ohr. Jemand schüttelte mich und zog mich unsanft auf meine Füße. Nur die starken Arme dieser Person verhinderten, dass ich zurück auf den Boden fiel. Träge öffnete ich meine Augen.
    „Bella!“ Endlich erkannte ich die wunderschöne Stimme. Ihr verzweifelter Klang fuhr mir durch Mark und Bein, half mir aber zugleich wieder zurück in die Realität zu gelangen. Niemand anderes als mein Verlobter war gekommen, um mich aus dem Abgrund der Verzweiflung zu retten.
    „Edward“, murmelte ich, immer noch ganz benommen von meinem emotionalen Zusammenbruch. Ich sah ihm tief in seine Augen, die mich so besorgt und angstvoll musterten, dass ich schreckliche Schuldgefühle bekam. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, ihm solchen Kummer zu bereiten?
    „Oh Gott Bella“, stöhnte er erleichtert, als er sah, dass ich auf ihn reagierte. Er umarmte mich fest und strich mir über meinen Rücken, während er meinen Namen immer und immer wieder flüsterte.
    Schließlich schob er mich ein wenig von sich weg und sah mich ernst und liebevoll zugleich an.
    „Mach das nie wieder!“, hauchte er eindringlich.
    Ich nickte schwach. Ich konnte noch immer nicht sprechen, meine Stimme war noch nicht voll zurückgekehrt.
    Edward drückte mir einen leichten Kuss auf die Stirn und zog mich dann wieder an seine Brust. Er schien mich nicht mehr loslassen zu wollen.
    „Ich hatte solche Angst“, gestand er leise. „Dir hätte so leicht etwas zustoßen können. Die Straßen sind nicht mehr sicher“
    „Es tut mir leid, Edward“, krächzte ich mit heiserer Stimme. Das ständige Weinen forderte allmählich seinen Tribut. Ich schluckte und meine Stimme brach erneut ab. Edward nahm mein Gesicht in seine Hände und bedachte mich mit einem solch liebevollen Blick, dass ich das Gefühl hatte, mein Herz würde schmelzen.
    „Bella, wieso bist du einfach so weggelaufen?“, fragte er leise, während er mir mit seinem rechten Daumen zaghaft über meine Wange strich.
    Ich schüttelte hilflos meinen Kopf. Dies war eine gute Frage. Weswegen war ich eigentlich so überstürzt aus dem Haus geeilt um hierher zu gelangen? Ich wusste selbst nicht, was ich mir davon erhofft hatte.
    „Ich weiß es nicht“, hauchte ich.
    Edward sah mich weiterhin ruhig an und diesmal half mir sein durchdringender Blick, meine Gedanken zu ordnen.
    „Ich glaube ich hatte gehofft, meine Eltern vorzufinden. Auch wenn ich genau weiß, dass sie nicht mehr hier sind“, flüsterte ich leise. Noch ehe ich zu Ende gesprochen hatte wusste ich, dass dies die Wahrheit war. Mein Herz hatte gehofft, dass in meinem Elternhaus noch alles beim Alten war. Ich hatte darauf gehofft, meine Eltern zu sehen, wie sie freudestrahlend aus der Tür traten um ihre Tochter zu begrüßen.
    Edwards Blick wurde weich und er küsste mich vorsichtig auf beide Wangen.
    „Ach Bella“, murmelte er. Zärtlich strich er mir mit seinen Händen über mein Gesicht. Ich schloss die Augen und genoss die Liebkosungen. Sie milderten meine Angst und meine Verzweiflung etwas und erneut fragte ich mich, womit ich diesen Mann nur verdient hatte.

    Das Pfeifen des Windes wurde lauter und durchbrach die todesähnliche Stille, die sich über die Straße gesenkt hatte. Ich fröstelte und schmiegte mich enger an Edward, der mich beschützend umarmte.
    „Ich denke, es ist besser, wenn wir rasch zurückgehen“, sagte er. Mir entging der nervöse Unterton seiner Stimme nicht. Plötzlich wurde mir schlagartig bewusst, in welche Gefahr ich mich gebracht hatte.
    Die spanische Grippe war in Chicago ausgebrochen. Jeder noch so kurzer Aufenthalt auf der Straße war potentiell tödlich. Ich hätte mich ebenfalls infizieren können.
    Mein Herz begann aufgrund dieser Erkenntnis zu rasen und kalter Schweiß sammelte sich auf meiner Stirn. Zum ersten Mal hatte ich Angst um mein eigenes Leben.
    „Oh Gott, Edward“, brachte ich bestürzt hervor.
    Dieser sah mich erschrocken an. „Was ist? Was hast du Bella?“
    „Wir... wir sollten wirklich schnell zurück zu dir nach Hause“, flüsterte ich eindringlich. „Ich hatte die Gefahr nicht bedacht, es tut mir so leid“
    „Bella“ Er sah mich prüfend an, dann plötzlich küsste er mich sanft auf meine Lippen.
    Mein Atem ging schneller, als er sich langsam von mir löste. Seine Augen glühten und ich hatte das Gefühl, er konnte direkt in meine Seele blicken.
    „Bella, ich liebe dich“, sagte er und lächelte mich schief an. „Ich kann verstehen, weswegen du hierher gekommen bist. Du hast dich in Gefahr begeben um zu denen zu gelangen, die du liebst. Und auch, wenn ich deswegen schreckliche Angst um dich hatte, ich fühle mit dir und ich hätte vermutlich genauso reagiert.“ Bewegt strich er mir über mein Haar.
    Ich lächelte ihn ebenfalls vorsichtig an und senkte beschämt die Augen, als sein Blick immer intensiver wurde.
    „Komm, gehen wir nach Hause“, sagte er mit warmer Stimme. Er nahm meine Hand in seine und legte seinen anderen Arm um meine Taille. Mit sanftem Druck führte er mich von meinem Elternhaus fort.
    Ohne mich noch einmal umzudrehen eilten wir Hand in Hand und durch die menschenleeren Straßen.

    Erst jetzt bemerkte ich, wie gespenstisch unser Viertel wirkte. Niemand wagte sich noch auf die Straße, nicht eine Kutsche fuhr an uns vorbei. Die Angst der Menschen war förmlich spürbar. Ich zitterte, sowohl vor Kälte als auch vor Furcht. Immer wieder fragte ich mich, wie um alles in der Welt diese Veränderung so plötzlich hatte kommen können. Noch vor wenigen Tagen war ich auf den belebten Straßen fröhlich spazieren gegangen und hatte über nichts anderes nachgedacht als über meine bevorstehende Hochzeit. Wäre vielleicht alles anders gekommen, wenn meine Eltern die Grippewarnungen ernst genommen hätten? Ich seufzte betrübt und drückte mich noch fester an Edwards Seite. Er verstärkte den Griff um meine Taille und sah mich fragend an.
    „Glaubst du, wir haben die vielen Zeichen übersehen, welche diese Epidemie angekündigt haben?“, fragte ich ihn leise, als er immer noch nicht aufhörte, mich anzusehen.
    Er überlegte eine Weile, dann schüttelte er den Kopf. „Ich fürchte, es war schon zu spät, als wir die Nachrichten erhalten haben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis diese Krankheit auch hier ausgebrochen ist“, sagte er niedergeschlagen.
    „Was sollen wir denn nun unternehmen?“ Ich sah ihn vorsichtig an. Noch allzu deutlich konnte ich den Streit in meinem Kopf hören, den er mit seiner Mutter ausgetragen hatte.
    Edwards Gesicht verhärtete sich ein wenig, doch er fing sich recht schnell. Mit unergründlichem Blick sah er zu Boden. „Ich weiß es nicht, Bella“, murmelte er leise. „Ich bin immer noch dafür, dass wir so schnell wie möglich diese Stadt verlassen. Allerdings werde ich nichts ohne die Einwilligung meines Vaters unternehmen. Immerhin sind meine Eltern nun auch für dich verantwortlich, zudem bist du selbst in der Lage zu entscheiden, was du tun möchtest“, fügte er hinzu.
    Ich dachte eine Weile über seine Worte nach. Was schwebte mir eigentlich vor? Bislang hatte ich mich völlig dem Schmerz und Kummer über die Erkrankung meiner Eltern überlassen. Über das weitere Vorgehen hatte ich kaum nachgedacht. Ich wusste, dass Edward recht hatte. Es wäre sicher die klügste Lösung, Chicago so schnell wie möglich den Rücken zu kehren. So lange wir noch gesund waren dürften wir keine Gefahr für die anderen Städte darstellen. Doch es widerstrebte mir seltsamerweise, diesen Ort zu verlassen. Vermutlich lag es daran, dass meine Eltern immer noch hier waren. Auch wenn ich sie nicht besuchen konnte, allein der Gedanke, sie hier zurückzulassen schmerzte unheimlich.
    Ohne es zu merken liefen mir wieder einzelne Tränen über die Wangen. Erst, als Edward mit seiner Hand sanft über meine Wange strich um sie wegzuwischen bemerkte ich, dass ich wieder weinte.
    „Mach dir keine Sorgen Bella, ich werde dich zu keiner Entscheidung drängen“, flüsterte er eindringlich.
    Ich lächelte ihn tapfer an. Dann versuchte ich, gegen meine Tränen anzukämpfen. Es war sinnlos, jetzt noch zu weinen. Ich konnte meinen Eltern nicht helfen und ich wusste, dass sie sich wünschten, dass es mir gut ging. Ich musste über meine Zukunft nachdenken, auch wenn der Gedanke, dass sie möglicherweise nicht mehr darin vorkommen sollten, mehr als nur schmerzte.

    Während Edward und ich weiter durch die Straßen eilten verdunkelte sich der Himmel mit dichten Regenwolken. Ich erschauderte, als der Wind immer stärker und kühler wurde. Edward sah einmal kurz zum Himmel und zog seine Augenbrauen zusammen. Ihm behagte das Unwetter ebenfalls nicht.
    „Komm, lass uns etwas schneller gehen, damit wir nicht auch noch nass werden“, sagte er und musste seine Stimme etwas erheben, damit sie gegen den Wind ankam.
    „Gute Idee“, pflichtete ich ihm bei und sah ihn kurz an. In diesem Moment flog ein großes Staubkorn direkt in meine Augen und ich schlug mir reflexartig meine Hand vor mein Gesicht.
    Edward erschrak und blieb sofort stehen, während ich damit beschäftigt war, das Etwas, das in meinem Auge gelandet war, zu entfernen.
    „Bella!“, rief Edward und nahm mein Gesicht in seine Hände.
    „Alles in Ordnung, mir ist nur etwas ins Auge geflogen“, antwortete ich. Mein Augen tränte bereits stark und ich konnte fühlen, wie der Schmerz langsam nachließ. Offenbar befand sich der Gegenstand nicht mehr in meinem Auge.
    „Lass mich mal sehen“, sagte er und klang schon um einiges ruhiger. Prüfend fuhr er mit seinem langen Zeigefinger um mein Auge herum und musterte es genau. Eine Sekunde später lächelte er. „Ich kann nichts entdecken. Vermutlich hat sich dein Auge bereits selbst darum gekümmert.“ Selbst durch das Tosen des Windes konnte ich seinen schalkhaften Unterton hören.

    Wir waren so vertieft in unsere kleine Unterhaltung, dass keiner von uns die junge Frau bemerkte, die langsam auf uns zuschritt, bis sie unmittelbar vor uns stand.
    Edward und ich machten einen großen Schritt nach hinten, als wir sie endlich wahrnahmen und ich keuchte erschrocken auf.
    Die junge Frau sah elend aus – sie schien nicht von feiner Herkunft zu sein, da sie nur ein einfaches, zerschlissenes Kleid trug. Ihre schwarzen, schmutzigen Haare wehten gespenstisch im peitschenden Wind. Sie trug keine Schuhe, allerdings schien sie nicht zu frieren. Das, was mich am meisten erschreckte war jedoch der Ausdruck ihrer Augen. Sie sahen so aus, als hätte die Frau tagelang geweint – blutunterlaufen und leer. Tiefe Augenringe umhüllten sie und verliehen der jungen Frau ein unheimliches Aussehen. Ihr Gesicht jedoch schien regelrecht zu glühen.
    Edward schob mich ein wenig hinter sich und baute sich beschützend vor mir auf. Augenblicklich spürte ich die drohende Gefahr, die von dieser Frau ausging. Sie war krank, das konnte man sofort sehen. Man musste nicht besonders intelligent sein um zu erraten, um welche Krankheit es sich wohl handelte.
    „Oh bitte, helfen Sie mir“, sagte sie mit kraftloser Stimme und sah uns flehend an. Mir stockte der Atem bei diesem Anblick. Noch nie hatte ich mich so hilflos gefühlt.
    „Miss, lassen Sie uns bitte vorbei“, sagte Edward mit sanfter Stimme.
    Die Frau blieb weiterhin wo sie war und starrte uns durchdringend an.
    „Bitte, ich bin so schwach, ich weiß nicht, wo ich hingehen soll. Bitte, lassen Sie mich nicht allein“, krächzte sie und schniefte laut. Edward wich noch einen Schritt nach hinten.
    „Bitte Miss“, sagte er nachdrücklich.
    Die Frau fiel vor uns auf die Knie. „Sir, ich bitte Sie! Ich habe zwei Kinder zu Hause und sie sind so krank. Helfen Sie mir!“
    Ich wollte mir die Ohren zuhalten, ich wollte weglaufen, doch ich konnte nichts tun. Wie gebannt starrte ich die Frau an, unfähig zu reagieren. Sie tat mir so unendlich leid. Doch jeder, der sie erblickte wusste, dass sie verloren war. Ich schauderte leicht als ich daran dachte, dass nun auch ich Gefahr lief, mich anzustecken, je mehr Zeit ich in ihrer Nähe verbrachte. Auch Edward wurde zunehmend nervöser, da die Frau uns immer noch nicht vorbei gehen lassen wollte. Nur seinen tadellosen Manieren hatte sie zu verdanken, dass er sie noch nicht beiseite gestoßen hatte.

    Sie hustete einmal kurz und ich schnappte erschrocken nach Luft. Noch nie hatte ich so ein schreckliches Geräusch gehört. Plötzlich fiel ihre Aufmerksamkeit auf mich. Mit einem merkwürdigen Lächeln sah sie mich an und verzog ihr Gesicht dabei zu einer grotesken Fratze. Mit angstgeweiteten Augen starrte ich sie an.
    „Wunderschöne Miss“, hauchte sie, noch zu erschöpft von ihrem Hustenanfall.
    Sie kroch auf Knien auf mich zu, sie schien nur noch mich wahrzunehmen. Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken herab und ich krallte mich fester an Edward.
    Nun war Edwards Geduld erschöpft. Er stellte sich vor mich und sah wütend auf die Frau herab.
    „Gute Frau, Sie sind todkrank. Bitte halten Sie sich von meiner Verlobten fern!“, wies er sie streng zurecht.
    Doch die Frau achtete gar nicht mehr auf ihn. Sie starrte mich immer noch durchdringend an. Mein Herz raste wie verrückt und meine Knie begannen zu zittern. Dieser Blick war so unheimlich und ich hatte das dumpfe Gefühl, dass sie bis in die Tiefen meines Geistes blicken konnte. Sie streckte langsam eine Hand aus um meinen Rock zu berühren.
    Doch ehe sie mich auch nur anfassen konnte, hatte Edward ihre Hand beiseite geschlagen und die Frau dadurch zurückgestoßen. Ich wusste nicht, was mich mehr erschreckte: Edwards harsche Reaktion oder sein gesamtes Auftreten. Er sah so Furcht erregend aus, wie er die Frau anfunkelte und sich vor ihr aufbaute. In diesem Moment erinnerte er mich an ein wildes Raubtier.
    „Gehen Sie endlich beiseite!“, rief er außer sich vor Wut. Seine Stimme hatte etwas Mächtiges und ich kniff die Augen zusammen, um diesen Anblick nicht mehr sehen zu müssen. Es war mir sehr unangenehm, Edward so wütend zu erleben.
    Die Frau brach zu Tode erschrocken zusammen und erlitt einen weiteren Hustenanfall. Edward packte mich beinahe grob am Arm und zog mich mit sich, während er rasch um sie herumging und ihre momentane Unaufmerksamkeit ausnutze, um zu entkommen. Wir rannten fast die Straße hinab und Edward sprach für ein paar Momente kein Wort mit mir.

    Ich selbst hatte genug damit zu tun, mich zu beruhigen. Diese Begegnung war noch schlimmer gewesen als so manche Alpträume von mir und ich vermutete, dass diese Szene noch sehr oft meine nächtlichen Träume heimsuchen würde. Mein Herz, das in den letzten Sekunden fast stehen geblieben war begann erneut wie wild zu rasen, als ich realisierte, dass diese Begegnung mehr als nur unangenehm gewesen war – die Gefahr einer Ansteckung war gewiss beträchtlich gewesen und ich konnte nur noch beten, dass Edward und ich heil davon kommen würden.
    Edward hatte meinen Arm immer noch fest umklammert und ich bemerkte erst jetzt, dass sämtliches Blut aus meinen Fingern gewichen war, da sie sich gänzlich taub anfühlten.
    „Edward, könntest du meinen Arm bitte loslassen?“, fragte ich leise, wagte es allerdings nicht, ihn anzusehen.
    Er blieb auf einmal stehen und drehte mich so, dass ich ihn ansehen musste. Meinen Arm ließ er los, nur um mich fest zu umarmen und mich an seine Brust zu ziehen.
    „Oh Gott“, stöhnte er leise und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. Mein Gesicht lag an seiner Brust und ich konnte hören, wie schnell sein Herz schlug. Ich bemerkte außerdem, dass seine Hände eiskalt waren und dass er leicht zitterte. Auch ihn schien diese Begegnung sehr mitgenommen zu haben.
    „Es ist alles gut Edward“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Ich löste mich etwas von ihm, sodass ich in sein Gesicht sehen konnte und strich ihm langsam durch sein Haar und über sein Gesicht. „Wir sind in Sicherheit“, flüsterte ich leise, auch wenn wir beide wussten, dass dies nicht stimmte.
    „Ich weiß nicht... ich wollte nicht... ich...“, stammelte er und brach verlegen ab. Er schloss seine Augen und atmete ein paar Mal tief durch. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Noch nie hatte ich ihn um Worte ringen sehen. Dieses Ereignis hatte ihn wirklich sehr tief berührt. Ich ahnte, was ihn so sehr beschäftigte.
    „Edward, mach dir keine Vorwürfe. Du hättest ihr nicht helfen können“, sagte ich bestimmt. Ich selbst machte mir die größten Vorwürfe und fühlte mich schuldig, weil ich nichts unternommen hatte, doch was hätte ich schon groß ausrichten können? Diese Frau hätte eigentlich in einem der Krankenhäuser sein sollen, wo sich fähige Ärzte um sie kümmern konnten. Weder ich noch Edward hätten etwas für sie tun können.
    „Es tut mir so leid, was ich getan habe“, sagte er mit erstickter Stimme. „Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Als sie versucht hat, dich zu berühren, da...“ Erneut brach er verlegen ab und sah zu Boden. In seinen Augen schimmerte es leicht und das wiederum brachte mich zum Verstummen. So absurd es auch klingen mochte, ich liebte ihn in diesem Moment so sehr wie nie zuvor. Er schämte sich so sehr für etwas, das vollkommen gerechtfertigt war. Niemand konnte seine Aufrichtigkeit noch in Frage stellen.

    „Ich verstehe, weswegen du so gehandelt hast Edward. Und ich bin dir sehr dankbar dafür. Du hast mich möglicherweise vor einem schrecklichen Schicksal bewahrt“, flüsterte ich und fuhr mit meiner Handfläche über seine Wange. Er sah mich vorsichtig an, fast so, als hätte er Angst, dass ich ihn nun nicht mehr lieben würde.
    „Ich kann dir nicht beschreiben, was in mir vorgegangen ist, als sie versucht hat dich anzufassen. Ich wusste nur, dass dir niemand zu nahe treten darf, wenn du das nicht möchtest. Alles, was ich wollte war dich zu beschützen“, erklärte er hastig. Ich nickte nur, denn ich wusste, er versuchte sich selbst zu erklären, weswegen er so harsch reagiert hatte.
    „Edward, beruhige dich!“, sagte ich schließlich streng, als er immer noch so niedergeschlagen aussah. „Diese Frau war an der Spanischen Grippe erkrankt. Wir mussten uns schützen“
    Diesmal nickte er und schien sich langsam wieder etwas zu fangen. Er nahm meine Hände in seine und blickte mir lange in die Augen.
    „Danke“, flüsterte er bewegt und küsste mich auf meine Stirn.
    „Ich danke dir“, gab ich ebenso bewegt zurück. „Und jetzt lass uns zu dir zurück gehen, bevor noch mehr geschieht!“, fügte ich hinzu.
    Wie auf Kommando begannen nun die ersten Regentropfen zu fallen und so schnell wie möglich liefen wir weiter, um dem Schlimmsten zu entgehen.

    Nach wenigen Minuten erreichten wir schließlich auch das Haus der Masens und Edward zog mich rasch hinein. Wir beide waren doch noch nass geworden und nun sehr froh, endlich im Trockenen zu sein. Ich seufzte leise, als ich Edward dabei beobachtete, wie er seine nasse Jacke an einen Haken hängte. Selbst mit nassen und vom Wind zerzausten Haaren sah er wunderschön aus. Ich selbst mied den Blick in den Spiegel, der in der Eingangshalle stand so gut es ging. Wie ich aussah wollte ich erst gar nicht wissen.
    Bevor ich allerdings in mein Zimmer gehen konnte hielt Edward mich an meiner Hand fest.
    „Warte Bella“, sagte er leise. „Wir sollten meiner Mutter erst Bescheid sagen, dass wir wieder hier sind. Sie hat sich große Sorgen um dich gemacht“
    Ich nickte beschämt. Mein schlechtes Gewissen wuchs innerhalb von Sekunden an und so folgte ich ihm mit hochrotem Kopf in den Salon.
    Ruckartig blieb Edward stehen und starrte auf das Sofa. Ich verstand nicht, was passiert war, doch ungefähr eine Sekunde später hatte auch ich begriffen. Elizabeth Masen lag mit glühendem Gesicht auf dem Sofa und sah uns mit zusammengekniffenen Augen an. Ihre ganze Haltung deutete auf einen inneren Todeskampf hin.
    „Mutter“, hauchte Edward entsetzt.
    „Die Kinder der Webers sind krank. Ich wollte doch nur kurz nach ihnen sehen und der Familie helfen“, flüsterte Elizabeth betrübt.
    Edwards Gesicht hatte ebenfalls eine weiße Färbung angenommen. „Nein“, hauchte er nur, unfähig zu reagieren.
    Ich wandte mein Gesicht ab, um mein Entsetzen zu verbergen. Nun hatte es auch Elizabeth erwischt.
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 20: Stillstand


    Ich kann mich nicht erinnern, wie lange wir so bewegungslos verharrt hatten. Wie betäubt starrte ich Elizabeth Masen an, die schwach auf dem Sofa lag und deren Atmung sehr rasch war. Ich benötigte einige Augenblicke, um zu begreifen, was dies nun zu bedeuten hatte.
    Sie war vermutlich verloren. Wahrscheinlich hatte sie schon länger an den Symptomen dieser entsetzlichen Grippe gelitten und es uns nicht mitgeteilt. Ich konnte nicht fassen, wie schnell auch die letzte Sicherheit in meiner kleinen Welt zusammengebrochen war.
    Doch diesmal war es mir unmöglich mich nicht meinem Schmerz hingeben. Mein Blick fiel auf Edward, der leichenblass und zu keiner sinnvollen Reaktion mehr fähig war. Später konnte ich immer noch trauern, jetzt war ich die einzige, die Elizabeth noch helfen konnte. Wo Edwards Vater war wusste ich nicht und ich würde es auch nicht wagen, auf ihn zu warten. Elizabeth benötigte jetzt sofort Hilfe und außer mir war von den anwesenden Personen niemand in der Lage, ihr diese Hilfe zukommen zu lassen.
    Ich benötigte nicht sehr viel Zeit, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Doch ich wusste nicht, wie lange es schließlich dauerte, bis ich meinen Entschluss auch in die Tat umsetzte.

    Elizabeth hustete leise und das brach den Bann des Entsetzens, der sich über mich und Edward gelegt hatte. Sanft ergriff ich Edwards Hand und zog ihn aus dem Salon hinaus. Dieser starrte seine Mutter weiterhin an und schien gar nicht zu bemerken, dass ich ihn von ihr entfernte.
    „Edward“, sagte ich so sanft, wie es mir möglich war. Er reagierte immer noch nicht auf mich. Vorsichtig ergriff ich nun auch seine Schulter und drückte ihn mit sanfter Gewalt aus dem Zimmer.
    „Edward, komm, du kannst nichts tun“, flüsterte ich leise und strich ihm über seine Wange. Sie war eiskalt.
    Langsam drehte er seinen Kopf und sah mich an. Ich benötigte all meine Kraft um nicht erschrocken aufzuschreien. Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne hatten seine wunderschönen grünen Augen jegliches Strahlen verloren. Leblos und unendlich traurig sahen sie in meine.
    Seine Hand zitterte in meiner und sein Atem ging schneller. Ich erkannte die Zeichen eines drohenden Zusammenbruchs sofort, hatte ich derlei doch schon oft bei meiner eigenen Mutter gesehen.
    Ein scharfer Schmerz durchzuckte mich beim Gedanken an meine Mutter, doch diesmal erlaubte ich mir nicht, mich ihm hinzugeben. Mit zusammengebissenen Zähnen zwang ich mich, in der Gegenwart zu bleiben. Meine ganze Kraft war nun von Nöten und ich durfte mir keinen Augenblick der Schwäche gönnen.
    Sanft, aber bestimmt drückte ich Edward auf die unterste Treppenstufe. Es war mir hundertmal lieber, dass er wenn er tatsächlich zusammenbrechen sollte, saß. So konnte er sich wenigstens nicht seinen Kopf verletzten.
    „Edward, ich möchte, dass du hier sitzen bleibst, bis ich wieder komme. Hast du mich verstanden?“ Ich sprach mit klarer und deutlicher Stimme, fast so, als würde ich mit einem kleinen Kind reden. Edward nickte nur und wischte sich mit seiner freien Hand über die Stirn.
    „Bitte, was auch immer geschehen mag, bleib hier“, flehte ich ihn an. Ich ließ seine Hand widerstrebend los und vergewisserte mich noch einmal, dass er auch wirklich sitzen blieb. Dann eilte ich durch das Haus und suchte einen Dienstboten.

    In der Küche wurde ich schließlich fündig. Dort saßen zwei verängstigt wirkende Dienstmädchen auf zwei schäbigen Stühlen und starrten mich mit großen Augen an.
    „Mrs. Masen ist krank“, hauchte die eine verstört. Vereinzelte braune Haarsträhnen klebten in ihrem Gesicht. Sie sah selbst nicht mehr ganz gesund aus. Instinktiv wich ich einen Schritt zurück.
    „Ich weiß“, antwortete ich. Meine Stimme zitterte viel zu sehr. „Eine von euch muss Hilfe holen“, fügte ich hinzu.
    Beide sahen sich an, dann nickte die andere. Sie schien etwas älter zu sein als das braunhaarige Mädchen und wirkte zudem gesund. Ich nickte ihr erleichtert zu.
    „Geh so schnell wie möglich in das Krankenhaus, in dem Dr. Cullen arbeitet. Er soll sofort hierher kommen oder Mrs. Masen abholen lassen.“ Ich hatte das Gefühl, dass Dr. Cullen im Gegensatz zu seinen anderen Kollegen sofort reagieren würde.
    „Ja, Miss“, antwortete sie gehorsam und nickte zur Bekräftigung.
    „Und dann packt eure Sachen und verlasst das Haus. Am besten, so schnell wie möglich. Dieses Haus ist nicht mehr sicher“, sagte ich düster. Beide Mädchen starrten mich einen Moment lang mit großen Augen an. Dann nickten sie erneut.
    „Sagt den anderen Bediensteten Bescheid“, fügte ich pflichtschuldig hinzu. „Ich denke, es liegt im Interesse der Masens, dass für ihre Sicherheit gesorgt ist.“
    „Vielen Dank Miss Swan“, sagte die Jüngere der beiden erleichtert. Ich sah beschämt zu Boden. Ich wusste nicht einmal ob das, was ich hier gerade tat überhaupt von den Masens erwünscht war. Vermutlich hatte ich nicht einmal die Befugnis, die Dienstboten einfach so zu entlassen. Doch mir war durchaus bewusst, dass diese ernste Situation solch einen Schritt erforderte. Dieses Haus war für keinen Bewohner mehr sicher. Je schneller sich die Bediensteten retten, desto höher war die Chance, dass sie sich nicht ansteckten.
    Bevor ich die Küche verließ, drehte ich mich noch einmal um. „Weiß eine von euch, wo sich Mr. Masen aufhält? Ich denke, man sollte ihm umgehend Bescheid geben.“
    Beide schüttelten bedauernd den Kopf. Ich zuckte mit den Schultern. Darum würde ich mich später kümmern müssen.

    Rasch eilte ich zurück zu Edward, der immer noch auf der Treppe saß und düster auf den Boden starrte. Er schien sich etwas gefangen zu haben, allerdings sah er immer noch sehr apathisch aus.
    „Bella“, hauchte er erleichtert, als er mich erblickte. Ich runzelte kurz die Stirn. Hatte er wirklich geglaubt, ich würde die erste Gelegenheit nutzen, um mich in Sicherheit zu bringen?
    „Ich bin hier, Edward“, sagte ich leise und kniete mich vor ihn. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und sah mir tief in die Augen.
    „Ich werde dich nicht verlassen“, versicherte ich ihm. Vermutlich bildete ich es mir nur ein, doch seine Gesichtszüge entspannten sich merklich.
    „Was sollen wir jetzt nur tun?“, fragte er mich hilflos.
    „Ich habe nach Dr. Cullen schicken lassen. Er wird deine Mutter abholen kommen, da bin ich mir sicher“, berichtete ich ihm zuversichtlich. Ich fragte mich, woher ich die Kraft nahm, so stark zu bleiben. Ein Blick in Edwards Gesicht war mir jedoch Antwort genug – ich tat es allein für ihn.
    „Wir müssen deinen Vater finden! Weißt du, wo er sein könnte?“ Ich betrachtete ihn ungeduldig an, während er angestrengt überlegte.
    „Nein, ich weiß es nicht“, hauchte er und schloss entmutigt die Augen.
    Ich schloss ebenfalls meine Augen und nutzte diesen kurzen Moment der Ruhe, um mein weiteres Vorgehen zu überdenken.
    Ich war völlig auf mich allein gestellt. Edward würde wohl noch eine ganze Weile benötigen, um sich wieder zu sammeln und sein Vater war nicht hier. Mein Herz raste und ich hatte das Gefühl, dass mein Gehirn wie verrückt arbeitete. Fieberhaft überlegte ich, wie ich mich und Edward aus dieser gefährlichen Situation retten könnte. Eine befriedigende Lösung fand ich allerdings nicht.
    Ich öffnete die Augen und sah meinen Verlobten voller Sorge an. Edward atmete flach und war immer noch unnatürlich blass. Ich ergriff seine rechte Hand und stellte erschrocken fest, dass sie immer noch eiskalt war. Sanft drückte ich sie und versuchte dabei, sie ein wenig zu wärmen. Edward öffnete seine Augen einen Spaltbreit und sah mich voller Liebe an. Ihm war offensichtlich doch bewusst, was diese Situation von mir abverlangte. Sein Blick war mir Entschädigung genug. Die ganzen letzten Tage hatte er mir beigestanden, nun war ich an der Reihe, um ihm dieses ehrenvolle Verhalten zurückzuzahlen.
    Langsam erhob ich mich, als mir einfiel, dass Elizabeth vermutlich eine helfende Hand gebrauchen konnte. Edward packte meine Hand fester und wollte mich wieder zurückziehen. Mit unverhohlener Angst, die in seinen Augen schimmerte, sah er mich an.
    „Edward, ich werde nur nach deiner Mutter sehen. Sie benötigt sicher Hilfe“, sagte ich leise und drückte beruhigend seine Hand.
    „Nein, geh nicht“, hauchte er und zog mich noch fester an meinem Arm.
    „Edward“, protestierte ich leicht irritiert und stemmte mich mit den Füßen fester in den Boden.
    „Bitte, Bella. Wenn du zu ihr hineingehst, dann bist auch du verloren“, flüsterte er. Ich konnte tiefgreifende Angst in seiner Stimme hören und auch mir lief ein Schauer über den Rücken.
    „Wir können sie doch nicht einfach so liegen lassen“, hauchte ich, während ich seinem Griff nachgab und mich wieder auf die Treppe ziehen ließ.
    Edward schüttelte seinen Kopf. „Wir haben keine andere Möglichkeit Bella.“
    Es kostete mich enorm viel Selbstbeherrschung nicht einfach loszuweinen. Eine Stimme in meinem Inneren schrie mich an, stark zu bleiben und für Edward da zu sein, doch das Zittern und das Herzrasen konnte ich nicht unterdrücken.

    So blieben wir beide auf der Treppe sitzen und warteten auf Dr. Cullen. Die Zeit schien nicht vergehen zu wollen und jede Sekunde kam mir wie eine Ewigkeit vor. Edward hatte seinen Kopf an meine Schulter gelehnt und die Augen geschlossen. Ich strich ihm ab und zu über seinen Rücken und flüsterte ihm beruhigende Worte zu. Mein Geist schien diese alptraumhafte Situation noch nicht voll erfasst zu haben, anders konnte ich mir nicht erklären, wieso ich immer noch nicht zusammengebrochen war.
    Ein lautes Klopfen riss uns beide aus dieser dumpfen Bewegungslosigkeit. Sofort sprang ich auf und stürmte zur Tür. War Mr. Masen endlich gekommen? Edward verharrte weiterhin auf der Treppe, zu kraftlos, um zu reagieren. Ich riss die Tür auf und sah in das sorgengeplagte Gesicht von Dr. Cullen. Trotz des Sturmes, der draußen wütete sah er immer noch tadellos aus. Seine Haare waren triefnass, ebenso wie seine Kleidung und dennoch trug dieser Umstand keineswegs zu einer Minderung seiner Ausstrahlung bei.
    „Oh Gott“, brachte ich enttäuscht und zugleich erleichtert hervor und schloss kurz die Augen um mich wieder zu fassen.
    „Miss Swan“, sagte Dr. Cullen sanft und legte mir einen Arm auf die Schulter. „Ich bin so schnell gekommen, wie es mir möglich war. Wo ist Mrs. Masen?“
    „Sie liegt im Salon. Edward und ich, wir... wir sind lieber nicht zu ihr hineingegangen, wegen der Ansteckungsgefahr, und...“, stammelte ich unbeholfen. Auf einmal konnte ich keinen vollständigen Satz mehr formulieren, so sehr durchströmte das Gefühl der Erleichterung und Hoffnungslosigkeit meinen Körper. Nur vage nahm ich die Regentropfen wahr, die der starke Wind mir in mein Gesicht blies.
    Dr. Cullen musterte mich für einen Augenblick, dann schob er mich sanft, aber bestimmt in das Haus hinein. „Miss Swan, ich möchte, dass Sie sich wieder hinsetzen. Ich werde mich erst um Mrs. Mason kümmern, dann komme ich zu Ihnen. In Ordnung?“ Noch einmal sah er mir prüfend ins Gesicht. Ich registrierte erstaunt, wie blass er aussah. Das war mir noch nie aufgefallen. Seine Hände, die auf meinen Armen lagen fühlten sich ebenfalls merkwürdig kalt an. Ich schauderte und sofort ließ er mich los. Wie betäubt nahm ich wieder auf der Treppe Platz und sah Dr. Cullen dabei zu, wie er im Salon verschwand und gleich darauf mit Mrs. Mason auf den Armen wieder heraustrat. Für einen kurzen Moment fragte ich mich, weshalb er das Risiko auf sich nahm, eine offensichtlich infizierte Person so nah am Körper zu tragen, oder wie es ihm gelang, eine ausgewachsene Frau zu transportieren, ohne dabei angestrengt auszusehen oder zumindest heftiger zu atmen.
    Dr. Cullen rief ein paar Worte nach draußen und sofort erschienen zwei Männer mit einer Holztrage. Beide waren ebenfalls durchnässt, obwohl sie nur wenige Meter durch den Regen gehastet waren. Einer wischte sich unwillig seine dunklen Haare aus der Stirn, während der andere mich neugierig musterte. Beide sahen nicht einmal annähernd so beeindruckend aus wie Dr. Cullen.
    Elizabeth wurde auf der Trage rasch befestigt und von den beiden Männern nach draußen transportiert. Ich hörte Hufgetrappel und ein Pferd wiehern, dann war es wieder still. Dr. Cullen drehte sich nun zu mir und Edward und musterte uns eine Weile.

    „Miss Swan, Mr. Masen“, begann er langsam. Die Worte kosteten ihm sichtlich Mühe, das war nicht schwer zu erkennen. „Ich weiß, dass diese Situation nicht gerade einfach für Sie ist. Aber ich möchte Sie bitten, keine weiteren Schritte zu unternehmen. Bleiben Sie in diesem Haus und verlassen es unter keinen Umständen. Sie könnten beide ebenfalls infiziert sein und es ist meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, dass Sie Chicago nun nicht mehr verlassen dürfen.“
    Edward schloss matt die Augen und ich schnappte laut nach Luft. Wir standen also unter Quarantäne – was für ein schrecklicher Gedanke, der einem alle Hoffnung nahm.
    „Sollte sich einer von Ihnen unwohl fühlen, so schicken Sie sofort nach mir. Haben Sie verstanden? Je früher ich Bescheid weiß, desto besser kann ich Ihnen helfen!“ Er sah uns mit eindringlich funkelnden Augen an. Edward und ich nickten beide.
    „Ruby, die junge Magd, die Sie geschickt haben wird bei Ihnen bleiben, damit Sie nicht völlig auf sich allein gestellt sind“, fuhr er mit wärmerer Stimme fort. „Alle anderen Dienstboten haben das Haus verlassen.“
    Ich sah ihn verwundert an. „Sie sollte lieber ebenfalls gehen, es ist zu gefährlich für sie“, protestierte ich schwach.
    „Sie möchte aber hier bleiben“, antwortete Dr. Cullen. Er sagte es mit solch einer Selbstverständlichkeit, dass mir nichts mehr dazu einfiel.
    Ich begleitete Dr. Cullen noch zur Tür, während Edward langsam aufstand und sich in sein Zimmer zurückziehen wollte.
    Als er sich nicht mehr in Hörweite befand sah Dr. Cullen mich ernst an. „Miss Swan, passen Sie gut auf Mr. Masen auf. Ich befürchte, das alles war zu viel für ihn. Und, ich weiß, dass es für Sie schwer sein muss, aber Sie müssten so schnell wie möglich veranlassen, dass dieses Haus gekennzeichnet wird.“ Betreten blickte er zu Boden.
    Ich nickte erneut. Dann fiel mir noch etwas ein. „Dr. Cullen, wissen Sie vielleicht, wo sich Edwards Vater aufhält? Ich möchte ihm zumindest die Nachricht zukommen lassen, dass seine Frau erkrankt ist.“
    Dr. Cullen schloss seufzend die Augen. Dann sah er mich schmerzerfüllt an. „Mr. Masen ist bereits auf der Krankenstation. Er ist erkrankt und hat sich heute Morgen bei uns selbst eingeliefert. Bevor ich Ihnen diese Nachricht überbringen konnte, erhielt ich schon die Nachricht, dass Mrs. Masen ebenfalls krank geworden ist. Es tut mir sehr leid.“
    Ich schluckte und sah zu Boden. Nun erging es Edward genauso wie mir. „Ich verstehe“, hauchte ich. Ich wagte nicht, nach meinen Eltern zu fragen. Und Dr. Cullen schien zu verstehen, dass ich noch eine schlechte Nachricht nicht mehr ertragen konnte.
    „Geben Sie gut auf sich Acht, Miss Swan“, sagte er leise und hob mein Kinn an, sodass ich nicht anders konnte, als ihn anzusehen. „Ich möchte nicht, dass Sie auch noch auf meiner Station landen“
    Ich blieb noch lange an der Tür stehen und sah ihm zu, wie er durch den starken Regen davoneilte.
    Dann machte ich mich auf die Suche nach Edward.

    Ich fand ihn in seinem Zimmer, das ich bis dahin nur selten betreten hatte. Es war sehr schön ausgestattet, doch ich hatte keine Zeit, um die Inneneinrichtung zu bewundern. Edward lag auf seinem Bett, immer noch in seiner durchnässten Kleidung, seinen Kopf hatte er im Kissen vergraben. Seine Schultern zuckten und ich wusste sofort, dass er weinte.
    Rasch durchquerte ich den Raum und ließ mich neben ihm auf dem Bett nieder. Sacht strich ich über seinen Rücken und versuchte ihn zu beruhigen. Als er meine Gegenwart endlich registrierte drehte er sich auf den Rücken und sah mich mit tränennassen Augen an. Ich bemerkte, wie sich die Tränen in meinen Augen sammelten. Es war die reinste Qual ihn so zu sehen.
    „Bella“, schluchzte er plötzlich und reflexartig zog ich ihn in meine Arme.
    „Sch“, flüsterte ich, während ich ihm über seine Haare strich. „Ich bin bei dir.“
    Er war eiskalt und ich erzitterte, als er mich ebenfalls fest umarmte und sein Gesicht an meiner Schulter vergrub. Eine ganze Weile saßen wir so da. Edward beruhigte sich allmählich, bis er sich schließlich soweit in der Gewalt hatte, um sich von mir zu lösen.
    „Es tut mir leid Bella“, flüsterte er beschämt.
    Ich starrte ihn wütend an. „Du musst dich für gar nichts entschuldigen Edward“, sagte ich kopfschüttelnd. Nur Edward war in der Lage, sich für eine so selbstverständliche Reaktion zu entschuldigen. „Ich würde zudem vorschlagen, dass du dir etwas Trockenes anziehst. Ich gehe derweil in die Küche und lasse uns etwas Heißes zu Trinken machen. In Ordnung?“
    Er nickte und wischte sich kurz über die Stirn.
    „Ich bin gleich wieder hier“, versicherte ich ihm und küsste ihn kurz auf seine Stirn. Ich würde mir ebenfalls etwas anderes anziehen. Mein Kleid war mittlerweile einigermaßen getrocknet, doch es klebte immer noch an meinem Körper und war unangenehm klamm. Erst jetzt fiel mir auf, wie kalt mir eigentlich war. Fröstelnd schlüpfte ich in mein Zimmer und suchte mir eines meiner wärmsten Kleider aus meinem provisorischen Kleiderschrank. Ich ließ meine Haare weiterhin offen über meinen Rücken hängen und warf mir noch ein Tuch um die Schultern.

    Nachdem ich Ruby in der Küche angewiesen hatte, ein weißes Tuch an die Tür zu hängen und mir und Edward etwas Heißes zu trinken zu kochen eilte ich wieder in Edwards Zimmer zurück.
    Erleichtert stellte ich fest, dass er sich umgezogen und wieder ein wenig Farbe im Gesicht hatte. Edward trug nun ein einfaches, helles Baumwollhemd und eine bequeme Leinenhose. Er saß immer noch auf seinem Bett und sah mich traurig an, als ich auf ihn zulief.
    Ohne zu fragen setzte ich mich neben ihn und legte eine Wolldecke, die auf seinem Bett lag, um seine Schultern. Fragen der Schicklichkeit und des anständigen Benehmens waren längst Vergangenheit für mich. Was zählte war, dass ich für Edward da sein konnte, egal, wie ungehörig mein Verhalten auch sein mochte. Wen kümmerten jetzt noch die starren Regeln der gesellschaftlichen Konventionen?
    Edward seufzte leise und wickelte mich ebenfalls in die Decke ein. Dann legte er seine Arme um mich und zog mich ganz nah zu sich heran. Er vergrub sein Gesicht in meinen Haaren, während ich ihm sacht über den Rücken strich. Langsam verschwand die beißende Kälte aus meinem Körper und ich merkte, dass auch Edward sich etwas zu entspannen schien.
    Unsere Zweisamkeit wurde kurz von Ruby unterbrochen, die uns unseren heißen Tee brachte. Unter meinem wachsamen und strengen Blick trank Edward brav seinen Tee aus und ich registrierte erleichtert, dass seine Hände endlich wieder an Wärme gewannen.
    Langsam wurde es Abend.  Wir saßen immer noch schweigend auf seinem Bett und hielten uns einfach nur fest. Wieder einmal waren Worte fehl am Platz, wir verstanden beide auch so sehr gut, was in dem jeweils anderen vorging. Allein unsere körperliche Nähe bewirkte, dass wir uns entspannten und uns gegenseitig Trost spenden konnten. An diesem langen Nachmittag wurde mir erneut bewusst, wie stark unsere Gefühle füreinander waren und wie tief unsere Verbundenheit. Ich ahnte, dass wir dieses schreckliche Zeit nur mit Hilfe unserer Liebe überstehen könnten. Im Moment benötigte Edward meinen Beistand jedoch mehr als ich seinen. Ich konnte fühlen, wie die Anstrengung der vergangenen Stunden an meinen Kräften zehrte, doch ich blieb weiterhin standhaft. Edward war für mich in meinen dunkelsten Stunden da gewesen – es war nur recht, dass ich das Selbe nun für ihn tat.
    Dennoch konnte ich mich irgendwann nicht mehr zurückhalten und gähnte leise, aber ausgiebig. Edward schob mich etwas von sich und musterte mich einen kurzen Augenblick.
    „Du bist sicher müde. Verzeih mir, dass ich daran nicht gedacht habe. Wenn du möchtest, dann kannst du dich zurückziehen und schlafen gehen“, sagte er leise.
    Allein der Gedanke ihn zu verlassen beschleunigte meinen Herzschlag enorm. Trotz seinem Schmerz wollte er nicht, dass ich ebenfalls darunter litt. Er war so unglaublich selbstlos.
    „Ich möchte dich nicht verlassen Edward“, gab ich ebenso leise zurück.
    Trotz allem lächelte er mich ein wenig an. „Das ist schön, aber unklug“, gab er zu Bedenken. „Du bist unglaublich stur“, fügte er hinzu.
    Ich lächelte zurück. Mit seiner Aussage hatte er leider recht. Ich war manchmal viel zu stur.
    „Wenn es dich nicht stört, dann bleibe ich einfach bei dir“, sagte ich achselzuckend. Ich wusste genau, dass dieses Verhalten einfach unmöglich war, doch wie gesagt – wen um alles in der Welt sollte dies kümmern? Ich rechnete damit, dass er diesen Vorschlag ablehnen würde. Doch sein Blick blieb weich und warm.
    „Meinst du das ernst?“, fragte er mich, während er mich vorsichtig ansah.
    „Ich liebe dich Edward – ich werde dich nicht verlassen, wenn du mich am dringendsten brauchst“, sagte ich ernst.
    Er seufzte leise. Dann umarmte er mich fest. „Das bedeutet mir so unendlich viel Bella“, flüsterte er mir in mein Ohr.
    Ehe ich mich versah lagen wir beide auch schon auf der Matratze, immer noch in die Wolldecke eingewickelt. Edward deckte uns beide noch mit seiner normalen Bettdecke zu, dann zog er mich wieder fest an sich. Diesmal musste niemand das Licht löschen, denn wir hatten die ganze Zeit über nicht eine Kerze angezündet. Der Raum war düster und der Sturm tobte immer noch. So erhellte nicht einmal der Mond das Zimmer.
    Ich hatte große Angst vor den nächsten Tagen und wusste, dass es Edward genauso ging, doch in diesem Moment war mir das gleich. Ich wusste, dass ich nicht alleine war und Edward wusste es ebenfalls. Dieser Gedanke gab mir Trost und Kraft. Und die würde ich brauchen, um die nächsten Tage zu überstehen. Ich hatte meine Arme um Edwards Oberkörper geschlungen und hielt ihn so fest wie ich nur konnte. Hin und wieder küsste er mich auf meine Haare.
    Ich schloss die Augen und dämmerte langsam in den Schlaf. Ich wusste genau, dass dieser ruhige Moment nicht von Dauer sein würde, doch ich wollte nicht darüber nachdenken. Ich beschloss, jede Sekunde mit Edward zu genießen, denn wir konnten beide nicht wissen, wann das Schicksal erneut zuschlagen würde.

  • Escape to EternityDatum12.03.2009 19:11
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Escape to Eternity

    Edwards POV, Teil II  


    Ungeduldig wippte ich auf meinen Fußballen hin und her. Eine ältere Dame, die sich ebenfalls in dem Geschäft aufhielt bedachte mich mit einem tadelnden Blick. Ich tat so, als nähme ich es gar nicht wahr.
    Ich muss gestehen, Geduld zählte in diesen Tagen nicht gerade zu meinen Tugenden. Der Drang, jede Sekunde, die mir zur Verfügung stand bei Bella zu verbringen trieb mich an und verursachte diese innere Aufruhr, die sich vor allem dann meiner bemächtigte, wenn ich wieder einmal auf etwas warten musste.
    Ich versuchte mich von meiner Ungeduld abzulenken, indem ich an meinen bevorstehenden Nachmittag dachte. Ich hatte vor, meine wunderschöne Verlobte am frühen Abend bei sich zu Hause zu besuchen und ihr das Geschenk zu überbringen, auf dessen Fertigstellung ich so ungeduldig wartete. Ich hatte sie an diesem Tag noch gar nicht zu Gesicht bekommen, das war vermutlich auch der Grund, warum ich so unruhig war.  Wenn ich nur wenige Stunden ohne ihre Anwesenheit auskommen musste verwandelte ich mich immer in ein solch ruheloses Monster, wie es meine Mutter einmal ausgedrückt hatte.
    Aber wer konnte es mir verübeln? Ich hatte die beste Entschuldigung für mein Verhalten, die es auf dieser Welt geben konnte. Ich war so sehr verliebt, ich war mit meiner Angebeteten auch noch verlobt und ich wusste, dass sie mich genauso sehr liebte wie ich sie. War das nicht Grund genug, nervös auf der Stelle hin und herzuwippen?

    „Mr. Masen?“
    Die Stimme von Mr. Price, dem Verkäufer, riss mich aus meinen Gedanken. Mr. Price war ein Mann in den mittleren Jahren seines Lebens. Graue Strähnen zierten seine ansonsten pechschwarzen, vollen Haare. Sein Gesicht war freundlich und offen. Er hielt mir eine kleine, schwarze Schatulle entgegen und sah mich erwartungsvoll an.
    „Ist es das?“, fragte ich unnötigerweise.
    Er lächelte nur. „Na, machen Sie sie auf, dann sehen Sie es schon“, entgegnete er grinsend.
    Ich grinste zurück und ergriff die Schatulle vorsichtig. Langsam öffnete ich sie und betrachtete das Schmuckstück, das sie barg.
    „Das sieht... wirklich ...“, stammelte ich unbeholfen. Ich war ziemlich beeindruckt von der Feinheit und Schönheit dieses Schmuckstücks. Mr. Price hatte sich selbst übertroffen.
    „Holen Sie es ruhig hervor, Mr. Masen“, forderte mich Mr. Price auf. Ich konnte seine stolzen Gedanken beinahe hören, so offensichtlich waren sie auf sein Gesicht geschrieben.

    Vorsichtig befreite ich das silberne Armband aus seinem Gefängnis und holte es mit zitternden Fingern hervor. Es sah genauso aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Schlicht und dennoch wunderschön. An einem seiner feinen Glieder hing ein funkelnder Kristall, der die Form eines Herzens hatte. Er schimmerte im Sonnenlicht, als ich ihn langsam hin und her bewegte.
    „Es ist wirklich wunderschön“, sagte ich anerkennend.
    „Ich wette mit Ihnen, Ihr Mädchen wird begeistert sein“, meinte Mr. Price grinsend und lachte leise. Ich funkelte ihn nur an – ich mochte es nicht, wenn er Bella als `Mein Mädchen´ bezeichnete.
    „Ich denke, sie wird es mögen“, antwortete ich diplomatisch.
    „Ich hoffe doch, es entspricht Ihren Vorstellungen?“, fragte Mr. Price misstrauisch, da sein Schmuckstück in mir keine Begeisterungsstürme hervorgerufen hatte. Oh wie er sich irrte – ich war völlig begeistert, ich verbarg es nur gut genug.
    „Es ist perfekt“, gab ich ruhig zur Antwort und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. Er zuckte mit den Achseln und streckte dann seine Hand nach der Schatulle aus.
    „Geben Sie sie mir, ich werde sie noch rasch verpacken“, meinte er und ich kam seiner Aufforderung ohne zu zögern nach. Versonnen lächelnd sah ich dabei zu, wie Mr. Price die Schatulle in braunes Packpapier einwickelte und seine Rechnung schrieb. Er drückte mir beides in die Hand und sah mich erwartungsvoll an.
    „Die Rechnung begleiche ich natürlich so schnell wie möglich, Mr. Price“, sagte ich ernst.
    „Das hat keine große Eile, Mr. Masen. Sie zählen zu meinen besten Kunden“, antwortete Mr. Price lächelnd. „Ich hoffe, Ihre Verlobte freut sich über dieses Geschenk. Sie haben wirklich einen hervorragenden Geschmack, wenn ich so frei sein darf“, fügte er grinsend hinzu.
    Ich zog es vor nicht danach zu fragen, ob sein Kommentar auf den Schmuck oder auf Bella bezogen war. Stattdessen nickte ich lediglich höflich mit dem Kopf.
    „Machen Sie es gut, Mr. Price“, sagte ich leise.
    „Viel Glück, Mr. Masen“, antwortete er nur.

    Als ich das Geschäft verließ fiel mein Blick auf eine junge Dame, die mir einen schmachtenden Blick zuwarf. Ich wandte mich schnell ab, bevor sie sehen konnte, dass ich meine Stirn ärgerlich gerunzelt hatte. Ich hasste es, wenn junge Frauen mich so ansahen. Ich kam mir nicht mehr länger wie ein Mensch, sondern vielmehr wie ein Objekt vor, das sie unbedingt besitzen wollten.
    Dies war auch einer der Gründe, weswegen ich mich so stark zu Bella hingezogen fühlte. Sie hatte mich noch nie so begierig angesehen. Im Gegenteil, sie gab mir das Gefühl, mich aufgrund meiner Persönlichkeit zu lieben und nicht, weil ich ein gutes Äußeres hatte. Mir ging es da übrigens ganz genau so. Ich liebte Bella, weil mich ihre Persönlichkeit so sehr faszinierte. Sie war die wundervollste junge Frau, der ich je begegnet war. Und auch wenn sie so schön war, dass kein Wort ihre Schönheit angemessen beschreiben konnte war dies nicht der Grund gewesen, weswegen ich mich in sie verliebt hatte.

    Während ich gedankenverloren die belebten Straßen Chicagos entlang lief, konnte ich nicht ahnen, wie sich mein Leben innerhalb der nächsten Tage verändern sollte. Hätte ich den schrecklichen Nachrichten der letzten Tage, die sich allesamt um die Spanische Grippe drehten mehr Beachtung geschenkt, ich hätte vielleicht alles verhindern können. Im Nachhinein betrachtet ist man immer klüger...
    Eines der düsteren Omen kam mir in jenem Moment in der Gestalt eines kleinen Jungen entgegen, der aufgeregt und besorgt zugleich einen Stapel Zeitungen in der Hand hielt und diese zu verkaufen versuchte.
    „Mr., wollen Sie vielleicht eine Zeitung kaufen?“, fragte er mich, während er nervös auf und ab hüpfte.
    Ich schmunzelte und beugte mich etwas herab, damit er seinen Kopf nicht so sehr verrenken musste. Der Junge konnte höchstens sechs oder sieben Jahre alt sein. Sein Äußeres deutete nicht auf reiche Verhältnisse hin. Die Tatsache, dass er auf der Straße Zeitungen verkaufen musste, ebenfalls nicht.
    „Steht denn etwas Interessantes darin?“, fragte ich ihn freundlich.
    Normalerweise las ich kaum Zeitung. Meiner Meinung nach ließ die Berichterstattung zu wünschen übrig und meist konnte man sowieso nur schreckliche Nachrichten aus dem Krieg in Europa lesen. Ein Krieg, an dem ich fast teilgenommen hätte. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Wie wäre mein Leben wohl verlaufen, wenn ich den Wünschen meiner Eltern nicht nachgegeben hätte?

    „Oh ja Mr., die Neuigkeiten sind wirklich schockierend!“, rief der Junge, erfreut, dass ich mich auf sein Angebot einlassen wollte und riss mich dadurch aus meinen Grübeleien.
    „Na schön, dann sollte ich mir wohl eine Zeitung kaufen“, meinte ich nachdenklich und musste mir ein Lächeln verkneifen, als der Junge mich mit großen Augen musterte. „Wie viel kostet denn eine?“
    „Nur einen Vierteldollar!“, antwortete mir der Junge beinahe sofort. Ich kramte aus meiner Hosentasche eine Dollarmünze hervor und drückte sie dem Jungen in die Hand. Er wollte mir Wechselgeld geben, welches ich großzügig ablehnte.
    „Lass nur. Das stimmt schon so“, sagte ich lächelnd. Er reichte mir die Zeitung und sah mich mit großen Augen an.
    „Vielen Dank!“
    „Gern geschehen. Pass auf dich auf, ja?“
    Er nickte, dann lief er weiter. Ich sah ihm kurz nach und schüttelte traurig den Kopf. Ich bemitleidete jedes Kind, das unter solch schwierigen Bedingungen aufwachsen musste. Sollten Bella und ich je Kinder haben, so würde ich alles tun, um ihnen eine Kindheit zu ermöglichen, die glücklich und sorgenfrei war.
    Der Gedanke an eigene Kinder ließ mich erröten. Ich war noch nicht mal mit Bella verheiratet und dachte schon an unsere Kinder. Mein Vater hatte recht, ich war wirklich hoffnungslos verliebt.

    Der Junge hatte mich neugierig gemacht, nun wollte ich ebenfalls wissen, welche Neuigkeiten denn so schockierend waren. Ich brauchte nicht einmal die Zeitung aufzuschlagen, bereits auf dem Titelblatt erkannte ich, was passiert war. In großen, schwarzen Lettern wurde verkündet, dass die Spanische Grippe in Chicago ausgebrochen war. Und nicht nur in den Armenvierteln, auch die Gegenden mit mehr Wohlstand waren bereits betroffen. Sorgenvoll überflog ich den Artikel, der in einer erschreckenden Nüchternheit auflistete, wie viele Menschen wohl bereits erkrankt waren. Die Zahlen waren entsetzlich hoch und noch schlimmer war die Tatsache, dass sie stündlich zunahm. Ärzte waren rat- und machtlos, selbst der Bürgermeister hatte keine wertvolleren Ratschläge für seine Bürger als sich so viel wie möglich zu Hause aufzuhalten oder die Stadt zu verlassen.

    Wütend schlug ich die Zeitung zu und machte mich auf den Heimweg. Ich würde mit meinen Eltern darüber sprechen müssen, so viel stand fest. Die Lage war weitaus ernster und gefährlicher, als mir lieb war. Zudem machte ich mir große Sorgen um meine Verlobte. Ich musste sie um jeden Preis vor dieser Krankheit schützen. Bestimmt hatte sie diese Nachrichten noch nicht gehört und lief immer noch sorglos auf der Straße herum. Ich hoffte, dass ihre Eltern bereits Bescheid wussten und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen trafen, um dieser Krankheit zu entgehen.
    Auf meinem Weg lief ich an vielen Menschen vorbei, die einen ähnlichen besorgten Gesichtsausdruck hatten wie ich. Die Nachricht verbreitete sich wohl rasend schnell. Umso wichtiger, dass ich möglichst rasch nach Hause kam um meine Familie zu warnen.

    Als ich endlich an meinem Elternhaus angekommen war, wurde mir beinahe sofort bewusst, dass etwas passiert sein musste. Eine Kutsche stand vor der Tür und Dienstboten trugen Gepäckstücke in mein Haus. Ich blieb einen Augenblick stehen und beobachtete das Szenario. Es sah so aus, als hätten wir Besuch bekommen. Ich spielte in Gedanken mehrere Möglichkeiten durch, die mir spontan in den Sinn kamen, doch keine davon ergab irgendeinen Sinn. Keiner meiner Verwandten würde uns in dieser gefährlichen Zeit besuchen kommen, abgesehen davon lebte kaum noch jemand in unserer Nähe, der diesen Besuch überhaupt auf sich nehmen würde. Ich zuckte resigniert mit den Schultern und betrat das Haus.

    Bevor ich mich auf die Suche nach meiner Mutter machte verstaute ich das Päckchen rasch in meinem Zimmer. Ich wollte es sicher verwahren, bis ich Bella dieses Geschenk überreichen konnte.
    Ich hatte mir schon seit längerem vorgenommen, Bella ein Schmuckstück zu schenken. Doch es war meine Mutter gewesen, die mir bei diesem Vorhaben geholfen hatte. Der Edelstein, den ich an das Armband hatte befestigen lassen gehörte ihr, aber sie hatte ihn mir überlassen, in der Hoffnung, ich würde ihn meiner Verlobten schenken. Als ich den Kristall zum ersten Mal gesehen hatte, hatte ich sofort gewusst, dass er Bella gefallen würde. Mir waren zudem auch sogleich mehrere Ideen vorgeschwebt, wie ich diesen Stein in ein Schmuckstück integrieren konnte.
    Und ich hätte niemand anderen als Mr. Price die Aufgabe anvertraut, meiner Verlobten dieses Armband anzufertigen. Er war der Besitzer eines Schmuckladens, welcher nicht nur bereits fertige Stücke verkaufte sondern auch – auf besonderen Wunsch der Kundschaft – selbst Schmuck herstellte. Ich war vor wenigen Tagen bei ihm gewesen und hatte ihm meinen Wunsch genau beschrieben. Mr. Price hatte einige Zeichnungen angefertigt, von denen ich begeistert gewesen war. Er hatte meine Vorstellungen genau umgesetzt. Mr. Price war ein guter Bekannter meines Vaters und war daher sehr erfreut, dass er ein Schmuckstück für meine Verlobte anfertigen durfte. Für ihn war ich mittlerweile fast eine Art Sohn geworden und seine Freude über meine Verlobung und baldige Hochzeit war grenzenlos gewesen. Ich mochte diesen Mann sehr, dennoch fielen mir seine etwas anzüglichen Kommentare manchmal ziemlich auf die Nerven.

    Doch ich wollte nicht mehr länger über ihn nachdenken. Ich musste dringend mit meiner Mutter sprechen und ich wollte herausfinden, um wen es sich bei diesem geheimnisvollen Besuch handelte. Vorsichtig verstaute ich das Päckchen in meinem Nachtkästchen, dann legte ich meine Jacke auf mein Bett (aufhängen konnte ich sie später auch noch) und eilte die Treppen hinunter, direkt in den Salon, wo sich meine Mutter zu dieser Zeit für gewöhnlich aufhielt. Ich wäre fast in Ruby, eins unserer Dienstmädchen, hineingelaufen, die einen Stapel frisch gewaschener, weißer Tücher in unser Gästezimmer brachte. Ich entschuldigte mich sofort und bemerkte amüsiert und etwas irritiert zugleich, dass sie tiefrot anlief. Ich wusste, dass ich eine gewisse Wirkung auf Frauen zu haben schien, doch diese extremen Reaktionen waren mir jedes Mal sehr unangenehm. Es gab nur eine Frau, die aufgrund meiner Person erröten durfte und das war Bella!
    Ich sah Ruby neugierig hinterher, als sie im Gästezimmer verschwand und fragte mich erneut, wer uns wohl besuchen kam. Meines Wissens nach hatte meine Mutter in den letzten Tagen mit keinem Wort erwähnt, dass wir jemanden erwarteten. Wer auch immer es war, es musste sich um einen sehr überraschenden Besuch handeln. Dafür sprach schon allein die Beflissenheit unseres Dienstpersonals, das normalerweise viel organisierter und strukturierter war, wenn wir Besucher empfingen.

    Vor dem Salon hielt ich kurz inne und überlegte, wie ich meiner Mutter am besten beibringen konnte, was geschehen war. Mir fielen jedoch keine passenden Worte ein, die den Sachverhalt schonend beschrieben, also nahm ich mir vor, das Thema direkt anzusprechen. Meine Mutter war schließlich eine erwachsene und eine sehr starke Frau, die auch schreckliche Nachrichten vertrug.
    Ich riss die Tür des Salons in einer Weise auf, die meine Mutter wohl als `stürmisch` bezeichnen würde und rief aufgeregt: „Mutter, es ist etwas Schreckliches geschehen!“
    Weiter kam ich nicht, denn als ich sah, wer neben meiner Mutter auf dem Sofa saß blieb mir regelrecht die Luft weg.

    Niemand anderes als Bella kauerte auf dort, in den Armen meiner Mutter. Sie war leichenblass, ihre Wangen waren tränenverschmiert und ihre Augen vom Weinen rot unterlaufen. Sie sah so unendlich traurig aus, dass mir beinahe selbst die Tränen gekommen wären. Bestürzt warf ich einen Blick auf meine Mutter, die mich ebenfalls betrübt ansah.
    „Bella“, hauchte ich entsetzt und machte unwillkürlich ein paar Schritte auf sie zu. „Was ist geschehen?“, fragte ich meine Mutter und wartete ungeduldig auf ihre Antwort.
    „Bellas Vater ist krank geworden. So lange man sich nicht sicher ist, was genau er hat bleibt sie hier bei uns“, antwortete sie leise.
    Ich zuckte innerlich zusammen. Das war eine furchtbare Nachricht. Bella beobachtete besorgt meine Reaktion und ich konnte genau spüren, dass sie vor ihr Angst hatte. Langsam ließ ich mich vor ihr auf meinen Knien nieder und ergriff ihre Hände. Mit der einen Hand hielt sie ihre Tasse so fest umklammert, dass ich befürchtete, sie würde gleich zerspringen. Sanft löste ich ihren Klammergriff und stellte die Tasse beiseite. Ihre Hände waren eiskalt, ich versuchte sie ein wenig durch meine zu wärmen. Die ganze Zeit über sah ich ihr tief in die Augen und hoffte, durch meine Anwesenheit ein wenig ihren Schmerz zu lindern.
    Meine Mutter unterbrach unseren Blickkontakt. „Was wolltest du mir eben berichten Edward?“
    „Das, was wir befürchtet haben, ist eingetreten – die Spanische Grippe hat die Armenviertel verlassen und ist nun auf die ganze Stadt übergegangen. Wir sollten in der nächsten Zeit vorsichtig sein und nicht so viel aus dem Haus gehen“, antwortete ich ruhig. Die ausführlichen Antworten konnten warten, ich wollte vor Bella nicht von diesen Dingen sprechen. Das hätte ihren momentanen Zustand nur verschlechtert.
    Meine Mutter hatte ebenfalls begriffen, dass wir auch später darüber sprechen konnten. Unschuldig lächelnd schlug sie vor, dass ich Bella ihr Gästezimmer zeigen sollte, damit sie ein paar Besorgungen erledigen konnte.
    Von der Aussicht, allein mit Bella zu sein, war ich trotz der gefährlichen Situation mehr als begeistert, doch ich verbarg meine Freude, da ich Bella nicht kränken wollte. Sie war sicher außer sich vor Angst um ihren Vater, da wollte ich ihre Gefühle durch meine selbstsüchtigen Gedanken nicht belästigen.

    Stattdessen lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf meine Mutter, die betont gelassen auf ihre Finger starrte. Ihre Gedanken schrieen mich in diesem Moment praktisch an und ich wusste sofort, was sie vorhatte.
    „Hältst du das für klug? Du solltest lieber hier bleiben“, gab ich zu bedenken.
    Sie funkelte mich wütend an. Sie konnte es einfach nicht leiden, wenn ich so mit ihr sprach. „Edward, sei nicht so übervorsichtig. Ich werde lediglich zu den Webers fahren und vielleicht noch in ein anderes Geschäfte in der Grosvenor Street. Was soll da schon geschehen? Ich fahre doch nicht in die Armenviertel!“
    Ich musste fast lachen, als sie dies sagte. Natürlich hatte sie vorgehabt, in die Armenviertel zu fahren. Meine Mutter war so selbstlos, sie dachte im Moment nicht an ihre eigene Gesundheit sondern sorgte sich viel mehr um die armen Kinder, die erkrankt waren. Doch ich beschloss, sie nicht weiter damit zu behelligen.
    „Du solltest auch Vater Bescheid sagen“, antwortete ich lediglich. Mein Vater hatte sicher noch nicht davon gehört, er war zu sehr mit seiner Arbeit beschäftigt, als dass er sich um solch profane Dinge wie Lokalnachrichten kümmerte.
    Bella fragte besorgt, ob er wohl auch einverstanden sei, dass sie vorerst hier bliebe, was mich dazu brachte, sie nur noch intensiver anzusehen. Sie war ebenfalls sehr selbstlos. Sie hatte allen Grund der Welt um hier bei uns zu sein und trotzdem sorgte sie sich, ob sie uns nicht vielleicht zur Last fallen könnte. Ich liebte sie in diesem Moment so sehr, dass es schon fast weh tat. Wieso um alles in der Welt hatte ich diese Frau nur verdient?

    Bevor ich Bella in ihr Zimmer führte ermahnte ich meine Mutter nochmals streng, nicht in die Armenviertel zu fahren. Ich fühlte, dass sie immer noch mit dem Gedanken spielte und ich hoffte, dass sie meine Warnung verstehen würde. Es war wirklich zu gefährlich, sich dermaßen in Gefahr zu begeben. Wann würde sie endlich begreifen, dass sie nicht jedem Menschen in dieser Stadt helfen konnte? Sie versprach mir letztendlich, mit hochrotem Gesicht, nicht zu den kranken Menschen zu fahren und zerzauste mir zum Abschied meine Haare. Ich knurrte unwillig, da ich diese Geste einfach nicht mochte. Ich war schließlich kein Fünfjähriger mehr. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Bella mich interessiert musterte. Vermutlich war sie von meinem Gespräch etwas erstaunt gewesen, hatte sie doch endlich einmal gesehen, dass ich sehr wohl in der Lage war, die Gedanken anderer Menschen zu erahnen. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass sie mir bis zu diesem Augenblick nicht so recht hatte glauben wollen.

    Ich führte Bella in ihr Zimmer und beobachtete sie nervös, als sie ihr neues Zuhause inspizierte. Sie ging langsam auf und ab, strich einmal kurz mit der Hand über ihr Bett und sah ein paar Minuten aus dem Fenster. Sie sah so wunderschön aus und so unendlich traurig, dass es mich sehr viel Mühe kostete, nicht auf sie zuzugehen und zu umarmen. Ich wollte sie nicht verschrecken. Gewiss hatte sie im Moment viel mehr damit zu tun, ihre Angst zu bekämpfen als auf mich zu achten. Dennoch war ich neugierig, was sie von ihrem Zimmer hielt und ob sie sich hier wohl fühlte. Es machte mich immer noch sehr unruhig nicht zu wissen, was ihr durch den Kopf ging.
    „Sag mir, was du denkst“, flüsterte ich drängend, als sie endlich stehen geblieben war und mich mit ihren braunen Augen musterte.
    „Mir gefällt das Zimmer sehr gut“, antwortete sie leise. Ihre Stimme klang so traurig, dass ich mich nicht länger beherrschen konnte. Mit wenigen Schritten war ich bei ihr und umarmte sie so fest, wie es nur möglich war. „Es tut mir so leid“, flüsterte ich in ihr Ohr und strich ihr sanft über den Rücken.
    Bella schlang ihre Arme um meinen Oberkörper und zog mich noch fester an sich. Sie genoss es sichtlich von mir umarmt zu werden. Mir ging es da nicht anders. Es war ein überwältigendes Gefühl, sie in den Armen zu halten. Ich wünschte mir so sehr, dass es ihr ein wenig Trost spenden würde. „Ich bin mir sicher, er wird wieder gesund“, sagte ich leise, auch wenn ich ahnte, dass er wohl an der Spanischen Grippe  erkrankt war und sterben würde. Kaum jemand überlebte diese Krankheit.
    „Ich hoffe es“, murmelte sie gegen meine Brust.
    Ich küsste sie sanft auf ihre Haare und schloss entmutigt die Augen. Hoffnungslosigkeit breitete sich in mir aus. Es kamen schwere Zeiten auf uns zu, das spürte ich. Jedoch wusste ich auch, dass ich allen Schwierigkeiten trotzen würde, solange nur Bella an meiner Seite war. Unsere Liebe war so stark, sie würde sicher gegen so manches Unheil ankommen.

    Bella schmiegte sich in einer so unwiderstehlichen Weise an meinen Körper, dass mir selbst auf einmal ganz heiß wurde. Mein Herz begann zu rasen, als ich mir bewusst machte, wie vertraut wir mittlerweile schon miteinander umgingen. Sie schien in meiner Umarmung Trost zu finden und ich schwor mir, alles dafür zu tun, was in meiner Macht stand, um ihren Schmerz zu lindern. Litt sie, so litt ich ebenfalls mit ihr. Ich konnte es nicht ertragen, sie so aufgewühlt zu sehen.


    Meine Mutter kehrte nach ein paar Stunden zurück und versicherte mir, dass sie wirklich nicht in den Armenvierteln gewesen sei. Ich musste mir ein Lächeln verkneifen, als ich ihren wütenden Gesichtsausdruck sah. Etwas später kam auch mein Vater nach Hause, der weder über Bellas Anwesenheit noch über die Nachrichten aus der Stadt sonderlich überrascht war. Er hatte bereits davon gehört und überlegte selbst schon eifrig, wie wir uns in Sicherheit bringen konnten. Dennoch sprach beim Abendessen niemand von diesem Thema. Bella schien sich allmählich etwas zu entspannen und unterhielt sich am Ende sogar angeregt mit meiner Mutter. Natürlich konnte man ihr immer noch ansehen, dass sie große Angst hatte, aber sie fühlte sich anscheinend so wohl, dass sie sich erlaubte, ihre Furcht für eine Weile einfach zu vergessen. Ich beobachtete Bella den ganzen Abend über und war unendlich erleichtert, dass sie sich so gut in meine Familie integrierte. Ich war erfreut, dass meine Eltern so sehr auf sie eingingen, aber mir war auch nicht entgangen, dass Bella sich ebenfalls bemühte, mit meinen Eltern gut zu recht zu kommen. Sie würde in diese Familie passen und mehrmals fielen mir die zufriedenen und glücklichen Mienen meiner Eltern auf, wenn Bella mit ihnen oder mit mir sprach. Beide hatten sie in ihr Herz geschlossen und würden sie unterstützen, wenn sie auf ihre Hilfe angewiesen war.

    Bella zog sich jedoch kurz nach dem Essen zurück, sodass ich mich noch eine Weile alleine mit meinen Eltern unterhalten konnte. Beide zeigten sich besorgt über die Entwicklung der Dinge und mein Vater teilte mir mit, dass er überlegte, eventuell die Stadt zu verlassen. Wir alle beschlossen einstimmig, in den nächsten Tagen so viel Zeit wie möglich im Haus zu verbringen. Mein Vater würde ebenfalls versuchen, nicht mehr so lang in der Kanzlei zu bleiben und mehr von zu Hause aus zu arbeiten. Solange wir nicht wussten, wie es um die Swans bestellt war, wollten wir nicht vorschnell handeln. Es wäre für Bella sicher nicht angenehm, ihre Eltern zu verlassen ohne zu wissen, ob sie krank oder vielleicht wieder gesund waren. Auch meine Eltern waren sehr müde und so zogen sie sich ebenfalls zurück. I
    ch machte mich in meinem Zimmer für die Nacht zurecht und legte mich seufzend auf mein Bett. Ich konnte einfach an nichts anderes als an Bella denken. Vermutlich saß sie gerade alleine in ihrem Zimmer, das ihr so fremd war und war ihren dunklen Gedanken vollkommen schutzlos ausgesetzt. Ich könnte vielleicht noch für eine Weile zu ihr, um ihr Gesellschaft zu leisten... Entschlossen setzte ich mich auf. Mir war sehr wohl bewusst, wie unschicklich dieses Verhalten war und vermutlich würde Bella es nicht gut heißen, aber ein Versuch war es wert. Ich warf einen Blick in meinen Spiegel und lächelte mir ermutigend zu. Ich trug nur feine Leinensachen, doch ich glaubte nicht, dass Bella sich daran stören würde.

    Mein Herz raste, als ich vor ihrem Zimmer stand und leise anklopfte. Was, wenn sie mich wegschicken würde? Meine Hände waren auf einmal schweißnass und ich atmete etwas schneller. Ärgerlich schüttelte ich den Kopf. Nur Bella schaffte es, mich dermaßen aus der Fassung zu bringen.
    Als sie nicht antwortete rief ich leise ihren Namen. Ich glaubte, ein erschrockenes Keuchen zu hören und musste unwillkürlich grinsen. Ihre Reaktion war wirklich mehr als reizend.
    „Edward? Was tust du hier?“, fragte sie und klang dabei erschrocken, ungläubig und aufgeregt zugleich.
    „Ich wollte noch einmal nach dir sehen. Darf ich herein kommen?“ Ich bemühte mich, meiner Stimme einen ehrlichen, liebevollen Klang zu geben. Ich wollte sie nicht noch mehr erschrecken.
    Eine Weile war es still, dann antwortete sie mir schüchtern, dass ich herein kommen dürfte. Sofort schlüpfte ich in das Zimmer und schloss die Tür leise hinter mir. Dann fiel mein Blick auf ihre Gestalt und mir stockte der Atem.

    Bella trug ein helles Leinennachthemd, das ihre Figur umschmeichelte und mehr zeigte als verhüllte. Um ihre Schultern hatte sie sich ein Tuch meiner Mutter gelegt, das dunkelblau war und ihren Teint hervorragend zur Geltung brachte. Zum ersten Mal sah ich ihre langen, dunklen Haare offen herabhängen und ich musste mich regelrecht zwingen, den Blick abzuwenden. Ihr Gesicht hatte eine tiefrote Farbe angenommen und ihre Augen sahen mich schüchtern und zögerlich an. Auch sie musterte mich und ihr Gesicht verfärbte sich noch dunkler, als es ohnehin schon gewesen war. Sie lächelte mich vorsichtig an und mein Herz setzte bei diesem Anblick für eine Sekunde aus. Langsam trat ich auf sie zu und sah sie nervös an.

    „Bella, es tut mir leid, ich möchte dich nicht stören und außerdem ist mir sehr wohl bewusst, wie unschicklich mein Verhalten ist“, sagte ich vorsichtig.
    Bella grinste mich an und ihre Augen, die eben noch so traurig ausgesehen hatten, blitzen belustigt. „Und seit wann kümmert es mich, ob dein Verhalten unschicklich ist oder nicht?“
    „Auch wieder wahr“, antwortete ich ebenfalls grinsend. Vorsichtig strich ich ihr über ihre Wange und wischte eine Träne weg, die sich immer noch dort aufhielt. Sie musste wieder geweint haben. Ein Stich durchzuckte mich bei diesem Gedanken.
    „Ich habe mir gedacht, dass du dich vielleicht unwohl fühlen konntest, dass die Gedanken an deine Eltern dich quälen könnten. Immerhin bist du in diesem Zimmer ganz alleine und hast niemanden, mit dem du darüber sprechen kannst“, flüsterte ich ergriffen und umarmte sie sanft. Wie auch am Nachmittag zuvor war ich überwältigt von den Gefühlen, die mich durchströmten, als ich sie so nah bei mir hielt. Das Nachthemd war aus einem dünnen Stoff gemacht, ihr Körper fühlte sich so viel wärmer an als gewöhnlich. Ich schloss die Augen und war in diesen neuen Empfindungen völlig versunken. Ab und zu küsste ich sie auf ihr Haar, die meiste Zeit jedoch spielte ich mit den langen Strähnen, die über ihren Rücken hingen. Ihr Haar war seidig weich, es fühlte sich so gut an.

    Als Bella gähnte, erwachte ich aus meiner Trance und hätte mich am liebsten selbst ohrfeigen können. Sie war so müde, so erschöpft und ich hielt sie vom Schlafen ab, von der Ruhe, die sie so dringend benötigte. Ich war wirklich eine selbstsüchtige Kreatur.
    „Du solltest schlafen Bella“, sagte ich leise. „Dein Körper braucht Ruhe.“
    Sie löste sich etwas aus meiner festen Umarmung und sah mir in mein Gesicht. Ihr Blick war so intensiv, er drang bis in die tiefen meiner Seele.
    „Ich kann nicht schlafen – ich habe Angst vor meinen Träumen“, hauchte sie.
    Ich antwortete fast schon reflexartig. „Soll ich bei dir bleiben?“
    Sie schnappte leise nach Luft und ich hätte mich erneut ohrfeigen können. Schlimm genug, dass ich sie durch mein Verhalten in äußerst kompromittierende Situationen brachte, jetzt verstärkte ich ihr Unbehagen nur noch durch meine unschicklichen Vorschläge.
    Bella jedoch reagierte anders, als ich erwartet hatte. Prüfend musterte sie mich und fragte leise: „Das würdest du tun?“
    Ich registrierte, dass ich nervös die Luft angehalten hatte, denn nun atmete ich erleichtert aus und antwortete ebenso leise wie sie. „Ich würde alles für dich tun, damit es dir wieder besser geht“ Diese Antwort war absolut aufrichtig und ehrlich gemeint.
    „Edward, deine Eltern...“, murmelte sie leise und ihr Gesicht lief erneut rot an. Ich konnte ihr ansehen, dass sie sich unwohl fühlte, dennoch wollte ich nicht so schnell aufgeben.
    „Mach dir darüber keine Gedanken – ich werde wieder in mein Zimmer gehen, sobald du eingeschlafen bist“, sagte ich lächelnd. Das war meine ehrliche Absicht.
    Sie nickte kurz, ihr Gesichtsausdruck verriet aber, dass sie sehr intensiv darüber nachdachte. Ich seufzte leise. Ich wollte sie zu nichts drängen, und das machte ich ihr auch deutlich. Doch Bella hielt mich nur fest und bat mich, zu bleiben.
    Mein Herz raste bei dem Gedanken, mit ihr zusammen in einem Bett zu liegen und ich folgte ihr nervös, als sie langsam auf ihr Bett zusteuerte.

    Während sie sich in ihr Tuch einwickelte und hinlegte löschte ich die Kerze, die immer noch brannte. Auf einmal war das Zimmer in eine tiefe angenehme Dunkelheit getaucht. Ich war froh, dass sie mich nicht sehen konnte, denn meine Wangen brannten mittlerweile vor Hitze und ich spürte, dass meine Hände vor Aufregung zitterten. Während ich mich dem Bett näherte beschleunigte sich auch mein Herzschlag.
    Im Mondlicht konnte ich Bellas Gesicht erkennen, das mich liebevoll ansah. Ich stieg zu ihr ins Bett und im selben Moment verharrte ich plötzlich.

    Was tat ich hier eigentlich? War ich wirklich so selbstsüchtig, dass ich es in Kauf nahm, dass Bella sich unwohl fühlte, bloß weil ich in ihrer Nähe sein sollte? Wann war ich zu solch einem schrecklichen Menschen geworden?
    Ehe ich es mir wieder anders überlegen konnte hatte mich Bella sanft an meinem Arm ergriffen und mich zu ihr gezogen. Mein Körper übernahm die Kontrolle über meinen Verstand und sorgte dafür, dass ich sie sofort in meine Arme schloss und fest an mich zog. Ich schloss meine Augen, zu überwältigt von diesen vielen Empfindungen, die unkontrolliert auf mich einströmten.

    Ich war ihr noch nie so nah gewesen. Ich konnte ihren zarten Körper überall spüren und musste mich so sehr zusammenreißen, dass meine Gedanken halbwegs anständig blieben. Ihr angenehmer Geruch umnebelte meine Sinne und ihre Wärme umhüllte meinen eigenen Körper. Es war ein unbeschreiblich schöner Moment.
    Bella entspannte sich völlig in meinen Armen und seufzte leise auf. Zärtlich strich sie mit ihrer Hand über mein Gesicht und lächelte mich selig an. Bei ihrem Blick begann mein Herz erneut zu rasten und ich musste über meine eigenen Körperreaktionen schmunzeln.
    „Fühl mal wie mein Herz klopft“, murmelte ich leise und legte ihre zarte Hand auf meinen Brustkorb. Sie lag eine Weile still da und wir beide lauschten dem Klopfen meines Herzens. Sie lächelte leicht und sah mir tief in die Augen.
    „Oh Bella, was machst du nur mit mir?“, stöhnte ich leise und vergrub mein Gesicht in ihren Haaren, um diesem Blick auszuweichen, der jedes Mal bis in die Tiefen meiner Seele zu dringen schien und mich unendlich stark berührte.
    Sie kicherte leise, dann sagte sie ernst: „Ich liebe dich Edward“
    Oh, allein diese Worte aus ihrem Mund zu vernehmen war wie eine Gotteserfahrung. Ich seufzte wohlig und drehte uns etwas, sodass sie ihren Kopf auf meiner Brust ablegen konnte.
    „Und wie ich dich erst liebe!“, entgegnete ich, immer noch ein wenig benommen von unserer enormen Nähe. „Ich schwöre dir Bella, was auch immer passieren mag, ich werde dich nicht allein lassen. Ich werde immer für dich da sein!“ Sanft strich ich über ihr Gesicht und sah sie so aufrichtig an, wie ich nur konnte. Ich meinte jedes Wort ernst und ich hoffte, dass sie das auch wusste. Ich liebte sie mehr als mein eigenes Leben und ich hätte Tage damit verbringen können, ihr dies immer wieder zu versichern.

    Sie erwiderte meinen Blick und ihre Augen leuchteten so intensiv, dass ich nicht anders konnte: Ich beugte mich zu ihr und berührte sanft ihre Lippen. Bella erwiderte den Kuss beinahe sofort und bewegte ihre Lippen zärtlich auf meinen. Hitze breitete sich in meinem Körper aus und ich löste mich wieder, als ich das Gefühl hatte, meine weiteren Reaktionen nicht mehr kontrollieren zu können. Wir beide starrten uns kurz an und ich fühlte, wie heiß ihre Wangen waren. Anscheinend erging es ihr ähnlich wie mir und das ließ mich breit grinsen. Schließlich wollte ich nicht der einzige sein, der so aus der Fassung gebracht werden konnte.
    „Schlaf nun Bella. Ich bin bei dir, es wird dir nichts geschehen“, flüsterte ich leise und strich ihr über das Haar. Sie legte ihr Gesicht wieder auf meine Brust und kuschelte sich noch enger an mich. In den nächsten Minuten wurde ihre Atmung wieder etwas regelmäßiger und schließlich konnte ich spüren, dass sie eingeschlafen war.
    Leise summte ich das Lied vor mich hin, das ich für sie komponiert hatte, auch wenn es dafür ein bisschen zu spät war, denn immerhin war sie schon eingeschlafen. Ich nahm mir vor, ihr das Lied das nächste Mal als Schlaflied vorzusingen, sollte ich je wieder in so ein Glück haben, in solch eine Situation zu geraten.

    Müde schloss auch ich meine Augen und erlaubte es mir, ein wenig vor mich hinzudösen. Meine Eltern würden Bellas Zimmer niemals ohne ihre Erlaubnis betreten, daher drohte mir von dieser Seite keine Gefahr. Und sollte mich meine Mutter trotz allem bei Bella erwischen, so wusste ich, dass sie dieses Verhalten unter diesen Umständen begrüßen würde, denn ich versuchte schließlich Bella zu trösten.
    Bei Sonnenaufgang erwachte ich jedoch aus meinem angenehmen Schlaf und beschloss, mich leise aus ihrem Zimmer zu schleichen. Bella schlief friedlich in meinen Armen und als das Sonnenlicht auf ihr wunderschönes Gesicht fiel sah sie aus wie ein Engel. Ich war von ihrem Anblick völlig verzaubert und löste mich nur sehr widerwillig aus ihren Armen. Auf ihrem Tisch lag ein Stapel Papier und eine Feder, so schrieb ich ihr rasch eine Nachricht und platzierte diese auf ihr Kissen. Ich küsste sie sanft auf die Stirn, dann verließ ich ihr Zimmer und huschte in mein eigenes.
    An Schlaf war jedoch nicht mehr zu denken.

    Die letzten Stunden der „Nacht“ verbrachte ich vor mich hin träumend in meinem Bett, in Gedanken durchlebte ich noch einmal jede Sekunde des vergangenen Abends. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass man mir solch ein Geschenk gemacht hatte. Und ich schwor mir, dass ich alles tun würde, um Bella glücklich zu machen. Ich würde sie niemals verlassen, ich würde für immer bei ihr bleiben, kostete es, was es wolle!
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 18: Schreckliche Nachrichten


    Als ich am nächsten Morgen erwachte, befand ich mich zu meiner großen Enttäuschung alleine in meinem Bett. Ich fragte mich schläfrig, ob ich die Ereignisse des vergangenen Abends nur geträumt hatte, doch dann fiel mein Blick auf mein Kissen neben mir, auf welchem ein kleines Stück Papier lag. Rasch setzte ich mich auf und hielt die Notiz ins helle Sonnenlicht, um sie besser lesen zu können.

    Meine geliebte Bella,
    In dieser Nacht hatte ich das große Glück, die düsteren Stunden neben einem wunderschönen, schlafenden Engel zu verbringen. Ich danke Gott für jede Sekunde, die ich mit dir zusammen sein darf.
    Ich liebe dich
    Edward

    Seufzend ließ ich mich in mein Kissen zurücksinken. Edward war einfach unglaublich. Wie konnte ein Mann nur so romantisch und gefühlvoll sein? Mein Herz klopfte wie wild, als ich mich daran erinnerte, wie es war, von ihm im Arm gehalten zu werden. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich einem Mann auf solch eine Weise nahe gekommen und obwohl ich wusste, dass dieses Verhalten sich nicht gehörte und dass meine Mutter wohl in Ohnmacht gefallen wäre, würde sie dies wissen, konnte ich nicht leugnen, dass es mir außerordentlich gefallen hatte. Ich schüttelte grimmig meinen Kopf. Dies alles war in höchstem Maße unschicklich, doch ich konnte und wollte nichts Verwerfliches daran finden. Bald würde ich sowieso mit Edward verheiratet sein.
    Bei dem Gedanken raste mein Herz nur noch mehr. Vorfreude vermischte sich mit Angst, als mir bewusst wurde, dass durch die Krankheit meines Vaters meine Pläne ins Wanken geraten waren. Ich konnte unmöglich eine Hochzeit abhalten, während mein Vater sich von der Grippe wieder erholen musste.
    Falls er sich überhaupt erholen würde.
    Ich schluckte. An so etwas durfte ich noch nicht einmal denken! Mit zusammengebissenen Zähnen zwang ich mich, Französisch Vokabeln zu wiederholen, bis ich die düsteren Gedanken verscheucht hatte. Es wollte mir nicht ganz gelingen und so erhob ich mich frustriert, um mich für den Tag vorzubereiten.

    Die nächsten Tage verliefen eigentlich ruhig, wären da nicht die ständigen Schreckensnachrichten gewesen, die sich wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreiteten. Die Grippe hatte ganz Chicago erreicht und einen Großteil des öffentlichen Lebens lahm gelegt. Nahezu die Hälfte der Stadtbevölkerung war bereits erkrankt, ein Viertel davon lag schon im Sterben. Grausamerweise befanden sich viele junge Leute unter den Infizierten. Das schlimmste jedoch war das Wissen, dass es keine Medizin gegen diese teuflische Krankheit gab. Die Ärzte arbeiteten rund um die Uhr, doch sie konnten nichts ausrichten, außer vielleicht den Kranken in ihrem letzten Kampf seelisch beizustehen.

    Die Masens blieben nun alle zu Hause, selbst Mr. Masen verließ das Haus nur in dringenden Notfällen. Ein Gefühl der Beklommenheit hatte die Familie erfasst und selbst Elizabeth Masen war nun nicht mehr ganz so hoffnungsvoll wie zu Beginn der Epidemie. Die meiste Zeit saß sie stumm im Salon und starrte sorgenvoll aus dem Fenster, während Edwards Vater mit seinen Geschäftspartnern per Brief kommunizierte und irgendwelche Notfallpläne ausarbeitete. Edward wich kaum von meiner Seite. Seine Anwesenheit linderte meine Angst ein wenig und ich hoffte, dass ich das Selbe auch für ihn tun konnte. Oft saßen wir einfach nur in meinem oder in seinem Zimmer und hielten uns fest. Niemand verschwendete in diesen Tagen noch einen Gedanken an überflüssige Konventionen. Ansonsten hätte ich mich unmöglich mit Edward alleine in einem Zimmer aufhalten können.
    Irgendwann kam jedoch der Punkt, an dem ich fürchtete, vor Anspannung in tausend Stücke zu zerspringen. Ich hatte nun schon seit einigen Tagen keine Nachricht von meinen Eltern erhalten, auch wenn meine Mutter mir versprochen hatte zu schreiben, sobald sich etwas tun sollte. Ihr permanentes Schweigen schürte meine Befürchtungen nur noch mehr und auch Edward konnte mich nicht mehr beschwichtigen. Zudem konnte ich in seinen Augen sehen, dass er längst selbst daran zweifelte, dass mein Vater wieder gesund werden würde. Wir beide ahnten, dass das Gegenteil der Fall sein musste.

    Vermutungen über bestimmte Sachverhalte zu besitzen ist eine Sache. Zu wissen, dass diese Vermutungen wahr sind und zu hören, dass sich alle Befürchtungen bewahrheiten ist hingegen etwas völlig anderes.
    An jenem schicksalhaften Nachmittag saß ich zusammen mit Elizabeth und Edward im Salon. Edward spielte leise auf seinem Klavier, während ich ein Buch las und Elizabeth sich in entspannter Haltung auf dem langen Sofa niedergelassen hatte. Sie war den ganzen Tag schon sehr blass gewesen und fühlte sich nicht wohl. Ich konnte dies gut nachvollziehen. Seit Tagen waren wir schon nicht mehr an der frischen Luft gewesen. Dieses ständige eingesperrt sein tat niemandem gut.
    Edward hatte gerade sein Lied beendet als ein leises Klopfen die nachdenkliche Stille durchbrach. Wir schraken alle hoch und sahen den Dienstboten erstaunt an, der uns niemand geringeren als Dr. Cullen ankündigte.
    Mein Magen zog sich unsanft zusammen, während ich hörte, wie Elizabeth den Dienstboten aufforderte, Dr. Cullen hineinzuholen. Meine Gedanken tobten wild durcheinander und ich bemühte mich angestrengt, Ordnung in dieses Chaos zu bringen.
    Dr. Cullen war nicht wegen den Masens hier. Niemand von ihnen war bislang krank geworden. Er konnte also nur wegen mir hergekommen sein, vermutlich wollte er mich über meine Eltern informieren.
    Oder darüber, dass mein Vater gestorben war.
    Kalter Schweiß lief mir über meine Stirn und um mich herum begann sich alles zu drehen. Ich atmete zischend ein und aus, während ich versuchte, das Zittern in meinen Händen zu unterdrücken.
    Edward saß plötzlich neben mir und legte mir einen Arm um meine Taille, während er mit der freien Hand über meine Wange strich.
    „Es wird alles gut, Bella“, flüsterte er beruhigend in mein Ohr. „Ich bin bei dir, was immer auch geschieht“

    Einen Moment später betrat Dr. Cullen ruhigen Schrittes den Raum. Ich hörte, wie Elizabeth scharf die Luft einzog. Natürlich, sie hatte ihn schließlich noch nie zuvor gesehen. Wenn man diesen Mann zum ersten Mal erblickte konnte einem schon die Luft wegbleiben. Auch ich wandte beschämt meine Augen ab. Ich wusste nicht weshalb, aber Dr. Cullen übte immer noch eine merkwürdige Anziehungskraft auf mich aus. Ich bemerkte, wie Edward den Griff um meine Taille verstärkte und mich näher zu sich heranzog. Dies war das andere Gefühl, dass Dr. Cullen bei seinen Mitmenschen auslöste – das Gefühl einer subtilen Bedrohung.

    „Mrs. Masen, bitte verzeihen Sie mir, dass ich Sie stören muss“, begann er mit seiner sanften Stimme und Elizabeth blinzelte ein paar Mal. Ich hörte Edward leise schnauben.
    „Dr. Cullen, seien Sie versichert, dass Sie nicht stören“, antwortete Elizabeth und schenkte ihm ein leichtes Lächeln. Dr. Cullen erwiderte es zaghaft, dann musterte er sie prüfend.
    „Fühlen Sie sich nicht wohl? Verzeihen Sie mir die Bemerkung, aber Sie sehen sehr blass aus“
    „Ich fühle mich heute in der Tat etwas niedergeschlagen, aber ich bin mir sicher, dass liegt nur daran, dass mein Mann mich nicht mehr vor die Tür lässt, seitdem die Grippe ausgebrochen ist“, entgegnete Elizabeth leichthin.
    Edward funkelte sie vorwurfsvoll an und selbst ich verstand, dass sie Dr. Cullen etwas vormachte. Ihr ging es viel schlechter als sie zugeben wollte.
    „Sollten Sie sich morgen immer noch nicht besser fühlen, dann zögern Sie nicht nach mir zu rufen“, sagte Dr. Cullen und sah sie ernst an. Elizabeth nickte nur.

    Dann drehte er sich zu mir um. Seine Augen weiteten sich etwas, als er sah, in welch vertrauter Pose Edward und ich auf dem Sofa saßen. Ich errötete, doch Edward ließ mich nicht los. Er starrte Dr. Cullen ins Gesicht und sah sehr konzentriert aus. Offenbar versuchte er herauszufinden, was dieser dachte.
    „Miss Swan“, begann Dr. Cullen zögernd und sah mich vorsichtig an. Ich spürte den plötzlichen Temperaturabfall in meinen Wangen und wusste, dass ich nun sehr blass sein musste. Sein Tonfall machte mir Angst und ich fasste automatisch nach Edwards freier Hand, die mittlerweile an meiner Schulter verweilte.
    „Miss Swan, es tut mir sehr leid, aber ich habe schlechte Nachrichten für Sie.“ Er seufzte bedrückt, dann fuhr er fort: „Ihr Vater ist leider an der Spanischen Grippe erkrankt. Ich vermute, das werden Sie sich schon gedacht haben“
    Ich biss mir auf die Lippe, um ein Schluchzen zurückzuhalten. Allerdings bemerkte ich, dass Dr. Cullen noch nicht alle Nachrichten übermittelt hatte. Er sah mich immer noch sehr vorsichtig an und schien mit sich zu ringen. Ich hielt den Atem an, als er wieder zu sprechen begann.

    „Aber, das ist nicht alles. Ich fürchte, dass das, was ich Ihnen noch mitteilen muss, nicht einfach für Sie sein wird, aber Sie müssen es erfahren. Miss Swan, Ihre Mutter ist ebenfalls erkrankt. Ich habe beide in eines der großen Lazarette bringen lassen, damit sie besser behandelt werden können. Es tut mir so leid“
    Jetzt konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie liefen in Scharen über meine Wangen, während Edward mich so fest an sich zog, dass es schon fast wehtat.
    „Kann ich zu ihnen?“, fragte ich mit krächzender Stimme.
    Dr. Cullen schüttelte seinen Kopf. „Es tut mir leid, das wird nicht möglich sein. Die Ansteckungsgefahr ist zu groß“
    Ich schluchzte laut auf und verbarg meinen Kopf an Edwards Brust. Elizabeth schlug sich ihre Hand vor den Mund und auch ihr liefen Tränen über die Wangen.
    „Was können wir tun, Sir?“, hörte ich Edward fragen, während er mir beruhigend über meinen Rücken strich. Beim Klang seiner Stimme musste ich nur noch mehr weinen – sie klang so hoffnungslos, so entmutigt. So kannte ich Edward überhaupt nicht.
    „Verlassen Sie die Stadt, Mr. Masen. Je schneller, desto besser“, antwortete Dr. Cullen leise. Er klang dabei so kalt...

    „Was geschieht nun mit Isabella? Was ist der Wunsch ihrer Eltern?“ Edwards Mutter sorgte sich immer noch sehr um mich, was mich in diesem Moment ein wenig trösten konnte.
    „Mrs. Swan bittet Sie, dass Sie sich um ihre Tochter kümmern, solange sie selbst noch krank ist“, antwortete Dr. Cullen in gedämpften Tonfall.
    Ich schluchzte leise auf, als ich dies hörte. Mir war durchaus bewusst, dass dies eine Art letzter Wille meiner Mutter war. Ich klammerte mich an Edward fest und bemühte mich vergeblich, meine Fassung wieder zu gewinnen.
    „Richten Sie ihr bitte aus, Dr. Cullen, dass wir für Isabella sorgen werden wie für eine Tochter. Sie gehört zu dieser Familie dazu, ihr wird es an nichts mangeln“, sagte Elizabeth und schluckte ebenfalls ein paar mal.
    „Natürlich werden wir uns um sie kümmern!“, sagte Edward energisch und zog mich noch fester an sich.
    „Ich werde Mr. und Mrs. Swan dies mitteilen.“  
    Langsam löste ich mich von meinem Verlobten und sah Dr. Cullen mit tränenverschleierten Blick an. Dieser erwiderte meinen Blick und sah mir lange in die Augen.
    „Bitte sagen Sie meinen Eltern, dass ich sie liebe. Und dass es mir so leid tut, dass ich Ihnen in letzter Zeit so viel Kummer bereitet habe“, sagte ich schließlich leise.
    Dr. Cullen lächelte mich an. „Das werde ich, Miss Swan. Ich verspreche es Ihnen“
    Er fuhr sich mit seiner blassen Hand durch sein blondes Haar und seufzte leise. Es war ihm anzusehen, dass ihm die Entwicklung der Ereignisse sehr nahe ging. Schließlich verabschiedete er sich leise, nachdem er uns noch ein paar Worte des Trostes zugesprochen hatte. Elizabeth saß wie versteinert auf dem Sofa und nickte ihm abwesend zu. Edward war der einzige, der sich ordnungsgemäß von Dr. Cullen verabschiedete und begleitete ihn sogar bis zur Haustüre. Ich blieb ebenfalls sitzen und sah Dr. Cullen noch einmal kurz an, als dieser den Raum verließ.

    Ein Gefühl der Taubheit breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Mein Verstand weigerte sich die Tatsache zu akzeptieren, dass meine beiden Elternteile an dieser furchtbaren Krankheit erkrankt waren und nun so gut wie im Sterben lagen. Es konnte nicht sein, das konnte einfach nicht wahr sein.
    „Oh Gott“, stöhnte ich leise und schlug mir entsetzt die Hände vor mein Gesicht. Die grässliche Wahrheit strömte mit aller Macht auf mich ein und ich war unfähig, mich dagegen zu wehren. Ich bemerkte, wie ich zu zittern begann und wie sich alles um mich herum drehte, aber ich war nicht in der Lage, irgendetwas zu unternehmen. Nur dumpf und oberflächlich hörte ich die erschrockenen Rufe von Elizabeth Masen und vage nahm ich wahr, wie weiche Hände meine Schultern packten. Dann wurde alles schwarz und ich sank in eine willkommene Ohnmacht.

    Helles Licht blendete meine Augen, als ich langsam wieder zu mir kam. Ich benötigte einige Sekunden um mich zurechtzufinden. Ich befand mich in dem Gästezimmer der Masens und lag in meinem großen Bett. Offenbar hatte man mich dort abgelegt, nachdem ich bewusstlos geworden war. Ich lächelte ein wenig bei dem Gedanken, dass Edward mich die Treppe nach oben getragen haben musste.
    Ich fuhr mir über meine Stirn. Ich hatte solche Kopfschmerzen. Gerade fragte ich mich, weswegen ich eigentlich ohnmächtig geworden war, da strömten die Erinnerungen mit voller Wucht auf mich ein. Meine Atmung ging schneller und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als ich an meine Eltern dachte, die nun in einem der gefürchteten Krankenhäuser lagen und auf ihren Tod warteten. Im Geiste sah ich sie auf hässlichen Tragen liegend, kalter Schweiß stand auf ihren blassen Gesichtern und sie atmeten kaum noch.
    Mir wurde augenblicklich schlecht bei dem Gedanken und ich krallte meine Hände in das Bettlaken, um mich wieder ein wenig zu beruhigen. Es half niemandem, wenn ich eine Panikattacke erleiden würde, versuchte ich mir einzureden.

    Als ich mich etwas beruhigt hatte erhob ich mich langsam. Ich würde wieder zu meinem Verlobten hinuntergehen und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen müssen. Auch wenn die momentane Situation einfach furchtbar war, mein Leben ging noch weiter und ich würde mich nun in Acht nehmen müssen, damit ich nicht auch noch krank werden würde. Ich ging an meinem Spiegel vorbei und warf einen raschen Blick hinein. Zu Tode erschrocken machte ich einen Schritt rückwärts.
    Das Mädchen, das mich anstarrte war leichenblass. Dunkle Ringe umrahmten ihre Augen, die mich ausdruckslos ansahen. Jegliches Leben schien aus ihnen gewichen zu sein. Ihre braunen Haare hingen kraftlos herab, denn die Flechtfrisur, die ich heute morgen noch mühselig erarbeitet hatte, hatte sich bereits aufgelöst. Eine einzelne Träne lief über meine Wange – ich konnte ihren Weg im Spiegelbild genau verfolgen.
    Mein Spiegelbild hatte mich ziemlich erschüttert. Immer noch benommen von dieser unheimlichen Begegnung lief ich langsam die Treppe hinab, genau darauf bedacht, nicht zu stolpern. Ich traute es mir durchaus zu, mich durch eine Unachtsamkeit ernsthaft zu verletzen.

    Zwei energisch diskutierende Stimmen drangen aus dem Salon zu mir. Ich blieb zögernd vor der Tür stehen, unschlüssig, ob ich eintreten sollte. Da hörte ich Edwards Stimme, die sehr zornig klang.
    „Du hast Dr. Cullen doch gehört, Mutter. Wir können hier nicht mehr länger bleiben. Je schneller wir aufbrechen, desto besser!“
    „Edward, hör doch auf damit! Bis jetzt ist uns nichts geschehen, wieso sollten wir gerade in diesem Moment das Haus verlassen? Ist es nicht besser, wenn wir einfach bleiben, wo wir sind und warten, bis das ganze vorbei ist?“ Elizabeth versuchte offensichtlich, ihren Sohn etwas zu beschwichtigen.
    „Verstehst du nicht, dass wir hier geradezu gefangen sind? Wir können der Seuche nicht entkommen, indem wir uns hier verstecken!“
    „Aber vor ihr davonlaufen können wir auch nicht! Edward, sie wird sich immer weiter ausbreiten. Egal, wo wir hingehen, sie wird uns folgen!“
    „Das weißt du doch gar nicht. Wir könnten zum Beispiel an die Westküste fahren. Dort hat man noch nichts von dieser Krankheit berichtet!“ Edwards Stimme klang hoffnungsvoll und energisch zugleich. Ich konnte mir vorstellen, wie er gerade aussehen musste. Bestimmt sah er seine Mutter mit diesem intensiven Blick an und versuchte sie allein dadurch umzustimmen.
    „Nein Edward, wir bleiben vorerst hier. Und überhaupt“, Elizabeth holte tief Luft. „Hast du an deine arme Verlobte gedacht? Sie hat gerade erst erfahren, dass ihre Eltern bald sterben könnten. Glaubst du, sie würde bereitwillig mitkommen, wenn wir hier fortgehen? Sie will sicher in der Nähe ihrer Eltern bleiben!“
    Ich sog scharf die Luft ein, als sie meine Eltern erwähnte. Der Schmerz drohte mich erneut zu überwältigen und so presste ich mich gegen die Wand und atmete tief ein und aus, um mich zu beruhigen.

    Als Edward antwortete klang er leise und unsicher. „Ich weiß, Mutter. Ich fühle mit ihr und es schmerzt mich sehr zu sehen, wie sehr sie leidet. Aber ich fürchte, sie hat keine Wahl. Ich will nicht, dass Bella auch noch erkrankt, ich könnte dies niemals ertragen. Versteh doch, alles was ich will ist sie in Sicherheit zu bringen.“
    „Edward, das weiß ich doch. Ich weiß genau, wie sehr du sie liebst und dass du Angst um sie hast. Dennoch glaube ich nicht, dass wir diesen Ort verlassen sollten. Warten wir lieber, was dein Vater dazu sagt, in Ordnung?“
    „Vater wird meiner Meinung sein“, beharrte Edward trotzig.
    „Wir werden es sehen“, entgegnete Elizabeth genauso stur.
    Nach einer Weile redete sie weiter. „Ich bete, dass die Swans diese Krankheit überleben werden“, hauchte sie bewegt.
    „Ich auch, Mutter, ich auch. Ich habe allerdings keine große Hoffnung, dass sie es schaffen. Diese Krankheit hat einfach schon zu viele Opfer gefordert“, antwortete Edward und klang sehr düster.
    „Das arme Kind“, sagte Elizabeth mitfühlend. „Ich kann gut nachvollziehen, wie sie sich jetzt fühlen muss. Ich hoffe, sie schläft noch eine Weile, sie war ziemlich mitgenommen“
    „Es tut weh, sie so zu sehen“, hauchte Edward so leise, dass ich es kaum hören konnte.
    Tränen liefen mir über die Wangen, als ich diesem Gespräch lauschte. Ich hoffte so sehr, dass meine Eltern wieder gesund werden würden. Und zu hören, dass Edward wegen mir litt war ebenfalls furchtbar.

    Ich raffte meinen Rock und lief von der Tür weg. Ich wollte ihnen nicht mehr länger zuhören. Ohne darüber nachzudenken durchquerte ich die kleine Eingangshalle und öffnete die Haustür. Ich stürzte nach draußen, auf die beinahe menschenleeren Straßen und sog gierig die Luft ein, während mich meine Füße zu einem Ort trugen, den ich schon die ganze Zeit hatte besuchen wollen. Ich achtete nicht darauf, ob mich jemand dabei sehen konnte, wie ich äußerst unschicklich durch die Straßen rannte. Ich sah kaum, wo ich hinlief, da die unzähligen Tränen in meinen Augen meinen Blick verschleierten. Aber das war egal – meine Füße kannten den Weg und waren nicht auf meine Augen angewiesen.

    Schließlich hatte ich mein Ziel erreicht. Stumm und verlassen lag mein Elternhaus vor mir. Ein großes weißes Tuch hing an der Haustüre und flatterte gespenstisch im Wind, der schon seit Tagen durch Chicago fegte. Wie benommen starrte ich das Tuch an, denn ich wusste genau, was dies bedeutete. Erst gestern hatte Edward mir diese Art von Kennzeichnung erklärt. Es war ein Zeichen dafür, dass die Spanische Grippe in diesem Haus ausgebrochen war und dass man sich nicht mehr in seine Nähe wagen sollte.
    Es war schon merkwürdig; obwohl ich ja genau wusste, was geschehen war, begriff ich erst jetzt erst, beim Anblick dieses grässlichen Tuches, das für mich so aussah wie ein Leichentuch, das volle Ausmaß der Ereignisse. Ich würde meine Eltern vermutlich nie mehr wieder sehen. Von der schmerzenden Verzweiflung und der schrecklichen Erkenntnis übermannt sank ich zu Boden und schloss meine Augen. Ich wollte dieses Tuch nicht mehr sehen, ich wollte gar nichts mehr sehen. Stumm überließ ich mich meiner Trauer und begann hemmungslos zu weinen.
    Ich konnte nicht ahnen, dass das Schicksal noch härter zuschlagen würde.

  • Escape to EternityDatum12.03.2009 18:53
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Escape to Eternity

    Kapitel 14: Verlobungsfeier



    Missmutig betrachtete ich mich in meinen Frisierspiegel. Die letzte halbe Stunde hatte ich vergeblich versucht, meine widerspenstigen Locken zu zähmen, die mir trotz der schönen Frisur immer noch ins Gesicht hingen. Emily hatte schon viel früher aufgeben und in ihrer ruhigen und gelassenen Art gemeint, dass man meine Haare nun mal nicht zu ihrem Glück zwingen konnte. Ich wollte mich damit nicht zufrieden geben und hatte selbst versucht, sämtliche Strähnen, die sich ihrem Schicksal nicht fügen wollten, mit Gewalt in die Frisur einzubeziehen. Aber auch ich war kläglich gescheitert. Im Grunde wusste ich selbst nicht einmal, wieso ich so ein Theater veranstaltete. Die Verlobungsfeier war gewiss keine so bedeutende Angelegenheit und ich war mir nahezu sicher, dass Edward sich überhaupt nicht an meinen Haaren stören würde. Selbst meiner Mutter würden die Strähnen kaum ins Auge fallen, war sie doch viel zu sehr damit beschäftigt, selbst einen guten Eindruck zu hinterlassen. Ich schnaubte, als mir bewusst wurde, dass ich mich vermutlich von den Gästen zu sehr unter Druck setzen ließ. Immerhin hatte meine Mutter Lauren Mallory eingeladen und ich wollte gewiss nicht, dass sie heute Abend eleganter aussah als ich
    Ich schüttelte seufzend den Kopf – was war ich nur für ein kleines Mädchen! Diese Gedanken waren geradezu lächerlich. Lauren Mallory konnte doch aussehen wie sie wollte. Ich war es, die Edward heiraten würde und nicht sie! Mit einem triumphierenden Grinsen drehte ich meinem Spiegelbild den Rücken zu und schritt zur Zimmertür hinaus. Es war Zeit, sich der neugierigen Meute zu stellen.

    Ich bedauerte es sehr, dass Angela nicht eingeladen worden war. Nach den Ansichten meiner Mutter standen die Webers zu weit unter uns, als dass wir sie hätten einladen können. Meiner Meinung nach war dies völlig unnötig. Vielleicht war meiner Mutter noch nicht aufgefallen, aber diese strikte Klassentrennung löste sich langsam aber sicher auf. Ich war mir nahezu sicher, dass in wenigen Jahren gar keine strengen Klassenunterschiede mehr herrschen würden.
    Ich kam mir vor wie ein Gladiator-Kämpfer aus dem alten Rom, der in die Arena schreitet, als ich die Treppe hinunter stieg. Ich hasste große Menschenansammlungen und noch mehr hasste ich es, wenn ich der Grund dafür war. Immerhin war ich nicht alleine, ich war mir nahezu sicher, dass Edward mich nicht eine Sekunde aus den Augen lassen würde.

    Meine Mutter wartete schon ungeduldig auf mich und nestelte noch ein wenig an meinem Kleid herum, was ich seufzend über mich ergehen ließ. Das Kleid war extra für diese Feier geschneidert worden und so fein, dass ich den ganzen Abend lang Angst haben würde, den Stoff in irgendeiner Form zu beschädigen. Die Ärmel und auch der Rock waren zum größten Teil mit dunkelblauer Seide untersetzt und der Halssauschnitt bestand aus feinem Chiffon-Stoff. Ich fühlte mich sehr erwachsen in diesem Kleid, das mehr von mir preis gab, als mir lieb war, aber gleichzeitig schüchterte es mich auch ziemlich ein. Ich hatte den Nachmittag damit verbracht, in dem Kleid auf und ab zu laufen um zu vermeiden, dass ich später stolpern könnte, doch ich war mir nicht sicher, ob mir das helfen würde. Seufzend schüttelte ich die Hand meiner Mutter ab, die immer noch an meinem Rock herumzupfte. Sie war noch nervöser als ich. Das konnte man schon an unserem Haus erkennen.

    Das ganze Haus war in den letzten beiden Tagen auf den Kopf gestellt worden. Jede Ecke glänzte vor Sauberkeit, sämtliche Möbelstücke waren abgestaubt und grundgereinigt worden und sogar die Küche, die sowieso keiner sehen würde, war ordentlich durchgeschrubbt worden. Meine Mutter hatte sämtliche Reinigungsprozesse gewissenhaft überwacht und ich kam nicht umhin unser Personal zu bedauern. Doch ich musste zugeben, dass unser Haus in diesem Zustand einen umwerfenden Eindruck machte. Sogar die Gardinen waren frisch gewaschen und dufteten nach der europäischen Seife, ein Geruch, den ich sehr gerne hatte. Der Salon war komplett leer geräumt worden, denn dort sollten die Gäste auch die Gelegenheit haben, zu tanzen. Diniert wurde im angrenzenden Speisezimmer, das nun, da zwei Tische aufgebaut waren, recht beengt war. Ich war sehr froh, dass meine Mutter doch nicht halb Chicago eingeladen hatte, lediglich zwanzig Personen sollten kommen. Das war zwar auch nicht viel besser, aber zumindest würde es eine überschaubare Gruppe sein.
    Meine Grübeleien wurden unterbrochen, als die ersten Gäste eintrafen.

    Während ich höfliche Konversationen mit ihnen führte und sie ein wenig durch die Räumlichkeiten begleitete trafen auch schon die nächsten Freunde ein und so verging die erste halbe Stunde wie im Flug. Die ganze Zeit über fragte ich mich, wann Edward wohl endlich auftauchen würde und schalt mich jedes Mal für diese Gedanken, da ich genau wusste, dass die Masens ein wenig später kommen sollten – so wollte es schließlich die Tradition. Wie ich diese dummen Konventionen hasste! Auch deshalb freute ich mich auf mein neues Leben an Edwards Seite. Ich wusste, dass er genauso darüber dachte und ich war mir sicher, dass sich für mich in dieser Hinsicht einiges ändern würde, wäre ich erst einmal seine Frau.
    Als letztes trafen die Mallorys und die Stanleys ein, die sich schon beim Begrüßen dermaßen zur Schau stellten, dass die Aufmerksamkeit aller Gäste auf sie gelenkt wurde. Jessica Stanley und Lauren Mallory bewunderten geschlagene zehn Minuten meinen Verlobungsring und überhäuften mich mit Komplimenten, von denen garantiert nicht ein einziges ehrlich gemeint war. Laurens Augen waren so kalt und hart, dass mir jedes Mal ein Schauer über den Rücken lief, wenn ich in ihr Gesicht sah. Jessica hingegen plapperte fröhlich vor sich hin und ich schenkte ihr schon nach wenigen Sekunden keine Beachtung mehr. Kurz gesagt, ich amüsierte mich wirklich prächtig.

    Doch dann wurden die Masens angekündigt und sämtlicher Unmut fiel augenblicklich von mir ab. Ich entschuldigte mich bei meinen so genannten Freundinnen und folgte meiner Mutter zur Tür des Salons, um die Neuankömmlinge höflich zu begrüßen. Mr. und Mrs. Masen begrüßten mich herzlich und liebevoll und machten dabei nicht halb so viel Lärm wie Lauren oder Jessica. Hinter seinen Eltern stand Edward und starrte mich für eine halbe Minute mit großen Augen an, während seine Eltern den Hauptteil der Begrüßung übernahmen und sich bei allen Gästen vorstellten. Als Edward endlich eintrat und sich an meine Seite begab, konnte die Feier offiziell beginnen. Mein Vater sagte ein paar Worte, an die ich mich allerdings nicht mehr erinnern konnte, da ich die ganze Zeit damit beschäftigt war, meinen Verlobten anzustarren, der fast wie ein griechischer Gott aussah. Der Pianist, den meine Mutter extra für meine Feier engagiert hatte begann auf unserem Klavier zu spielen und in kürzester Zeit hatte fröhliches Stimmgemurmel den Raum erfüllt. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Lauren Mallory mich hasserfüllt musterte und Jessica irgendetwas zumurmelte, woraufhin beide leise kicherten. Ich seufzte und wandte meinen Blick ab, um den Menschen anzusehen, für den ich dieses ganze Theater überhaupt durchstand.
    Edward nahm meine Hände in seine und blickte mir tief in die Augen, auf eine Weise, die mir für einen Augenblick die Luft zum Atmen raubte.
    „Isabella Marie Swan“, murmelte er und schüttelte leicht seinen Kopf. „Ist dir eigentlich bewusst, wie wunderschön du heute aussiehst? Du kommst mir vor wie mein persönlicher Engel“ Er küsste meine rechte Hand und drückte die andere leicht. Ich war wie immer tiefrot angelaufen.
    „Edward“, sagte ich leise und grinste etwas. Ich hatte das Gefühl, er übertrieb, doch er legte mir einen Zeigefinger auf die Lippen.
    „Ich schwöre dir, ich übertreibe nicht. Dieses Kleid steht dir ausgezeichnet! Und deine Haare sehen heute ebenfalls sehr elegant aus. Vor allem diese kleinen Locken gefallen mir, sie sind wirklich hinreißend!“, sagte er und fuhr mit seiner Hand an der Seite meines Kopfes entlang. Ich lächelte geschmeichelt – ihm war wohl gar nicht bewusst, dass ich diesen Locken noch vor einer halben Stunde den Tod gewünscht hatte.
    „Dass du hervorragend aussiehst brauche ich wohl gar nicht mehr zu erwähnen“ Er grinste mich frech an und ich musste schlucken. Er war so schön! Edward trug einen schlichten, schwarzen Anzug. Es war nicht zu leugnen, dass er ihm sehr gut stand. Seine Haare waren wie immer leicht verwuschelt und seine Augen strahlten so sehr, dass sie wie facettenreiche, funkelnde Diamanten aussahen.
    „Du bist gerade rechtzeitig gekommen“, raunte ich ihm zu, während er mich zu unseren Eltern führten, die uns gnädigerweise ein paar Minuten zu zweit gegönnt hatten und uns nun ungeduldig erwarteten. „Miss Mallory und Miss Stanley haben mich zu Tode gelangweilt“
    Er lachte leise. „Und wieder einmal habe ich Miss Swan aus einer misslichen Lage gerettet“ murmelte er und grinste belustigt.
    „Gewöhn dich bloß nicht daran!“, gab ich ebenso leise zurück.
    „Im Gegenteil meine Liebe, ich kann mich gar nicht genug daran gewöhnen. Wenn es nach mir ginge, könnte ich dich jeden Tag vor einer Gefahr retten“, flüsterte er mir in mein Ohr. Seine Stimme klang so anziehend, dass mein Herz für eine Sekunde aussetzte. Wieder fragte ich mich, wie um alles in der Welt er es schaffte, dass ich in solch einer Weise auf ihn reagierte!

    „Isabella!“ Mrs. Masen unterbrach unsere vertraute Unterhaltung. Sie lief auf mich zu und schloss mich, zu meiner größten Überraschung, in ihre Arme. Das war wirklich mehr als ungewöhnlich. Normalerweise zeigten nicht einmal Mitglieder eine Familie solche vertrauten Gesten in der Öffentlichkeit. Sie musste mich wirklich sehr gern haben, Edward hatte in dieser Hinsicht nicht übertrieben.
    „Wie schön, Sie wieder zu sehen Mrs. Masen“, antwortete ich nach ein paar Sekunden, die ich benötigt hatte, um mich wieder einigermaßen zu fangen.
    „Oh bitte!“, lachte sie ihr glockenhelle Lachen. „Nennen Sie mich Elizabeth! Immerhin gehören wir beide bald der selben Familie an!“ Sie lächelte mich herzlich an und ich musste schlucken. Auf einmal war ich zutiefst gerührt von ihrem Verhalten. Ich hatte noch nie jemanden getroffen, der mich so liebevoll behandelt hatte, sah man einmal von Edward ab.
    Dieser hatte unsere Konversation natürlich genauestens mitverfolgt und legte mir nun eine Hand auf die Schulter. Er schien genau zu merken, wie sehr ich von der Freundlichkeit seiner Mutter gerührt war.
    „Das ist sehr freundlich von Ihnen, vielen Dank“, murmelte ich leise. Meine Reaktion war ihr wohl Antwort genug.
    Ich begrüßte auch Mr. Masen und schon wenige Minuten danach war ich in die angeregte Unterhaltung meiner und Edwards Eltern verstrickt. Ich bemerkte, dass Edward mich genau beobachtete und bei jeder meiner Beiträge genau zuhörte. Er schien mit dem, was ich sagte, mehr als nur zufrieden zu sein, denn er lächelte mich schon beinahe stolz an.
    Irgendwann sah ich ihn fragend an, denn ich wollte immerhin wissen, weswegen er mich so intensiv betrachtete. Während meine Mutter alle mit irgendeiner belanglosen Geschichte unterhielt beugte er sich zu mir herab und flüsterte leise in mein Ohr: „Ich wusste gleich, dass du eine sehr intelligente Person bist! Ich bin so froh, dass du mich heiraten willst“
    Ich sah ihn nur kopfschüttelnd an. An seine großartigen Komplimente würde ich mich wohl nie gewöhnen.

    Das Essen wurde angerichtet und so begaben sich alle in das Speisezimmer. Ich hatte also erst einmal das Glück, mich nicht mit allen Gästen über meine Zukunft unterhalten zu müssen. Selbstverständlich saß Edward neben mir, was dazu beitrug, dass ich mich rundum glücklich und zufrieden fühlte. Zu meiner Linken nahm Mrs. Masen Platz, was mich ebenfalls glücklich stimmte. Ich konnte mich also guten Gewissens auf mein Essen konzentrieren, ohne Angst zu haben, etwas Falsches zu sagen.
    Das Essen schmeckte wirklich köstlich und jeder lobte meine Mutter für die gute Zusammenstellung der Speisen. Ich selbst war erstaunt von der Leistung unserer Köchin – sie hatte sich dieses Mal wirklich selbst übertroffen. Nur Lauren Mallory stocherte pikiert auf ihrem Teller herum und warf ihrer Mutter eindeutige Blicke zu. Ich musterte sie eine Weile lang genau aus den Augenwinkeln. Ich musste zugeben, sie sah wirklich nicht hässlich aus. Ihre langen, blonden Haare hatte sie zu einer eleganten Schnecke eingedreht und sie trug ein blassrosa Kleid, das nach der neuesten Mode geschnitten war. Ihre Tischmanieren waren perfekt, selbst ihre Sitzhaltung war wie aus dem Lehrbuch. Und doch umwehte sie eine unsympathische Aura, die es mir unmöglich machte, mit ihr ein engeres, freundschaftliches Verhältnis aufzubauen. Ich würde froh sein, wenn ich sie nicht mehr sehen müsste!

    Nach dem Essen begab sich die Gesellschaft wieder in den Salon. Der Pianist klimperte fröhlich vor sich hin, die Damen hatten artig auf den Sitzgelegenheiten Platz genommen und unterhielten sich über belanglose Dinge, während die Männer in einer Ecke standen und eifrig irgendwelche politische Fragen diskutierten. Ich konnte einen leisen Seufzer nicht unterdrücken. Die ganze Situation kam mir so leer vor, so völlig ohne Inhalt. Wäre ich damit einverstanden gewesen, die Frau von Mike Newton zu werden, so hätte dieser Abend ein guter Spiegel meiner eigenen Zukunft sein können. Doch allein die Anwesenheit meines wundervollen Verlobten, der mir kurz über die Wange strich, als er meinen trübseligen Blick bemerkte, sagte mir, dass meine Zukunft anders aussehen würde. Ich lächelte Edward aufmunternd an; er sollte sich schließlich keine Sorgen um mich machen. Mein Vater rief nach ihm und er gesellte sich brav zu der Männergesellschaft, die gerade laut über irgendeinen Witz lachte. Mir wurde ein wenig mulmig bei dem Gedanken, die nächsten Minuten alleine mit dem Geschwätz der Damen zu verbringen. Es fiel mir sehr schwer, zuzuhören, andauernd schweifte mein Blick zu Edward, der mich ebenfalls sehr oft zu mir hinüber sah. Meine Mutter drückte ab und zu ermahnend meine rechte Hand, doch so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte mich kaum auf die Gesprächsthemen konzentrieren. Es war äußerst ermüdend vorgeben zu müssen, dass mich die neuesten Methoden zu Nähen oder das skandalöse Kleid der Frau des Bürgermeisters brennend interessierten.

    Das nächste Thema lenkte meine Aufmerksamkeit allerdings wieder vollends auf das Gespräch der Damen.
    „Haben Sie es auch schon gehört? Die Spanische Grippe ist angeblich in Toronto ausgebrochen!“, berichtete Mrs. Wessey, die Frau eines einflussreichen Lokalspolitikers, gerade.
    „Oh nein, wie furchtbar!“, rief Mrs. Stanley und alle anderen schlugen sich entweder die Hand vor den Mund oder sahen sich bestürzt an.
    „Toronto? Liegt das in unserer Nähe?“, fragte Jessica Stanley leise.
    Ich konnte nur innerlich stöhnen. Mir war es schleierhaft, wie jemand von Geografie so wenig Ahnung haben konnte.
    „Leider ja, meine Liebe“, antwortete Mrs. Masen so freundlich wie immer.
    „Bedeutet das, dass diese Krankheit auch Chicago erreichen könnte?“ wollte die Schwester von Lauren Mallory wissen.
    Darauf antwortete niemand. Mir lief es eiskalt über den Rücken. Ich hatte auf einmal das Gefühl, dass diese grässliche Krankheit mit riesigen Schritten auf Chicago zulief.
    „Möge Gott verhindern, dass sie auch noch in Chicago ausbricht. Hier wären so viele arme Menschen völlig ohne Hilfe“, sagte Mrs. Masen betrübt.
    „Was kümmern mich die Armen? Ich hoffe eher, dass meine Familie davon verschont bleibt“, sagte Lauren Mallory mit trotzigem Gesicht.
    Ich schüttelte angewidert den Kopf. Wie konnte eine einzige Person so kalt und so von sich selbst eingenommen sein?
    Meine Mutter räusperte sich leise. „Nun, lasst uns alle beten, dass wir verschont bleiben“, sagte sie mit fester Stimme.
    Dies war eindeutig ein Zeichen, dass das Thema als erledigt galt. Sofort wechselte Mrs. Stanley das Thema und ich versank wieder in meinen Grübeleien.
    Natürlich hatte ich mir Gedanken um diese Krankheit gemacht. Spätestens seit dem Tag, an dem ich meine Eltern das erste Mal so besorgt erlebt hatte, war dieses Thema in den Vordergrund meines Bewusstseins gerückt. Ich hatte heimlich in die Zeitungen gesehen, die mein Vater jeden Morgen las. Diese Grippeepidemie übertraf alle schrecklichen Krankheiten, die man bisher kennen gelernt hatte. Das schlimmste war, dass es kein Mittel dagegen gab. Entweder, man hatte Glück und überlebte sie, oder man starb. Eine dritte Alternative schien es nicht zu geben. Besorgt hatte ich mitverfolgt, wie sich die Epidemie immer rasanter ausgebreitet hatte. Dass sie allerdings nun auch in Toronto ausgebrochen war, hatte ich noch nicht gewusst. Ich zwang mich rasch, an etwas anderes zu denken, ehe ich diesen Gedanken weiterspann. Dies war ein fröhliches Fest, ich sollte wirklich nicht an so grässliche Dinge denken.
    Zu meiner unendlichen Erleichterung vermischten sich die Gesprächsgruppen im Laufe des Abends und so konnte ich mich wieder ungehindert mit Edward unterhalten. Wir waren jedoch nicht nur mit uns beschäftigt – ganz im Sinne meiner Mutter plauderten wir höflich mit jedem unserer Gäste und ließen uns mit zahlreichen Glückwünschen überhäufen. Es fühlte sich so gut an, an seiner Seite zu stehen...
    Und es war ein angenehmes Gefühl, zu wissen, dass dies schon in naher Zukunft zu meinem Alltag gehören würde. Ich hatte endlich den Teil gefunden, der mich komplett machte!

    Auch dieser, schier endlose Abend ging zu Ende und als sich die letzten Gäste endlich verabschiedet hatten, blieben nur noch die Masens bei uns. Mrs. Masen lobte meine Mutter für diese Feier und bedankte sich herzlich für all die Freundlichkeit, die ihr und ihrer Familie entgegen gebracht worden war. Ich wusste, dass meine Verbindung zu Edward von einigen mit Skepsis betrachtet worden war, da seine Familie nicht in die Kategorie „Überdurchschnittlich vermögend“ fiel, aber diesen kleinen, so genannten Nachteil glich die gesamte Familie durch ihre freundliche und liebenswerte Art wieder aus. Zudem konnte ich kaum glauben, dass man sich an Edward stören sollte. Innerhalb von Sekunden war jeder so von ihm verzaubert, dass selbst die schärfsten Kritiker vergaßen, dass er nicht gerade im Reichtum badete wie zum Beispiel die Newtons.
    „Wir sollten den Abend von neulich unbedingt wiederholen Charlie!“, rief ein etwas angeheiterter Mr. Masen fröhlich. Meine Gedanken wurden durch seine laute Stimme jäh unterbrochen, sodass ich den Gesprächen um mich herum wieder Aufmerksamkeit schenken konnte. Edward sah ziemlich belustigt aus, während Mrs. Masen ihren Gatten streng beäugte.
    „Sollten wir!“, entgegnete mein Vater und ich war mir sicher, dass auch er zu viel Wein getrunken hatte.
    „Ich denke, es wird das Beste sein, wenn wir die Details besprechen“, flüsterte meine Mutter Mrs. Masen zu und beide Frauen kicherten leise.
    Edward legte den Arm um meine Taille und lächelte mich glücklich an. Auch er freute sich, dass sich unsere Eltern so gut verstanden.
    Wir begleiteten die Masens noch zur Tür, wo sich mein Vater und Mr. Masen so lautstark verabschiedeten, dass meine Mutter sich schon keine Mühe mehr gab, ihn unauffällig zu ermahnen, sich zu benehmen.
    Edward ließ mich die ganze Zeit nicht los, während wir das Spektakel mit gemischten Gefühlen verfolgten.
    „Du liebe Güte“, sagte ich schließlich leise und schüttelte den Kopf. Edward drehte mich so, dass ich ihm ins Gesicht sehen konnte und küsste mich auf die Stirn.
    „Der Abend heute war wundervoll Bella“, seufzte er leise. Erstaunt sah ich zu ihm hinauf.
    „Ich dachte, du magst keine großen Versammlungen?“
    „Das stimmt. Diese jedoch war wundervoll, weil ich jedem verkünden konnte, dass ich dich bald zu meiner Frau nehmen werde“, entgegnete er mit seinem Engelslächeln.
    „Ohne dich hätte ich das heute sicher nicht ausgehalten“, flüsterte ich leise und sah mit roten Wangen zu Boden.
    „War mir ein Vergnügen, Miss Swan“, antwortete er grinsend.
    „Edward! Kommst du!“ Seine Mutter unterbrach unser Gespräch und er rief ihr seufzend eine Antwort zu.
    „Ich wünsche dir eine gute Nacht! Schlaf schön und träum am besten von mir!“, flüsterte er und küsste mich sanft auf beide Wangen.
    „Dir auch eine gute Nacht“, hauchte ich, völlig gefangen von den Empfindungen, die seine Lippen auf meiner Haut auslösten.

    Ich lag noch eine Weile wach in meinem Bett und dachte über meine Beziehung zu Edward nach. Von Anfang an war sie intensiv gewesen und hatte sich im Laufe der letzten Wochen nur noch mehr verstärkt. Wir standen uns schon so nahe, dass wir praktisch zu einer Einheit verschmolzen waren. Ging es mir nicht gut, dann spürte er das sofort. Und umgekehrt konnte ich es fühlen, wenn ihn etwas bedrückte. Es war ein überwältigendes Gefühl. Es war fast so, als hätte ich die ganze Zeit nach etwas gesucht, auch wenn ich das nicht bewusst wahrgenommen hatte. Und nun hatte ich es bzw. ihn gefunden! Mein Leben, das mir bis jetzt so sinnlos, so leer erschienen war, erstrahlte in einem neuen Glanz. Ich musste nur noch eine kleine Weile warten, dann würde mein richtiges Leben endlich beginnen!

    Während ich in meinem Bett lag und mich so sehr auf mein Leben mit Edward freute, brach die Spanische Grippe auch in Chicago aus. Zwei unserer Armenviertel waren an jenem Abend als erstes davon betroffen und ich konnte nicht ahnen, dass die ganze Stadt innerhalb kürzester Zeit im Chaos versinken sollte...
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 15: Überraschungen  



    Die Tage nach meiner Verlobungsfeier rauschten nur so an mir vorbei. Ich war vollends damit beschäftigt, meiner Mutter bei der Planung meiner Hochzeit zu helfen. Eigentlich bedeutete dies, dass ich sie die meiste Zeit davon abhielt, völlig absurde Ideen in die Tat umzusetzen. Immerhin war meine Familie auch nicht mit einem enormen Reichtum gesegnet. Und außerdem wollte ich die Feier so schlicht und klein wie möglich gestalten. Meiner Meinung nach mussten die vielen prominenten Gäste, die meine Mutter vorschwebten gar nicht anwesend sein. Ich wusste schließlich genau, dass Edward nichts an diesen Kontakten gelegen war. Und mir im Übrigen auch nicht.
    Die Hochzeit sollte in zwei Wochen statt finden. Ich hatte mich nach langer Diskussion mit diesem Termin durchsetzen können. Ich fand die Vorstellung, im Juli zu heiraten irgendwie sehr romantisch. Edward war mit allem einverstanden, was ich zum Thema Hochzeit beschlossen hatte, so musste nur noch meine Mutter überzeugt werden, die es sich eigentlich gewünscht hätte, meine Hochzeit nach meinem achtzehnten Geburtstag im September zu feiern. Weswegen sie das wollte konnte ich auch nicht mit Gewissheit sagen. Ich nahm an, dass sie mich nun, da sie wusste, dass ich ihr nicht mehr lange uneingeschränkt zur Verfügung stand, noch eine ganze Weile länger bei sich haben wollte. Mir war aufgefallen, dass sie mich des Öfteren genau musterte und dann als Reaktion betrübt seufzte. Wahrscheinlich bereute sie es ein wenig, dass ich mich zu einer Heirat entschlossen hatte – ihre Tochter war nun wirklich erwachsen geworden, das war nicht mehr zu leugnen. Auch wenn sie sich dies immer für mich gewünscht hatte, sie konnte nur schwer akzeptieren, dass dieser Wunsch nun tatsächlich in Erfüllung gegangen war. Ich muss zugeben, mich rührte dieser plötzliche Anfall von Mutterliebe. Er entschädigte zumindest den Ärger, den ich wegen ihr hatte durchstehen müssen.

    Edward und ich besuchten uns nun täglich und stellten erfreut fest, dass die anfängliche, elterliche `Bewachung` so langsam etwas nachließ. Mrs. Masen zog sich jedes Mal dezent zurück, wenn ich bei Edward war und sogar meine Mutter schaffte es, kaum ein Wort zu sagen, wenn Edward mich besuchte.
    Ich war sehr aufgeregt gewesen, als ich Edward zum ersten Mal in seinem Haus besucht hatte. Ich hatte es zwar schon einmal gesehen, doch das war mitten in der Nacht gewesen und ich hatte mich nicht wirklich auf das Aussehen des Hauses konzentriert. Es war ein wenig kleiner und enger als mein Zuhause, doch es strahlte solch eine Behaglichkeit aus, dass man gar nicht anders konnte, als sich wohlzufühlen. Elizabeth Masen hatte die Räume wunderschön eingerichtet, alles erstrahlte in einem satten Goldton. Die Möbel waren sehr geschmackvoll, wenn auch ziemlich modern. Edward hatte mir verraten, dass die meisten aus Frankreich stammten, wo ein reicher Onkel seiner Mutter gelebt hatte. Er hatte ihr die Möbel in seinem Testament vermacht. Überall hingen reizende Bilder an den Wänden. Viele davon hatte Mrs. Masen selbst gezeichnet. Ich empfand tiefe Bewunderung für ihre Begabung, hatte ich im künstlerischen Bereich doch selbst so meine Probleme.
    Am meisten beeindruckte mich allerdings das wunderschöne Klavier, das im Salon stand. Es sah sehr wertvoll und alt aus. Elizabeth Masen erzählte mir voller Stolz, dass dieses Klavier schon seit drei Generationen in ihrer Familie von Mutter zu Tochter vererbt wurde. Ich war nicht überrascht, dass sie selbst hervorragend spielen konnte. Schon als ich das erste Mal einen Blick auf ihre Hände geworfen hatte, die schlank und zierlich waren, war mir klar gewesen, dass ich eine begnadete Klavierspielerin vor mir hatte. Bei dieser Gelegenheit war mir zudem eingefallen, dass Edward angeblich selbst so gut spielen konnte. Ich hatte ihn unschuldig danach gefragt und er hatte sich mit einem solch strahlenden Lächeln am Klavier niedergelassen, das mir schlichtweg den Atem nahm.
    Allerdings war dieses Gefühl nichts im Vergleich zu dem, das sich meiner bemächtigte, als er auf anmutige Weise seine Finger über die Tasten gleiten ließ. Edward spielte wirklich wundervoll – so gefühlvoll, so leidenschaftlich, so sanft und doch so energisch. Ich war wie gefangen von seinem Spiel, jede Faser meines Körpers war von der Musik bewegt. Als er das Stück beendet hatte und mich nach meiner Meinung fragen wollte, konnte ich für einige Minuten nichts sagen, so bewegt hatte mich sein Spiel. Elizabeth, die meine Reaktion genauestens beobachtet hatte, gewährte mir und Edward einige Minuten allein, in denen ich all das zum Ausdruck bringen konnte, was mich während des Stücks ergriffen hatte. Noch nie hatte ich Edward so geliebt wie in diesem Moment. Ich hatte es ihm versucht zu erklären, doch er hatte nur den Kopf geschüttelt und mich fest in die Arme genommen. Später, als ich ihn nach dieser Situation fragte, sagte er mir, dass er all das, was ich ihm hatte sagen wollen, in meinen Augen gelesen hatte und dass dies ihm Antwort genug gewesen war. Wenige Tage später überraschte er mich mit einem kleinen Stück, das er extra für mich komponiert hatte. Es war eine Art Wiegenlied, das einfach wunderschön klang. Es war mir sehr peinlich, aber als er sich freudestrahlend zu mir umdrehte und sah er in mein Gesicht, das tränenüberströmt war. Diese Geste hatte mich so sehr gerührt, dass ich nicht anders konnte als zu weinen. Edward hatte sich nach dem ersten Schreck wieder einigermaßen gefangen um mich anständig zu beruhigen. Noch Tage nach diesem Ereignis dachte ich ununterbrochen an diesen großen Liebesbeweis. Edward war so perfekt, dass ich schon fast befürchtete, er wäre nicht real!

    Da ich dermaßen auf Edward und unsere Hochzeit fixiert war, schenkte ich den Berichten von der Epidemie gar keine Achtung mehr. Im Nachhinein gesehen hätte ich mein ganzes Leben retten können, wenn ich es getan hätte. Selbst mein Vater, der die Nachrichten sonst immer sehr aufmerksam verfolgte, übersah die schrecklichen Neuigkeiten, welche die reicheren Bürger Chicagos beinahe täglich aus den Armenvierteln erreichten. Es waren einfach alle zu beschäftigt mit den Vorbereitungen für meinen großen Tag. Auch die Masens bekamen von all dem nichts mit. Erst, als es schon zu spät war, sollten wir alle davon erfahren.
    An jenem Tag, der mein Leben verändern sollte, war ich noch im Laden der Webers gewesen, um mir einen Stoff für ein neues Sommerkleid abzuholen. Mrs. Weber machte sich große Sorgen um eines ihrer Kinder, das schon seit zwei Tagen hohes Fieber hatte und sich einfach nicht erholte. Ich versprach ihr, mit meiner Mutter zu reden, damit sie ihre Beziehungen spielen ließ und Dr. Cullen beauftragte, bei den Webers vorbeizukommen. Ich wusste, dass die Ärzte, die für die weniger wohlhabenden Bürger zuständig waren, allesamt nicht sonderlich kompetent waren. Und Dr. Cullen war so ein großherziger Mann, dass er manchmal sogar gar keine Bezahlung verlangte, wenn er bei besonders armen Menschen nach dem Rechten sah.
    Angela war zu meinem Bedauern nicht anwesend. Mrs. Weber erzählte mir, dass Ben Cheney mit ihr den Nachmittag außerhalb von Chicago verbrachte. Sie strahlte über das ganze Gesicht und auch ich konnte mich kaum zurückhalten – ich war so glücklich, dass sich auch Angelas Wünsche zu erfüllen schienen.

    Auf dem Nachhauseweg, den ich zu Fuß zurücklegte, dachte ich noch eine Weile über meine Freundin nach. Ob ich sie wohl noch genau so oft sehen würde wie jetzt, wenn wir beide erst einmal verheiratet waren? Vielleicht würde Edward sich gut mit Ben Cheney verstehen, sodass wir uns recht oft zu viert treffen könnten. Ich seufzte laut auf, als ich meinen Tagtraum mit einem Kopfschütteln verscheuchte. Ich sollte lieber realistisch bleiben.
    Ich war so in Gedanken vertieft, dass ich nicht bemerkte, dass ich geradewegs in einen Mann hineinlief. Unsanft prallten wir gegeneinander; es hätte nicht fiel gefehlt, und ich wäre gestürzt. Etwas, das bei mir bekanntlicherweise nicht sehr selten war.
    „Oh je, tut mir fürchterlich leid Miss!“, rief der junge Mann sofort und ich erkannte beklommen, dass es sich um niemand geringeren als Mike Newton handelte.

    Die unterschiedlichsten Gefühle strömten auf mich ein, als wir uns für einige Sekunden sprachlos anstarrten. Ich schämte mich einerseits, weil ich ihn so schlecht behandelt und so unhöflich abgewiesen hatte. Andererseits mischte sich in diese Beklommenheit auch das altbekannte Gefühl der Gereiztheit, das ich immer dann verspürt hatte, wenn ich auch nur in den Genuss seiner Anwesenheit gekommen war.
    Wir hatten die Newtons nicht zu meiner Verlobungsfeier eingeladen. Meine Mutter war der Meinung gewesen, dass es für Mike nur eine noch größere Demütigung dargestellt hätte, zu der Feier der Frau eingeladen zu sein, die ihn abgewiesen hatte. Ich konnte ihr in dieser Hinsicht nur zustimmen. Doch jetzt meldete sich doch  mein schlechtes Gewissen, als ich ihm ins Gesicht sah. War dieses Verhalten nicht auch äußerst unhöflich gewesen?

    „Mr. Newton“, brachte ich schließlich heraus und starrte ihn immer noch beklommen an.
    „Miss Swan, wie schön Sie zu sehen. Wie geht es Ihnen?“, fragte er sofort. Ganz der Gentleman, dachte ich seufzend.
    „Es tut mir furchtbar Leid, dass Sie wegen mir beinahe gestürzt sind!“, sagte ich rasch und sah ihn entschuldigend an.
    „Ach, Miss Swan, ich hätte genauso gut besser aufpassen können“, meinte er und lächelte mich unsicher an. „Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Sie ein Stück begleite?“, fragte er gleich darauf und ich schluckte. Was wollte er von mir?
    „Es wäre mir eine Freude“, entgegnete ich höflich.
    Eine Weile liefen wir schweigend nebeneinander her. Ich war froh, dass er nicht noch darauf bestanden hatte, meinen Arm zu ergreifen. Immerhin schien er verstanden zu haben, dass ich bereits vergeben war und von meiner Entscheidung nicht mehr abrücken würde.
    „Miss Swan, ich kann Ihnen gar nicht genug danken“, begann er plötzlich. Ich sah ihn verwirrt an, da ich nicht begriff, wovon er sprach. Hatte ich ihm denn in letzter Zeit einen Gefallen getan? Wohl kaum.
    „Wie bitte?“, fragte ich höflich.
    Er holte tief Luft. „Bitte, verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, aber ich bin ehrlich gesagt sehr froh, dass Sie meinen Antrag nicht angenommen haben“
    Nun blieb ich stehen. Vor Verwunderung klappte ich meinen Mund einmal auf, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber rasch wieder, da mir nichts Passendes einfiel.
    Mike Newton grinste, als er meine Verwirrung bemerkte. „Sie sind eine wundervolle junge Dame, aber leider nicht die Frau, die ich mir als meine Ehefrau vorstellen könnte oder wünschen würde. Ich möchte Sie keineswegs beleidigen!“ Er hob abwehrend die Hände, als ich ihn etwas anfunkelte. „Aber ich habe an dem Ballabend gemerkt, dass es jemand anderes ist, zu dem ich mich hingezogen fühle. Um des guten Anstands Willen erfüllte ich jedoch den Wunsch meiner Mutter und sprach bei Ihren Eltern vor. Ich war mir sicher, dass Sie meinen Antrag nur widerstrebend annehmen würden, und hätten Sie tatsächlich Ja gesagt, dann hätte ich mich mit Ihnen noch einmal unter vier Augen unterhalten und Ihnen das berichtet, was ich Ihnen nun beichten werde.“
    Ich blinzelte ein paar Mal. Hatte ich ihn wirklich so falsch eingeschätzt?
    „Mr. Newton, bitte glauben Sie mir, dass sie mich keineswegs beleidigen“, begann ich, doch er unterbrach mich schon wieder.
    „Ich bin froh, dass Sie nicht allzu schlecht von mir denken! Glauben Sie mir, ich hätte Sie niemals zu einer Heirat gezwungen, von der ich selbst überzeugt war, dass sie keinen von uns glücklich machen würde. Ich habe von Anfang an gespürt, dass sich etwas zwischen Ihnen und Mr. Masen entwickelte, aber ich ließ mich zu sehr von den Wünschen und Vorstellungen meiner Eltern leiten. Ich bedaure, Sie in eine so unangenehme Situation gebracht zu haben und möchte mich dafür entschuldigen. Sie haben meine ganze Hochachtung für Ihr tadelloses Verhalten! Besser als Sie hätte meiner Meinung nach niemand diese verzwickte Situation lösen können!“
    Meiner Meinung nach waren Worte überflüssig. Er hatte seine Situation erklärt und ich verstand nun endlich, weswegen er nicht beleidigt oder wütend auf meine Abfuhr reagiert hatte. Ich nickte ihm einigermaßen huldvoll zu und lächelte ihn an.
    Er verabschiedete sich, strahlend vor Erleichterung und hastete schnellen Schrittes zur nächsten Kutsche. Ich starrte ihm noch eine Weile hinterher und versuchte, das eben Erlebte zu begreifen. Achselzuckend lief ich schließlich weiter und bemühte mich zu akzeptieren, dass mich im Leben wohl nichts mehr überraschen dürfte.

    Doch wie so oft lag ich falsch. Die größte Überraschung ereilte mich, als ich direkt vor der Tür unseres Hauses stand. Ehe ich auch nur einen Fuß in die Tür setzen  konnte stand meine Mutter schon vor mir. Sie sah sehr besorgt aus und ich starrte sie erschrocken an. Was wohl geschehen war?
    „Isabella, ich fürchte, du kannst nicht in das Haus hinein“, sagte sie leise.
    „Wieso, was ist passiert?“ Mein Herz begann schneller zu klopfen und ich hatte plötzlich ein furchtbares Gefühl in der Magengegend.
    „Dein Vater... er...“, sie brach ab und ich erstarrte, als ich sah, dass sie mit den Tränen kämpfte.
    „Was ist mit Vater??“ Ihre Angst war geradezu ansteckend. Ich fühlte, wie sie von meinem ganzen Körper Besitz ergriff.
    „Dein Vater ist krank geworden. Dr. Cullen ist gerade bei ihm. Er hat mir geraten, dich fortzuschicken, da er nicht genau weiß, ob es lediglich eine harmlose Erkältung ist oder...“ Nun liefen ihre Tränen über die Wangen und ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Das konnte doch nicht wahr sein!
    „Wo soll ich hin?“, hauchte ich.
    „Du bleibst bis auf Weiteres bei den Masens. Ich habe alles vorbereiten lassen, die Kutsche wird dich sofort abholen. Elizabeth wird sich um dich kümmern, bis dein Vater wieder gesund sein wird“, erklärte meine Mutter und sah ganz und gar nicht einverstanden aus.
    „Und was ist mir dir?“
    „Ich bleibe bei deinem Vater“
    „Aber, was ist, wenn du auch krank wirst?“ Ich wollte den Gedanken nicht zu Ende denken.
    „Ich weiß es nicht“, gab sie zurück und im nächsten Moment lag ich auch schon in ihren Armen.
    „Versprich mir, mein Kind, dass du nicht zurückkommst, egal, was du auch hören magst! Du musst gesund bleiben, komm also nicht in die Nähe dieses Hauses!“, flüsterte sie mir in mein Ohr.
    Ich nickte benommen. Ich erlaubte mir nicht eine Sekunde daran zu denken, was dies alles bedeutete.

    Die Kutsche stand unmittelbare Zeit danach vor unserem Haus und ich sah schweren Herzens dabei zu, wie meine Mutter mein Gepäck in die Kutsche hob. Wo unser Dienstpersonal steckte konnte ich mir denken. Meine Mutter musste sie fortgeschickt haben. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Wer wollte auch schon in einem Haus arbeiten, in dem möglicherweise die Spanische Grippe grassierte?
    „Pass auf dich auf, mein Kind! Fall den Masens nicht zu sehr zur Last und richte Ihnen meinen Dank aus!“, sagte sie und umarmte mich nochmals zum Abschied.
    „Mutter...“, begann ich, bevor ich in die Kutsche einstieg. „Bitte sag Vater, dass ich ihn liebe. Nur für den Fall...“ Meine Stimme wurde immer leiser, aber sie hatte verstanden. Sie nickte kurz und half mir dann, in die Kutsche einzusteigen. Ich warf noch einen letzten Blick auf meine Mutter und unser Haus, bevor sich die Kutsche in Bewegung setzte. Entsetzt schloss ich die Augen und blickte nicht einmal zurück. Ich hatte das Gefühl, etwas in mir würde zerspringen.
    „Vater“, hauchte ich und schlug mir die Hand vor den Mund. Ich konnte nicht fassen, wie schnell eine sichere Welt zusammenbrechen konnte...
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 16: Trauer und Trost



    An die Kutschfahrt selbst kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Ich weiß nicht, wie lange sie gedauert hat, noch, was alles geschehen ist, bis ich bei den Masens angekommen bin. Die unbeschreiblich große Angst kannich allerdings noch sehr genau spüren – die Furcht, dass ich meinen Vater verlieren könnte, dass er an der Krankheit starb, ohne, dass ich ihn vorher noch einmal gesehen hatte. Tränen liefen mir ununterbrochen über die Wangen und ich konnte an nichts anderes mehr denken als an das Gesicht meines Vaters, das ich noch Stunden zuvor so lebhaft und gesund erblickt hatte.
    Die Kutsche hielt mit einem Ruck an und ich wusste, dass ich bei den Masens angelangt sein musste. Ich erhob mich langsam und stieg umständlich aus. Sofort war Elizabeth an meiner Seite und umarmte mich mütterlich.
    „Oh meine liebe Isabella“, flüsterte sie mir in mein Ohr, während sie mich fest hielt und sanft hin und her wiegte. Ich war in diesem Moment so unendlich dankbar, dass mich Mutter hierher geschickt hatte. Allein die Anwesenheit von Elizabeth sorgte dafür, dass ich mich schon viel besser fühlte.
    „Mein liebes Kind, was für eine grauenhafte Geschichte“, seufzte sie und ließ mich langsam los. Sie musterte mich von oben bis unten, dann umarmte sie mich noch einmal kurz.
    „Vielen Dank, dass Sie mich hier aufnehmen, Mrs..., ich meine Elizabeth“, stammelte ich unbeholfen. Meine Stimme war immer noch belegt und klang schwach.
    „Ach, das ist das Mindeste, was ich tun kann!“, rief sie und schüttelte den Kopf. „Komm, gehen wir hinein“ Sie gab einem Dienstboten ein Zeichen, mein Gepäck ins Haus zu bringen und führte mich dann rasch hinein. Ich ließ alles wortlos über mich ergehen.

    Elizabeth führte mich in den kleinen Salon, drückte mich auf ein Sofa und legte mir ihr großes Schultertuch über meine Schultern. Wäre ich nicht völlig verstört gewesen, hätte ich viel deutlicher gezeigt, wie mich ihre Fürsorge rührte.
    Eine Hausmagd brachte ein Tablett, auf dem sich ein Kessel mit dampfendem, Tee und ein paar Tassen befanden. Elizabeth drückte mir eine Tasse in die Hand, schenkte mir Tee ein und ich trank brav ein paar Schlucke. Ich war so froh, dass sie bei mir war – ich hätte nicht gewusst, was ich hätte tun sollen, wäre ich alleine gewesen.
    „Wo ist Edward?“, fragte ich schließlich, als ich mir einigermaßen sicher war, dass meine Stimme funktionierte.
    „Er erledigt ein paar Besorgungen. Er... Er weiß es noch nicht“, antwortete sie leise.
    Ich nickte. „Ich verstehe“, sagte ich ebenso leise.
    „Er wird nichts dagegen einzuwenden haben, dass wir dich aufgenommen haben!“, sagte Elizabeth schnell. „Mach dir darüber keine Gedanken!“
    Trotz allem musste ich lächeln. Ich war überzeugt davon, dass Edward über die Tatsache, mich hier zu haben überaus erfreut sein würde. Selbst wenn die Umstände, die dies ermöglicht hatten, nicht allzu rosig waren.
    „Elizabeth, ich möchte der Familie nicht zur Last fallen“, entgegnete ich. „Sobald mein Vater außer Gefahr ist, werde ich selbstverständlich wieder nach Hause zurückkehren“
    „Unsinn Isabella, du gehörst für mich schon längst zur Familie, du kannst so lange hier bleiben, wie du möchtest!“
    Ich bemerkte, dass sie mir damit auch etwas anderes zu verstehen geben wollte. Ich sollte mir nicht allzu große Hoffnungen machen, dass mein Vater wieder gesund werden würde. Die Spanische Grippe war in Chicago ausgebrochen, es gab also keinen Grund anzunehmen, dass mein Vater eine harmlose Erkältung hatte. Ich schluckte und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die sich bei dieser Erkenntnis schon wieder ihren Weg über mein Gesicht bahnen wollten.
    „Ach mein Kind“, sagte Elizabeth mitfühlend und setzte sich neben mich, als sie sah, dass ich kurz davor stand, wieder zu weinen. Langsam legte sie einen Arm um meine Schultern und sprach beruhigend auf mich ein.
    „Dr. Cullen ist bei ihm, nicht wahr? Ich habe noch nie so einen kompetenten Arzt gesehen. Ich bin mir sicher, dass er deinem Vater helfen kann!“
    Ich nickte nur, zu hilflos um irgendetwas sagen zu können.

    In diesem Moment stürmte Edward in den Salon.
    „Mutter, es ist etwas Schreckliches geschehen!“, rief er und erstarrte, als er mich erkannte. Ich konnte es ihm nicht verübeln – ich musste ein furchtbares Bild abgeben: Rotgeweinte Augen, zerzauste Haare und ein blasses Gesicht. So sah sicher nicht die Frau aus, die Edward liebte.
    „Bella“, hauchte er bestürzt und machte ein paar Schritte auf mich zu.
    „Was ist geschehen?“ Er sah seine Mutter erschrocken an, die mich immer noch tröstend im Arm hielt.
    „Bellas Vater ist krank geworden“, sagte Elizabeth leise. „So lange man sich nicht sicher ist, was genau er hat bleibt sie bei uns.“
    Ich wagte nicht, Edward anzusehen. Was, wenn er doch nicht wollte, dass ich hier blieb? Immerhin hätte ich mich auch schon anstecken können. Vielleicht war ihm das Risiko doch zu groß?
    „Oh Bella“, sagte er mit trauriger Stimme und ging vor mir auf die Knie, damit er mir ins Gesicht sehen konnte. Langsam befreite er die Teetasse, die ich immer noch fest umklammert hielt, aus meinem Griff und stellte sie auf den kleinen Tisch neben dem Sofa. Dann nahm er meine Hände, die eiskalt waren in seine warmen und drückte sie sanft. Ich war so erleichtert – er war für mich da, wie er es versprochen hatte. Einen Moment später schämte ich mich unendlich für diese Gedanken. Wie hatte ich sein Versprechen nur je anzweifeln können?

    „Was wolltest du mir eben berichten, Edward?“, fragte Elizabeth ihren Sohn und unterbrach damit den Blickkontakt zwischen uns.
    „Das, was wir befürchtet haben, ist eingetreten – die Spanische Grippe hat die Armenviertel verlassen und ist nun auf die ganze Stadt übergegangen. Wir sollten in der nächsten Zeit vorsichtig sein und nicht so viel aus dem Haus gehen“, sagte er mit ruhiger Stimme.
    „Ich verstehe“ Elizabeth sah nachdenklich auf ihre Hände.
    Ich spürte, dass Edward eigentlich mehr hatte sagen wollen, doch er verzichtete wohl aus Rücksicht auf mich darauf. Ich liebte ihn nur noch mehr dafür.
    Elizabeth räusperte sich schließlich leise und entließ mich sanft ihrer Umarmung. „Edward, wieso zeigst du Isabella nicht ihr Zimmer, damit sie sich ein wenig zurechtfinden kann?“ Sie sah ihn durchdringend an.
    Edward lächelte leicht. „Das werde ich tun“, antwortete er und konnte die schwache Freude in seiner Stimme nicht verbergen.
    „Ich werde so lange rasch einige Besorgungen erledigen“, erklärte Elizabeth, während sie langsam im Salon auf und ab schritt.
    Edward runzelte sofort seine Stirn. „Mutter, hältst du das für klug? Du solltest lieber hier bleiben“
    „Edward, sei nicht so übervorsichtig. Ich werde lediglich zu den Webers fahren und vielleicht noch in ein anderes Geschäfte in der Grosvenor Street. Was soll da schon geschehen? Ich fahre doch nicht in die Armenviertel“ Elizabeth sah ihren Sohn streng an.
    „Du solltest auch Vater Bescheid sagen“, meinte Edward achselzuckend.
    „Ist er denn damit einverstanden, dass ich vorerst hier bleibe?“, meldete ich mich sorgenvoll zu Wort.
    „Liebes, natürlich ist er das! Er und dein Vater sind alte Freunde, vergiss das nicht“, beruhigte mich Elizabeth lächelnd.
    „Mutter“, meinte Edward streng und sah sie kopfschüttelnd an. Zu meiner großen Überraschung verfärbten sich ihre Wangen leicht rötlich.
    „Ich werde nicht in die Armenviertel fahren. Ich verspreche es dir, Edward“
    „Du kannst nicht allen Menschen helfen, Mutter. Gerade jetzt ist es besonders wichtig, dass du gesund bleibst. Bella braucht dich. Und ich brauche dich auch“, sagte er eindringlich.
    Erst jetzt verstand ich, dass ich gerade gesehen hatte, wie Edward die Gedanken anderer erahnt hatte. Ich musste zugeben, ich war schon ein bisschen überrascht. Wie präzise er die Absichten seiner Mutter erkannt hatte! Die Tatsache, dass sie rot geworden war bewies, dass er recht hatte. Ich konnte nur den Kopf schütteln. Bis jetzt hatte ich immer geglaubt, dass er sich einen Scherz mit mir erlaubte. Aber nun begann ich meine Meinung noch einmal gründlich zu überdenken.
    „Was würde ich nur ohne dich machen, Edward?“ Elizabeth sah ihn liebevoll an und zerzauste ihm die bronzefarbenen Haare. Er knurrte zwar ein wenig, ließ sich dieses mütterliche Verhalten aber trotzdem gefallen.
    Elizabeth verabschiedete sich von uns und Edward führte mich in das Gästezimmer, das nun mir zur Verfügung stand.

    Es war ein sehr schönes, helles Zimmer, das nicht zur Straße hinaus ging. In der Mitte stand ein großes Doppelbett, das sehr bequem aussah. Ein Tisch, eine Frisierkommode und ein großes Schrank befanden sich ebenfalls in dem Zimmer. Alle Möbelstücke waren aus dem selben, hellen Holz hergestellt. Ein dunkelblauer sehr edel aussehender Teppich lag am Boden. Ich sah mich eine Weile um und stellte erleichtert fest, dass ich mich hier wohl fühlen würde. Selbst wenn mich die Gedanken an Zuhause die ganze Zeit quälen würden.
    Edward musterte mich besorgt, während ich mich im Zimmer umsah und ein wenig umher ging. Schließlich hielt er mein Schweigen nicht mehr aus.
    „Sag mir, was du denkst!“, hauchte er eindringlich. Erstaunt drehte ich mich zu ihm um.
    „Mir gefällt das Zimmer sehr gut“, entgegnete ich leise.
    Mit wenigen Schritten war er bei mir und zog mich sanft in seine Arme. Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust und genoss das Gefühl, von ihm umarmt zu werden. Es tröstete mich sehr viel mehr als Elizabeths Umarmungen.
    „Oh Bella, es tut mir so leid“, flüsterte er in mein Ohr, während eine seiner Hände langsam über meinen Rücken strichen.
    Ich schlang meine Arme um seinen Oberkörper und umarmte ihn ebenfalls fest. Es half mir, das Loch der Verzweiflung einzudämmen, welche sich meiner bemächtigen wollte.
    „Ich bin mir sicher, er wird wieder gesund“, versuchte er mich zu trösten.
    „Ich hoffe es“, flüsterte ich.
    Eine Weile blieben wir so stehen und hielten uns einfach nur fest. Ich hatte immer noch schreckliche Angst um meine Familie, aber mit Edward an meiner Seite fühlte ich mich um einiges besser. Ich hoffte, dass ich ihm auch etwas Trost spenden konnte, denn auch er schien sich Sorgen um seine Eltern zu machen. Auch wenn sie noch nicht erkrankt waren, die Grippeepidemie hatte Chicago nun vollständig erreicht und würde vor niemandem Halt machen. Es waren schwere Zeiten, die da auf uns zukommen sollten.

    Elizabeth war nach zwei Stunden wieder zurück und erklärte Edward spitz, dass sie wirklich nur in der Grosvenor Street gewesen war. Kurz darauf traf auch Edwards Vater ein und begrüßte mich freundlich, aber nicht übertrieben mitleidsvoll. Sein Verhalten mir gegenüber war keines Wegs unangemessen oder überzogen, sodass ich schon bald begann, mich im Kreise der Masens wohl zu fühlen. Das Abendessen konnte ich sogar ein wenig genießen, auch wenn sich bei dem bloßen Gedanken an meinen Vater mein Magen äußerst unsanft zusammenzog. Trotz allem bemühte ich mich, so gut es eben ging, mich zusammenzureißen und mit Edwards Eltern ein höfliches Gespräch anzufangen. Allerdings waren die Masens so reizende Personen, dass ich mich schon bald nicht einmal mehr anstrengen musste, Konversation zu machen. Ich fühlte mich so geborgen wie schon lange nicht mehr. Selbst mit meinen Eltern hatte ich mehr Schwierigkeiten so unverfänglich zu sprechen.
    Edward lächelte mich die ganze Zeit liebevoll an und verfolgte die Unterhaltung zwischen mir und seinen Eltern sehr genau. Ich war gerührt von seiner Sorge, dass ich mich unwohl fühlen konnte oder dass ich nicht mit seinen Eltern zurechtkam. Er wollte, dass ich mich in seine Familie integrierte und ich fragte mich an diesem Abend zum hundertsten Mal, wie ich nur solch ein Glück haben konnte, dass er mich liebte.
    Als das Abendessen beendet war, zog ich mich recht schnell zurück. Ich war so erschöpft, aber gleichzeitig graute mir auch ein wenig vor der Nacht, die noch vor mir lag. Ich wusste nicht, wie ich einschlafen sollte, ohne dabei das Bild meines Vaters vor Augen zu haben, der blass und leblos auf einem Bett lag und mehr tot als lebendig aussah.
    Die Masens blieben ebenfalls nicht lange auf und ich hörte, wie sie ungefähr eine halbe Stunde nach mir die Treppen emporstiegen und sich für die Nacht zurückzogen.

    Lange Zeit saß ich an der Frisierkommode und starrte in den Spiegel. Ich hatte eine Kerze aufgestellt, die den Raum in ein warmes, schummriges Licht tauchte, mein Spiegelbild allerdings merkwürdig leblos erschienen ließ. Ich hatte mich bereits für die Nacht vorbereitet. Mein Haar hing lose herab und ich trug ein leichtes  Sommernachthemd, das jedoch für die heißen Sommernächte viel zu warm war. Anständige junge Damen achteten allerdings selbst im Schlaf darauf, dass ihr Körper bedeckt blieb. Ich hatte meine Mutter bislang nicht überzeugen können, dass ich etwas weniger Stoff tragen durfte, was ich, gelinde gesagt wirklich idiotisch fand. Niemand sah mich nachts, bis vielleicht auf Emily. Was sollte da schon geschehen?
    Ich erschauderte leicht, als ich an meine Mutter dachte. Ich hatte mich so oft mit ihr gestritten. Und nun sah ich sie vielleicht nie wieder. Rasch legte ich mir das Tuch von Elizabeth um die Schultern, dessen angenehmer Geruch mich irgendwie ein wenig beruhigte.
    Ich seufzte leise und wischte mir eine Träne von der Wange. Bei all den Tränen, die ich heute vergossen hatte wunderte es mich schon ein wenig, dass immer noch einige übrig zu sein schien. Ich fühlte mich wirklich sehr erschöpft und hätte mich am liebsten hingelegt, doch gleichzeitig wollte ich nicht schlafen. Ich befürchtete, dass mir schreckliche Albträume bevorstanden, sobald ich meine Augen auch nur ansatzweise schließen würde. Zudem hielt mich die Sorge um meine Eltern wach. Es würde wohl eine sehr lange Nacht werden.

    In diesem Moment klopfte es leise und ich zuckte zusammen. Wer sollte mich um diese Zeit noch sprechen wollen? Entschlossen wickelte ich das Tuch fester um meine Schultern und ging langsam zur Tür.
    „Bella?“ Mein Herz setzte für eine Sekunde aus, als ich Edwards Stimme vernahm. Edward war hier! Er wollte mich sehen! Und ich trug nichts weiter als ein Nachhemd! Schweiß lief mir über meinen Rücken, als mir bewusst wurde, dass er mich SO noch nie gesehen hatte.
    „Edward, was tust du hier?“ Ich hatte meine Stimme endlich wieder gefunden.
    „Ich wollte noch einmal nach dir sehen. Darf ich hereinkommen?“ Er klang aufrichtig besorgt. Ich schluckte geräuschvoll und antwortete ihm schließlich, dass er eintreten konnte. Auch wenn ich mich am liebsten unter meinem Bett versteckt hätte.
    Er kam der Aufforderung sofort nach und huschte leise in mein Zimmer. Er schloss die Tür sanft hinter sich und drehte sich dann zu mir um. Erneut hatte ich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen – er sah einfach wunderschön aus.
    Edward hatte sich ebenfalls für die Nacht zurechtgemacht und trug nur eine dünne Stoffhose und ein einfaches Leinenhemd, dessen oberste Knöpfe offen waren und somit einen Teil seiner makellosen Brust offenbarten. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um nicht ständig darauf zu starren. Seine Haare waren noch zerzauster als sonst und ließen ihn dadurch sehr jungenhaft erscheinen. Er strich sich in diesem Moment verlegen durch das bronzene Dickicht und verstärkte die Unordnung nur noch mehr. Auch Edward musterte mich mit großen Augen und ich errötete unter seinem Blick. Ich wollte nicht wissen, was er dachte, da ich befürchtete, es könnten keinesfalls wohlwollende Gedanken sein.
    Langsam trat er auf mich zu und ich sah, wie nervös er war.
    „Bella, es tut mir leid, ich möchte dich nicht stören und außerdem ist mir sehr wohl bewusst, wie unschicklich mein Verhalten ist“, begann er und sah mich zögernd an.
    Trotz meiner eigenen Nervosität musste ich lächeln. „Und seit wann kümmert es mich, ob dein Verhalten unschicklich ist oder nicht?“, fragte ich und sah erleichtert, dass er ebenfalls grinsen musste.
    „Auch wieder wahr“, meinte er und trat noch einen Schritt auf mich zu. Er strich sanft über meine Wange und wischte eine weitere Träne fort, die ich für einen Moment vergessen hatte. Sein Gesichtsausdruck war sofort wieder ernsthaft und liebevoll zugleich.
    „Ich habe mir gedacht, dass du dich vielleicht unwohl fühlen könntest, dass die Gedanken an deine Eltern dich quälen könnten. Immerhin bist du in diesem Zimmer ganz alleine und hast niemanden, mit dem du darüber sprechen kannst“, flüsterte er leise und zog mich an seine Brust. Wie auch schon am Nachmittag hielt er mich fest und strich mir sanft über meinen Rücken. Nur trugen wir beide dieses Mal dünnere Stoffe am Körper. Sein Oberkörper war angenehm warm und ich konnte sogar sein Herz klopfen hören. Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust und atmete tief den Geruch ein, den sein Hemd verströmte. Er begann, mit meinen offenen Haaren zu spielen und küsste mich ab und zu auf meine Stirn.

    Ich wusste nicht, wie ich mich je für seine Fürsorge bedanken könnte. Er schien sich andauernd um mein Wohlergehen zu sorgen und wollte mir den Aufenthalt hier so angenehm wie möglich gestalten. Konnte es einen größeren Liebesbeweis geben? Ich war so glücklich, dass ich ihn heiraten würde und mein ganzes Leben an seiner Seite verbringen konnte. Für einen Moment vergaß ich meine Ängste und Sorgen und überließ mich den zufriedenen und glücklichen Gefühlen, die seine Umarmung in mir auslösten.
    „Du solltest schlafen, Bella. Dein Körper braucht Ruhe“, flüsterte er mir in mein Ohr.
    Ich schüttelte meinen Kopf und löste mich etwas aus seiner Umarmung, um in sein Gesicht sehen zu können. „Ich kann nicht schlafen – ich habe Angst vor meinen Träumen“, hauchte ich.
    Sein Blick wurde noch weicher als zuvor. Er sah mir lange in die Augen und brachte dadurch meinen Herzrhythmus ziemlich durcheinander.
    „Soll ich bei dir bleiben?“, fragte er mich leise. Ich schnappte nach Luft – er wollte wirklich hier bleiben?
    „Das würdest du tun?“, fragte ich ebenso leise und wartete nervös auf seine Antwort.
    „Ich würde alles für dich tun, damit es dir wieder besser geht“, sagte er aufrichtig.
    Oh, ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass ich in seinen Armen einschlafen könnte. Aber, und das war selbst mir bewusst, dieses Verhalten war über die Maßen unschicklich und würde ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen, sollte uns jemand entdecken.
    „Edward, deine Eltern...“, begann ich widerwillig. Ich wusste, ich sollte ihn fortschicken und darauf bestehen, die Nacht alleine zu verbringen. Aber ich wollte ja, dass er hier blieb.
    Er lächelte. „Mach dir darüber keine Gedanken – ich werde wieder in mein Zimmer gehen, sobald du eingeschlafen bist“
    Ich nickte kurz. Diesem Kompromiss konnte ich zustimmen.
    „Es sei denn, du möchtest nicht, dass ich hier bleibe“, sagte er schnell, als er merkte, dass ich sehr intensiv über seinen Vorschlag nachdachte.
    „Nein. Bitte bleib!“, sagte ich flehend und schlang meine Arme um seinen Oberkörper.
    „Alles, was du willst“, antwortete er ebenso bewegt wie ich und küsste mich vorsichtig auf meine rechte Wange.

    Edward löschte die Kerze, während ich langsam in das große Bett kletterte. Es war noch kühl und so schlang ich das Schultertuch seiner Mutter noch etwas enger um meine Schultern. Das Zimmer war in eine angenehme Dunkelheit getaucht, als Edward mir zögernd folgte und langsam in das Bett stieg. Da der Mond hell in mein Zimmer schien konnte ich sogar sein Gesicht erkennen. Er schien immer noch nicht so recht zu wissen, ob mir seine Anwesenheit recht war.
    Ich ließ ihm keine Gelegenheit, sich anders zu entscheiden. Ich nahm seinen Arm und zog ihn näher zu mir heran. Augenblicklich schlang er seine Arme erneut um mich und umarmte mich fest. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt, als ich mir der enormen Nähe unserer Körper bewusst wurde. So vertraut war ich bislang mit niemandem gewesen, es war eine völlig neue Erfahrung für mich. Mein Herz raste und meine Hände zitterten leicht, als ich Edward sanft über sein Gesicht strich. Ich lächelte etwas, als Edward meine rechte Hand ergriff und sie auf seine Brust legte.
    „Fühl mal, wie mein Herz klopft“, sagte er und klang beinahe verlegen. Und in der Tat, sein Herz raste mindestens genauso wie mein eigenes.
    „Oh Bella, was machst du nur mit mir?“, stöhnte er leise und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. Ich kicherte leise. Es war schön zu hören, dass auch meine Gegenwart ihn nicht kalt ließ.
    „Ich liebe dich Edward“, flüsterte ich in die Dunkelheit. Er verstärkte seinen Griff um meine Taille und drehte sich auf seinen Rücken, sodass ich meinen Kopf problemlos auf seine Brust legen konnte.
    „Und wie ich dich erst liebe!“, entgegnete er atemlos. „Ich schwöre dir Bella, was immer auch passieren mag, ich werde dich niemals alleine lassen. Ich werde immer für dich da sein“
    Ich drehte meinen Kopf ein wenig, sodass ich ihn ansehen konnte. Seine Augen glühten regelrecht und sahen mich liebevoll und zugleich aufrichtig an. Er zog mich noch näher an sich und küsste mich sanft.
    „Schlaf nun Bella. Ich bin bei dir, es wird dir nichts geschehen“, flüsterte er, als wir uns voneinander gelöst hatten.
    Ich nickte schwach und legte meinen Kopf wieder auf seiner Brust ab. Während er mir langsam über meine Haare strich und ich seinem Herzschlag lauschte, dämmerte ich schließlich langsam in den Schlaf. Das letzte, was ich bewusst wahrnahm war die Wärme seines Körpers und das Geräusch seines Herzschlages. Dann war ich auch schon eingeschlafen.

  • Escape to EternityDatum12.03.2009 18:51
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Escape to Eternity

    "Edwards POV" oder "Gute Neuigkeiten?"





    Enttäuscht registrierte ich, dass wir beide bereits vor Bellas Haus standen. Dies bedeutete wohl, dass der Zeitpunkt des Abschiedes gekommen war. Mir gefiel die Aussicht, Bella gehen zu lassen, überhaupt nicht, aber mir war auch bewusst, dass ich unmöglich mit ihr gemeinsam das Haus betreten konnte. Es gab zu viele Gründe, die dagegen sprachen, wie zum Beispiel, dass es mittlerweile fast elf Uhr nachts war oder dass die wohlgemerkt unverheiratete Bella mit mir alleine durch die Straßen Chicagos spaziert war. Oh nein, heute Abend sollte ich mich mit meinem Besuch vielleicht lieber zurückhalten.

    Bella blickte missmutig auf die Haustür und ich konnte das Lächeln, welches sich langsam auf meinem Gesicht ausbreitete nur schwer unterdrücken. Sie war einfach hinreißend, wenn sie sich über etwas ärgerte. Ich hatte es einmal versucht zu erklären, weshalb ich ihre Gefühlsausbrüche, die sie mir gegenüber gelegentlich zeigte, so bewunderte, aber sie wollte mir nicht zuhören. Die meisten jungen Damen in Bellas Alter waren geradezu emotionslos, dennoch konnten sie auf Kommando die unterschiedlichsten Gefühlsreaktionen abspielen, die jedoch nie von Herzen kamen, weil sie schlicht und einfach erlernt und nichts weiter als gespielt waren. Nie sah man eine echte Reaktion, nie verlor eine von ihnen auch nur für die Winzigkeit einer Sekunde ihre Kontrolle. Bella war die erste, bei der ich ein gelegentliches Aufwallen von Gefühlen beobachten konnte und ich liebte sie deswegen nur noch mehr. Es hob sie von den anderen jungen Damen ab und machte sie natürlich und sehr authentisch.

    „Nun, ich werde dann wohl hineingehen“, flüsterte Bella und unterbrach damit meinen Gedankenstrom. Ich lächelte sie beruhigend an, als ich sah, wie unwohl sie sich fühlte. Arme Bella, ich konnte ihre Unruhe nachvollziehen. Wer wusste schon, wie sich ihre Mutter verhalten würde, sobald Bella auch nur die Türschwelle überschritten hatte.
    „Das solltest du wohl“, antwortete ich leise und strich ihr sanft über ihre Wange. Sie erschauderte leicht und ich konnte fühlen, wie ihre Wange unter meiner Hand heiß wurde. Ich bedauerte es sehr, dass ich nicht auch noch sehen konnte, wie ihre Wangen sich rot verfärbten. Es gab meiner Meinung nach nichts Bezaubernderes als Bella Swans Angewohnheit andauernd zu erröten.
    „Ich...“, begann sie unsicher und ich nahm kurzerhand ihre Hände in meine.
    „Keine Sorge Bella. Ich gab dir mein Wort und ich stehe dazu – ich werde dich heiraten, komme was wolle!“, sagte ich mit fester Stimme und sah sie dabei intensiv an. Sie war nicht in der Lage, ihren Blick abzuwenden und ich verlor mich in den Tiefen ihrer wundervollen, schokoladenfarbenen Augen, die mich mit so viel Liebe und Zuversicht ansahen, das mir fast schwindlig wurde. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche Gefühle in mir verspürt...

    „Ich liebe dich“, hauchte Bella, deren Gesicht auf wundersame Weise plötzlich dem meinen so nahe war. Hatten wir uns aufeinander zugelehnt? Ich konnte es nicht sagen, ich war die ganze Zeit über wie gefangen von ihrem Anblick und konnte auf nichts anderes mehr achten.
    „Ich liebe dich auch, Bella Swan“, gab ich leise zur Antwort. Unsere Gesichter waren nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt. Mein Herz schlug wie verrückt, als ich daran dachte, dass unsere Lippen sich wohl gleich erneut berühren würden. Es war mir immer noch unbegreiflich, weswegen ich so ein Glück verdient hatte! Bella sah mir einen Moment tief in die Augen, bevor sie ihre schloss und ich meine Lippen sanft auf ihre legte. Der Kuss dauerte nicht lange – dafür sorgte schon meine Vernunft. Wir standen
    immerhin vor ihrem Elternhaus, ich wollte nicht daran denken, welches Theater die Swans veranstalten würden, sollten sie ihre Tochter dabei erwischen, wie sie sich unzüchtig verhielt.
    „Gute Nacht Bella“, hauchte ich leise, als wir uns voneinander gelöst hatten. Sie öffnete langsam ihre Augen und sah mich liebevoll an.
    „Gute Nacht“, gab sie leise zurück, befreite sich aus meiner Umarmung (wie hatte ich es nur geschafft, meine Arme um sie zu legen? Ich wusste es wirklich nicht mehr) und lief schwerfällig auf die Haustüre zu. Ich lachte leise und konnte ein gewisses Gefühl von Triumph nicht verbergen. Ich war schließlich derjenige, der sie so aus der Fassung gebracht hatte. Dennoch sollte ich nicht vergessen, dass Bella mich genauso gut aus der Fassung bringen konnte.

    Schließlich drehte ich mich ebenfalls um und lief durch die dunklen Straßen Chicagos zu meinem Haus zurück. Ich hatte keinen langen Weg vor mir, dennoch hatte ich immerhin ein wenig Zeit, um über das Ganze in Ruhe nachdenken zu können.
    Einerseits empfand ich unbändige Freude und Erleichterung. Ich hatte es nicht nur geschafft, Bella endlich diesen Heiratsantrag zu machen – Bella hatte mir auch ihr Jawort gegeben! Daran hatte ich bis zuletzt gezweifelt, denn es war nur zu offensichtlich, dass ihre Eltern eigentlich einen anderen Kandidaten im Sinn gehabt hatten: Mike Newton. Ich verzog das Gesicht, als ich an diesen aufgeblasenen und auf eine geradezu abstoßende Weise von sich selbst überzeugten, jungen Mann dachte. Mike Newtons Familie war so reich, dass man es schon fast als widerlich bezeichnen konnte. Und er selbst hatte nie einen Finger rühren müssen, das Glück war ihm sozusagen in den Schoss gefallen.

    Ich hingegen hatte keine besonders reiche Familie. Natürlich waren wir nicht arm, im Gegenteil: Meine Eltern konnten sich immerhin ein Haus im vornehmsten Viertel von Chicago leisten. Allerdings hatte ich weder einen Beruf, noch stand mir ein großes Vermögen zur Verfügung, um meine zukünftige Frau zu ernähren. In diesem Punkt musste ich Bellas Eltern widerwillig zustimmen – ich war kein geeigneter Kandidat für ihre Tochter. Zumindest noch nicht.
    Doch ich hatte die Gewissheit, dass sie mich liebte. Sie hatte es mir schließlich an diesem Abend mehr als deutlich gemacht. Zudem hasste sie Mike Newton ebenso sehr wie ich und war nicht geneigt, seine Frau zu werden. Wie unendlich erleichtert ich war, als ich dies aus ihrem Munde gehört hatte. Kurz darauf hatte ich mich für meine Gedanken entsetzlich geschämt. Wie hatte ich Bellas Einstellung nur bezweifeln können? Ich wusste doch selbst, dass sie viel zu intelligent war, um auf einen Angeber wie Mike Newton hereinzufallen. Sie hatte mir bei einem unserer ersten Zusammenkünfte anvertraut, wie sehr sie ihr Leben als leer empfand und welche Angst sie hatte, dass es für immer so bleiben würde. Ich war damals sehr gerührt gewesen, dass sie mir all diese persönlichen Dinge erzählt hatte. Und gleichzeitig war ich verblüfft darüber, dass es noch jemanden außer mir gab, der über die Gesellschaft genauso dachte.  
    Oh ja, Bella und ich hatten so vieles gemeinsam, dass man eigentlich schon sagen konnte, dass wir seelenverwandt waren. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich sie gefunden hatte!

    Doch nun standen mir gewisse Aufgaben bevor, die sowohl Durchhaltevermögen als auch Mut forderten: Ich musste meinen Eltern von meiner Verlobung berichten und ich musste wohl auch vor Bellas Eltern um ihre Hand anhalten. Im Moment konnte ich nicht sagen, welche von beiden Handlungsalternativen mir schrecklicher erschien. Ich wusste, dass meine Mutter mich verstehen würde und mir vielleicht sogar ihren Segen erteilen könnte. Sie mochte Bella sehr und wünschte sich insgeheim, dass wir heirateten. Ich konnte es in ihrem Blick sehen, wenn sie über die „junge Miss Swan“ sprach.
    Mein Vater hingegen hielt meine Zukunftspläne für albern und wollte mich am liebsten in der Armee, am besten noch an vorderster Front dieses entsetzlichen Krieges in Europa sehen. Seiner Meinung nach sollten junge Männer in meinem Alter erst einmal beweisen, dass sie auch wirkliche Männer waren, ehe sie sich einer Familie und einem gut bürgerlichen Leben widmeten. Ich muss zugeben, auch ich habe für einige Zeit so gedacht. Vor ein paar Monaten noch hatte ich große Lust verspürt, mich den kämpfenden Soldaten in Europa anzuschließen. Meine Mutter war geradezu entsetzt darüber gewesen. Ich wusste, dass es ihr das Herz brechen würde, wenn mir im Krieg etwas zustoßen sollte. Sie hatte meinen Vater überredet, dass er mich erst gehen lassen würde, wenn ich das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte. Damals war ich sehr wütend auf sie gewesen. Jetzt hingegen empfand ich tiefe Dankbarkeit. Ich hatte es allein ihrem Eingreifen zu verdanken, dass ich die Liebe meines Lebens getroffen hatte.

    Mittlerweile hatte ich mein Elternhaus erreicht und betrat es seufzend. Ich bemühte mich, möglichst geräuschlos durch die Tür zu schlüpfen, was sich allerdings als unnötig erwies, da meine Mutter  sowieso schon am Treppenabsatz auf mich wartete. Als ich ihr bleiches Gesicht sah, schämte ich mich plötzlich sehr für mein Verhalten. Nach einem Streit sollte man nie weglaufen, ganz gleich, wie verletzt man war. Auseinandersetzungen waren für keinen der Beteiligten leicht und ich hatte meiner Mutter zusätzlich zu dem Kummer über das Zerwürfnis mit meinem Vater noch weitere Sorgen bereitet.
    Ich schloss die Eingangstür hinter mir und trat langsam auf sie zu.
    „Edward“, flüsterte sie leise, dann stand sie auch schon vor mir und sah mich streng, enttäuscht und gleichzeitig erleichtert an. Ich konnte fühlen, was in ihr vorging. Sie war immer noch wütend auf mich, weil ich mich so heftig mit meinem Vater gestritten hatte. Zudem war sie enttäuscht, weil ich einfach weggelaufen war. Und trotz meiner Fehler war sie bereit, mir zu verzeihen. Weil ich ihr Sohn war. Weil sie mich liebte.

    Ich hatte schon immer das Talent besessen, die Gedanken anderer Menschen mit einer überraschenden Genauigkeit zu erahnen. Ich wusste nicht, woher diese Fähigkeit kam – möglicherweise war ich einfach in der Lage, Gesichtsausdrücke sehr genau zu deuten. Es war jedenfalls sehr nützlich, zu wissen, was mein Gegenüber wohl gerade dachte. Bei meiner Mutter fiel es mir nicht so schwer wie bei anderen Menschen. Ihr standen die Gefühle einfach zu deutlich auf ihrem Gesicht geschrieben. Bei Bella hingegen versagte ich regelmäßig. Ich konnte nicht eine Sekunde lang erahnen, was wohl in ihr vorging.
    „Mutter, es tut mir leid, dass ich weggelaufen bin. Ich wollte dir keinen Kummer bereiten“, sagte ich reumütig und sah sie mit meinem demütigsten Blick an, den ich sonst bei ihr nur selten anwandte.
    „Edward, dass du so etwas ja nie wieder tust! Ich habe mir furchtbare Sorgen um dich gemacht!“, sagte sie grummelnd, umarmte mich aber dennoch auf eine sehr mütterliche Weise.
    Ich musste schmunzeln – sie konnte mir nie lange böse sein. Sie liebte mich einfach zu sehr. Und sie wusste auch, dass ich sie ebenfalls sehr liebte. Als sie mich wieder losließ sah ich, dass auch sie lächelte. Ich betrachtete sie eine Weile stumm.
    Meine Mutter besaß die selben bronzefarbenen Haare wie ich, nur dass ihre viel länger und lockiger waren als meine. Davon sah man natürlich nicht viel, denn sie trug sie jeden Tag hochgesteckt. Ihr Gesicht sah dem meinen allerdings nicht sehr ähnlich, sah man einmal von den Augen ab, die ebenso grün waren wie meine. Ich wusste, weshalb sich mein Vater Hals über Kopf in sie verliebt hatte – selbst jetzt, da sie nicht mehr so jung wie früher war, war sie noch eine Schönheit.

    „Edward, wo bist du gewesen?“, fragte sie neugierig und klang dabei nicht mehr ganz so streng wie vor wenigen Augenblicken.
    „Ich...“, begann ich, hielt dann aber wieder inne. Sollte ich ihr schon jetzt alles erzählen? Immerhin war es schon spät und ich hatte mir vorgenommen mit meinen Eltern über diese Angelegenheit in Ruhe zu sprechen. Andererseits musste ich einfach mit einer weiblichen Person über das eben Geschehene sprechen. Meine Mutter war eine der engsten Vertrauten die ich hatte und zudem würde sie mir sicher sagen, ob ich Bellas Reaktionen richtig eingeschätzt hatte oder ob ich mich richtig verhalten hatte.
    Meine Mutter schien meinen inneren Konflikt zu bemerken. Sie sah mich stirnrunzelnd an. „Edward, jetzt sag schon, was du auf dem Herzen hast. Und lüg mich ja nicht an, ich bin deine Mutter und merke so etwas sofort!“
    Ich seufzte laut und theatralisch. „In Ordnung, ich werde dir alles erzählen. Aber wollen wir nicht lieber in den Salon gehen und uns hinsetzen?“ Ich musste unbedingt etwas Zeit schinden um mein „Geständnis“ vorzubereiten.
    Sie nickte nur. Ich wusste genau, dass sie mein Verhalten überhaupt nicht nachvollziehen konnte und nicht verstand, weswegen ich ihr die Geschichte nicht auch im Flur erzählen konnte, aber sie war zu neugierig, als dass sie sich darüber aufgeregt hätte.

    „Schön Edward, jetzt bin ich aber gespannt“, sagte sie kopfschüttelnd, als wir beide auf dem Sofa Platz genommen hatten. Mir war der leise sarkastische Unterton nicht entgangen und ich musste gegen meinen Willen schmunzeln. Unsere Magd hatte ein paar Kerzen angezündet, die den Raum in ein angenehmes Licht tauchten. Ich fühlte mich auf einmal viel ruhiger und wunderte mich sehr darüber. Ob es daran lag, dass ich die großartigen Neuigkeiten endlich jemandem mitteilen konnte?
    „Mutter, ich habe Bella Swan getroffen, als ich nach draußen gelaufen bin“, sagte ich in das Schweigen hinein.
    Anstatt mich mit Fragen zu bestürmen sah sie mich wortlos an. Eine unmissverständliche Aufforderung, weiter zu sprechen.
    „Ich habe sie vom Fenster aus beobachtet, wie sie an unserem Haus vorbei gelaufen ist. Es hatte den Anschein, als ob sie weinte und daher bin ich ihr sofort hinterher geeilt. Ich hatte die Befürchtung, dass ihrer Familie etwas zugestoßen ist“, erklärte ich rasch. Meine Mutter sagte schwieg noch immer.
    „Nun, ich weiß, dass sich so ein Verhalten nicht gehört, aber sie sah einfach so ... so traurig aus, dass ich nicht anders konnte als zu ihr zu gehen. Ich wollte ihr beistehen, sie trösten...“ Ich wandte mich beschämt ab, als ich erkannte, wie viel ich schon von meinen Gefühlen Preis gegeben hatte.
    Meine Mutter saß nicht länger gefasst vor mir – nun lächelte sie wissend und nahm meine rechte Hand.
    „Bellas Kummer lenkte mich natürlich auch ein wenig von meinen Sorgen ab“, gestand ich beschämt. „Ein weiterer Grund, ihr hinterherzulaufen, denn dies bedeutete für mich schließlich auch, das Haus zu verlassen“
    „Mach dir nichts vor Edward“, entgegnete meine Mutter tadelnd.
    „Wie auch immer, ich schaffte es, sie einzuholen und mit ihr zu sprechen“, fuhr ich fort. „Sie erzählte mir, dass ihre Eltern eine Verlobung mit Mike Newton arrangiert hatten“
    Meine Mutter schnappte entsetzt nach Luft.
    „Beruhige dich, das ist noch nicht die ganze Geschichte!“, sagte ich schnell und hob meine freie Hand. „Sie selbst möchte dies ja gar nicht und hatte sich deswegen auch mit ihren Eltern gestritten. Daher war sie so aufgelöst“
    „Und weiter?“
    „Ich habe sie überredet, wieder nach Hause zu gehen und dafür gesorgt, dass sie heil dort ankam“, meinte ich gelassen.
    „Und das ist alles?“, hakte sie nach.
    Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ist es nicht. Mutter, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber...“
    „Hast du ihr also endlich den Antrag gemacht?“, fragte sie mich ohne Umschweife. Ich starrte sie erschrocken an. So eine Reaktion hatte ich nicht von ihr erwartet.
    „Oh Edward, das war doch wohl offensichtlich. Seit Tagen schon hast du dich damit herumgequält und mit dir gerungen und ich freue mich sehr, dass du es nun endlich geschafft hast!“, sagte sie und lächelte mich stolz an.
    Ich schüttelte erneut meinen Kopf. „Woher weißt du das alles?“ Ich hatte schon längst aufgegeben, ihren mütterlichen Instinkt zu entschlüsseln.
    „Edward, ich kann zwar keine Gedanken lesen so wie du, aber ich bin immer noch deine Mutter. Ich kann fühlen, wenn dich etwas bedrückt. Und da du schon seit längerer Zeit sehr viel von Isabella Swan sprichst, war mir klar, dass es damit zusammen hängen muss“
    Ich lächelte sie seufzend an. Anstatt mir Vorwürfe zu machen freute sie sich ehrlich für mich. Ich drückte ihre Hand etwas fester, um meiner inneren Rührung Ausdruck zu verleihen.
    „Du hast Recht, ich habe ihr einen Antrag gemacht“, sagte ich nach einer Weile. „Und sie hat ihn angenommen!“, fügte ich rasch hinzu.
    „Oh Edward!“, rief meine Mutter erfreut und umarmte mich stürmisch. Sie drückte mir beinahe die Luft ab und nachdem ich etwas protestiert hatte, ließ sie mich wieder los. Allerdings fuhr sie mir ständig durch mein Haar, als wäre ich ein fünfjähriges Kind und küsste mich hin und wieder auf die Stirn.

    „Mein Junge, oh mein lieber Junge“, murmelte sie immer wieder. In ihren Augen schimmerten Tränen und ich wusste, dass ihre Freude grenzenlos war. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass ich eine Frau finden würde, die ich auch tatsächlich liebte.
    „Welchen Ring hast du ihr gegeben?“, fragte sie schließlich und sah mich prüfend an.
    Ich lief rot an. Dieses Detail hatte ich bislang ausgelassen und das nicht ohne Grund. Bella trug nun den Ring, den mein Vater meiner Mutter einst gegeben hatte. Und ich hatte ihn einfach entwendet, ohne um Erlaubnis zu bitten.
    „Ich habe den Ring verwendet, den Vater dir damals gegeben hat“, murmelte ich undeutlich und sah zu Boden. Ich rechnete damit, dass meine Mutter nun wirklich wütend wurde. Doch nichts der gleichen geschah. Stattdessen hob sie mit ihren sanften Fingern mein Kinn an um mir in die Augen zu sehen.
    „Sorge dich nicht, ich bin dir deswegen nicht böse. Ich hätte es natürlich begrüßt, wenn du mich um Erlaubnis gebeten hättest, allerdings kann ich deine Beweggründe nachvollziehen“ Liebevoll lächelte sie mich an und ich atmetet erleichtert auf und lächelte zurück..
    „Sie muss dir sehr viel bedeuten“, mutmaßte sie leise.
    „Ich liebe sie“, antwortete ich schlicht. Es war die Wahrheit! Dieses wundervolle Mädchen hatte mein Herz im Sturm erobert und ehe ich mich versehen hatte, war es zu spät gewesen. Sie hatte mich mit ihrer Art geradezu verzaubert.
    „Ich weiß“, meinte sie nur und wuschelte leicht durch meine Haare. „Dass ich das noch einmal erleben darf – mein kleiner Junge ist plötzlich erwachsen geworden“, seufzte sie.

    In diesem Moment betrat mein Vater den Salon und augenblicklich verflog die lockere Stimmung, die gerade eben noch geherrscht hatte.
    Ich sah meinem Vater prüfend ins Gesicht. Er schien nicht mehr so wütend zu sein wie bei unserer letzten Begegnung. Im Gegenteil, Sorgen zeichneten sich auf seinem Gesicht ab und er schien wirklich erleichtert zu sein, dass ich wohlbehalten zurückgekehrt war.
    „Edward“, murmelte er leise und schloss die Tür hinter sich. Er ließ sich auf einem Stuhl uns gegenüber nieder und sah meine Mutter fragend an. Er hatte längst bemerkt, dass etwas Besonderes vorgefallen sein musste und zerbrach sich den Kopf, was wohl geschehen war. Ich unterdrückte ein Seufzen, als ich daran dachte, wie er wohl auf meine Ankündigung reagieren würde.

    „Schön, dass du wieder hier bist, Junge“, sagte er schließlich seufzend. „Es ist nicht gerade die feine Art, einfach wegzulaufen“
    „Ich weiß, Vater“, entgegnete ich kühl. So einfach würde ich es ihm nicht machen.
    „Ich kann verstehen, dass du immer noch auf wütend auf mich bist. Ich war nicht gerade freundlich zu dir. Aber, vergiss nicht, dass ich es bloß gut meine mit dir. Ich möchte, dass du eine gute Zukunft hast“ Er warf meiner Mutter einen Blick zu, welche diesen lächelnd erwiderte.
    Natürlich – sie hatte ihn entsprechend bearbeitet, damit er sich bei mir auch wirklich entschuldigen würde. Manchmal waren beide so leicht zu durchschauen, selbst wenn man nicht das Talent besaß, Gedanken zu erahnen.
    „Das ist mir bewusst, Vater“, erwiderte ich. Mein Tonfall war immer noch kühl und zurückhaltend. „Aber vergiss du nicht, dass ich bereits selbst in der Lage bin, Entscheidungen zu treffen, die meine Zukunft betreffen. Ich bin kein kleiner Junge mehr, Vater“
    „Edward, glaubst du wirklich, dass mir das entgangen ist?“ Er seufzte leise. „Ich sehe dabei zu, wie du jeden Tag ein Stückchen älter und reifer wirst und, das lass dir gesagt sein, es ist nicht einfach für einen Vater seinem Sohn dabei zuzusehen, wie er erwachsen wird. Manchmal wünsche ich mir, dass du immer noch mein kleiner Junge wärst. Versteh mich nicht falsch, ich bin wirklich unglaublich stolz auf dich. Du schlägst dich besser durchs Leben als ich es in meiner Jugend getan habe und ich bin mir sicher, dass du es noch weit bringen wirst. Aber es ist auch sehr schwer für mich, denn all dies bedeutet, dass ich dich bald gehen lassen muss“
    Ich hatte ihm die letzten Minuten schweigend und erstaunt zugehört. So eine lange Rede war ich von meinem Vater nicht gewohnt. Deshalb wusste ich auch, dass diese Worte von Herzen kamen.
    „Ach Edward“, seufzte meine Mutter leise und sah meinen Vater liebevoll an. Ich sah etwas beschämt zur Seite – dieser Augenblick war mir eindeutig zu privat.

    „Ich verstehe dich Vater“, murmelte ich. „Es tut mir leid, dass ich einfach gegangen bin. Es ist nur... ich war so wütend auf dich. Du hast mich bis jetzt immer verstanden und wusstest genau, was ich von der Armee halte. Als du mir heute Abend so plötzlich in den Rücken gefallen bist, wusste ich einfach nicht mehr weiter. Ich weiß, ich hätte nicht weglaufen sollen“
    „Wir werden diesen Vorfall einfach vergessen, in Ordnung?“ Er sah mich grinsend an und ich hatte das Gefühl, dass mein wahrer Vater wieder vor mir stand.
    Ich grinste zurück. „Liebend gerne. Allerdings bezweifle ich, dass du nicht mehr auf mich wütend sein wirst, wenn ich dir gleich mitteile, was geschehen ist, als ich aus dem Haus gerannt bin“
    Er sah mich neugierig an. Meine Mutter erhob sich langsam und stellte sich neben ihn. Entweder wollte sie ihn davon abhalten, sich auf mich zu stürzen, oder ihn seelisch unterstützen. Ich wusste es nicht und es kümmerte mich auch nicht. Gleich würde ich meinem Vater mitteilen, dass ich die wundervollste Frau, die auf diesem Planeten existierte heiraten würde. Das erforderte meine volle Konzentration.
    „Vater, ich habe mich mit Isabella Swan verlobt“, sagte ich rasch und hielt die Luft an, bereit für seinen Gefühlsausbruch, der wohl gleich folgen würde.

    Er sagte einen Moment lang gar nichts. Dann schüttelte er seinen Kopf.
    „Wusste ich’s doch! Du hast nicht nur eine Schwäche für das Swan-Mädchen, du bist sogar in sie verliebt!“
    Meine Mutter strahlte ihn an, während ich nur verwirrt dreinschaute.
    „Edward, glaubst du allen Ernstes ich wüsste nicht, was dieses Mädchen mit dir anstellt? Ich kenne doch meinen Sohn! Natürlich fände ich es besser, wenn ihr euch noch ein paar Jahre Zeit lasst. Aber ich bin sehr stolz auf dich, dass du dieses schöne und intelligente Mädchen für dich gewonnen hast. Wir Mason-Männer haben einfach Geschmack!“
    Er grinste mir zu und drückte liebevoll die Hand meiner Mutter, die immer noch auf seiner Schulter lag.
    „Heißt das, du hast keine Einwände gegen diese Verbindung?“ So ganz konnte ich es immer noch nicht glauben. Ich schien heute Abend wirklich nicht in der Lage zu sein, die Reaktionen meiner Mitmenschen einzuschätzen. Nie im Leben hätte ich es für möglich gehalten, dass mein Vater so ruhig reagieren würde. Vor allem nicht nach unserem Streit.
    „Edward, sei nicht albern!“, lachte er und schüttelte den Kopf. „Ich kenne Charlie Swan seit meiner Jugend und weiß, was für ein ehrbarer Mann er ist. Seine Familie hat einen einwandfreien Ruf und ich habe schon von vielen Seiten gehört, dass Miss Isabella Swan eine ausgesprochen wohlerzogene und untadelige junge Dame sein soll. Ich werde eure Verlobung nicht in Gefahr bringen.“
    Ich atmete einmal tief ein und aus. Von dieser Seite drohte unserem Glück also schon mal keine Gefahr.

    „Aber Edward, dir muss auch bewusst sein, dass der Zeitpunkt für eine Hochzeit im Moment nicht gerade günstig ist. Du hast keinen Beruf und verfügst nicht über die Mittel, eine junge Frau zu ernähren!“ Er sah mich streng an und ich senkte den Kopf.
    Er hatte Recht, das war mir natürlich bewusst. Ich hatte selbst schon oft genug über dieses Problem nachgedacht, doch eine Lösung hatte ich nicht gefunden. Nun konnte ich nur hoffen, dass mein Vater uns in der ersten Zeit unserer Ehe unterstützen würde.
    Prüfend sah ich ihn an und versuchte, seine Gedanken zu entschlüsseln. Erstaunt stellte ich fest, dass sein Gesichtsausdruck immer noch gelassen war. Er seufzte erneut.
    „Wie ich sehe, hast du darüber bereits nachgedacht. Immerhin zeigt mir das, dass ich keinen Tor zum Sohn habe, sondern einen vernünftigen jungen Mann, der in der Lage ist, eine Situation realistisch zu beurteilen.“
    Trotz allem musste ich ein Lachen unterdrücken. Nur mein Vater konnte sich so würdevoll ausdrücken, als säße er hier immer noch in seiner Funktion als Anwalt und nicht als Familienvater.
    „Vater, ich weiß, ich...“, begann ich, doch er unterbrach mich mit einer raschen Handbewegung.
    „Ich war noch nicht fertig!“, rief er und lächelte mich sogar an. „Edward, ich habe in letzter Zeit beobachten können, wie sehr du dich verändert hast, seitdem du Isabella Swan getroffen hast. Kein Vater der Welt würde seinem Sohn eine Ehe verweigern, wenn er sehen würde, wie glücklich sein Sohn dadurch geworden ist.“ Hier hielt er inne und meine beiden Elternteile lächelten mich selig an. Ich schluckte etwas, als ich daran dachte, wie offensichtlich meine Gefühle gewesen sein mussten und wie groß die Veränderung, die mit mir vorgegangen war.
    „Mach dir keine Gedanken, wir werden euch in der ersten Zeit eurer Ehe unterstützen, solange, bis du selbst für deine Frau sorgen kannst“, sagte mein Vater in die Stille hinein.

    Ich benötigte einige Sekunden, um die Worte zu realisieren.
    Ich würde Bella also wirklich heiraten! Meine Eltern stimmten einer Verbindung zu und hatten mir sogar Unterstützung zugesichert. Ich merkte, wie ich selbst anfing zu strahlen und breit zu grinsen. Mein Herz raste und das Blut rauschte mir in den Ohren. Zum zweiten Mal an diesem langen Tag war ich überglücklich.
    „Und jetzt lass dich einmal ordentlich beglückwünschen, mein Junge!“, rief mein Vater begeistert und erhob sich von seinem Sessel, um mich in die Arme zu schließen.
    „Danke“, flüsterte ich immer wieder überwältigt, während er mich fest umarmte.
    In diesem Moment war mir die Tatsache, dass Bellas Eltern auch noch zustimmen mussten, gleich. Ich wusste, dass meine Eltern hinter meiner Entscheidung standen und das würde mir die nötige Kraft für alles Weitere geben.
    Mir war schwindlig, als ich mich schließlich wieder hinsetzte und mit meinen Eltern auf meine Verlobung anstieß. Ob das Glück einen umbringen konnte?
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 12: Ein Traum geht in Erfüllung


    Ich wusste nicht, wie lange Edward mit meinen Eltern sprach. Es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, während ich unruhig in unserem Salon darauf wartete, dass mir endlich jemand sagen würde, wie das Gespräch verlaufen war und zu welchem Ergebnis sie gekommen waren. Ich sah ununterbrochen auf die Uhr und registrierte mit einem wütenden Knurren, dass sich die Zeiger kaum bewegten. Es war die reinste Hölle. Ich konnte mich mit keiner Tätigkeit ablenken, nicht einmal das Lesen von meinem Lieblingsbuch half mir, meine Unruhe abzuschütteln. Andauernd überlegte ich, wie meine Eltern auf Edward reagiert haben mochten. Die schrecklichsten Szenarien bildeten sich in meinem Kopf und nach einer Weile war ich so aufgelöst, dass ich beinahe los geweint hätte.
    „Isabella Marie Swan, sei nicht so hysterisch!“, zischte ich wütend in die Stille und gab mir einen kleinen Klaps auf die Wange. Ich konnte es nicht fassen, dass ich mich so albern benahm. Das war ich von mir gar nicht gewohnt! Ich hatte doch schon schlimmeres überstanden, wieso um alles in der Welt war ich jetzt so nervös?
    Mir war durchaus bewusst, dass Edward mich heiraten würde, ob mit der Zustimmung meiner Eltern oder ohne. Er würde nicht aufgeben und ich ebenfalls nicht. Unsere Zukunft stand bereits fest, daran war nicht mehr zu rütteln. Also gab es doch auch keinen Grund, sich wegen diesem lächerlichen Gespräch so aufzuregen. Oder?
    „Hmmm“, stöhnte ich wütend, als meine Gedanken immer noch nicht verstummen wollten und ließ mich seufzend auf das Sofa sinken. Ich bettete meinen Kopf auf dem großen Kissen und ließ meine Augen zufallen. In diesem Moment wünschte ich mir so sehr, dass ich einfach nur meine Ruhe haben könnte – vor meinen Gedanken, vor meinen Eltern, vor der ganzen Welt.

    Gerade, als ich dachte, ich würde es nicht mehr länger aushalten, wurde die Tür des Salons leise geöffnet und Emily sah mich lächelnd an. Rasch setzte ich mich wieder ordentlich hin und strich meine Haare glatt. Ihr Blick huschte von meiner Frisur zu meinem Rock und ich wurde rot, als ich daran dachte, wie verwirrt ich gerade aussehen musste.
    „Miss Swan“, sagte sie leise und strahlte mich nur noch mehr an. Ich hielt erschrocken den Atem an. Bedeutete das etwa, dass sie gute Neuigkeiten für mich hatte?
    „Hier ist jemand, der Sie sprechen möchte“, meinte sie und diesmal konnte sie ihr wissendes Lächeln nicht im Geringsten verbergen. Ich wusste sofort, wer dieser Jemand war und sprang erschrocken auf. Sie lachte leise und jetzt war ich mir sicher, dass ich wirklich einen konfusen Eindruck machen musste.
    „Schick ihn herein!“, sagte ich atemlos. Kurz darauf verschwand Emilys Gesicht aus dem Türrahmen.
    In aller Hast rückte ich meinen Rock gerade, versuchte, meine Frisur zu ordnen und strich mir über meine Wangen. Sie glühten vor Hitze und das war mir mehr als unangenehm. Edward sollte nicht sehen, wie sehr mich die ganze Sache mitnahm. Sonst würde er es sich womöglich noch anders überlegen!

    Meine Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als die Tür erneut aufging und niemand anderes als Edward den Salon betrat.
    Edward. Ich würde mich wohl nie an seine Schönheit gewöhnen, sie traf mich jedes Mal aufs Neue mit der Macht eines Fausthiebes. Allein sein Lächeln war so wunderschön, dass ich nicht anders konnte als vor Freude zu erröten. Mein Herz schlug wie wild, als er langsam auf mich zuschritt und sein Strahlen kaum noch bändigen konnte. Er sah so glücklich aus!
    Diese Freude steckte an, das merkte ich sofort. Ging es mir vor wenigen Augenblicken noch elend, so hatte ich nun das Gefühl, die ganze Welt umarmen zu müssen.
    Ich brauchte nicht zu fragen, wie meine Eltern reagiert hatten. Sein fröhliches Lächeln und das begeisterte Funkeln seiner grünen Augen war mir Antwort genug. Trotzdem konnte ich mich einfach nicht zurückhalten. Ich war so neugierig.
    „Edward!“, seufzte ich erleichtert, als er endlich vor mir zum Stehen kam und langsam meine Hand in seine nahm. In den wenigen Sekunden, die er zum Eintreten benötigt hatte, hatte ich so viele unterschiedliche Emotionen empfunden, dass ich nun fast schon erschöpft war von der Macht meiner Gefühle.
    „Hallo Bella“, sagte er lächelnd und drückte meine Hand sanft. „Schön, dich wieder zu sehen“, fügte er augenzwinkernd hinzu.
    Ich errötete. Natürlich hatte ich nicht vergessen, dass ich ihm vorhin schon wortwörtlich in die Arme gefallen war.
    Einige Augenblicke verharrten wir in dieser Position und starrten uns einfach nur in die Augen. Ich verlor mich völlig in den grünen Tiefen, wie jedes Mal, wenn ich in seine Augen sah. Auch ihm schien es ähnlich zu gehen, denn sein Blick war unergründlich und gleichzeitig so voller Liebe, dass ich das Gefühl hatte, vor Freude gleich ohnmächtig zu werden. Seitdem ich Edward kannte durchlebte ich solch gewaltige Gefühle wie noch nie zuvor in meinem Leben. Man könnte annehmen, dass ich mich eigentlich schon daran hätte gewöhnen sollen, aber ich vermutete fast, dass ich das wohl nie schaffen würde.
    „Du siehst ein wenig erschöpft aus“, flüsterte er und brach damit unser Schweigen.
    „Nicht so wichtig“, sagte ich hastig und blinzelte ein paar Mal, um in die Realität zurückzugelangen. „Jetzt erzähl schon!“, forderte ich ihn ungeduldig auf und sah ihn neugierig an. „Ich würde gerne wissen, was meine Eltern gesagt haben!“
    Er lachte leise. Es klang wie Musik in meinen Ohren. „Du bist ziemlich ungeduldig heute“, sagte er grinsend. Ich schloss seufzend meine Augen. War ihm eigentlich bewusst, wie sehr er mich allein durch sein schiefes Lächeln aus der Fassung bringen konnte?
    „Bella, mach dir keine Sorgen“, sagte er leise und nahm auch meine andere Hand. „Sie haben unsere Verlobung akzeptiert und stimmen einer Heirat zu“

    Ich schlug meine Augen auf und sah in sein Gesicht, das vor Freude zu glühen schien. Ich konnte es nicht glauben – sollte sich mein größter Wunsch tatsächlich erfüllt haben?
    „Wir können heiraten?“, hauchte ich, zu aufgewühlt um etwas zu sagen, was vielleicht angemessener gewesen wäre.
    Er lächelte über meine Erleichterung und gab mir einen zaghaften Handkuss. „So ist es“, murmelte er leise gegen die Haut meiner Hand, nicht ohne mich dabei aus den Augen zu lassen.
    Das Zimmer um mich herum begann sich zu drehen und das Blut rauschte laut in meinen Ohren. Ich konnte nur noch ein „Oh mein Gott“ keuchen, dann wurde mir schwarz vor Augen.
    Als ich sie wieder öffnete fand ich mich ausgestreckt auf dem Sofa liegend wieder und blickte in das besorgte Gesicht meines Verlobten. Einige Sekunden konnte ich ihn nur anstarren. Er sah aus wie ein Engel. Wie konnte jemand nur so wunderschön sein?
    „Bella? Bella, geht es dir gut? Soll ich jemanden holen?“, fragte er erschrocken und strich mir über mein Gesicht.
    „Nein, es geht schon wieder“, murmelte ich leise und bemerkte erfreut, dass das Blut in meinen Adern wieder schneller pulsierte. Und, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Es war doch wirklich zu peinlich: Ich war in Ohnmacht gefallen! Und das, obwohl Edward mir eine positive Nachricht übermittelt hatte. Fielen die jungen, feinen Damen dieser Zeit nicht in Ohnmacht, wenn etwas Schreckliches geschehen war?
    Edward schien etwas Ähnliches zu denken, denn er sah mich fragend und gleichzeitig schon fast nervös an.
    „Edward, mach dir keine Sorgen!“, sagte ich schnell, um ihn zu beruhigen. Langsam setzte ich mich auf. „Ich bin nur ohnmächtig geworden, weil ich mich so darüber gefreut habe, dass meine Eltern zugestimmt haben“, versicherte ich ihm.
    Er sah mich immer noch verunsichert an. „Du willst mich also schon noch heiraten?“, fragte er leise.
    Ich verdrehte meine Augen. „Natürlich will ich das! Glaube mir, ich konnte es gerade nur nicht fassen, dass sich mein Traum tatsächlich erfüllt hat!“, sagte ich und sah ihm tief in die Augen.
    Er strich mir behutsam über meine Wange und steckte mir eine Locke hinters Ohr, die sich aus meiner ohnehin schon ruinierten Frisur gelöst hatte. „Dann bin ich beruhigt“, meinte er nach einer Weile und küsste mich sanft auf die Stirn.
    Ich schloss die Augen und genoss die Berührung seiner Lippen auf meiner Haut. Ich fühlte mich dabei so leicht, so unbeschwert.
    „Edward“, hauchte ich, als er mich wieder ansah. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt und erneut war ich unfähig, irgendetwas Sinnvolles zu sagen. Allein dieser Anblick verschlug mir die Sprache. Hinzu kam noch sein unwiderstehlicher Geruch, der mir sprichwörtlich alle Sinne vernebelte. Ich fühlte mich wie im Himmel.
    „Meinst du, es ist angemessen, wenn ich meine Verlobte noch einmal küssen möchte?“, wollte er von mir wissen und grinste mich schalkhaft an. Ich nickte nur, immer noch nicht in der Lage einen zusammenhängenden Satz zu formulieren.
    Doch Edward genügte diese Geste vollkommen. Er nahm mein Gesicht in beide Hände, zog mich zu sich heran und küsste mich voller Leidenschaft, dass ich sogar vergaß zu atmen. Seine Lippen waren so weich und so sanft. Kein Wort der Welt könnte angemessen beschreiben, wie es sich anfühlte, sie auf meinen zu spüren.
    Diesmal musste ich mich aus unserem Kuss zuerst lösen, denn ich musste wirklich nach Luft schnappen. Dieser Kuss hatte mir den Atem geraubt und ich bemerkte, wie sich schon wieder alles um mich herum drehte.
    Edward lächelte mich scheu an und mir fiel auf, dass er ebenfalls völlig außer Atem war.
    Er setzte sich zu mir auf das Sofa und hielt lange Zeit nur meine Hand, während seine Augen mein Gesicht keine Sekunde lang freigaben. Sein Blick war zärtlich und so voller Liebe, er nahm mich regelrecht gefangen.

    „Ich bin so froh, dass meine Eltern zugestimmt haben“, sagte ich schließlich in die Stille hinein.
    Er lachte leise. „Deine Mutter hätte mich zuerst am liebsten umgebracht, aber ich glaube, jetzt hat sie eine bessere Meinung von mir“, sagte er.
    Ich sah ihn nur verwundert an.
    Entschuldigend hob er seine freie Hand. „Ich konnte förmlich hören, wie ihre Gedanken mich wütend beschimpften! Dein Vater hingegen war viel ruhiger, auch wenn er sich noch nicht sicher ist, was er von mir halten soll. Er hat vor, mich die nächsten Wochen genau im Auge zu behalten“
    „Sei nicht albern“, murmelte ich leise. Niemand konnte die Gedanken anderer Menschen hören. Erahnen vielleicht, aber doch nicht mit einer solchen Sicherheit wie Edward beschreiben!
    Er schüttelte grinsend den Kopf. „Glaub mir, Bella, ich war schon immer ungewöhnlich empfänglich für die Gedanken meiner Mitmenschen. Meine Eltern sind es schon gewohnt, dass sie nichts vor mir verbergen können“
    Ich schluckte. Wusste er dann etwa auch, was ich dachte?
    Edward schien zu bemerken, dass ich mich unwohl fühlte, denn er drückte leicht meine Hand und strich mit der anderen über meine Wange. „Sei unbesorgt, bei dir versage ich regelmäßig“, flüsterte er.
    Ich konnte nicht anders und musste triumphierend grinsen. Wenigstens eine Sache, die er nicht konnte!
    Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Ich war so müde und erschöpft! Edward strich mir über meinen Rücken und küsste mich ab und zu vorsichtig aufs Haar.
    Irgendwann seufzte er leise. „Ich muss jetzt gehen“, flüsterte er. Ich zuckte zusammen. Wie viel Zeit wohl vergangen sein mochte?
    „Wann sehe ich dich wieder?“, flüsterte ich ebenso leise zurück.
    Er lächelte. „Wann du möchtest. Als dein Verlobter besitze ich nun jedes Recht der Welt, um dich hier besuchen zu kommen. Aber ich denke, dass deine Eltern bereits eifrig Pläne schmieden“ Jetzt grinste er und ich schloss seufzend die Augen.
    Ich konnte mir schon vorstellen, was meine Mutter für eifrige Pläne hatte. Bestimmt plante sie bereits jetzt schon die größte, aufwändigste und protzigste Hochzeitsfeier, die Chicago je gesehen hatte.
    „Ich komme morgen wieder vorbei“, versprach er. Dann erhob er sich langsam, küsste mich noch mal sanft auf die Lippen, strich mir übers Haar und verabschiedete sich schließlich von mir.

    Ich saß noch eine Weile wie benommen auf dem Sofa. In dieser Zeit versuchte ich zu begreifen, was soeben geschehen war. Ich würde heiraten. Ich würde Edward Masen wirklich heiraten! Das sollte tatsächlich passieren! Mein Herz schlug wie wild in meiner Brust, als ich die Bedeutung dieser Worte endlich verinnerlicht hatte.
    Bevor ich allerdings einen Freudentanz aufführen konnte, standen meine Eltern wie aus dem Nichts im Salon und musterten mich mit einer Mischung aus Neugierde, Freude und Zweifel.
    „Mutter, Vater!“, rief ich überrascht. Meine Stimme klang in meinen Ohren schon sehr enthusiastisch, da wollte ich nicht wissen, wie sie sich in den Ohren meiner Eltern anhörte.
    „Ach Bella, Kind“, seufzte meine Mutter, dann trat sie auf mich zu und schloss mich ohne Vorwarnung fest in die Arme.
    Auch mein Vater trat neben mich und tätschelte mir unbeholfen meine rechte Schulter.
    „Er ist ein feiner junger Mann. Ich könnte keinen besseren für dich finden“, brummte er und ich strahlte ihn an.
    „Trotzdem“, sagte meine Mutter streng und löste sich von mir. Ich stöhnte innerlich auf. Was hatte sie denn nun schon wieder?
    „Den Antrag von Mike Newton wirst du gefälligst selbst ablehnen! Wir sind zwar deine Eltern und verantwortlich für dich, aber du musst diese Angelegenheit alleine regeln!“ Sie sah mich prüfend an und ich schluckte. Wie um alles in der Welt sollte ich einen Heiratsantrag höflich, aber bestimmt zurückweisen, ohne dabei die Gefühle des Mannes zu sehr zu verletzen? Ich würde nicht besonders geschickt darin sein, das wusste ich jetzt schon.
    Ergeben nickte ich. Meine Eltern hatten Edward schließlich akzeptiert, da konnte ich mich auch mal von meiner dankbaren und demütigen Seite zeigen.
    Meine Mutter seufzte laut auf. „Fein. Ich werde mich nun zurückziehen, immerhin habe ich die Hochzeit meiner Tochter zu planen! Und deren Verlobungsfeier, die in wenigen Tagen stattfinden wird“, sagte sie in einem Tonfall, der mir unmissverständlich klar machte, dass ich mich schämen sollte, ihr auf einen Schlag so viel Arbeit zu bescheren.
    „Verlobungsfeier?“, fragte ich erschrocken.
    „Was hast du denn gedacht?“ Sie sah mich an, als ob ich nicht ganz bei Trost wäre. „Meine Tochter verlobt sich und es gibt keine Feier? Die ganze Stadt soll sehen, welch hübsches Paar ihr doch seid und alle Mütter mit unverheirateten Töchtern sollen vor Neid erblassen!“, rief sie entzückt. Mein Vater rollte mit den Augen und ich musste mir ein Lachen verkneifen, als ich seinen Gesichtsausdruck aus dem Augenwinkel erspähte.  
    „Muss das wirklich sein?“, jammerte ich.
    Sie warf mir einen ihrer „Ich-bestehe-darauf-und-keine-Widerrede“- Blicke zu und ich verstummte augenblicklich. Dann rauschte sie schon aus dem Salon und ich war alleine mit meinem Vater.

    Er seufzte leise. „Weißt du, Isabella, ich war mir eigentlich nicht so sicher, was ich von Edward Masen halten soll. Aber du hattest recht, er ist wirklich ein ehrenwerter junger Mann. Ich habe noch keinen Mann in seinem Alter so vernünftig reden hören. Er hat mich sehr an seinen Vater erinnert“ Er lächelte mich vorsichtig an und ich erwiderte es ebenfalls zögernd. Zwischen mir und meinem Vater hatte es bis jetzt kaum Momente der emotionalen Nähe und Verbundenheit gegeben. Es machte mich etwas nervös, dass er auf einmal so vertrauensvoll mit mir umging.
    „Aber ich sehe immer noch das Problem, dass er dich nicht ernähren kann. In den ersten Jahren eurer Ehe werdet ihr wohl vollkommen abhängig von euren Eltern sein. Seine Eltern sind sehr wohl vermögend, sie zeigen es nur nicht in der Öffentlichkeit, also mach dir mal darum keine Gedanken. Und außerdem möchte Edward seinen Eltern nicht mehr als notwendig zur Last fallen, was ihn mir erneut sehr sympathisch macht“
    Er hielt kurz inne und ich starrte ihn erstaunt an. Ich konnte schwören, dass mein Vater noch nie so viel auf einmal geredet hatte.
    „Wir werden euch unterstützen, wo es nur geht. Das verspreche ich dir Bella. Mir ist es tausend Mal lieber, dass du jemanden heiratest, den du wirklich magst, auch wenn es dabei ein paar Schwierigkeiten geben sollte. Ich hätte es nicht ertragen, wenn du dich einer Ehe gefügt hättest, der du niemals freiwillig zugestimmt hättest!“
    Ich musste erneut schlucken. Es sah ihm überhaupt nicht ähnlich, so viele Gefühle in einen einzelnen Satz zu packen. Überwältigt von einer plötzlichen Welle der Zuneigung machte ich einen Schritt auf ihn zu und umarmte ihn fest.
    „Danke, Vater“, murmelte ich leise gegen seine Brust. Er umarmte mich beinahe beschützend und küsste mich auf meine Haare.
    „Mein kleines Mädchen“, seufzte er leise.
    In diesem Moment erkannte ich erleichtert, dass er letztendlich niemals einer Heirat mit Mike Newton zugestimmt hätte, wenn ich ihn darum gebeten hätte. Er war die ganze Zeit über insgeheim auf meiner Seite gewesen. Ich umarmte ihn nur noch fester. Er war mein geheimer Verbündeter – ein schöner Gedanke.
    „So, aber jetzt muss ich mich wieder an die Arbeit machen. Und ich denke, du musst einen Brief schreiben“, sagte er und klang plötzlich gar nicht mehr so emotional wie gerade eben.
    Ich löste mich von ihm und nickte nur. Er hatte Recht, ich musste mich um Mike Newton kümmern.
    „Ach ja, richte doch deinem Verlobten aus, dass er morgen sehr gerne mit seinen Eltern bei uns dinieren kann“, murmelte er undeutlich.
    Ich grinste. Mein Vater konnte sagen was er wollte, er war also doch neugierig auf die Eltern von Edward, selbst wenn er dessen Vater schon recht gut kannte.
    „Das werde ich“, antwortete ich schlicht. Er nickte mir noch einmal zu, dann ließ auch er mich allein im Salon.

    Eine Sekunde verging, dann raffte ich meinen Rock und rannte so schnell wie es mir möglich war in mein Zimmer. Dort angekommen packte ich mir mein Kissen und drückte es fest. Ich war so glücklich, ich hätte wirklich die ganze Welt umarmen können!
    „Ich heirate ihn!! Ich heirate ihn wirklich!“, rief ich und hüpfte wie ein kleines Kind aufgeregt im Kreis herum. Tränen des Glücks liefen mir über die Wangen, meine Haare, die sich aus der Frisur endgültig gelöst hatten, flatterten mir um mein Gesicht.
    Nicht mal der unangenehme Brief an Mike Newton konnte meine Freude trüben. Wen kümmerte schon ein abgewiesener Heiratsantrag?
    „Bella?“ Eine mir allzu vertraute Stimme riss mich aus meinem Freudentaumel und ich erstarrte erschrocken. Im Türrahmen stand meine Freundin Angela und musterte mich belustigt.
    „Himmel, Angela, hast du mich erschreckt!“, stammelte ich und fuhr mir verlegen durch die Haare.
    „Da ist aber jemand glücklich!“, lachte sie nur und kam grinsend auf mich zu. Sie umarmte mich fest und die nächste halbe Stunde verbrachte ich damit, ihr alles ganz genau zu erzählen. Angela strahlte mich die ganze Zeit an und ich empfand in diesem Moment so viel Zuneigung zu ihr – sie freute sich wirklich von ganzem Herzen für mich!
    Sie half mir, den Brief an Mike Newton zu verfassen und so wurde auch diese ungeliebte Aufgabe halbwegs erträglich für mich. Ich kann nicht leugnen, dass es mir sogar ein bisschen Spaß machte. Ich war mir zudem sicher, dass Mike ganz schnell über mich hinwegkommen würde, die nächsten Kandidatinnen standen ja schon in den Startlöchern.
    Außerdem erzählte Angela mir, dass das Abendessen mit Bens Familie sehr gut verlaufen war und dass Ben sie eingeladen hatte, am Sonntagnachmittag mit ihm spazieren zu gehen. Ihr Gesicht leuchtete, als sie mir diese Neuigkeit berichtete und ich freute mich von ganzen Herzen für sie. Ich wusste, wie sehr sie Ben mochte und war froh, dass nun etwas Bewegung in die Sache gekommen war.

    Der restliche Tag verlief im Gegensatz zum Vormittag sehr ruhig und als ich schließlich im Bett lag fiel ich beinahe sofort in einen tiefen Schlaf. Ich hatte nicht gemerkt, wie erschöpft ich war und wie dringend mein Körper Ruhe benötigte. Ich konnte mich allerdings nur wenige Sekunden über meine plötzliche Müdigkeit wundern, dann war ich bereits eingeschlafen. Ich träumte die ganze Nacht lang nur von Edward und von unserer gemeinsamen Zukunft, auf die ich mich sehr freute.
    Ich konnte nicht wissen, dass alles anders kommen sollte, als ich es mir vorgestellt hatte!
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 13 : Abendessen mit den Masens


    Der nächste Tag stand ganz im Zeichen der Abendgesellschaft mit den Eltern meines Verlobten. Meine Mutter ließ es sich nicht nehmen, mich den halben Vormittag wie ein Dienstmädchen herumzuscheuchen, damit ich ihr bei den Vorbereitungen half. Meiner Meinung nach konnte ich nicht mehr viel dazu beitragen, denn meine Mutter hatte offenbar die ganze Nacht wach gelegen und nicht nur ein nahezu perfektes Dinner konzipiert, mit dem sie die Masens sicher beeindrucken würde, sie hatte sich zudem drei verschiedene Tischdekorationen überlegt und mir schon eine passende Abendgarderobe zurechtlegen lassen. Ich muss zugeben, dass sie mir immer ein bisschen Angst machte, wenn sie wieder mal ihren Hang zum Perfektionismus auf diese Weise auslebte. Ich konnte es nicht fassen, wie jemand so planungs-fanatisch sein konnte. Wir hatten doch nicht umsonst so viele Angestellte, allein die Köchin hätte sicher selbst liebend gerne ein eigenes Menü geplant! Und ich hätte mir mein Kleid im Übrigen ebenfalls ohne Hilfe aussuchen können.
    Ich hielt meine Kritik zurück, da ich meiner Mutter immer noch unendlich dankbar war, dass sie Edward als meinen zukünftigen Ehemann akzeptiert hatte. Und zwar schneller, als ich es erwartet hätte. Sie hatte eigentlich nur eine Nacht damit verbracht, der Möglichkeit, dass Mike Newton ihr Schwiegersohn hätte werden können hinterher zu trauern. Fast empfand ich Mitleid mit ihm – meine Mutter war also auch nicht sonderlich begeistert von ihm gewesen, selbst wenn sie mir immer wieder von ihm vorgeschwärmt hatte. Manchmal begriff ich ihr Wesen einfach nicht!

    Am Mittag besuchte Edward mich kurz unter dem Vorwand, meinen Eltern für die Einladung zum Abendessen zu danken. Es war eine sehr verkrampfte halbe Stunde, denn meine Mutter ließ uns nicht eine Sekunde aus den Augen. Wir saßen beide im Salon und selbstverständlich nicht auf dem gleichen Sofa, so wie wir es am Vortag getan hatten. Er hatte auf einem Stuhl Platz genommen und ich musste in der Ecke sitzen und vorgeben, mit einer Stickarbeit beschäftigt zu sein, während meine Mutter den Hauptteil der Konversation übernahm. Ab und zu warf ich Edward einen entschuldigten Blick zu, doch jedes Mal, wenn ich in seine Augen sehen konnte, funkelten diese belustigt. Ihm schien das Verhalten meiner Mutter nicht sonderlich zu ärgern, im Gegenteil: Es machte eher den Eindruck, als fände er es überaus amüsant. Ich hingegen konnte über die Kommentare meiner Mutter nur leise seufzen und innerlich laut stöhnen. Ich betete inständig, dass sie sich an diesem Abend zurückhalten möge, damit sie die Masens nicht gleich vollkommen verschreckte. Doch selbst die unmöglichsten Themen konnten Edward nicht aus der Fassung bringen und jede seiner Antworten waren höflich formuliert, klangen galant und interessiert und selbst seine Mimik ließ nicht ein einziges Mal erkennen, ob er sich unwohl fühlte oder nicht. Ich konnte seine Gelassenheit nur bewundern und kam nicht umhin, ihn dafür zu beneiden. Wie machte er das bloß? Selbst ich, für die das Verhalten meiner Mutter nichts Neues war, hätte mich schon längst vergessen und mich zu einer unangebrachten Bemerkung hinreißen lassen. Ich hatte anscheinend noch viel zu lernen. Aber immerhin, wie es schien, einen sehr guten Lehrer...
    Ich musste mir ein Grinsen verkneifen und begnügte mich damit, Edward einen verschwörerischen Blick zuzuwerfen, als meine Mutter gerade nicht hinsah. Er erwiderte den Blick und sah mich mit einer solchen Intensität an, dass ich mich mit der Nadel in den Finger stach, da ich meiner Stickarbeit keine Aufmerksamkeit mehr schenken konnte.

    „Autsch!“, zischte ich leise und erschrocken, während ich meine pochende Fingerkuppe besorgt musterte.
    Ein feiner Blutfaden quoll aus der winzigen Wunde hervor und bahnte sich den Weg über meinen Finger. Ich musste schlucken und obwohl ich es besser wusste konnte ich meinen Blick nicht abwenden.
    Blut.
    Ich war einer der bemitleidenswerten Menschen, die beim Anblick von Blut ihr Bewusstsein mit nahezu absoluter Sicherheit verloren. Ich hatte nichts gegen die Farbe oder gegen die Konsistenz der Flüssigkeit. Nein, was mir zu schaffen machte, war der unerträgliche Geruch, den Blut an sich kleben hatte. Selbst diese winzige Konzentration reichte vollkommen aus um mich aus der Fassung zu bringen. Ich fühlte, wie kalter Schweiß meinen Nacken herab rann. Mein Korsett schnürte meinen Oberkörper unbarmherzig ein, als meine Atmung schneller und tiefer wurde. Der Raum begann sich zu drehen und mein Magen rebellierte in den Tiefen meines Oberkörpers. Zitternd und unkontrolliert erhob ich mich – ich wusste, mir würde nicht mehr viel Zeit bleiben, um mich in Sicherheit zu bringen. Innerhalb der nächsten fünf Sekunden würde ich wohl in Ohnmacht fallen oder mich vor den Augen meines Verlobten übergeben. Beide Aussichten erschienen alles andere als reizvoll.
    Meine Mutter, die das ganze Schauspiel von mir bereits kannte, verdrehte seufzend die Augen und erhob sich langsam, um zu mir zu gehen. Edward jedoch war viel schneller. Nur wenige Sekunden nachdem ich mich gestochen hatte stand er neben mir und musterte mich erschrocken. Mir fiel ein, dass ich bereits am Vortag in seiner Anwesenheit in Ohnmacht gefallen war. Er musste mich wirklich für ein schwaches Wesen halten.
    „Isabella!“, rief er besorgt und nahm meine verletzte Hand in seine. „Isabella, es ist alles in Ordnung, du hast dich doch nur gestochen. Das ist keine tödliche Wunde“, versicherte er mir. Trotz meines momentanen Zustandes gelang es mir, verächtlich zu schnauben. Glaubte er allen Ernstes, dass diese mickrige Wunde mich so in Angst versetzte?
    „Es ist nicht die Wunde“, krächzte ich heiser und atmete tief durch. Ein Fehler! Der Blutgeruch war immer noch da und er kam mir jetzt noch viel schlimmer vor. Stöhnend ließ ich mich auf die Knie sinken. Das Korsett schnitt mir unangenehm in die Seiten, aber das war mir egal. Ich sehnte mich so nach Erlösung.
    Edward stieß erschrocken meinen Namen aus, aber meine Kraft reichte nicht mehr aus um ihn zu beruhigen.
    „Machen Sie sich keine Sorgen Mr. Masen, es ist nur das Blut, das sie so aus der Fassung bringt“, sagte meine Mutter mit gleichgültiger Stimme. Ich hörte ein Quietschen und atmete erleichtert auf – sie öffnete wohl die Fenster.

    „Blut?“, hörte ich Edward verwirrt fragen. Ich hielt meine Augen immer noch geschlossen, aber ich bemerkte, dass es mir langsam aber sicher besser ging. Ein kühler Luftzug wehte mir angenehm um mein Gesicht und überdeckte den Blutgeruch. Plötzlich wurde ich hochgehoben. Erschrocken öffnete ich die Augen. Edward trug mich – mal wieder – zum Sofa und legte mich vorsichtig darauf nieder.
    „Meine Tochter hat so eine große Abneigung gegen menschliches Blut, dass sie beim bloßen Anblick schon in Ohnmacht fällt“, erklärte meine Mutter und klang beinahe etwas genervt.
    Ich stöhnte auf. Wie oft hatte ich ihr schon erklärt, dass mich lediglich der Geruch wahnsinnig machte? Edward würde mich nun vermutlich endgültig für verrückt erklären.
    „Interessant“, murmelte er und ich hätte schwören können, dass er es wahnsinnig komisch fand.
    „Ich würde vorschlagen, dass sich meine Tochter nun etwas zurückzieht, damit sie sich für heute Abend ausruhen kann“, sagte meine Mutter streng. Ich seufzte. Das war ein deutlicher Hinweis. Übersetzt hieß das so etwas wie „Mr. Masen, verschwinden sie jetzt endlich!“
    Auch Edward schien verstanden zu haben, denn er strich mir noch einmal kurz über meine Stirn, drückte mir einen Kuss auf meinen Handrücken und verabschiedete sich höflich von meiner Mutter.

    Als er gegangen war baute sich meine Mutter drohend vor mir auf. „Isabella, diese Theater ist wirklich schrecklich! Unternimm endlich etwas dagegen!“
    Ich nickte schwach, auch wenn ich wusste, dass ich wohl nie etwas dagegen unternehmen konnte, außer, ich entfernte meine Nase von meinem Gesicht. Allerdings musste ich gestehen, dass mir diese Option nicht sonderlich zusagte.
    „Ich werde mich bemühen Mutter“, krächzte ich heiser. Ich war ziemlich glücklich, dass ich nun wieder durchatmen konnte, ohne den ekelhaften Blutgeruch einatmen zu müssen.
    Langsam erhob ich mich und fasste mir an meine Stirn. Der Salon drehte sich immer noch ein wenig, aber es war erträglich. Meine Mutter packte mich unsanft am Arm und half mir, die ersten Schritte zu machen.
    „Ich kann es nicht glauben, dass du immer noch so sensibel darauf reagierst. Das war doch wirklich unnötig, findest du nicht? Du hast dich lediglich gestochen, was kann denn daran so schlimm sein?“, schimpfte sie weiter, während sie mich zu meinem Zimmer begleitete.
    „Und wie du jetzt aussiehst!! Wie willst du denn heute Abend einen guten Eindruck hinterlassen, wenn du beim kleinsten Anzeichen von Blut so blass wie eine Wasserleiche wirst? Und deine Haare!! Kind, so kann das nicht weitergehen!“
    Ich stöhnte laut auf, als sie sich immer noch nicht beruhigen wollte. Zum Glück kam Emily mir entgegen geeilt und meine Mutter übergab mich, immer noch grummelnd, ihrer Fürsorge, um sich selbst für den Abend vorzubereiten. Emily konnte über meine Ohnmachtsanfälle nur seufzen, schaffte es aber trotzdem, dass ich pünktlich zum Abendessen wieder völlig normal aussah.

    Ich war sehr aufgeregt, als unsere Hausmagd uns das Eintreffen der Masens verkündete. Ich hatte Edwards Mutter zwar am Ballabend kennen gelernt, aber würde sie mich immer noch mögen, jetzt, da ich die Verlobte ihres Sohnes war? Wohlgemerkt, ihres einzigen Sohnes. Ich wusste, dass Mütter eine starke Bindung zu ihren Söhnen hatten und jede junge Dame, die im Begriff war, das Herz ihres heiß geliebten Kindes zu stehlen mit Misstrauen und Ablehnung begegneten. Ich hoffte sehr, dass ich einen halbwegs guten Eindruck hinterlassen hatte und sie mich als würdig genug ansah, die zukünftige Frau ihres Sohnes zu werden.
    Meine Mutter hatte mich quasi dazu gezwungen, ein sehr aufwändiges Kleid anzuziehen. Es war tiefblau und mit vielen Stickereien am Halsausschnitt verziert. Die Ärmel waren mit hellblauen Chiffon untersetzt, ebenso wie die leichte Schleppe des Rockes. Meine Haare waren von Emily sehr kunstvoll hochgesteckt worden. Ich musste mich richtig zwingen, nicht ständig hineinzufassen, denn die Haarnadeln pieksten fürchterlich. Natürlich hatte meine Mutter ebenfalls darauf bestanden, dass ich meinen teuersten und edelsten Schmuck tragen sollte, auch wenn ich der Meinung war, dass ich damit viel zu schick aussah. Meine Einwände wollte sie jedoch natürlich nicht hören. Edwards Eltern würden wahrscheinlich glauben, ich sei ein verwöhntes Ding, das sich lediglich für Äußerlichkeiten interessierte.
    Überraschenderweise fiel sämtliche Nervosität von mir ab, als die Masens dann endlich angekommen waren und sich mit mir und meinen Eltern unterhielten.

    Meiner Meinung nach war jedes Mitglied dieser Familie wunderschön, und obwohl ich genau wusste, welche Wirkung die Masens auf mich hatten, war ich wieder einmal vollkommen eingenommen von ihrem ganzen Auftreten. Sogar mein Vater, der sonst kaum zu beeindrucken war, schien sichtlich überfordert. Edwards Vater, Mr. Masen, begrüßte meinen Vater wie einen alten Freund und es freute mich sehr zu sehen, wie höflich beide miteinander umgingen. Mrs. Masen war so eine reizende Person, dass sie es schaffte, die angespannte Stimmung innerhalb von Sekunden zu lockern. Sämtliche kühle Höflichkeit fiel von meiner Mutter ab und nach wenigen Minuten kam sie mir wie ein anderer Mensch vor. Ich war wirklich sehr glücklich darüber. Immerhin würde ich bald in diese Familie einheiraten und ich hoffte doch sehr, dass sich meine Eltern mit meinen zukünftigen Schwiegereltern verstehen würden.
    Edward war wie immer so einnehmend, dass ich mir bei ihm gar keine Sorgen machte. Mein Vater schien ganz begeistert von ihm zu sein, denn er klopfte ihm immer wieder auf die Schulter oder lachte laut auf, wenn Edward etwas besonders Witziges von sich gegeben hatte. Und meine Mutter lächelte ihn die ganze Zeit verzückt an. Ich konnte mir ein leises Schnauben nicht verkneifen – wie oft hatten sie mir vorgehalten, Edward sei nicht die richtige Partie für mich? Und jetzt behandelten sie ihn so, als gehörte er schon zur Familie. Manchmal verstand ich meine Eltern einfach nicht.
    Beim Dinner ging die fröhliche Unterhaltung weiter und zu meiner Erleichterung blieb die Atmosphäre so locker und entspannt wie zu Beginn.
    Edwards Mutter war genauso reizend und zuvorkommend zu mir wie vor meiner Verlobung mit ihrem Sohn. Ich hatte mir wie immer völlig grundlos Sorgen gemacht und war selbst erstaunt, wie leicht es mir fiel, mit ihr Konversation zu führen. Mrs. Masen überbrückte jede noch so kleine Gesprächspause mit einem interessanten Themenwechsel, sodass das Gespräch nie einschlief. Mir entging nicht, dass Edward, der mir gegenüber saß, ebenfalls nervös mitverfolgte, wie ich mit seiner Mutter zu Recht kam. Nach einer Weile

  • Escape to EternityDatum12.03.2009 18:49
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Escape to Eternity

    Kapitel 8: Unerwartete Wendungen



    Die nächsten Tage kamen mir vor wie ein wundervoller Traum. Edward und ich trafen uns jetzt jeden Nachmittag im Park, in `unserer´ Ecke, wie Edward es liebevoll ausdrückte. Die Treffen waren jedoch alle harmlos, da wir gemeinsam auf der kleinen Bank oder in der Wiese saßen und uns unterhielten. Meistens sprachen wir von unserem Leben oder unseren Träumen, Hoffnungen und Zukunftsvorstellungen. Ich war von seinem Charakter wirklich beeindruckt – ich hätte nie gedacht, dass ich jemals einen jungen Mann treffen würde, der weder am Krieg, noch an der Armee, noch an gierigen Geldgeschäften interessiert sein würde. Edward war so anders als alle anderen Männer in seinem Alter, die ich bis jetzt kennen gelernt hatte. Mit jeder Sekunde, die ich in seiner Gegenwart verbrachte verliebte ich mich mehr in ihn. Nicht nur sein Aussehen war perfekt, auch an seinem Charakter konnte ich keinen Fehler feststellen. Zumindest keinen gravierenden.

    Aber auch Edward fragte mich neugierig aus und so offenbarte ich ihm mehr, als mir anfangs lieb gewesen war. Dennoch schien ihm diese Tatsache nichts auszumachen, im Gegenteil, mir kam es so vor, als bestärkten ihn meine Antworten in seinem Glauben, dass ich seine Aufmerksamkeit auch verdiente. Und außerdem bestätigte er mir oft genug, wie sehr ihn dies oder jenes erstaunte und erfreute.
    Diese wundervollen Treffen hatten einen einzigen Haken, der mich jedes Mal aufs Neue wütend machte – sie waren allesamt viel zu kurz. Um nicht zu viel Verdacht auf uns zu lenken bemühten wir uns, die Zeit möglichst knapp zu halten und auch den Zeitpunkt ständig zu ändern. Wir beide wussten, dass es leider  nicht so alltäglich war, das sich eine junge unverheiratete Frau regelmäßig mit einem unverheirateten Mann traf. Alleine, mitten im Park. Selbst wenn sich die Zeiten, laut Angela, änderten, hier war diese Veränderung noch nicht angelangt. Meine Begeisterung für Edward wuchs noch mehr, als er Verständnis für meine angespannte Lage zeigte und mit einer geradezu diebischen Freude unsere geheimen Treffen plante.

    Als ich wieder mal nach einem unserer Treffen auf dem Nachhauseweg war fragte ich mich, wie es nun mit uns beiden weitergehen sollte. Ich kannte Edward noch nicht sehr lange, höchstens zwei, oder drei Wochen. Aber trotzdem hatte ich das merkwürdige Gefühl, ihn schon mein ganzes Leben lang zu kennen. Sein Charakter war mir nicht mehr verborgen, er hatte mir so viel Persönliches von sich preisgegeben, dass es schon bedenklich wäre, wenn ich immer noch nichts mit seinem Wesen anfangen könnte.
    Oh nein, da war ich mir sicher: Ich war nicht nur in ihn verliebt, ich liebte ihn. Ich wusste, wer er war. Und ich wusste auch, dass ich mir meine Zukunft mit keinem anderen Mann an meiner Seite vorstellen konnte als mit Edward.
    „Bella Mason“, murmelte ich verträumt vor mich hin. Das klang doch gar nicht mal so übel!
    In diesem Moment überschritt ich die Türschwelle zu unserem Haus. Hätte ich gewusst, was mich dort erwarten würde, ich schwöre, ich wäre auf der Stelle umgedreht und weit weg gelaufen!

    Nach dem Abendessen, das wieder einmal sehr schweigsam verlaufen war, hatten sich meine Eltern in unseren Salon zurückgezogen. Da mir meine Mutter mein unhöfliches Verhalten am Abend nach dem Frühjahrsball immer noch nicht verziehen hatte, beschloss ich seufzend, mich ihnen anzuschließen. Sie warf mir in letzter Zeit nämlich ständig vor, dass ich mich zurückziehen würde.
    Mein Vater war in die Zeitung versunken, während meine Mutter gedankenverloren ein kleines Tuch bestickte. Ich saß auf einem Sessel und las eins meiner Lieblingsbücher. Allerdings fiel es mir schwer mich  darauf zu konzentrieren, da ich ständig an Edward und an unsere Unterhaltung heute Nachmittag denken musste. Wir hatten uns darauf geeinigt, nachdem wir beide erkannt hatten, dass wir einfach nicht geschaffen waren für diese strengen gesellschaftlichen Konventionen, uns nicht mehr länger zu siezen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl gewesen, als Edward mich so vertraut angesprochen hatte. Selbst jetzt konnte ich die Schmetterlinge, die den ganzen Nachmittag über in meinem Bauch  getobt hatten, noch deutlich spüren.

    „Das ist doch nicht zu fassen“, brummte mein Vater plötzlich mürrisch und ließ die Zeitung geräuschvoll auf seinen Schoss sinken.
    Erschrocken sah ich ihn an – er verlor nur sehr selten die Geduld. Es musste schon etwas Schlimmes passiert sein.
    „Was ist los, Charlie?“, fragte meine Mutter teilnahmslos, während sie sich immer noch mit ihrem Tuch beschäftigte.
    „Diese verfluchte spanische Grippe, das ist los“, antwortete mein Vater. Ich war besorgt, denn in meiner Gegenwart fluchte er eigentlich nie.
    Nun war auch meine Mutter nicht mehr so ruhig.
    „Die spanische Grippe?“, flüsterte sie entsetzt.
    Ich erschauderte selbst bei dem Gedanken an diese Krankheit. Mit dem Krieg waren die ersten Wellen in Europa ausgebrochen und hunderte von Menschen waren sofort gestorben. Es begann ganz harmlos, wie eine Erkältung. Nur dass das hohe Fieber einem sämtliche Energie raubte und der Körper nicht mehr die leiseste Chance hatte, sich gegen die Krankheit zu wehren. Man starb unter qualvollen Schmerzen und besonders gesunde und junge Menschen konnten diesem Tod meistens nicht entgehen.
    Bislang war Nordamerika weitgehend davon verschont geblieben und ich dankte Gott jeden Tag dafür. Nicht auszudenken, was hier los wäre, würde die Krankheit auch in Chicago ausbrechen.
    „Es sind einige Krankheitsfälle an der Ostküste aufgetaucht“, berichtete mein Vater und riss mich somit aus meinen Gedanken. „Und wie es aussieht verbreitet sich die Krankheit wahnsinnig schnell“
    Meine Mutter sah ihn besorgt an. „Glaubst du, Chicago wird auch davon betroffen sein?“
    „Ich hoffe nicht. Ausschließen kann man es aber nicht. Wir sollten beten, dass uns dieses Schicksal erspart bleibt“, antwortete er düster.
    Ich sah meine Eltern entsetzt an. Normalerweise bemühten sie sich wenigstens, ihre Furcht zu verbergen. Aber dieses Mal kam ich in den Geschmack von zwei besorgten Gesichtern, die ehrliche Angst widerspiegelten.

    Meine Mutter räusperte sich schließlich und faltete ihr kleines Tuch zusammen.
    „Wir sollten vor dem Kind nicht über solche Dinge sprechen“, meinte sie und klang nun wieder ganz nach meiner Mutter.
    „Ich bin kein Kind mehr“, grummelte ich beleidigt und wandte mich wieder meinem Buch zu.
    Mein Vater seufzte, aber meine Mutter schien auf diesen Kommentar nur gewartet zu haben. Sie strahlte mich plötzlich regelrecht an und alles in ihrem Gesicht deutete darauf hin, dass sie es gar nicht mehr erwarten konnte, mir eine wichtige Neuigkeit mitzuteilen.
    Mir fiel auf, dass sich mein Vater in seinem Sitz versteifte und mich wachsam musterte. Ich schluckte. Was war denn nun schon wieder los?
    „Du hast Recht, Isabella. Du bist bei weitem kein Kind mehr“, sagte sie und lächelte mich mütterlich an. „Nein, mein Schatz, diese Zeiten sind nun vorbei“
    „Mutter?“, fragte ich zögernd. Sie jedoch lächelte unentwegt weiter.
    „Ich habe eine Mitteilung für dich, die dir sicher gefallen wird. Ich bin absolut überzeugt, dass du nicht davon überrascht sein wirst, aber ich hoffe natürlich trotzdem, dass du dich ein wenig darüber freuen kannst. So einen Triumph erzielt man nicht alle Tage“
    „Ich weiß nicht, wovon du redest“, gestand ich verwirrt. Ich wusste es wirklich nicht. Meistens konnte ich ja wenigstens ahnen, worum es ging, aber hier war selbst mein Verstand so gut wie am Ende.
    „Oh Bella!“, rief sie entzückt und sprang auf einmal auf. Ich war ziemlich erschrocken von dieser plötzlichen Aktivität und vor allem von der Tatsache, dass sie mich Bella genannt hatte. Das hatte sie zum letzten Mal vor gut dreizehn Jahren gemacht.

    „Vorhin, als du mal wieder nicht hier warst, ist Mike Newton vorbeigekommen!“, sagte sie und ihre Stimme überschlug sich fast dabei.
    „Mike Newton?“, krächzte ich erschrocken.
    Sie strahlte meinen Vater an, der ihr Lächeln nicht mal mehr halbherzig erwiderte und fuhr begeistert fort.
    „Er war zwar etwas enttäuscht, dass du nicht anwesend warst, dafür konnte er mit mir und deinem Vater ungestört sprechen. Und, du wirst es nicht glauben, aber er hat um deine Hand angehalten!!“ Die letzten Worte hatte sie praktisch geschrieen.
    „Und was habt ihr gesagt?“, wollte ich wissen. Mir wurde schlagartig übel, als ich das triumphierende Grinsen meiner Mutter sah. Es lag auf der Hand, was sie geantwortet hatte.
    „Nun, wir stimmen dem natürlich zu. Aber selbstverständlich musst du ihm persönlich noch deine Antwort geben!“, meinte sie lächelnd.

    Für einen Augenblick saß ich mit versteinertem Gesicht auf meinem Stuhl und starrte meine Mutter geschockt an. Ich benötigte einige Sekunden, bis ich die volle Bedeutung ihrer Worte erfasst hatte.
    Und dann wurde ich schlagartig wütend. Mein Herz begann wie wild zu rasen und mein Blut rauschte in meinem Kopf, als ich mich langsam erhob und meine Eltern vorwurfsvoll ansah. Ich konnte kaum klar denken, Zorn und Wut verschleierten meinen Blick.
    „Was?“, fragte ich, immer noch bemüht, meine Stimme unter Kontrolle zu halten.
    Meine Mutter sah mich zweifelnd an. Offenbar hatte sie erkannt, dass ihre Neuigkeiten mich keineswegs freuten.
    „Bella, Liebes, komm setz dich noch einmal hin. Ich kann mir gut vorstellen, dass das alles ein bisschen viel für dich ist“, meinte sie mit zitternder Stimme und kam langsam auf mich zu. Ich musste ein wirklich Furcht erregendes Bild abgeben.
    „Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist“, zischte ich.
    „Ich habe dir gleich gesagt, Renée, dass du es dem Kind anders beibringen solltest“, meldete sich mein Vater zu Wort, der wieder in seine Zeitung versunken war.
    Meine Mutter strich mir beruhigend über meinen Arm, den ich daraufhin schnell wegzog.
    „Fass mich nicht an!“, rief ich wütend und funkelte sie weiterhin an. „Ich kann es einfach nicht glauben! Ihr habt hinter meinem Rücken eine Ehe arrangiert?!“
    „Isabella!“, sagte meine Mutter streng. „Du solltest mir eigentlich dankbar sein!“
    Angewidert starrte ich sie an. Sie glaubte anscheinend tatsächlich, sie hatte mir einen Gefallen getan.
    „Denkst du wirklich, dass ich ihn heiraten will? Nachdem ich euch tagelang erzählt habe, wie abstoßend ich ihn finde und dass ich nicht mit ihm zusammen sein möchte?“ Hilfe suchend glitt mein Blick zu meinen Vater, der unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her rutschte.
    „Isabella“, murmelte er leise. „Kind, es ist doch nur zu deinem Besten“
    „Dein Vater hat recht!“, rief meine Mutter. Sie war nun ganz und gar nicht mehr so zufrieden mit mir wie noch vor einigen Minuten. „Hör auf dich so zu benehmen und setz dich wieder hin!“
    „Ich bin überhaupt nicht glücklich mit eurem Vorgehen!“, sagte ich scharf und schüttelte enttäuscht den Kopf.
    „Ach ja? Nenn mir einen guten Grund, Isabella, wieso dir diese Ehe nicht gefällt! Du bist gut versorgt, du hast einen aufmerksamen Ehemann, der dich achtet und respektiert und du wirst dir um nichts mehr Gedanken machen müssen!“, sagte meine Mutter. Von der ganzen Aufregung bekam sie schon ganz rote Flecken an ihrem Hals.
    „Ich hasse Mike Newton! Ich würde lieber sterben als mit ihm verheiratet zu sein!“, stieß ich hervor. Ich gebe zu, dass ich etwas übertrieb. Aber ich war einfach so wütend.
    Meine Mutter lachte abschätzend. „Und was schwebt dir dann so vor? Was willst du mit deiner Zukunft schon anstellen?“
    „Ich werde ganz gewiss nicht diesen Mann heiraten“, antwortete ich trotzig.
    Nun schaltete sich mein Vater wieder ein. „Isabella, kann es sein, dass es da noch etwas gibt, das du uns noch nicht erzählt hast?“, fragte er leise.

    Ich schluckte. Er sah mich mit einem wissenden Blick an und in diesem Moment wurde mir bewusst, dass er sehr wohl wusste, was sich zwischen mir und Edward entwickelt hatte.
    „Isabella?“ Der Blick meiner Mutter durchbohrte mich beinahe.
    Ich seufzte leise. Meine Wut war auf einmal verraucht und hatte einem anderen Gefühl Platz gemacht: Hoffnungslosigkeit.
    „Ich liebe Mike Newton nicht“, sagte ich schwach.
    „Du weißt doch gar nicht, was Liebe ist!“, rief meine Mutter verächtlich. „Du hast einfach zu viele romantische Bücher gelesen und glaubst daher, dass dieses Gefühl für eine Ehe notwendig ist“
    „Doch, ich weiß was Liebe ist“, murmelte ich.
    Meine Mutter hielt entsetzt die Luft an. „Was?“
    War dies nun der Moment der Wahrheit? Ich wusste es nicht, entschied mich aber dennoch, die Karten auf den Tisch zu legen.
    „Ich kann Mike nicht heiraten, weil ich jemand anderes liebe“, sagte ich mit fester Stimme. Es fühlte sich merkwürdigerweise sehr gut an, das zuzugeben.
    „Es ist dieser Edward Mason, nicht wahr?“, hauchte meine Mutter.
    Ich nickte nur. Die Antwort stand sicher viel zu offensichtlich in mein Gesicht geschrieben.

    „Oh Isabella“, seufzte sie. „Er ist sicher ein netter junger Mann. Aber abgesehen davon, was kann er dir schon bieten?“
    Ich schnappte entsetzt nach Luft. „Das ist mir egal, das weißt du doch!“
    „Habe ich dir denn nichts beigebracht?“, rief sie plötzlich wütend. „Wie soll er dich ernähren, wie soll er für euer Leben aufkommen? Er hat keinen Beruf und seine Familie ist nicht gerade sonderlich vermögend! Und leider ist beides eine wichtige Voraussetzung für ein gutes Leben!“ Schwer atmend sah sie mich an.
    Ich war sprachlos. So hatte ich die Sache noch nie betrachtet. Und ich würde sie auch weiterhin ganz anders sehen als meine Mutter.
    „Ich kann mich einschränken“, gab ich zur Antwort.
    „Hör doch auf! Selbst wenn, nach ein paar Jahren wird es dich furchtbar stören. Und ich will nicht, dass meine Tochter einen mittellosen Mann heiratet!“
    „Mutter, so aussichtslos ist die Lage nicht! Er sagte erst neulich zu mir, dass er Medizin studieren möchte um Arzt zu werden. Und du weißt, dass Ärzte reich sind, oder? Schau dir doch Dr. Cullen an!“ entgegnete ich wütend.
    Meine Mutter schnaubte nur verächtlich. „Wie lange wird es dauern, bis er seinen Beruf ausüben kann? Und bis er genug Geld verdient, um euch beide zu ernähren? Sei doch bitte etwas realistischer!“
    Ich knurrte leise. „Vater, sag doch auch etwas“

    Er seufzte nur und faltete seine Zeitung zusammen. „Deine Mutter hat leider Recht, Bella. Du kannst Mr. Mason nicht heiraten, er kann euch beide einfach nicht ernähren. Aber ich verstehe auch, weswegen du Mike Newton nicht heiraten möchtest“
    „Was vollkommen töricht ist!“, rief meine Mutter zornig. „Er ist einfach die bessere Partie für dich Isabella!“
    „Es gibt nur einen Menschen auf dieser Welt, den ich heiraten werde und das ist Edward!“, schrie ich und stapfte mit dem Fuß auf den Boden auf.
    Meine Mutter schüttelte angesichts meines Benehmens entsetzt den Kopf.
    „Ich will nicht wissen, wie nahe ihr beiden euch schon gekommen seid!“, sagte sie und sah äußerst besorgt auf.
    „Überhaupt nicht! Ich habe mich lediglich mit ihm unterhalten“, antwortete ich trotzig.
    „Und woher willst du dann wissen, dass er genauso für dich empfindet wie du für ihn?“
    „Er hat es mehr als deutlich gemacht“
    „Hat er dir etwa einen Heiratsantrag gemacht?“
    Ich stockte. Das hatte er leider noch nicht getan. Aber ich war mir  sicher, dass er bald folgen würde. Jedenfalls hoffte ich es.
    Meine Mutter bemerkte meine nachdenkliche Miene und gab ein triumphierendes Seufzen von sich.
    „Siehst du? Er spielt lediglich mit dir“, sagte sie gehässig.
    „Er liebt mich!“, fauchte ich. „Und ich liebe ihn!“
    „Das reicht jetzt Isabella“, sagte mein Vater ruhig, aber bestimmt. „Geh jetzt auf dein Zimmer und beruhige dich. Wir werden morgen darüber reden“
    Ich nickte stumm. Ohne beide noch eines letzten Blickes zu würdigen drehte ich mich um und stürmte aus dem Zimmer. Ich wollte nur noch weg!

    Mit Tränen in den Augen eilte ich durch die Straßen Chicagos. Mir war es egal, dass es schon Abend war, mir war auch egal, dass ich alleine war – ich musste mit Angela sprechen. Sie war die einzige, die mir in dieser Lage noch helfen konnte.
    Das war so ungerecht – wie konnten meine Eltern mich nur so enttäuschen? Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass sie trotz meiner Einwände auf einer Verbindung mit Mike Newton bestehen würden. Ich wusste, dass meine Mutter es gerne sehen würde, aber das hieß doch noch lange nicht, dass sie es einfach für mich entscheiden konnte!
    Ein paar Mal stolperte ich über den Saum meines Rockes und wäre beinahe hingefallen, aber dieses Mal war mir das ziemlich egal. Ich scherte mich nicht darum, wer mich alles in diesem Zustand sah. Das einzige, was mich im Moment beschäftigte war die Tatsache, dass mir meine Eltern quasi verboten hatten, Edward zu heiraten.
    Und, dass mich Edward bislang noch nicht gefragt hatte, ob ich seine Frau werden wollte. Vielleicht machte ich mir in dieser Hinsicht ja auch etwas vor? Vielleicht liebte er mich nicht genug um mich heiraten zu wollen?

    Ich blieb langsam stehen und bemühte mich um Fassung. Mein Atem ging viel zu schnell und die Tränen verschleierten meine Sicht. Ich fühlte mich schrecklich und wollte zu allem Überfluss nicht auch noch mitten auf der Straße umkippen.
    Zu meinem Erstaunen bemerkte ich, dass ich gar nicht zu Angelas Haus gelaufen war. Ich stand in einer mir kaum vertrauten Straße unseres Viertels und war für einen Augenblick sogar von meinem Kummer abgelenkt, da ich mich nicht orientieren konnte.
    Großartig, jetzt hatte ich mich auch noch verlaufen. Es wurde immer besser.
    Und jetzt fiel mir schlagartig auf, dass es schon stockfinster war, dass sich keine Menschenseele mehr auf der Straße herumtrieb und dass ich mutterseelenallein, ohne Jacke und frierend hier herumstand. Ich schluckte. Wie konnte ich nur so dumm sein und einfach kopflos mein Haus verlassen? Ich war ein wundervolles Ziel für jeden Straßenräuber.
    Mein Herz begann zu rasen, als ich mich langsam wieder umdrehte und in die Richtung zurücklief, aus der ich gekommen war – oder von der ich es zumindest annahm. Ich hatte die ganze Strecke bis hierher ohne Schwierigkeiten geschafft, da würde ich doch auch den Rückweg überleben. Hoffentlich.

    Ich zuckte zutiefst erschrocken zusammen, als ich ein Geräusch hörte, das ganz nach einer Holztür klang, die langsam geöffnet würde. Irgendein Bewohner der Häuser dieser Straße kam langsam auf die Straße gelaufen, ich konnte seine Schritte hören. Ich machte mich darauf gefasst wegzulaufen, doch ehe ich mich überhaupt bewegen konnte hatte mir der Unbekannte schon eine Hand auf meinen Arm gelegt und hielt mich fest.
    Ich keuchte erschrocken auf, zu gelähmt und laut zu schreien und verabschiedete mich innerlich von dieser Welt.
    Doch die Stimme des Unbekannten sorgte dafür, dass sich meine Gefühle innerhalb einer Sekunde drastisch veränderten. Blanke Angst verwandelte sich in tiefe Dankbarkeit.
    „Bella! Was um Himmels Willen tust du hier?“
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 9: Rettung



    Mein ganzer Körper entspannte sich augenblicklich. Ich atmete erleichtert aus und konnte nicht verhindern, dass Tränen über meine Wangen strömten. Hier stand er nun, im matten Licht einer Straßenlaterne – so nah und doch so unerreichbar für mich. Ich schluchzte leise auf, während er mich so besorgt musterte, dass ich mich beinahe dafür schämte, ihm einen solchen Kummer zu bereiten.
    „Bella, was ist passiert?“, fragte er leise und nahm ganz langsam meine Hände in seine. Die Wärme seines Körpers erreichte meine mittlerweile kühle Haut und sogleich fühlte ich mich besser.
    „Edward“, schniefte ich und sah beschämt zu Boden. Ich hatte noch nie in Anwesenheit einer anderen Person die Kontrolle über mich verloren. Was er nun wohl von mir denken mochte?

    Doch anstatt mich zurechtzuweisen oder von mir zurückzuschrecken machte er noch einen Schritt auf mich zu und nahm mich vorsichtig in den Arm. Ich war zunächst zu erstarrt um reagieren zu können, doch als ich mir ganz langsam der plötzlichen Nähe seines Körpers bewusst wurde ließ ich es zu, dass er mich noch fester an sich zog und seine Arme liebevoll um mich schlang. Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust und atmete tief den Geruch seines Oberkörpers ein. Mir war es egal, dass ich gerade ziemlich aufgelöst war – dieses neue Gefühl der Nähe und Geborgenheit war einfach unbeschreiblich.
    Edward strich mir unendlich langsam über meinen Rücken und redete beruhigend auf mich ein. Ich entspannte mich mehr und mehr in seiner Umarmung und schaffte es schließlich, meine Arme um seinen Oberkörper zu schlingen. Er vergrub sein Gesicht in meinen Haaren und atmete ebenfalls tief ein und aus. Ich genoss jede Sekunde dieses Augenblicks und fühlte mich wie im Himmel.
    Schließlich schob mich Edward ein wenig von sich, damit er mir ins Gesicht schauen konnte. Allerdings ließ er mich nicht los, wie ich zufrieden feststellte.

    „Bitte sag mir, was passiert ist“, bat er leise.
    „Edward, meine Eltern... sie...“, begann ich und schluckte. Die nächsten Tränen sammelten sich in meinen Augen und drohten schon wieder überzulaufen.
    „Was?“, fragte er und sah mich beunruhigt an.
    „Mike Newton hat bei ihnen um meine Hand angehalten und sie haben zugestimmt“, sagte ich niedergeschlagen.
    Edward knurrte leise und verstärkte seine Umarmung, es hatte fast den Anschein, als ob er mich niemals jemand anderem überlassen wollte.
    „Was fällt diesem Newton eigentlich ein“, zischte er wütend und biss die Zähne zusammen.
    „Allerdings hat er noch nicht meine Antwort erhalten“, erinnerte ich ihn vorsichtig. Edward so wütend zu sehen war wirklich unheimlich.
    „Und, was hast du vor zu antworten?“, fragte er und sah plötzlich verunsichert aus. Ich schnaubte leise. Glaubte Edward wirklich, dass ich Mikes Antrag zustimmen würde?
    „Nein natürlich“, gab ich ein wenig beleidigt zur Antwort.
    Edward lächelte mich entschuldigend an. „Sei mir nicht böse, Bella“, flüsterte er leise und küsste mich auf die Stirn. „Ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen, dass es auch andere Männer gibt, die dich begehren“
    Augenblicklich wurde ich rot, als er von `begehren´ sprach. So deutlich hatte er seine Gefühle bislang noch nicht in Worte gefasst.
    Er seufzte leise. „Ich hatte schon befürchtet, dass er dir bald einen Antrag macht“
    Überrascht sah ich ihn an. „Wieso?“
    Er rollte nur mit den Augen. „Bella, sei nicht albern. Die halbe Stadt redet mittlerweile von nichts anderem mehr. Ihr beide seid das Paar schlechthin“
    Ich schnaubte wütend. „Das ist doch lächerlich. Seit dem Frühjahrsball habe ich kein einziges Wort mehr mit ihm gesprochen!“
    „Du hast deine Zeit wohl mit jemand anderem verbracht“, murmelte Edward und grinste mich frech an. Obwohl ich gerade ziemlich wütend und aufgelöst zugleich war musste ich leise kichern. Er schaffte es doch immer wieder, mich etwas aufzumuntern.
    „Oh Edward“, seufzte ich leise und ließ meinen Kopf wieder an seine Brust sinken. Ich musste verrückt sein – zu dieser späten Stunde hatte eine junge Dame auf der Straße nichts mehr verloren, erst recht nicht in den Armen eines unverheirateten Mannes!

    „Wie kommt es eigentlich, dass wir uns hier getroffen haben?“, fragte ich nach einer Weile. Meine Neugierde war ehrlich. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich ausgerechnet an einem Haus vorbei gerannt war, in dem sich Edward Mason gerade aufgehalten hatte.
    Er lachte leise. „Das kommt daher, dass du geradewegs an meinem Haus vorbei gehastet bist. Ich war selbst gerade dabei, das Haus zu verlassen und habe dich vom Fenster aus gesehen. Nun, und da du wirklich sehr aufgelöst gewirkt hast bin ich dir sofort hinterher“
    Ich schmiegte mich noch fester an ihn, als ich seine Worte hörte. Ich musste zugeben, dass ich ziemlich geschmeichelt war über sein eindeutiges Interesse.
    „Wohin wolltest du denn gehen?“, flüsterte ich leise, um mich von meiner eigenen Verlegenheit abzulenken.
    Plötzlich erstarrte Edward und seine Stimme klang eiskalt, als er mir antwortete. „Ich wollte einfach weg“
    Erschrocken löste ich mich von ihm und sah in sein Gesicht, das mir auf einmal merkwürdig fremd erschien. Mit einem tödlichen Gesichtsausdruck starrte er in die Ferne, sein Kiefer war fest zusammengepresst.
    „Edward, was ist passiert?“, hauchte ich bestürzt.
    Er lächelte mich traurig an. „Auch ich hatte einen Streit mit meinem Vater“
    „Worum ging es?“ Ich konnte mich nicht bremsen – er sah so verletzt aus, dass ich es einfach wissen musste.
    „Er will, dass ich, sobald ich achtzehn geworden bin, der Armee beitrete und in den Krieg ziehe“, sagte er kalt.

    Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriffen hatte, was er da sagte.
    „Nein!“, keuchte ich entsetzt. Edward sollte im Krieg kämpfen? Allein die Vorstellung bereitete mir körperliche Schmerzen. Wenn ich nur daran dachte, was ihm alles zustoßen konnte... Dass ich ihn vielleicht nie mehr wieder sehen würde... Mir blieb die Luft weg. Mühsam rang ich nach Atem. „Bella, beruhige dich bitte!“, flüsterte er erschrocken, als er meinen hysterischen Anfall bemerkte. Ich schüttelte nur den Kopf.
    Er nahm mich wieder fest in die Arme und wiegte mich sacht hin und her.
    „Bella, warte doch, das ist nicht die ganze Geschichte“, flüsterte er mir in mein Ohr.
    „Tut mir leid“, murmelte ich, als ich mich wieder etwas gefangen hatte. „Es ist nur... Ich könnte es nicht ertragen, wenn du in den Krieg ziehst“
    Er schaute mir liebevoll in die Augen und drückte einen sanften Kuss auf meine Stirn.
    „Ich habe meinem Vater gesagt, dass ich das nicht will. Er weiß von meinen Plänen und heißt sie überhaupt nicht gut, aber das ist mir egal. Ich möchte nicht im Krieg mitkämpfen, ich möchte nicht auf dem Schlachtfeld sterben“, flüsterte er eindringlich. Er schloss seine Augen und atmete ein paar Mal tief durch. Ich musste schlucken bei diesem Anblick – er sah so niedergeschlagen aus! Langsam hob ich meine Hand und strich ihm vorsichtig über seine rechte Wange. Ich hatte bis dahin noch nie sein Gesicht berührt. Auch wenn der Grund ein eher trauriger war, genoss ich es sehr.

    „Was wirst du jetzt tun?“, fragte ich beklommen.
    Er öffnete seine Augen. Sie blitzen vor Kampfgeist und Tatendrang. „Ich werde dem Wunsch meines Vaters nicht nachkommen. Ich bin nicht geschaffen für einen Krieg und ich werde mich dem weiterhin widersetzen“, sagte er beinahe trotzig.
    Ich lächelte etwas. Jetzt sah er fast so aus wie ein kleines Kind, das sich dem Rat seiner Eltern widersetzen wollte.
    „Und du?“, fragte er leise und sah mich dabei so intensiv an, dass ich einen Moment benötigte, um meine Sprache wieder zu finden.
    „Ich werde Mike Newton nicht heiraten. Selbst wenn mich meine Eltern enterben oder vor die Tür setzen werden“, meinte ich ebenso trotzig.
    Jetzt musste er lächeln. „Wir sind beide ganz schöne Sturköpfe, nicht wahr?“
    „Da hast du wohl recht“, seufzte ich. Er hatte `wir beide´ gesagt. Mein Herz schlug schneller, als ich das bemerkte.
    Eine Weile schwiegen wir beide und sahen uns einfach nur an. Selbst bei unseren kleinen Treffen hatte ich diese schon fast unheimliche Spannung zwischen uns beiden nicht bemerkt, die sich nun so intensiv ausbreitete, dass es fast schmerzte. Ich konnte meinen Blick nicht von seinen Augen lösen und ihm schien es ähnlich zu gehen. Ich wusste nicht wieso, aber ich fühlte mich in seiner Nähe so sicher, so geborgen... Ich wollte diesen Ort nie mehr verlassen, ich wünschte mir so sehr, dass die Zeit einfach stehen bleiben würde und wir beide für immer so stehen bleiben könnten.

    Schließlich unterbrach Edward unser Schweigen. „Ich sollte dich zurück nach Hause bringen, Bella“, murmelte er mit rauer Stimme. „Deine Eltern werden sich bestimmt schreckliche Sorgen um dich machen“
    „Das haben sie verdient“, grummelte ich leise.
    Er strich mir über mein Haar. „Trotzdem solltest du sie nicht länger leiden lassen“, meinte er besänftigend.
    Ich schluckte. Ich wollte nicht gehen. Wer wusste schon, wann ich das nächste Mal alleine mit Edward sein konnte, jetzt, da sich unsere Eltern gegen uns verschworen hatten? Ich wusste ja nicht mal, ob es überhaupt ein nächstes Mal geben würde!
    „Nein“, hauchte ich und er sah mich überrascht an, als er die plötzliche Panik in meiner Stimme registrierte.
    „Bella?“, fragte er vorsichtig. Er klang beunruhigt.
    „Bitte, ich möchte dich nicht verlassen“, flüsterte ich und senkte beschämt den Kopf. Allein die Tatsache, dass ich das ausgesprochen hatte machte mich äußerst verlegen.
    „Wirklich?“ Edward sah mich prüfend an.
    Ich nickte beklommen. „Wer weiß, wann wir uns das nächste Mal sehen werden“, fuhr ich bedrückt fort.
    Einen Augenblick schien er nicht zu wissen, was er sagen sollte. Ich sah es an seinem Gesicht, er schien mit sich selbst um etwas zu ringen. Dann plötzlich war sein Gesichtsausdruck ernst und feierlich. Ich erschrak etwas darüber. Wollte er mir nun etwa sagen, dass das mit uns beiden keine Zukunft haben sollte?

    „Bella, mir ist sehr wohl bewusst, dass dies keineswegs der richtige Zeitpunkt dafür ist. Aber, ich kann es einfach nicht länger für mich behalten. Und ich glaube, dass es für dich eine Art Rettung sein könnte“ Er zögerte und sah mich vorsichtig an. Ich wartete begierig, dass er weiter reden würde.
    „Isabella, dir ist sicher nicht entgangen, was ich für dich empfinde. Ich kenne dich zwar noch nicht mein ganzes Leben, aber es kommt mir so vor, als ob ich es doch tun würde. Du bist die wundervollste Frau, die mir in meinem bisherigen Leben begegnet ist und ich kann mir einfach nicht mehr vorstellen, mein restliches Leben ohne dich an meiner Seite zu verbringen. Mit jeder Sekunde, in der wir zusammen sein durften ist meine Zuneigung nur noch gewachsen und hat das Band, das mich mit dir verbindet verstärkt“
    Ich schnappte nach Luft – diese Liebeserklärung war noch unsagbar viel besser als in meinen wildesten Träumen!
    Er lächelte sanft, als er meine Reaktion bemerkte.
    „Isabella Marie Swan, ich liebe dich über alles und ich verspreche dir, dass ich dich bis in alle Ewigkeit lieben werde. Willst du meine Frau werden?“

    Er ging vor mir auf die Knie und mir stockte der Atem. In mir schrieen tausende Stimmen durcheinander, mein Blut rauschte in meinen Ohren und mein Herz überschlug sich beinahe. Er sah mich so liebevoll an, so nervös, aber dennoch zuversichtlich, als ob er damit rechnen würde, dass ich ihm eine positive Antwort geben würde. Ich blinzelte, als sich neue Tränen anbahnten, doch dieses Mal waren es Tränen des Glücks. Es gab nur eine richtige Antwort, die ich ihm darauf geben konnte.
    „Ja“, hauchte ich, immer noch benommen von der Stärke der Gefühle, die mich in diesem Augenblick durchströmten.
    Er atmete erleichtert aus und erhob sich langsam.
    „Ja, ja ich will!“ sagte ich, diesmal etwas lauter und lachte ebenfalls erleichtert. Er wollte mich heiraten – Edward Anthony Mason wollte mich wirklich heiraten. Ich konnte es nicht glauben!
    „Oh mein Gott, Bella!“ rief Edward glücklich und umarmte mich stürmisch. Wir beide hatten Tränen in den Augen, als Edward aus seiner Tasche einen kleinen Ring hervorholte und ihn mir an meinen Ringfinger steckte. Ich fragte erst gar nicht, woher er den Ring hatte. Das waren Dinge, die ich später mit ihm besprechen konnte. Wichtig war nur, dass wir nun tatsächlich verlobt waren!

    „Edward“, schniefte ich und sah ihm tief in die Augen.
    Er strich mir sanft über meine Wange. „Es tut mir leid, dass ich dir gerade zu diesem Zeitpunkt den Antrag gemacht habe. Ich hatte das schon seit langem vor, aber ich muss gestehen, dass ich nie den Mut aufbrachte, dich zu fragen, ob du meine Frau werden willst“, sagte er zerknirscht.
    Ich schüttelte den Kopf. „Mach dir keine Gedanken darum, Edward. Das hier ist perfekt!“, sagte ich lächelnd. Ich hatte bereits vergessen, dass wir immer noch auf der Straße standen.
    „Ich... Ich kann dir nichts Großartiges bieten. Ich habe keine reiche Familie, so wie Mike Newton, noch habe ich einen erfolgreichen Beruf. Ich besitze keine Villen oder sonstige Ländereien. Alles, was ich dir geben kann, bin ich“, fuhr er fort und klang wirklich besorgt.
    Ich schüttelte erneut meinen Kopf.
    „Edward“, sagte ich leise. „Das ist mir egal. Hörst du? Ich würde niemals aus finanziellen Gründen heiraten. Ich habe mir geschworen, dass ich nur jemanden heiraten kann, den ich auch liebe. Ich heirate dich nicht, weil du für mich eine Art `Rettung´ bist, was Mike Newton betrifft. Ich heirate dich nicht, damit ich mich dem Einfluss meiner Eltern entziehen kann! Nein, ich werde deine Frau, weil ich dich liebe“ Ich hielt kurz inne und sah ihn prüfend an. Edward schien es zum ersten Mal, seitdem ich ihn kennen gelernt habe, die Sprache verschlagen zu haben.
    „Ich liebe dich, Edward Mason, und daran wird sich nie etwas ändern“, flüsterte ich.

    Einen Moment lang starrte er mich nur an, unfähig etwas zu sagen. Dann, ganz gemächlich, beugte er sich zu mir herab und näherte sein Gesicht dem meinen. Ich war nicht in der Lage, zu reagieren. Ich stand einfach nur da und ließ es geschehen, zu gefangen war ich von dem Gedanken, dass er mich wohl gleich küssen würde.
    „Bella“, hauchte er leise, als unsere Gesichter nur noch Millimeter voneinander entfernt waren. Ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht spüren. Eiskalte Schauer rannten meinen Rücken herab und mein Herz raste in meiner Brust. Ich schloss die Augen und eine Sekunde später trafen seine Lippen auf meine.
    Dieses Gefühl würde ich wohl nie vergessen. Ich hatte noch nie zuvor jemanden geküsst, jede Empfindung war neu für mich. Seine Lippen waren so weich und so warm... Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Er bewegte seine Lippen ganz vorsichtig und sanft, anscheinend wollte er mich nicht erschrecken oder überfordern. Es war ihm wohl bewusst, dass ich das noch nie erlebt hatte. Nach einigen Sekunden entspannte ich mich etwas und legte meine Arme um seinen Nacken. Ich begann sogar damit, seinen Kuss zu erwidern. Seine Lippen verschmolzen auf eine fast magische Weise mit meinen. Er verstärkte seinen Griff um meine Taille und zog mich noch näher zu sich heran, während ich mit meinen Fingern durch seine Haare fuhr.
    Es war wirklich ein wunderschönes Gefühl Edward zu küssen. Davon hatte ich schon die ganze Zeit geträumt und ich hatte mir oft versucht vorzustellen, wie es wohl sein würde. Meine Hoffnungen und Erwartungen wurden durch diesen Kuss allerdings weit übertroffen.
    Er löste sich ganz langsam von mir und wir beide atmeten heftiger als gewöhnlich. Er legte seine Stirn auf meine und strich mir sanft über meinen Rücken, während ich wieder zu Atem kommen musste.
    Er öffnete seine Augen und sah direkt in meine. Ich war wie verzaubert von diesem Blick und lächelte ihn scheu an.

    „Weißt du, dass ich gerade der glücklichste Mann in Chicago bin?“ fragte er leise.
    „Und ich die glücklichste Frau Chicagos“, antwortete ich, immer noch etwas außer Atem.
    Er lächelte sanft. „Oh Bella“, seufzte er nur und ergriff meine linke Hand, an der nun der Verlobungsring steckte.
    „Wir werden es wohl bald unseren Eltern sagen müssen“, meinte ich vorsichtig. Ich hatte auf einmal Angst bekommen – was, wenn seine Eltern mich nicht mögen oder akzeptieren würden? Ich war immerhin keine vorteilhafte Partie, da ich weder besonders vermögend war noch eine einflussreiche Familie besaß.
    Und außerdem waren meine Eltern ebenfalls gegen eine Verbindung mit Edward, das hatten sie mir erst vor wenigen Stunden deutlich gemacht. Ich musste schlucken, als ich an unser letztes Gespräch dachte. Beide hatten es nicht gut gefunden, dass ich mich in Edward verliebt hatte. Und jetzt war ich auch noch verlobt mit ihm, gegen ihren Willen!
    Edward hatte mein Mienenspiel beobachtet und gab mir einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn „Mach dir keine Sorgen Bella“, flüsterte er. „Ich weiß, dass das nicht einfach wird, aber ich schwöre dir, ich werde zu dir halten! Egal, was auch passiert! Wir werden unsere Eltern schon überzeugen, dass wir füreinander geschaffen sind.“

    Auch wenn unsere Situation nicht gerade hoffnungsvoll war, ich konnte nicht anders und musste ihm einfach glauben.
    „Vertrau mir Bella“, fügte er hinzu, als ich immer noch nichts sagte. Ich nickte nur stumm und sah in seine grünen Augen, die immer noch vor Leidenschaft funkelten.
    „Ich vertraue dir“, hauchte ich, verzaubert von seinem Blick.
    Er beugte sich wieder zu mir, um mich erneut zu küssen und dieses mal kam ich ihm sogar etwas entgegen. Unsere Lippen trafen aufeinander und wieder fühlte ich mich so leicht und so unbeschwert wie noch nie in meinem Leben.

    Aber auch der schönste Moment ging nun  einmal unweigerlich vorbei... Edward bestand darauf, mich nach Hause zu bringen, da er Angst hatte, ich könnte mich verlaufen. Seiner Meinung nach trug mein momentaner Gefühlszustand nicht gerade dazu bei, den Weg nach Hause zu finden.
    Vor meiner Haustür angekommen verabschiedete er sich mit einem flüchtigen Kuss von mir und versprach, am nächsten Tag bei meinen Eltern vorzusprechen. Ich wollte nicht, dass er sich mit seinem Antrag so beeilte, doch er meinte nur, dass er es gar nicht mehr erwarten könnte, mich zu heiraten und meine Eltern lieber früh genug darauf vorbereiten wollte. Seufzend sah ich ihm hinterher, als er sich von meinem Zuhause entfernte, bevor ich selbst hineinging und mich auf die Vorwürfe meiner Eltern gefasst machte.
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 10: Einsicht



    Als ich mich auf Zehenspitzen in die Eingangshalle schlich und mich beklommen fragte, ob mich alle schon hinter der Tür erwarten würden, stieß ich mit einer Person zusammen, mit der ich nie im Leben gerechnet hätte.
    „Miss Swan, verzeihen Sie!“
    Diese melodische, warme Stimme würde ich wohl überall wieder erkennen. Ich starrte den Mann an, in den ich gerade hineingelaufen war und der mich vor einem Sturz bewahrt hatte, indem er mich aufgefangen hatte.
    „Dr. Cullen?“, hauchte ich erschrocken, beschämt und verlegen zugleich. Abgesehen von Edward gab es meiner Meinung nach keinen anderen Mann, der schöner war als Dr. Carlisle Cullen. Er hatte blondes, engelhaftes Haar, eine muskulöse und ansprechende Figur, ein wunderschönes Gesicht und eine solch charmante Art, die jede Frau verlegen machte. Und er war unser Hausarzt, wodurch ich schon vor zwei Jahren das Vergnügen gehabt hatte, seine Bekanntschaft zu machen.
    Er lächelte mich warmherzig an. Sofort wurde ich rot und senkte den Blick. Selbst jetzt ließ mich seine Gegenwart nicht kalt, auch wenn ich ja eigentlich unsterblich in Edward verliebt war.

    „Ihre Eltern werden sich freuen, dass Sie wohlbehalten zurückgekehrt sind“, sagte er freundlich und schob mich von sich .Mir war gar nicht aufgefallen, dass er mich die ganze Zeit im Arm gehalten hatte.
    Ich seufzte betrübt, als ich an meine wütenden Eltern dachte.
    „Machen Sie sich keine Sorgen, Ihrer Mutter geht es wieder besser“, meinte er beruhigend.
    Ich erschrak – meiner Mutter ging es wieder besser?
    „Was soll das heißen?“, fragte ich sofort.
    Dr. Cullen runzelte die Stirn. „Oh, das wissen Sie ja noch gar nicht. Ihre Mutter hatte einen Schwächeanfall, aber es ist nichts Ernstes. Ihr geht es bereits wieder blendend“, erklärte er mit ruhiger Stimme.
    Jetzt hatte ich ein richtig schlechtes Gewissen. Meine Mutter hatte sich wohl so über mich geärgert, dass sie einen ihrer Anfälle erlitten hatte. Was war ich nur für eine Tochter.
    „Kann ich zu ihr?“, fragte ich leise und sah zu Boden, damit Dr. Cullen nicht sah, wie sehr ich mich schämte.
    „Nur kurz, Miss Swan. Sie ist noch sehr mitgenommen, aber ich denke, es würde ihr gut tun zu sehen, dass Sie noch am Leben sind“, meinte er streng und belustigt zugleich.
    Ich nickte nur. „Danke, Dr. Cullen“, brachte ich gerade noch heraus, dann stürmte ich an ihm vorbei zum Zimmer meiner Mutter. Ich hörte, wie er leise lachte und die Haustüre hinter ihm in das Schloss fiel.


    Meine Mutter lag auf ihrem großen Himmelbett in ihrem eigenen Zimmer und sah eigentlich recht gesund aus, so weit ich dies beurteilen konnte. Ich entspannte mich etwas, als ich dies festgestellt hatte. Natürlich hatte ich immer noch schreckliche Schuldgefühle, aber als ich die gekünstelte Leidensmiene meiner Mutter sah konnte ich doch etwas aufatmen. Sie hatte sich wohl einfach zu sehr über mich aufgeregt.
    „Bella“, hauchte sie leise, als sie ihre Augen kurz öffnete um zu sehen, wer in ihr Zimmer getreten war.
    Ich lief langsam zu ihrem Bett und setzte mich vorsichtig auf den Bettrand. Meine Mutter drehte ihr Gesicht zu mir und sah mich aus vorwurfsvoll zusammengekniffenen Augen an.
    „Was hast du dir nur dabei gedacht?“, fragte sie mit zitternder Stimme. „Einfach so wegzulaufen! Hab ich dir denn gar nichts beigebracht?“
    „Es tut mir leid“, sagte ich und senkte betroffen meinen Kopf. „Ich war nur so unglaublich wütend“, fügte ich rasch hinzu, um mein Verhalten irgendwie zu erklären.
    „Und das völlig ohne Grund“, fauchte meine Mutter nur und schloss erschöpft die Augen. „Sieh nur, was du angerichtet hast!“
    „Mutter, beruhige dich“, erwiderte ich seufzend. „Mir geht es gut, mir ist nichts passiert!“
    „Du hättest überfallen werden können! Heutzutage ist es für ein junges Mädchen auf der Straße nicht mehr sicher!“ Sie richtete sich langsam etwas auf und sah mich besorgt und gleichzeitig zornig an.
    Merkwürdigerweise wurde ich nicht wütend. Vielleicht lag es daran, dass ich die ehrliche Sorge um mich in ihren Augen lesen konnte. Oder, dass ich seit ungefähr einer halben Stunde mit dem wundervollsten Mann der ganzen Welt verlobt war. Ich konnte es nicht mit Sicherheit sagen.
    „Ach Mutter“, sagte ich leise und ergriff ihre Hand, die schlaff auf der Decke lag.

    Meine Mutter zuckte etwas zusammen. Sie war solche Gesten der Zuneigung von mir nicht gewöhnt. Ich dachte traurig daran, dass es nicht immer so gewesen war. Als kleines Mädchen hatte sie mich oft in den Arm genommen und manchmal hatte ich sogar bei ihr im Bett schlafen dürfen. Doch irgendwann hatte sie aufgehört, diese körperliche Nähe zuzulassen. Ich nahm mir vor, dies zu ändern. Ich liebte meine Mutter schließlich und wollte mich nicht noch mehr von ihr entfernen als es sowieso schon der Fall war!
    „Versprich mir, dass du nie wieder davon läufst!“, sagte sie schließlich und ergriff meine andere Hand. „Bitte!“, fügte sie eindringlich flüsternd hinzu.
    „Ich verspreche es“, antwortete ich beinahe feierlich. „Ich werde nie wieder weglaufen“
    „Ich hatte wirklich Angst um dich Kind“ Sie nahm mich ohne Vorwarnung in die Arme und diesmal war ich es, die zurückzuckte. Es war schon ein merkwürdiges Gefühl, meiner Mutter wieder so nahe zu sein, nachdem sie die letzten Jahre über so ein kühles Verhältnis zu mir gepflegt hatte.
    Doch diese innige Nähe währte nur einige Augenblicke. Mit einem Schrei der Überraschung hatte sie sich von mir gelöst und starrte nun meine rechte Hand an. Ehe ich sie ihr entziehen konnte hatte sie diese auch schon gepackt und hielt sie in den hellen Lichtschein ihrer Nachttischlampe.
    Ich sog erschrocken die Luft ein und wartete voller Unbehagen ab, was nun als nächstes geschehen würde.

    „Isabella“, flüsterte sie und ich konnte sehen, wie ihre Brust sich viel zu schnell hob und senkte.
    „Dieser Ring!“, zischte sie. „Von wem kommt der?“
    Ich wollte die Hand wegziehen, doch meine Mutter ließ mich nicht.
    „Mutter, lass meine Hand los“, jammerte ich. Sie tat mittlerweile weh, da meine Mutter sie sehr fest umklammert hielt.
    „Ist das der Ring von Mike Newton?“ Sie tat so, als hätte sie meine Proteste nicht gehört.
    „Nein“, knurrte ich beleidigt. Also wirklich! Sie hatte doch meine Reaktion selbst miterleben können – ich würde eher sterben als ihn zu heiraten. Da konnte sie doch nicht erwarten, dass ich als seine Verlobte nach Hause zurückkehren würde.
    „Der Ring ist von Edward Mason“, sagte ich mit fester Stimme, als mir der eindringliche Blick von meiner Mutter zu viel wurde.
    Augenblicklich ließ sie meine Hand los und starrte mich geschockt an. Ich entgegnete ihrem Blick so gut wie ich konnte. Ich würde diesmal nicht klein bei geben. Edward hatte recht gehabt – es würde nicht leicht sein, aber ich würde mich niemals in eine Ehe pressen lassen, die ich so sehr ablehnte.
    Meine Mutter ließ sich wieder in ihr Kissen zurücksinken und schloss erneut die Augen. Im Licht der Lampe sah ihr Gesicht aschfahl aus und ich beschloss sie lieber schnell mit den Details zu versorgen, ehe wir die Dienste von Dr. Cullen schon wieder in Anspruch nehmen würden.

    „Ich bin ihm praktisch in die Arme gelaufen, als ich das Haus verlassen hatte. Er hat mich wieder zurück gebracht. Er war sehr besorgt, dass mir etwas zustoßen könnte!“, sagte ich hastig.
    Meine Mutter atmete geräuschvoll aus.
    „Und er hat mir einen Antrag gemacht, wie ich es dir vorhin gesagt habe! Er hat sich sogar entschuldigt, dass es ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt geschah, aber er hat mir erklärt, dass er einfach nicht mehr länger warten konnte und auch wollte. Du siehst also, ich hatte recht: Er liebt mich ebenso wie ich ihn. Morgen wird er bei dir und Vater vorsprechen“ Ich wusste nicht, ob sie mir zuhörte, sie zeigte absolut keine Regung. Gerade, als ich überlegte, nicht doch Dr. Cullen zurückzuholen öffnete sie die Augen und nahm erneut meine rechte Hand in ihre, um den Ring zu betrachten.
    „Das ist ein schöner Ring“, meinte sie nachdenklich und strich vorsichtig über den blauen Stein, der in der silbernen Fassung steckte.
    Ich wagte nicht, etwas darauf zu entgegnen.
    „Ich werde mir anhören, was er zu sagen hat“, sagte sie seufzend. „Aber ich muss dir sagen, wie enttäuscht und entsetzt ich bin“, fügte sie noch rasch vorwurfsvoll hinzu.
    Ich wusste, das war das Zeichen für mich zu gehen. Ich entschuldigte mich nochmals bei ihr, wünschte ihr eine gute Nacht und schlich mich dann in mein eigenes Zimmer.

    Ich konnte nicht fassen, dass sie diese Nachricht einigermaßen gefasst  aufgenommen hatte. Ich hatte damit gerechnet, dass sie mich anschreien oder meinen Vater dazuholen würde. Aber nichts dergleichen war geschehen. Vielleicht bestand ja doch noch Hoffnung auf ein gutes Ende? Emily half mir aus meinem Kleid und bereitete alles für mich vor, damit ich schlafen gehen konnte. Ich starrte die ganze Zeit über gedankenverloren in den Spiegel und dachte an Edward. An seinen Antrag. Wie erfreut er war, dass ich ihn angenommen hatte. Sah seine Augen vor mir, als er mir sagte, wie sehr er mich liebte. Und ich spürte immer noch den Druck seiner sanften Lippen auf meinen, als er mich geküsst hatte... Oh, dieser Kuss! Ich war mir sicher, dass ich diesen Moment bis an mein Lebensende niemals vergessen würde.

    „Miss“, sagte Emily leise und stupste mich vorsichtig an meiner Schulter.
    Ich schrak sofort hoch und sah sie verwirrt an.
    „Ach Miss“, seufzte sie nur und drückte kurz meine Schulter. Ich war ein wenig überrascht, denn auch Emily hielt sich mit solchen Gesten eigentlich zurück. Wahrscheinlich hatte sie sich heute ebenfalls schreckliche Sorgen um mich gemacht und war nun froh, dass ich wohlbehalten zurückgekehrt war.
    „Mir ist nichts geschehen, Emily“, sagte ich beruhigend und lächelte sie warmherzig an. „Mir geht es gut!“
    Sie schüttelte den Kopf. „Das ist mir längst bewusst“, sagte sie mit ihrer sanften Stimme. „Ich hatte eigentlich an etwas anderes gedacht“
    Neugierig drehte ich meinen Kopf, sodass ich sie nicht mehr im Spiegel ansehen musste sondern ihr wirkliches Gesicht vor mir hatte.
    Sie errötete etwas. „Ich weiß, es steht mir nicht zu, dies zu sagen, aber ich freue mich sehr für Sie. Mir ist nicht entgangen, wie tief Ihre Gefühle für Mr. Mason sind und glauben Sie mir, ich kann Ihnen versichern, dass er Sie ebenso verehrt“
    Ich starrte sie einen Augenblick sprachlos an. Dann lief ich – wie immer – feuerrot an und sah betreten auf meine Füße. War mein Innenleben für jeden derart offensichtlich?
    „Es tut mir leid Miss“, sagte Emily sofort, als sie bemerkte, dass ich mich unwohl fühlte.
    „Das muss es nicht Emily“, meinte ich schwach. „Ich kann nur nicht fassen, wie unglaublich durchschaubar ich bin. Hat man es mir so sehr angesehen, dass ich verliebt bin?“
    Emily kicherte leise. „Nicht jeder, Miss. Aber ich schon. Und das nur, weil ich Sie so gute kenne“, versicherte sie mir.
    „Und woher weißt du, dass Edward auch so denkt?“, fragte ich grummelnd. Ihr wissendes Lächeln ließ mich irgendwie noch naiver fühlen.
    „Oh, einige Dienstboten aus dem Haus der Masons meinten, dass der junge Mr. Mason seit Tagen stundenlang Klavier spielen würde und, verzeihen Sie mir die Wortwahl, zu nichts zu gebrauchen sei, da er, wie man munkelt, von einer gewissen Dame geradezu verzaubert sei“, sagte Emily und bürstete währenddessen meine langen, braunen Haare gewissenhaft.
    „Er spielt Klavier?“, hauchte ich verträumt. In Gedanken sah ich ihn an einem großen Flügel sitzen und die wundervollsten Kompositionen spielend. Dass solch ein Mann auch noch musikalisch sein konnte beeindruckte mich wirklich.
    Emily lächelte, als sie meinen Blick sah. „Oh ja. Und ich habe gehört, dass er sagenhaft spielen kann“
    Ich seufzte und schloss wie verzaubert meine Augen. Je mehr ich über ihn erfuhr, desto größer wurde meine Zuneigung für ihn. Auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass so etwas möglich sein konnte. Ich liebte ihn schon jetzt so sehr, dass diese Liebe unmöglich noch wachsen konnte.
    „Ich hoffe, ich kann ihm eines Tages mal zuhören“, sprach ich meine Gedanken laut aus.
    „Nun, jetzt, da Sie mit ihm verlobt sind möchte ich meinen, dass Sie nicht umhin kommen, seiner Musik zu lauschen“, sagte Emily und grinste mich verschwörerisch an.
    „Verlobt“, murmelte ich gedankenverloren. Ich hatte es immer noch nicht wirklich realisiert. Innerhalb eines einzigen Abends waren alle meine Träume und Hoffnungen wahr geworden. Ich würde sicherlich noch einige Zeit benötigen, um zu begreifen, was das für mich bedeutete.

    „Sie sollten jetzt schlafen gehen, Miss. Es war ein anstrengender Tag für Sie. Und sie brauchen Ihre ganze Kraft, um den morgigen ebenfalls zu überstehen“ Emily riss mich erneut aus meinen Gedanken und erinnerte mich leider an das bevorstehende Gespräch zwischen meinen Eltern und Edward.
    Ich schluckte. „Du hast recht. Ich sollte jetzt wirklich lieber schlafen“, meinte ich und stand langsam auf. Natürlich nicht, ohne mit dem Nachthemd am Stuhl hängen zu bleiben. Emily konnte sich ein Augenrollen nicht verkneifen und ich konnte es ihr beim besten Willen nicht übel nehmen. Ich würde wohl immer ein hoffnungsloser Tollpatsch bleiben.
    „Vorsicht, Miss Swan“, sagte sie streng, während sie langsam hinter mir zu meinem Bett herlief. Als ob ich nicht selber laufen könnte...
    Ich kuschelte mich in meine Decken, während Emily sämtliche Lichter löschte und das Fenster einen Spalt breit kippte. Bevor sie aus dem Raum ging wünschte sie mir noch eine Gute Nacht. Dann war ich alleine. Alleine mit meinen Gedanken, die so zahlreich waren, dass ich Angst hatte, mein Kopf könnte gleich bersten.
    Ich konnte unmöglich schlafen, jedenfalls nicht bis meine zahlreichen Emotionen zur Ruhe gekommen waren. Es kam mir so vor, als vergingen Stunden, bis ich endlich müde und erschöpft genug war, um einzuschlafen. Ich hatte furchtbare Angst vor dem offiziellen Antrag Edwards und gleichzeitig war ich so überglücklich, dass ich singen hätte können, wäre meine Stimme nicht so hoffnungslos schlecht.

    Als ich am nächsten Morgen erwachte, war mir klar, dass ich doch irgendwann eingeschlafen sein musste. Im Gegensatz zu sonst war ich sofort hellwach und konnte mich den ganzen Vormittag über nicht sinnvoll beschäftigen, da eine seltsame Unruhe von mir Besitz ergriffen hatte, die sogar Emily in den Wahnsinn trieb, obwohl diese meine Launen bis jetzt immer mit einer Engelsgeduld ertragen hatte.
    Meine Eltern sah ich den ganzen Morgen über nicht, vermutlich war das von ihnen beabsichtigt. Ich hörte von Emily, dass meine Mutter meinen Vater gestern noch von meinem Verlöbnis in Kenntnis gesetzt hatte und das erstaunte mich schon etwas. Immerhin hatte sie sich gestern doch nicht wohl gefühlt. Anscheinend war das alles nur Taktik gewesen.
    Ich wusste nicht, wann Edward vorbei kommen wollte, aber ich vermutete, es würde wohl gegen Mittag so weit sein. Diese Erkenntnis hielt mich trotzdem nicht davon ab, bei dem kleinsten Geräusch zum Fenster zu eilen und hinauszusehen, ob nicht Edward Mason an unserer Tür geläutet hatte. Oder zur Treppe zu huschen um nachzusehen, ob er nicht bereits in der Eingangshalle stand. Kurz gesagt, ich benahm mich wirklich ausgesprochen albern.

    Kurz bevor ich mich für das Mittagessen bereit machte trat das lang erwartete Ereignis schließlich ein.
    Ich hörte, wie an der Tür geläutet wurde und sprang natürlich sofort auf, um in die Treppen hinunter in die Eingangshalle zu eilen. Ich vernahm, wie unser Dienstbote sich höflich nach dem Namen des Gastes erkundigte und ihm versicherte, Mr. Swan auf sein Eintreffen vorzubereiten. Während ich die Treppe auf eine wenig damenhafte Weise herunterhastete hörte ich auch schon seine wunderschöne Stimme. Als ich die letzte Stufe erreicht hatte, betrat er beinahe schüchtern die Eingangshalle. Als er mich erblickte, erhellte ein zauberhaftes Lächeln sein wunderschönes Gesicht.
    Ich lief auf ihn zu und stolperte natürlich über meine eigenen Füße.
    Edward fing mich auf und lachte leise in mein Ohr.
    „Wir sind heute aber stürmisch“, flüsterte er leise. Eine Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus, als ich seinen Atem an meinem Ohrläppchen spürte.
    „Edward“, murmelte ich nur und ließ es zu, dass er mich einen Moment lang fest im Arm hielt. Dann befreite ich mich rasch und vergrößerte unseren Abstand etwas. Immerhin waren meine Eltern ebenfalls anwesend und konnten jeden Moment hier auftauchen.
    „Und, bist du bereit?“, fragte ich und sah ihn vorsichtig an.
    Er lächelte mir zuversichtlich zu. „Mach dir keine Sorgen. Ich werde allen Gefahren trotzen, wenn das für mich bedeutet, dass du meine Frau werden kannst.“, sagte er schlicht, aber mit einem ernsten Unterton.
    Mein Herz begann bei seinen Worten und bei seinem Blick wie wild zu rasen. Bevor ich allerdings etwas erwidern konnte, hörte ich ein leises Räuspern im Hintergrund.
    „Mr. Mason. Mr. Und Mrs. Swan werden Sie nun empfangen”, sagte unser Dienstbote verhalten.
    Edward gab mir einen leichten Handkuss, dann folgte er ihm. Ich blieb alleine zurück und starrte ihm besorgt hinterher. Hoffentlich ging alles gut!

  • Escape to EternityDatum12.03.2009 18:35
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Escape to Eternity

    Kapitel 5: Der Ball



    „Mr. Masen, hauchte ich und starrte ihn fasziniert an. Er trug einen schwarzen Anzug, genauso wie jeder andere Mann auf diesem Fest, doch an ihm sah er besonders gut aus. Die Farbe schwarz ließ ihn sehr edel erscheinen und merkwürdigerweise kam es mir so vor, als ob seine grünen Augen noch mehr leuchteten als beim letzten Mal.
    „Guten Abend Miss Swan“sagte er mit seiner wundervollen Engelsstimme und verbeugte sich leicht vor mir. Nun war auch meine Mutter auf ihn aufmerksam geworden und so fügte er rasch „Guten Abend, Mrs. Swan“ hinzu und bedachte sie mit einem freundlichen Lächeln.
    „Oh, sieh an!“, rief meine Mutter und lächelte mich begeistert an. „Mr. Masen wie schön Sie hier zu sehen.“
    „Das Vergnügen liegt ganz auf meiner Seite“, antwortete er und sah mich dabei kurz sehr intensiv an, sodass ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss.
    „Komm Isabella“, sagte meine Mutter zu mir und zog mich weiter. Ich warf Edward einen entschuldigenden Blick zu. Mir war es wirklich sehr peinlich, wie meine Mutter sich in seiner Anwesenheit benahm. Er lächelte mir aufmunternd zu. Anscheinend schien er zu verstehen, was meine Mutter im Sinn hatte.

    Eine Weile kämpften wir uns durch das Gedränge, dann rief meine Mutter entzückt: „Mrs. Newton!“ und winkte in deren Richtung.
    Mrs. Newton kam auf uns zugeeilt und strahlte meine Mutter begeistert an. Sie sah wie immer perfekt aus. In ihrem eng anliegenden, cremefarbenem Kleid, das einen tiefen Rückenausschnitt hatte, kam ihre schlanke Figur hervorragend zur Geltung. Ihre blonden Haare hatte sie zu einer kecken Hochsteckfrisur eingedreht. Mir fiel auf, dass sich viele Männer zu ihr umdrehten. Kein Wunder, so umwerfend wie sie aussah.
    „Oh wie schön, dass Sie gekommen sind Mrs. Swan!“, rief Mrs. Newton lächelnd und drückte erfreut die Hand meiner Mutter. Dann wandte sie sich zu mir.
    „Und Miss Swan, welche Freude, dass Sie auch kommen konnten. Sie sehen heute wirklich bezaubernd aus! Wie eine richtige Lady!“ Ich lächelte höflich, während meine Mutter sie anstrahlte und irgendetwas darauf erwiderte. Beide überschütteten sich noch eine ganze Weile mit Höflichkeiten und ich nutzte die Zeit, indem ich mich unauffällig etwas umsah.

    Anscheinend hatte Mrs. Newton die halbe Stadt eingeladen. Es waren wirklich sehr viele Leute anwesend. Und ich war sehr erleichtert, dass auch ich ein helles Kleid trug, denn kaum eine der Damen hatte ein farbiges Kleid angezogen. Mrs. Weber hatte wie immer Recht gehabt mit ihrer Einschätzung, dass cremefarbene Kleider wieder in Mode waren. Ich wäre furchtbar aufgefallen, hätte ich mich doch für einen grünen Stoff entschieden, wie ich es zunächst vorgehabt hatte.
    Viele der anwesenden Gäste kannte ich nicht, nur einige kamen mir vage bekannt vor. Allerdings machte mir diese Vorstellung keine Angst, denn mir fiel auf Anhieb eine Person ein, die mich den ganzen Abend über beschäftigen könnte. Ich hoffte, dass ich Edward bald wieder sehen würde, immerhin musste ich ja noch mein Versprechen einlösen und mit ihm tanzen. Eigentlich hasste ich die Gesellschaftstänze. Für jemanden, der so ungeschickt war wie ich war das eine perfekte Möglichkeit, sich schrecklich zu blamieren. Doch dieses Mal freute ich mich sogar richtig darauf. Ich war mir sicher, dass ich in Edwards Anwesenheit nicht stolpern oder hinfallen würde. Und falls doch könnte er mich ja wieder auffangen, so wie in dem Geschäft der Webers.

    Meine Mutter und Mrs. Newton plauderten noch immer sehr lebhaft und so entschuldigte ich mich mit der Ausrede, dass ich mir etwas zu trinken holen wollte. Bei dieser Gelegenheit machte ich mich auf, um die nächsten Räumlichkeiten alleine zu erkunden. Es herrschte eine aufgekratzte Stimmung, überall wurden lebhafte Gespräche geführt und immer wieder war das laute Lachen einer der Damen zu vernehmen. Ich selbst bemerkte, wie meine Laune stetig an stieg und summte leise vor mich hin. Ich erreichte schließlich das Ballzimmer, in dem schon einige Paare auf der Tanzfläche herumwirbelten. Ein kleines Streichquartett saß in der Ecke und spielte fröhlich vor sich hin. Eine Weile stellte ich mich an eine Wand und sah den Paaren beim Tanzen zu. Mein Mut sank wieder, als ich bemerkte, wie perfekt alle aussahen und wie fehlerfrei sich die Tanzenden bewegten. So gut sah ich leider nicht aus. Ich hoffte sehr, dass Edward sich davon nicht stören lassen würde.

    Eine Hand legte sich auf meine Schulter und jemand flüsterte mir leise ins Ohr: „Nun, Miss Swan? Wollen Sie sich nicht den Tänzern anschließen?“
    Erschrocken drehte ich mich um und blickte direkt in das Gesicht von Edward Masen. Er grinste mich frech an, als er meinen empörten und erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte.
    „Schleichen Sie sich immer so heran, Mr. Masen?“, fragte ich ihn mit hochgezogener Augenbraue.
    Er lächelte. „Nur bei sehr wenigen Menschen, Miss Swan“, antwortete er.
    Ich versuchte, nicht allzu rot zu werden und wandte mich wieder der Tanzfläche zu.
    „Verzeihen Sie, Miss Swan, ich wollte Sie nicht ärgern“, sagte Edward nach einer Weile und sah mich entschuldigend an. Zögernd fuhr er fort. „Wissen Sie, dass Sie heute Abend einfach wunderschön aussehen?“
    Nun konnte ich es nicht mehr verhindern – ich lief krebsrot an. Verlegen nestelte ich an meinem Ärmel herum. Nicht nur seine Worte, sondern vor allem die Art, wie er mich dabei ansah machten mich so verlegen. Komplimente bekam ich des Öfteren zu hören – jedoch meist ohne diesen intensiven Blick.
    „Mr. Masen, übertreiben Sie nicht“, sagte ich schließlich.
    Er lächelte breit. „Kommen Sie, Miss Swan. Einen Tanz haben Sie mir versprochen!“, sagte er gut gelaunt und hielt mir seinen Arm hin.
    Ich zögerte kurz, doch dann ergriff ich ihn und ließ mich zur Tanzfläche führen.
    „Mr. Masen, ich muss Sie warnen“, flüsterte ich panisch, als wir unsere Position einnahmen. Ein Walzer sollte das nächste Stück sein und ich würde sehr stark aufpassen müssen, dass ich nicht über den Saum meines Kleides stolperte. „Es kann durchaus sein, dass ich wieder stürze.“
    Edward strahlte mich an. „Dann wird es mir ein Vergnügen sein, Sie aufzufangen“

    In diesem Moment setzte die Musik ein und wir begannen uns mit den anderen Paaren zu bewegen. Zuerst war ich ein wenig schüchtern und hielt meine Bewegungen möglichst klein und unauffällig, doch schon bald entspannte ich mich und überließ mich völlig Edwards Führung. Er tanzte wie ein Gott, sehr geschmeidig und anmutig. Nicht wenige junge Damen starrten uns hinterher, während wir an unseren Beobachtern vorbei tanzten. Ein einziges Mal drohte ich zu stolpern und Edward verstärkte seinen Griff um meine Taille. Doch ich konnte mich rechtzeitig fangen und keiner schien etwas bemerkt zu haben. Edward lockerte seinen Griff jedoch nicht und zog mich etwas näher zu sich heran. Mir wurde schlagartig heiß und mein Atem ging etwas schneller. Erst jetzt, in diesem Moment, fiel mir bewusst auf, wie gut er eigentlich roch. Dieser Duft würde meine Sinne völlig vernebeln, sollte ich noch länger in Edwards Nähe sein, so viel stand fest.
    „Und, Miss Swan? Genüge ich Ihren Ansprüchen?“, wollte er grinsend wissen.
    Ich setzte eine ernste Miene auf. „Sie tanzen recht passabel, Mr. Masen“
    „Recht passabel?“ Er tat entsetzt und sah mich so schockiert an, dass ich kichern musste. Auch er konnte seine Maske nicht lange aufrecht erhalten und lachte ebenfalls leise.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass uns mittlerweile mehrere Leute anstarrten. Offenbar wirkten wir viel zu vertraut. Mir wurde schlecht wenn ich an die mir wohl bevorstehende Gardinenpredigt meiner Mutter dachte.
    „Sie tanzen wirklich sehr gut“, sagte ich schließlich und lächelte ihn an.
    „Das gleiche gilt für Sie, Miss Swan. Sie sehen nicht nur wunderschön aus, Sie tanzen auch noch hervorragend!“
    „Mr. Masen, Sie sollten wirklich aufhören, mit Ihren Komplimenten derart zu übertreiben!“, schalt ich ihn, grinste ihn jedoch an. Es würde mir nie im Leben einfallen ihm zu gestehen, dass mir seine Komplimente gefielen.
    Er lachte leise vor sich hin. „Gewöhnen Sie sich lieber daran, Miss Swan“, flüsterte er mir ins Ohr. Ich erschauderte, als ich seinen Atem auf meiner Haut spürte.
    Bevor er allerdings noch weitere Dinge sagen konnte, hatte die Musik ausgesetzt und der Tanz war vorüber. Er bot mir erneut seinen Arm, um mich von der Tanzfläche zu führen.
    „Möchten Sie vielleicht etwas trinken?“, fragte er mich höflich.
    „Sehr gerne!“, antwortete ich sofort. Ich war sehr durstig und konnte nach diesem Tanz auch etwas Stärkeres vertragen.

    Sehr weit kamen wir leider nicht, denn wie aus dem Nichts stand plötzlich Mike Newton vor mir.
    „Mr. Masen, verzeihen Sie mir, aber ich würde Miss Swan ebenfalls sehr gerne zu einem Tanz auffordern. Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich Sie Ihrer Gesellschaft beraube?“
    „Ganz und gar nicht“, meinte Edward gleichmütig, sah jedoch nicht danach aus. Im Gegenteil, er funkelte Mike wütend an und warf mir einen prüfenden Blick zu.
    Ich hatte keine Wahl – ich akzeptiere seinen Arm und ließ mich zur Tanzfläche zurückführen, in der Hoffnung, dass dieser Tanz schnell vorbei sein würde.

    Mike Newton war gewiss ein netter junger Mann, ein begnadeter Tänzer war er jedoch nicht. Er stieg mir ständig auf meine Füße und besaß nicht das leiseste Taktgefühl. Auch unsere Konversation war grauenhaft, sodass ich schließlich nur noch einsilbige Antworten gab und es vermied, ihn länger als wenige Sekunden in sein Gesicht zu schauen. Er hingegen konnte offenbar gar nicht genug von meinem Anblick bekommen. Er starrte mich so unverhohlen an, dass es schon beinahe unhöflich war. Hinzu kam, dass er mir ständig sagte, wie hübsch ich heute Abend doch aussähe. Es war ein völlig anderes Gefühl, diese Komplimente aus seinem Mund zu hören – es fühlte sich einfach furchtbar unangenehm an. Ich dankte Gott, als der Tanz endlich vorüber war, doch Mike ließ mich nicht gehen. Im Gegenteil, er zerrte mich zu seiner Mutter, wo sich meine ebenfalls aufhielt und die nächste Stunde war ich dazu verdammt, mich mit ihnen zu unterhalten. Als sich auch noch mein Vater und Mr. Newton dazu gesellten traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag: Sie alle hatten wohl beschlossen, dass ich Mike heiraten würde.
    Denn so wie sie mich und ihn behandelten war es fast so, als wären wir bereits ein Ehepaar. Mike schien sich unglaublich wohl zu fühlen in seiner Haut. Ständig berührte er mich an meiner Schulter oder an meinem Arm. Und jedes Mal lächelte mich meine Mutter verzückt an.

    Irgendwann wurde es mir zu viel – ich wusste, wenn ich jetzt nicht fliehen würde, dann würde ich etwas sagen, was ich später bereuen würde. Ich entschuldigte mich mit der Ausrede, eine alte Freundin gesehen zu haben und verschwand so schnell, wie es mir möglich war, ohne unhöflich zu sein. Ich achtete kaum darauf, wohin ich ging. Ich drängte mich durch die Menschenansammlungen und wäre ein paar Mal beinahe hingefallen.
    Endlich erreichte ich die Tür, die zu der weitläufigen Terrassen- und Parkanlage führte. Was ich jetzt dringend brauchte war.....frische Luft!


    Draußen ging es mir schon viel besser. Ich hatte wieder das Gefühl, atmen zu können und sog die kühle Nachtluft mit tiefen Atemzügen ein. Außer mir befand sich niemand auf der Terrasse, wofür ich sehr dankbar war. So konnte ich wenigstens ein paar ruhige Minuten für mich haben.
    Ich hörte, wie die Terassentür leise geöffnet wurde und drehte mich rasch um. Eine Sekunde später beschleunigte sich mein Herzschlag, denn Edward Masen trat zu mir auf die Terrasse und musterte mich prüfend.
    „Mr. Masen“, sagte ich leise und wandte mich wieder ab. Ich stützte mich auf der Brüstung ab und sah auf den dunklen Park der Newtons herab. Es war mir auf einmal sehr unangenehm, dass er mich in dieser Verfassung sah.
    „Miss Swan, ist mit Ihnen alles in Ordnung?“, fragte er leise. Er klang aufrichtig besorgt.
    Ich drehte mich langsam zu ihm um in sein Gesicht zu sehen. Nichts als ehrliche Sorge, Mitleid und Anteilnahme war darin zu lesen. Es fühlte sich gut an, nicht in eine gekünstelte Maske zu blicken.
    Als ich immer noch nichts sagte und ihn nur weiter anstarrte kam er noch einen Schritt auf mich zu.
    „Möchten Sie, dass ich Ihnen etwas zu trinken hole? Oder wollen Sie sich vielleicht setzten? Sie sehen nicht besonders gut aus“, sagte er leise. Ich sah, dass er sich nur mit Mühe davon abhalten konnte, mir über meine Stirn zu streichen.
    „Vielen Dank, Mr. Masen“, antwortete ich noch leiser als er. „Mir geht es gut“ Beschämt sah ich zu Boden. Als ob er meine Lügen glauben würde.
    „Miss Swan, seien Sie nicht albern“, sagte er tadelnd und ich verspürte den Drang wieder in seine Augen zu blicken. Diese wunderschönen, grünen Augen – ich verlor mich richtig darin.
    „Selbst in diesem dunklen Licht hier draußen, kann ich sehen, dass Sie sich nicht wohl fühlen!“
    „Sie haben ja recht“, gestand ich Kleinlaut. Ich hatte es so satt, ständig diese Fassade aufrecht zu erhalten. Nur einmal in meinem Leben wollte ich offen zu jemandem sein. Ich verspürte plötzlich ein großes Bedürfnis, mich Edward anzuvertrauen.
    Er wartete geduldig darauf, dass ich weiter sprach.
    „Dieses ganze Fest hier“, begann ich und deutete auf das Innere des Hauses. „Das ist es, was mich bedrückt. Diese eitlen Menschen, diese falsche Fröhlichkeit und die Verlogenheit aller Anwesenden“ Ich schüttelte mutlos den Kopf. „Ich habe einfach für einen Moment Ruhe gebraucht“

    Edward sagte für eine Weile nichts. Vermutlich hatte ich ihn jetzt vor den Kopf gestoßen. So eine Antwort hatte er sicher nicht von jemandem wie mir erwartet.
    „Wissen Sie, Miss Swan“, sagte er langsam und sah nachdenklich in die Ferne. „Es wird Sie vielleicht überraschen, aber ich denke in diesem Punkt genauso. Ich habe Bälle noch nie gemocht – diese ganzen reichen und oberflächlichen Menschen haben mich eher angewidert. Und vor allem die jungen Damen, die sich jedem unverheirateten Mann geradezu an den Hals geworfen haben“ Er seufzte leise. Fasziniert hörte ich ihm zu. Auch er schien sich mir anzuvertrauen und erzählte mir von seinen persönlichsten Gedanken. Ich konnte gar nicht glauben, dass Edward Masen sich mir anvertraute.
    „Sie hingegen sind so anders. Und ich muss zugeben, dass mich das nicht im Mindesten stört – im Gegenteil, gerade das verleiht Ihnen diese unglaubliche Anziehungskraft, die Sie auf mich ausüben. Ich finde es wundervoll, dass Sie so denken wie ich und dass Sie dieses Leben hier so ganz und gar nicht mögen. Das zeigt nur, dass Sie das Herz am rechten Fleck haben und sich um wichtigere Dinge bemühen, als die anderen Damen in Ihrem Alter. Miss Swan, ich bin so jemanden wie Ihnen noch nie begegnet. Und ich genieße jede Sekunde, in der wir zusammen sein können“
    Er sah mich mit einem völlig entwaffnenden Blick an und für einen Moment verschlug es mir regelrecht die Sprache.

    Hatte er das gerade wirklich gesagt? Dachte er tatsächlich in dieser Weise von mir? Ich hielt mich etwas fester am Geländer der Veranda fest, da ich befürchtete, in Ohnmacht zu fallen. Es fühlte sich so an, als ob mein Herz in meiner Brust zerspringen würde.
    „Mr. Masen“, flüsterte ich, unfähig einen vollständigen Satz zustande zu bringen.
    Er lächelte mich mit seinem Engelslächeln an. „Jedes Wort ist die Wahrheit“, sagte er ernst.
    Ich strahlte ihn glücklich an und sicher standen wir einige Minuten so herum, bis er schließlich wieder etwas sagte.
    „Wir sollten vielleicht wieder hinein gehen“ Er sah mich vorsichtig an, fast so, als ob es ihm unendliche Qualen bereitete, diesen kostbaren Moment zu zerstören. Aber nicht nur ihm ging es so. Auch ich hatte eigentlich keine große Lust, wieder zurückzukehren. Wäre es nach mir gegangen hätte ich die ganze Nacht auf dieser Veranda verbringen können.
    Trotzdem nickte ich. „Vermutlich haben Sie recht“, seufzte ich leise. Dann schoss mir ein interessanter Gedanke durch den Kopf. Bevor er auch nur etwas entgegnen konnte sprach ich schnell weiter:
    „Mr. Masen, es ehrt mich wirklich sehr, wie Sie von mir denken. Als Zeichen meines Vertrauens möchte ich Sie bitten, mich in Zukunft mit meinem Vornamen anzusprechen“ Erwartungsvoll sah ich ihn an. Es war wirklich ein sehr ungewöhnlicher Vorschlag. „Sie müssen das nicht tun, wenn Sie nicht wollen“, fügte ich rasch hinzu, als er mich ungläubig ansah. „Es würde mir nur sehr gefallen“, murmelte ich leise.
    Ich lief schon wieder rot an und sah beschämt auf meine Fußspitzen.
    „Wissen Sie was, das ist ein sehr guter Vorschlag“, antwortete er nach einer Weile leise und ich erkannte erstaunt, dass er nun so dicht neben mir stand, dass ich die Wärme seines Körpers auf meinen Armen spüren konnte... Ich blickte ihm tief in die Augen und lächelte ihn schüchtern an.
    „Aber ich tue das nur, wenn Sie mich ebenfalls mit meinem Vornamen ansprechen“, flüsterte er mir in mein Ohr. Ich erschauderte leicht.
    „Abgemacht“, hauchte ich.
    Er grinste, dann bot er mir seinen Arm. „Nun, Isabella, tanzen Sie noch einmal mit mir?“
    Ich nickte matt. Ich war immer noch wie benommen von unserem Gespräch. „Mit Vergnügen, Edward“, entgegnete ich leise und genoss es sehr, seinen Namen auszusprechen.

    Auch wenn wir uns nur privat auf diese Weise unterhalten konnten, es fühlte sich einfach himmlisch an! Langsam ließ ich mich von ihm wieder in die Ballräume führen und ignorierte die neugierigen Gesichter um uns herum. Ich konnte die Wärme seiner Haut durch den Stoff seines Anzugs spüren, ich hörte, wie er leise ein und ausatmete und sein Duft wehte mir um die Nase – das war alles, was in diesem Moment zählte.

    Und schlagartig wurde mir bewusst, weswegen ich so auf ihn reagierte: Ich hatte mich unsterblich in Edward Masen verliebt.
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 6: Komplikationen




    Ich weiß nicht mehr, wann ich nach Hause gekommen bin, oder auf welche Weise dies geschah –das einzige woran ich mich erinnern konnte war Edward. Wir hatten den restlichen Abend entweder miteinander getanzt oder uns unterhalten. Bei dieser Gelegenheit hatte ich auch seine Eltern kennen gelernt. Die Masons waren wirklich überaus freundliche, liebevolle Menschen. Und sie waren die einzigen Personen dieses Balls, in deren Gegenwart ich mich sehr wohl gefühlt habe.
    Edward ließ mich nicht mehr aus den Augen und unterhielt mich blendend. Doch es hätte auch genügt, wenn er den ganzen Abend schweigend neben mir gestanden hätte. Allein seine Anwesenheit bewirkte, dass ich mich sehr wohl fühlte. Und ich hoffte, dass ihm das bewusst war. Ich wagte mich wirklich sehr weit vor, da ich mich nur noch mit ihm beschäftigte und alle anderen Gäste so gut wie gar nicht beachtetet hatte. Ich wusste, das würde noch ein Nachspiel haben und die missmutige Miene meiner Mutter, der ich an diesem Abend ein paar Mal begegnete war, war ein recht düsteres Vorzeichen dafür. Nichtsdestotrotz genoss ich jede Minute aus vollen Zügen. Denn ich wusste nicht, wann ich mich das nächste Mal so ungezwungen mit Edward unterhalten konnte.

    Die ganze Nacht lang lag ich wach und fand kaum Schlaf. Mein Inneres war so aufgewühlt, dass ich mich von einer Seite zur anderen wälzte. Andauernd hatte ich Edward vor Augen – sein Lächeln, seine blitzenden Augen, ich hörte seine Samtstimme in meinen Gedanken, roch seinen Duft und spürte immer noch die Lippen auf meinem Handrücken. Zum Abschied hatte er mir einen Handkuss gegeben und in dem Moment, als seine Lippen meine Hand berührt hatten, hatte mein Herz so rasch geschlagen, dass ich mir sicher war, dass jeder der anwesenden Gäste sein elektrisiertes Klopfen gehört haben musste.
    Ich hoffte so sehr, dass ich ihn wieder sehen würde. Mein Herz tat so weh bei dem bloßen Gedanken, dass ich ihn wohl so schnell nicht mehr treffen könnte. Ich sehnte mich nach seiner Gesellschaft, nach seiner bloßen Anwesenheit – vermutlich war ich jetzt völlig verrückt geworden.
    Ich habe viel über die Liebe gelesen. Aber sie selbst zu erleben war eine völlig neue Erfahrung. Ich hätte nie gedacht, dass sie solche Schmerzen bereiten könnte.
    So dämmerte ich schließlich in einen unruhigen Schlaf in den frühen Morgenstunden, mit Tränen in den Augen, obwohl ich eigentlich überglücklich war.


    Mein verwirrter Zustand hielt auch am Morgen noch an und Emily erkundigte sich mehrmals, ob mit mir alles in Ordnung wäre. Ich ließ das Frühstück aus mit der Begründung, ich sei zu müde und hätte keinen Hunger. Auf diese Weise konnte ich der peinlichen Befragung meiner Mutter wenigstens noch für einige Stunden entgehen.
    Ich schickte Emily wieder fort und suchte mir selbst etwas zum Anziehen heraus. Dazu war ich ja wohl gerade noch in der Lage. Ich zog mir ein schmuckloses, grünes Kleid an und flocht meine Haare zu einem langen Zopf. Heute verspürte ich keine große Lust, nach draußen zu gehen, also musste ich mich auch nicht besonders schön machen.
    Stattdessen eilte ich zu meinem kleinen Schreibtisch, schnappte mir einen Bogen Papier und begann eilig, meiner Freundin Angela zu beschreiben, was gerade in mir vorging. Ich musste mich einfach jemandem anvertrauen.
    Angela war die Person, die mir am ehesten helfen konnte, da sie so gut zuhören konnte und meistens eine Lösung parat hatte. Ich hoffte, dass sie auch diesmal wusste, was zu tun war. Immerhin hatte ich selbst so etwas noch nie erlebt. Ich war so fahrig und aufgeregt, dass ich drei Anläufe benötigte, bis ich schließlich ein paar halbwegs anständige Sätze formuliert hatte.
    Nachdem ich meinen Brief Emily gegeben hatte, mit der Bitte, ihn möglichst schnell zu überbringen, widmete ich mich während des restlichen Vormittags meinem Tagebuch, in das ich sonst nur selten schrieb. Es tat gut all meine Gefühle und Empfindungen nochmals niederzuschreiben. Ich beschrieb sogar das Gespräch mit Edward auf der Veranda bis ins kleinste Detail, auch wenn ich wusste, dass dies sehr gefährlich war. Was, wenn meine Mutter das Tagebuch fand? Sie würde sehr wütend sein, dass ich einen so vertrauten Umgang mit einem Mann pflegte.

    Das Mittagessen konnte ich leider nicht so einfach ausfallen lassen und so ließ ich zu, dass Emily sich um mein Haar kümmerte, damit ich nicht so unausgeschlafen aussah. Meine Mutter hatte sich wie immer perfekt gekleidet und man sah ihr überhaupt nicht an, dass sie die letzte Nacht auf einem Ball gewesen war. Mein Vater hingegen sah sehr müde aus und beteiligte sich überhaupt nicht an dem allgemeinen Gespräch. Meine Mutter redete andauernd von Mrs. Newton und beschrieb ihre Konversation bis ins kleinste Detail. Es war sehr ermüdend und ich war sowieso kaum in der Lage, ihr zu folgen. Mutters lebhafte Beschreibungen versetzten mich selbst wieder in den Ballsaal und alles, woran ich denken konnte waren die Tänze mit Edward. Die einzigen Gelegenheiten, bei denen wir uns tatsächlich berührt hatten. Ich konnte seine Hand immer noch an meiner Taille spüren...

    „Bella, hörst du mir eigentlich zu?“, seufzte meine Mutter verärgert.
    Ich schluckte. Offenbar sah man mir meine geistige Abwesenheit allzu deutlich an.
    „Verzeih mir, Mutter. Ich bin noch recht erledigt vom gestrigen Abend“, sagte ich rasch und setzte ein entschuldigendes Lächeln auf.
    Sie schüttelte tadelnd den Kopf. „Junge Dame, du hättest nicht so viel tanzen sollen“
    Ich senkte den Kopf. Jetzt würden ihre Vorträge wohl beginnen.
    „Nicht, dass ich etwas dagegen hätte – ich sehe dich viel zu selten tanzen, dabei bist du ja so ein Naturtalent!“, sagte sie, während sie sich noch etwas Wein eingoss. „Aber du hast diesen Mr. Mason viel zu bevorzugt behandelt. Das ist eigentlich sehr unhöflich, vor allem Mr. Newton gegenüber. Er ist der Sohn der Gastgeberin, du hättest ihm viel mehr Aufmerksamkeit schenken müssen!“
    „Mr. Newton hat genug Aufmerksamkeit von mir erhalten“, gab ich grummelnd zur Antwort. Es war einfach grässlich gewesen, wie er mich die ganze Zeit berührt hatte. Ich schauderte bei dieser Erinnerung.
    „Wie dem auch sei, das nächste Mal solltest du unbedingt darauf achten. Die Leute werden sicher über dich und Mr. Mason tratschen!“, beschwerte sie sich.
    Das würde mir nichts ausmachen. Solange man nicht über mich und Mike Newton reden würde...
    „Charlie, sag doch auch etwas!“, rief meine Mutter und sah meinen Vater über den Tisch hinweg vorwurfsvoll an.
    Dieser seufzte schwer und sah erst mich, dann meine Mutter an.
    „Renée, ich weiß nicht, wieso du dich so aufregst. Das Kind weiß schon, was es tut. Es war doch nur ein lächerlicher Ball. Nichts Weltbewegendes“, brummte er leise.
    Noch nie war ich meinem Vater so dankbar! Ich warf ihm einen raschen Blick zu. Er lächelte mich sanft an.

    „Charlie!“, rief meine Mutter entsetzt. „Deine Tochter ist gerade dabei ihre Zukunft zu ruinieren!“
    „Mutter, bitte!“, stöhnte ich und legte mein Besteck auf den Tisch.
    „Renée, du übertreibst“, sagte mein Vater und runzelte die Stirn.
    „Mit ihrem Verhalten hätte sie die Newtons zutiefst kränken können! Und sag mir Charlie, was wäre dann aus der Verbindung zwischen ihr und deren Sohn geworden? Gott sei dank haben die Newtons Isabellas Verhalten nicht als Beleidigung empfunden“
    Ich räusperte mich erschrocken. Bisher hatte ich gedacht, dass meine Mutter eine Verbindung mit Mike gerne sehen würde, es allerdings mir überlassen würde, was ich daraus machte. Doch nun sah es wirklich ganz danach aus, als wäre das alle schon beschlossene Sache.
    „Mike Newton schien sich gestern auch ohne Isabella bestens amüsiert zu haben“, meinte mein Vater nachdenklich.
    Ich schnaubte verächtlich. Mir war nicht entgangen, wie intensiv er sich mit Miss Jessica Stanley unterhalten hatte.
    „Und das nur, weil Isabella ihn einfach hat stehen lassen, um mit diesem Mason-Jungen zu tanzen!“, keifte meine Mutter.
    „Mutter, wieso regst du dich denn darüber so sehr auf? Es gibt doch noch andere Männer außer Mr. Newton, die ich heiraten kann“ Ich bemühte mich, die angespannte Atmosphäre mit einem Scherz aufzulockern.
    „Eben nicht! Mike Newton ist der wohl begehrteste Junggeselle in ganz Chicago. Und er ist an dir interessiert! Aber wenn du so weiter machst, dann wirst du sein Interesse ganz schnell verlieren!“, rief meine Mutter und schlug theatralisch ihre Hände über dem Kopf zusammen.
    „Ich hatte nicht vor ihn zu heiraten“, sagte ich scharf.
    „Junges Fräulein, das hast nicht du zu entscheiden“, gab meine Mutter ebenso streng zurück.
    „Das werden wir ja sehen!“, rief ich und stand rasch auf.
    „Setz dich sofort wieder hin!“, schrie meine Mutter.
    „Das werde ich nicht tun“, antwortete ich wütend und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.

    Ich stürmte in mein Zimmer, knallte die Tür hinter mir zu und warf mich auf mein Bett. In meinem Innersten wusste ich genau, dass ich überreagiert hatte. Jahrelange Erziehung hätte mich eigentlich vor diesem Wutausbruch abhalten sollen. Ich hätte ruhig bleiben, meine Mutter ignorieren und kurze Antworten geben sollen. Aber dieses Mal war es mir sehr schwer gefallen.
    Etwas hatte sich in mir verändert. Ich konnte nicht genau sagen, was es war, aber ich wusste, dass ich nicht mehr die selbe Bella war wie noch vor ein paar Tagen. Plötzlich hatte mir mein Schicksal einen Ausweg aufgezeigt, einen Ausweg aus diesem trostlosen und langweiligen Leben. Und dieser Ausweg hieß Edward Mason.
    Gut, ich gebe zu, ich wusste nicht so wirklich, ob er überhaupt einen Ausweg darstellte. Ich hatte keine Anhaltspunkte, dass es ihm genauso ging wie mir, außer ein paar Worten, die er zu mir gesagt hatte (und von denen ich wirklich nicht mehr wusste, ob ich sie nur geträumt hatte). Aber selbst jemand wie ich durfte doch noch hoffen!
    Mir war mehr als deutlich bewusst, dass ich Mike Newton niemals heiraten könnte. Ich würde mich nur selbst belügen, wenn ich sagte, dass ich dies gerne tat. Mein Leben an seiner Seite würde unerträglich sein. Oh nein, Mike sollte sich lieber jemanden anderes suchen!!

    Ich wischte mir die Tränen aus meinem Gesicht während ich darüber nachdachte, ob meine Eltern mich wirklich zu einer Heirat mit ihm zwingen würden. Sicher würde mein Vater sich dagegen stellen, oder? Er wusste doch selbst, dass ich Mike nicht besonders mochte. Meiner Mutter war dies egal, sie hatte nur eine goldene und reiche Zukunft für mich vor Augen und dachte, dass mich dies glücklich machen würde. Doch bei meinem Vater war ich mir bisher immer sicher gewesen, dass es ihm nicht gleichgültig war, dass ich litt.  
    Doch dann schoss mir in den Kopf, was sie mir erst vor ein paar Tagen mitgeteilt hatten, nämlich das sie an dem Frühjahrsball einen geeigneten Kandidaten heraussuchen wollten. Ich schüttelte mich vor Wut und Entsetzen. Wie hatte ihre Wahl ausgerechnet auf Mike Newton fallen können?


    Den ganzen Nachmittag blieb ich in meinem Bett liegen und starrte traurig aus dem Fenster. Ich ignorierte Emilys Versuche, mit mir zu kommunizieren wie auch die Rufe meiner Mutter. Einmal in meinem Leben durfte ich mich sicher mal ungehörig und störrisch benehmen. Ich hatte es so satt, mich stets wohlerzogen und liebenswürdig zu verhalten.
    Doch irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste raus, raus aus diesem Zimmer, aus diesem Haus – weg von meinen Eltern, die sich nicht darum scherten, dass ich unglücklich war. Ich erhob mich langsam von meinem Bett und suchte mir einen warmen Mantel heraus. Auch wenn es bereits Anfang Mai war, die Abende in Chicago waren immer noch sehr frisch.
    Während ich mich die Treppe herunter schlich überlegte ich, zu wem ich gehen könnte. Vielleicht würde Angela mich ja etwas trösten können? Und außerdem würde ich ihr sicher einiges erklären müssen. Mein Brief hatte sie gewiss sehr erschreckt.
    Es war noch nicht zu spät für einen unangekündigten Besuch, wie ich erleichtert nach einem Blick auf unsere Standuhr in der Eingangshalle feststellte und so verließ ich eiligen Schrittes unser Haus, bevor mich noch jemand aufhielt oder ich es mir anders überlegen konnte.

    Ich verzichtete auf die Kutsche und lief zu Fuß durch die Straßen Chicagos. Nichts bekam mir besser als einige Minuten an der frischen Luft. Ich sah vermutlich furchtbar aus, als ich bei den Webers ankam, aber das war mir gleich. Wen kümmerte es schon, wie ich aussah? Der einzige, bei dem es mir sehr unangenehm gewesen wäre, war sowieso nicht anwesend.
    Ich hatte Glück – als ich läutete öffnete mir Angela die Tür und war sehr erstaunt über meinen überraschenden Besuch. Noch erschrockener war sie, als sie meine verweinten Augen sah. Sie zog mich sofort ins Haus, drückte mich auf einen Stuhl in der kleinen Küche, scheuchte ihre Geschwister hinaus und kochte mir eine Tasse Tee. Ich ließ alles wortlos über mich ergehen und sah ihr dabei zu, wie sie mir den Tee bereitete. Ihre Anwesenheit beruhigte mich etwas und langsam war ich wieder im Stande, ruhig und sachlich über die Dinge, die mich so beschäftigten, zu reden.

    „Noch mal der Reihe nach Bella“, sagte Angela, nachdem ich ihr stockend und äußerst unzusammenhängend von meinem Schicksal berichtet hatte.
    „Meine Eltern wollen, dass ich Mike Newton heirate. Aber ich will und kann ihn auf keinen Fall heiraten. Er will mich vielleicht heiraten. Und ich habe mich in Edward Mason verliebt“, sagte ich düster und bemühte mich, alles knapp zusammenzufassen.
    Trotz allem musste Angela grinsen. „Gute Güte. Da könnte man ja ein Buch darüber schreiben“, sagte sie und nahm einen Schluck Tee.
    „Angela, was soll ich denn jetzt machen?“ Ich war sehr mutlos.
    „Als Erstes solltest du noch mal mit deinem Vater sprechen. Ich habe den Eindruck, dass sein Urteil mehr wiegt als das deiner Mutter. Wenn du ihm klar machen kannst, dass du Mike unter keinen Umständen heiraten willst, dann hat er vielleicht Nachsehen und bringt deine Mutter von diesem Plan ab“
    Ich nickte. Das könnte ich vielleicht schaffen.

    „Und was dann?“, flüsterte ich und wartete gespannt auf ihre Antwort.
    „Was den Rest angeht...“, fuhr Angela grübelnd fort. „Nun, du hast dir ja jetzt endlich selbst eingestanden, dass du Gefühle für Edward Masen hast. Wieso versuchst du nicht, deine Mutter auf den Gedanken zu bringen, dass er der viel bessere Schwiegersohn wäre?“
    Einen Moment lang hielt ich erschrocken die Luft an. Angela hatte meine geheimsten Wünsche laut ausgesprochen. Etwas, das ich selbst nicht einmal tun würde.
    Ich murmelte etwas Unverständliches als Antwort.
    „Bella, sei nicht albern. Soll ich dir den Brief zeigen, den du mir heute geschrieben hast? Der zeigt doch mehr als deutlich, dass du in ihn verliebt bist. Und so wie es aussieht empfindet er ebenfalls sehr viel für dich. Ich habe noch nie einen jungen Mann so reden hören!“ Sie schüttelte ihren Kopf und sah mich beinahe schon tadelnd an.
    „Ich weiß doch nicht, was ich denken soll“, sagte ich kleinlaut. „Was, wenn ich mir das alles nur eingebildet habe?“
    „Unsinn!“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „So etwas bildet man sich nicht ein. Und du schon gleich gar nicht. Glaub mir Bella, Edward ist so anders als all die Männer, die hier in Chicago herumlaufen. Und er hat erkannt, dass du ebenfalls anders bist, dass in dir so viel mehr steckt als in den jungen Damen der heutigen Zeit. Und das ist ein sehr gutes Zeichen“, sagte sie zuversichtlich.
    Ich war mir nicht sicher, ob sie recht hatte, aber es fühlte sich einfach gut an, ihr zu glauben.

    „Bella, du solltest unbedingt noch mal versuchen, mit Edward zu sprechen. Und zwar alleine“, sagte sie leise.
    „Bist du verrückt?“, flüsterte ich entsetzt. „Das kann ich nicht machen! Nicht noch mal, das geht einfach nicht“
    „Bella“, flüsterte sie ebenso zurück. „Wir leben im Jahr 1918. Die Zeiten ändern sich! Du weißt das und er weiß es auch“
    Ich schloss kurz die Augen. Angela stiftete mich also wirklich zu unschicklichem Benehmen an. Aber in einem Punkt hatte sie tatsächlich recht, die Zeiten schienen sich in der Tat zu ändern.
    Aber andererseits... Je mehr ich darüber nachdachte, desto verlockender erschien mir die Aussicht, erneut mit Edward alleine zu sein.
    „Und wie soll ich das anstellen?“, fragte ich leise. Angela lächelte. Sie schien sehr zufrieden zu sein, dass ich so schnell klein bei gegeben hatte.
    „Ich lasse mir etwas einfallen. Und du kannst auch darüber nachdenken!“, meinte sie grinsend.
    Sie warf einen raschen Blick auf die hölzerne Wanduhr. „Jetzt solltest du aber lieber wieder zurück nach Hause gehen. Sonst sind deine Eltern noch wütender auf dich!“, sagte sie leise.
    „In Ordnung“, antwortete ich niedergeschlagen.
    „Ich lasse eine Kutsche kommen“ Angela stand auf um aus der Küche zu gehen.
    „Angela!“, rief ich ihr rasch hinterher und sie drehte sich fragend zu mir um.
    „Danke! Danke für alles“, sagte ich bewegt.
    „Keine Ursache Bella“ Sie lächelte.
    Ich war in diesem Moment so froh, dass ich eine Freundin wie Angela hatte.
    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 7 : Geständnisse



    Angela hatte wie immer Recht gehabt – meine Eltern waren äußerst wütend auf mich. Die Tatsache, dass ich bei Angela gewesen und mit einer Kutsche rechtzeitig wieder nach Hause gekommen war stimmte sie allerdings ein wenig milder. Immerhin hatte ich noch so viel Anstand besessen, abends nicht alleine auf den Straßen nach Hause zu spazieren.
    Meine Mutter hatte Mühe mir  meinen Gefühlsausbruch zu verzeihen. Für sie war es unbegreiflich, dass ich mich so über eine Heirat mit Mike aufregte. Ich versuchte ihr an diesem Abend mehrmals, meinen Standpunkt klar zu machen – ich mochte Mike einfach nicht und empfand seine Gegenwart als unangenehm – aber sie wollte mich schlichtweg nicht verstehen. Vielleicht konnte sie es auch einfach gar nicht. Ich war mir da nicht so sicher.
    Mein Vater wollte an diesem Abend nicht mehr mit mir sprechen. Er versprach mir aber, sich mit mir in den nächsten Tagen über Mike zu unterhalten. Ein Hoffnungsschimmer, wenn auch nur ein kleiner.

    Die nächsten beiden Tage gingen vorüber, ohne dass etwas Nennenswertes geschah. Ich erhielt eine Karte von Jessica Stanley, die mir nicht äußerst sympathisch war, die ich jedoch als meine Freundin bezeichnen musste, um den guten Schein zu wahren. Sie schrieb mir, wie entzückt sie über den Ball war und welch nette Männer sie dort getroffen hatte. Ich musste mir ein grimmiges Lachen verkneifen, als ich mir vorstellte, an welchen entzückenden Mann sie wohl dachte. Mike Newton schien wirklich kein Kind von Traurigkeit zu sein. Im Grunde waren es nur oberflächliche Dinge, aber ich las mir die Karte dennoch aufmerksam durch. Meine Antwort, zu der ich leider verpflichtet war, sollte sich schließlich auf den Inhalt ihrer Nachricht beziehen.
    Angela schrieb mir ebenfalls eine kurze Nachricht – sie hatte es endlich geschafft, dass ihre Eltern die Cheneys zum Essen eingeladen hatten. Ich freute mich sehr für sie. Immerhin schien bei ihr alles einigermaßen zu funktionieren.
    Wie ich mit Edward sprechen sollte war mir jedoch immer noch ein Rätsel. Ich konnte ihm nicht einfach einen Brief schreiben – das ging wirklich zu weit. Selbst wenn sich die Zeiten laut Angela änderten, das konnte ich nicht machen. Meine Mutter wäre außer sich, würde sie dies erfahren. Und was die Eltern von Edward von mir denken würden wollte ich mir erst gar nicht vorstellen.
    Nein, ich musste ihm zufällig begegnen, so wie neulich im Park. Allerdings erschien mir die Wahrscheinlichkeit, ihm ein zweites Mal über den Weg zu laufen erschreckend gering. Es war wirklich frustrierend!

    Versuchen musste ich es dennoch. Entschlossen schlug ich mein Buch zu, das ich in der letzten halben Stunde vergeblich versucht hatte zu lesen. Ich würde mich einfach in der Nähe seines Hauses herumtreiben. Es lag beinahe direkt am Park – das wäre also nicht sehr auffällig. Jeder würde vermuten, ich wäre auf dem Weg in den Park und nicht auf dem Weg zum Haus der Masons. Es war ein perfekter Plan. Hoffte ich zumindest.
    Ich versuchte rasch, meine Locken zu ordnen und in eine Flechtfrisur zu zähmen. Emily war leider nicht in meiner Nähe, darum sah es nur halb so gut aus wie sonst, aber das war mir gleich. Wenn er mich tatsächlich mögen sollte, dann bestimmt nicht nur wegen meines Aussehens. Zur Tarnung entschloss ich mich mein Lieblingsbuch `Sturmhöhe´ mitzunehmen. Ich band mir die Schleife meiner Bluse bestimmt zwanzig mal neu, bis ich einigermaßen damit zufrieden war und legte mir nur einen einfachen, blauen Schal um die Schultern. Dann eilte ich rasch hinaus, ehe mich meine Mutter mit irgendwelchen Tätigkeiten aufhalten konnte.


    Der Tag war herrlich – die Sonne schien, die Luft war angenehm warm und ich konnte einfach nicht anders und musste vor mich hinsummen. Auch wenn meine Lage momentan alles andere als glücklich war, ich hatte immer noch die Möglichkeit zu hoffen, dass alles gut werden würde. Ich musste an Emilys Worte denken: Es konnte immer etwas Unvorhergesehenes geschehen, dass alle Dinge veränderte. Und genau darauf hoffte ich. Dafür betete ich schon die letzten zwei Tage lang.
    So tief in Gedanken versunken bemerkte ich nicht, dass ich mich schon längst im Park befand und war erstaunt, wohin mich meine Füße getragen hatten. In dieser Ecke des Parks war ich eigentlich nie, sie war mir zu kühl und schattig. Große Bäume umrahmten einen kleinen Weiher, eine einsame Bank stand im Schatten eines riesigen Busches und sah wenig einladend aus. Ich zögerte und sah mich vorsichtig um. Ich hatte noch nie ein gutes Gefühl gehabt, wenn ich durch diese Ecke gegangen war. Doch dieses Mal war irgendetwas anders.
    Langsam ging ich auf die Bank zu und ließ mich darauf nieder. Kein anderer Mensch war in meiner Nähe, ich war völlig alleine. Dieses Gefühl erschreckte mich nicht, im Gegenteil, es beruhigte mich sogar. Hier konnte ich ganz ich selbst sein, ohne dass mich jemand sah und mein Verhalten beurteilte. So stand ich rasch wieder auf und setzte mich auf einen sonnigen Flecken Wiese. Das Gras war nass und kalt, aber das störte mich nicht sonderlich. Die Sonne schien nur an ganz wenigen Stellen  durch das Gestrüpp, das musste ich einfach ausnutzen.
    Seufzend streckte ich mich aus und legte mich auf den Rücken. So lag ich eine Weile da und starrte versonnen in den Himmel. Ich verfolgte den Flug einiger Wolken und malte mir aus, welchen Figuren sie wohl ähnelten. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich – ich hatte den Eindruck, ich sei nicht mehr allein. Bevor ich dieses Gefühl abschütteln konnte erschrak ich zutiefst, als sich hinter mir jemand leise räusperte.

    Mit einem Ruck hatte ich mich aufgesetzt und starrte ängstlich in die Richtung, aus der das Räuspern gekommen war.
    Jemand trat aus dem Schatten der Bäume heraus und ich benötigte nur eine Sekunde um herauszufinden, wer es war. Wieder einmal war mir das Schicksal gnädig.
    „Edward“, hauchte ich, erschrocken und unglaublich erleichtert zugleich. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte mir unser Wiedersehen so sehr gewünscht. Und nun stand er hier, bei mir.
    Er lächelte mich sanft an. „Isabella“, sagte er mit seiner Samtstimme, bei der sich sämtliche Härchen auf meiner Haut aufstellten.
    Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich immer noch mitten im Gras saß. Vermutlich war meine Frisur ruiniert, mein Rock mit nassen Flecken übersäht und garantiert hatte ich Grashalme auf meiner Bluse.
    Ohne ein weiteres Wort oder ein spöttisches Lächeln kam er auf mich zu und ließ sich neben mir nieder. Mitten in das nasse Gras!
    „Nicht“, warnte ich leise. Er sah mich irritiert an. „Das Gras ist nass“, beeilte ich mich zu sagen, damit er es nicht falsch deutete.
    Er schüttelte den Kopf. „Das macht mir nichts aus. Und außerdem“, fügte er hinzu, „Sie sitzen doch auch hier“
    „Was ich eigentlich nicht sollte“, meinte ich achselzuckend.
    Edward lachte leise. „Hier ist niemand, der sich daran stört“, sagte er und sah mich mit einem seiner unbeschreiblichen Blicke an.  
    Ich lächelte ihn scheu an und sah dann wieder rasch zu Boden.

    Hier saß ich also – ich war alleine mit ihm, ich hätte mit ihm über alles sprechen können, was mich bewegte. Aber ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich so ein Gespräch anfangen sollte. Ich begann vor Nervosität zu zittern.
    Edward deutete dies falsch und nahm wohl an, dass mir kalt sei. Jedenfalls zog er auf einmal seine Jacke aus und legte sie mir um meine Schultern. Ich erschauderte, als seine Hände meine Schultern leicht berührten.
    „Vielen Dank“, nuschelte ich. Mein Kopf fühlte sich sehr heiß an. Bestimmt war ich wieder tiefrot angelaufen.
    „Keine Ursache“, antwortete er und lächelte mich schief an. Ihm war es natürlich nicht verborgen geblieben, dass sich meine Wangen rot verfärbt hatten.
    „Sie sehen so müde aus“, meinte er nach einer Weile leise und musterte mich besorgt. Ich war nicht überrascht, dass ihm das aufgefallen war. Die letzten Nächte waren ein Alptraum gewesen.
    „Ich konnte nicht schlafen“, sagte ich ebenso leise. Meine Güte – ich hätte mich für diesen Satz ohrfeigen können.
    „Ich auch nicht“, gestand er seufzend.
    Überrascht sah ich ihn an. „Wieso denn nicht?“ Ehe ich mich bremsen konnte hatte sich meine Neugier selbstständig gemacht und ich hatte die Frage ausgesprochen.
    Fast schon schuldbewusst lächelte er mich an. „Ich glaube, das müsste Ihnen klar sein“
    Ich blinzelte ein paar Mal. „Tut mir leid, ich kann Ihnen nicht folgen“, sagte ich irritiert.

    Edward fuhr sich seufzend durch seine Haare und starrte auf den kleinen dunklen Weiher vor uns. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er sich bemühte, mir auf diese scheinbar so einfache Frage eine Antwort zu geben.
    „Bitte, es tut mir leid, ich hätte nicht fragen sollen!“, sagte ich rasch. Ich hatte ihn nicht so in Verlegenheit bringen wollen und jetzt tat es mir wirklich leid.
    Er schüttelte nur den Kopf. „Oh nein, ich habe das jetzt lange genug durchgestanden!“, sagte er mit fester Stimme und sah mich wieder so intensiv an. „Ich muss Ihnen endlich das sagen, was mir schon seit Tagen durch den Kopf geht und die Ursache dafür ist, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Ich habe das schon viel zu lange aufgeschoben!“
    Ich musste mich dazu zwingen zu atmen, so gefesselt war ich von seinem plötzlichen Gefühlsausbruch. Ehe ich mich versah hatte er sich energisch erhoben und kniete im selben Moment so vor mir, dass ich ihn direkt ansehen konnte. Für einen Augenblick dachte ich mir, dass sich viele Maler über diesen Anblick gefreut hätten – wir sahen sicher wundervoll aus in dieser Pose. Ein perfektes, romantisches Bild.
    Die Sekunden verstrichen und mein Herz klopfte immer schneller bei dem Gedanken, dass er mir gleich etwas gestehen würde, was mich betraf. Ich hoffte so sehr, dass es das war, was ich mir seit Tagen sehnlich wünschte.

    „Isabella“, begann er leise.
    „Bella“, hauchte ich, eher aus Reflex. Ich schloss erschrocken die Augen als mir bewusst wurde, dass ich ihn schon zu Beginn unterbrochen hatte. „Tut mir leid“, murmelte ich, doch er lächelte mich sanft an.
    „Wollten Sie nicht Isabella genannt werden?“, wollte er ein wenig verwirrt wissen. Er sah mich noch immer unverwandt an und es fiel mir immer schwerer, seinem Blick auszuweichen.
    „Nur engste Vertraute dürfen mich mit Bella ansprechen. Und das betrifft nun auch Sie“, sagte ich leise und erkannte, dass er mich mit großem Erstaunen ansah.
    „Vielen Dank“, sagte er. „Das ist eine große Ehre für mich“
    „Nicht der Rede wert“, meinte ich rasch. „Was wollten Sie mir sagen?“, fragte ich ihn sofort. Ich musste es einfach wissen. Ich hatte ihn noch nie so aufgewühlt gesehen.
    Ich erschrak etwas, als er unvermittelt meine rechte Hand ergriff und sie festhielt. Die Berührung löste die unterschiedlichsten Gefühle in mir aus und mein Herz schlug wie wild in meiner Brust. Ich zog meine Hand nicht weg. Ich genoss das Gefühl seiner warmen Haut auf meiner und ich hätte noch stundenlang so dasitzen können. Endlich setzte er seine Erklärung fort.

    „Bella, ich habe so etwas noch nie erlebt, es ist alles so neu für mich. Aber ich kann nicht mehr länger schweigen, es frisst mich sonst innerlich auf“ Er holte tief Luft. „Bella, Sie lösen Gefühle in mir aus, die ich noch nie zuvor gespürt habe. Seitdem ich Sie das erste Mal gesehen habe kann ich an nichts anderes mehr denken als an Sie! Ich möchte Sie wieder sehen, sobald wir uns nur verabschiedet haben.
    Zuerst konnte ich mit diesen Gefühlen nichts anfangen, ich habe sie nicht verstanden. Wie auch, ich habe dergleichen ja noch niemals zuvor empfunden. Aber, spätestens nach dem Ball ist mir klar geworden, was das alles bedeutet“
    Ich musste schlucken, als ich die Bedeutung seiner Worte begriffen hatte. Er hielt für einen Augenblick inne und sah mich sehnsuchtsvoll an. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt, mein Gehirn weigerte sich noch, das eben Erlebte als real zu akzeptieren. Ich hatte das Gefühl, in einem meiner Träume gelandet zu sein. Nur dass dieser Traum so unendlich realer und schöner war als alle anderen zuvor.
    Aus einem Impuls heraus legte ich meine andere, freie Hand über unsere verschränkten Hände. Ich wollte, dass er weiter sprach, nur war ich einfach nicht in der Lage, dies zu sagen. Meine Stimme versagte mir, so musste ich mich auf diese einfache Geste beschränken.

    Doch dies schien ihn genügend zu ermutigen.
    „Oh Bella“, seufzte er und schloss kurz seine Augen. Als er sie wieder öffnete sahen sie mich noch intensiver an als zuvor. Sie funkelten dunkelgrün und ich verlor mich in ihren Tiefen.
    „Wenn es Ihnen genau so geht, dann lassen Sie es mich wissen. Andernfalls werde ich Sie natürlich in Ruhe lassen und Sie nicht weiter bedrängen!“, fuhr er hastig fort und nun konnte ich genau sehen, dass auch sein Atem schneller ging und dass er wirklich sehr nervös war.
    Er sah mich so flehend an, dass ich ihn nicht länger warten lassen konnte. „Es geht mir genauso“, flüsterte ich und starrte weiterhin in seine Augen. Wäre jetzt jemand vorbeigekommen... Aber das kümmerte mich im Moment wenig. Das einzige, was zählte war, dass ich mit Edward hier saß und dass er gerade dabei war mir zu sagen, was er für mich empfand.

    Er lächelte nun erleichtert und zerzauste sich wieder mit seiner freien Hand sein Haar, ehe er auch diese auf unsere Hände legte. Langsam rutschte er wieder neben mich und schien sich auch etwas zu beruhigen.
    „Ich bin so froh“, sagte er ruhig und hörte einfach nicht auf zu lächeln. „Ich hatte solche Angst vor Ihrer Antwort“
    Jetzt musste ich schmunzeln. Das ging nicht nur ihm so. „Keine Sorge“, sagte ich, immer noch im Flüsterton. „Ich hatte eher Angst, dass Sie nicht so empfinden wie ich“, gestand ich.
    „Wie kommen Sie nur darauf?“ Er schien ehrlich verblüfft zu sein.
    „Ich...“ Betreten senkte ich den Kopf.
    Sollte ich ihm wirklich erzählen, was in den letzten Tagen in mir vorgegangen war? Dann fiel mir Angelas Rat ein. Sie hatte mich ermutigt, ehrlich mit ihm zu sein.
    Er wartete immer noch höflich, dass ich etwas sagte. Dabei sah ich ihm es an, dass ihn meine Antwort brennend interessierte
    .
    „Edward, ich wusste bis vor kurzem selbst nicht, was mit mir los ist. Andauernd musste ich an Sie denken. Und dann, am Ballabend, als Sie mich getröstet und aufgeheitert haben... Da ist es mir dann ebenfalls klar geworden, dass Sie es sind, die diese Gefühle in mir auslösen“ Ich hatte leise und hastig gesprochen und hatte das Gefühl, dass mein Kopf glühte. Es fiel mir etwas schwer, mit ihm über so etwas Persönliches zu reden. „Und ich war mir nie sicher, ob Sie mich auch so mögen wie ich Sie. Immerhin gibt es so viele andere junge Damen, die alle hübscher, reicher und einfach gesellschaftsfähiger sind als ich“
    Edward schien von meinem Geständnis gerührt zu sein. Er sah mich so liebevoll an, dass mein Herz noch unregelmäßiger schlug. Langsam löste er eine seiner Hände von meinen und fuhr mit seinem Handrücken über meine rechte Wange. Ich schloss die Augen und Genoss diese Berührung, die so viel Liebe und Zärtlichkeit ausdrückte, dass mir beinahe die Tränen kamen.

    „Bella“, sagte er mit warmer Stimme und ich öffnete wieder meine Augen.
    „Glauben Sie mir, ich habe keine der anderen jungen Damen wahrgenommen, wenn Sie in der Nähe waren“, flüsterte er.
    Ich strahlte ihn an und ließ es zu, dass er seinen Arm sanft um meine Taille legte. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und genoss diesen Augenblick der Nähe – ich kostete geradezu jede Sekunde aus. Edward schloss die Augen und atmete gleichmäßig ein und aus. Offenbar fühlte er sich selbst genauso wohl wie ich. Ab und zu strich er mir mit seiner freien Hand über meinen Handrücken und jedes Mal fuhr ein kalter Schauer meinen Rücken hinab. Die unterschiedlichsten Emotionen durchströmten meinen Körper. So viele Gefühle, die ich noch nie in meinem Leben gespürt hatte. Es war ein wundervolles Erlebnis.

    „Bella“, hauchte Edward schließlich an meinem Ohr und in seiner Stimme schwang so viel Liebe und Sehnsucht mit, dass ich beschämt die Augen schließen musste, um meine Tränen zu verbergen. „Liebste Bella“, flüsterte er noch mal und verstärkte den Griff um meine Taille.
    „Was machen wir jetzt nur?“, fragte ich leise und hatte gleichzeitig Angst vor der Antwort.
    „Ich werde alles tun, was Sie von mir verlangen“, sagte er und lächelte mich liebevoll an. „Und nichts, was Sie nicht wollen“
    Ich drückte seine Hand. Das war mir Antwort genug. Fürs erste jedenfalls.
    „Ich denke, ich sollte Sie nach Hause zurückbringen“, fuhr er langsam fort und blickte wehmütig in die Ferne.
    „Was, schon?“, stieß ich entrüstet hervor.
    Er lächelte zufrieden. „Es tut mir wirklich sehr leid, aber ich möchte die Geduld Ihrer Eltern nicht überstrapazieren“
    „Da haben Sie wohl recht“, seufzte ich.

    Er lachte leise, erhob sich rasch und half mir auf. Ich klopfte meinen Rock ab, auf dem sich wirklich einige Graßflecken abzeichneten und runzelte ärgerlich die Stirn. Emily würde davon überhaupt nicht begeistert sein.
    Edward entging mein Mienenspiel nicht und er gluckste leise, als ich ihn fragend ansah.
    „Sie sind bezaubernd, selbst dann, wenn Sie sich über etwas ärgern“, meinte er entschuldigend.
    „Hmpf“, machte ich nur, war aber nicht in der Lage langfristig auf ihn wütend zu sein. Selbst wenn er sich über mich lustig machte.
    Bevor wir gemeinsam unsere Parkecke verließen hielt Edward plötzlich inne und sah mich nervös an.
    „Bella, würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir uns morgen hier wieder treffen könnten?“, fragte er vorsichtig.
    Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Wie kam er bloß darauf, dass es mir etwas ausmachte, ihn zu treffen? Selbst bei arktischen Temperaturen hätte ich keine Mühen gescheut ihn wieder zu sehen.
    „Ich würde Sie sehr gerne wieder sehen“, antwortete ich lächelnd. Mein Herz schlug unregelmäßig, als er mich schief anlächelte und ich das Funkeln seiner Augen sah. Er freute sich so aufrichtig, mich zu sehen, dass ich gar nicht anders konnte als ihn anzustrahlen.
    „Warten Sie hier wieder auf mich, am besten zur selben Zeit wie heute“, flüsterte er.
    Wie in Trance sah ich, dass er sich zu mir beugte und mich vorsichtig auf die Wange küsste. Ich schloss die Augen, als seine Lippen meine Haut berührten. Es war ein beinahe überirdisches Gefühl.

    Immer noch wie benommen von dieser Geste ließ ich mich wortlos von ihm nach Hause bringen. Mir entging nicht, dass er mir die ganze Zeit sanft über meinen Arm strich und mich liebevoll ansah. Kurz vor meiner Haustür verabschiedete er sich förmlich von mir, da mein Vater neugierig aus seinem Fenster sah. In Edwards Augen jedoch las ich das Versprechen auf ein neues Treffen und das gab mir die nötige Konzentration, um mich ebenfalls zurückhaltend zu verhalten.
    Vor mich hin summend betrat ich unser Haus und berührte versonnen meine Wange, auf die er mich geküsst hatte. Ich konnte es immer noch nicht glauben – das eben war anscheinend wirklich geschehen.
    Unter dem misstrauischen Blick meines Vaters, der aus seinem Arbeitszimmer in die Eingangshalle gekommen war – wohl um nach mir zu sehen – stieg ich die Treppe hinauf und summte leise vor mich hin. In diesem Moment war ich wohl das glücklichste Mädchen von Chicago!

  • Escape to EternityDatum12.03.2009 18:30
    Thema von Rosalie Hale im Forum Fanfiktion
    Kapitel 1: Neue Prioritäten


    "Miss Isabella Marie Swan!!"
    Das war unverkennbar die Stimme meiner Mutter. Und was mich noch mehr beunruhigte, als die Tatsache, dass sich meine Mutter schon dazu herab ließ, mich persönlich zu rufen war, dass sich ihre Stimme sehr wütend anhörte.
    "Isabella, wenn du nicht sofort herunterkommst, dann kannst du etwas erleben!"
    Seufzend erhob ich mich rasch von meinem Bett und eilte die lange Treppe hinab. Am Fuß der Treppe angelangt, erwartete sie mich schon. Ihre Arme hatte sie in die Hüften gestemmt und ihre Augen funkelten mich bedrohlich an.
    "Mutter?" Ich gab mir Mühe, möglichst respektvoll zu klingen. "Du hast mich gerufen?"
    Sie lachte schnaubend. "Komm mit in den Salon, mein Fräulein!"
    Gehorsam folgte ich ihr und fragte mich die ganze Zeit über, weswegen sie wohl so wütend war. Meines Erachtens hatte ich mich in den letzten 24 Stunden nicht daneben benommen.
    Im Salon angekommen ließ sie sich auf einem Sessel nieder, während ich auf dem langen, biegen Sofa Platz nahm. Einen Moment sah sie mich nur an, dann brach sie endlich ihr wütendes Schweigen.
    "Rate doch mal, was für einen Brief ich heute erhalten habe", begann sie und fuchtelte mit einem kleinen, unscheinbaren Umschlag herum, den sie die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte.
    Ich schluckte. Siedend heiß fiel mir ein, dass ich meine Mutter nicht auf diesen Brief vorbereitet hatte. Kein Wunder, dass sie so wütend war.
    "Mutter, ich kann das erklären!", beeilte ich mich hastig zu erwidern.
    "Das kann ich mir denken. Du hast für jedes Problem eine Erklärung. Oh nein, Isabella, diesmal möchte ich nichts davon hören. Verrate mir nur eins: Wieso zum Teufel hast du an diesen Professor geschrieben? Du weißt, dass sich so etwas nicht gehört!" Sie starrte mich sowohl neugierig, als auch zornig an.
    Ich holte tief Luft. Wenn meine Mutter in dieser Laune war, dann konnte ich nur sehr behutsam mit ihr umgehen.
    "Mutter, es ist nur halb so schlimm, glaube mir. Ich war lediglich neugierig und wollte wissen, was für Möglichkeiten ich an dieser Universität hätte", sagte ich ruhig.
    "Universität? Was willst du da? Du bist eine Frau!", ereiferte sich meine Mutter.
    "Ich bin nun siebzehn Jahre alt und habe meinen Hausunterricht abgeschlossen. Mr. Bertram hat außerdem angemerkt, dass ich wirklich begabt sei und über den weiteren Bildungsweg an einer Universität wenigstens einmal nachdenken solle. Ich bin lediglich seinem Ratschlag gefolgt, mehr nicht", fuhr ich immer noch ruhig fort.
    "Isabella! Was ist nur in dich gefahren? Was willst du an einer Universität? Das Studieren ist Sache der Männer, das weißt du doch!"
    "Mutter, immer mehr Frauen studieren an einer Universität. Sei doch nicht so altmodisch, da ist doch nichts dabei"
    „Still jetzt! Du weißt, wo dein Platz ist, junges Fräulein! Nämlich hier, zu Hause, bei deiner Familie. Und nicht an irgend so einer Universität, inmitten von wilden Männern!“
    Jetzt wurde ich richtig wütend. Meine Mutter hatte von diesen Dingen überhaupt keine Ahnung. Kein Wunder, wenn man sein Leben lang in einem Haus verbracht hatte und nicht einmal wusste, wo sich Europa befand. Sie verstand einfach nicht, dass ich mir mehr wünschte, als mein gesamtes Leben einer Familie zu widmen. Aber das verstanden viele nicht. Ich war wohl einfach zu modern für diese Zeit.

    Mr. Bertram, mein Hauslehrer war einer der wenigen gewesen, der mich verstanden und es mir erlaubt hatte, von diesen Dingen zu sprechen. Er hatte mich stets ermutigt, meinem Wunsch zu folgen und mir treu zu bleiben. Daher hatte ich mich auch endlich getraut, diesen Brief an einen renommierten Professor der Universität Boston zu schreiben. Ich wollte mich schließlich informieren, ob sie auch weibliche Studentinnen zuließen. Wer wusste schon, was er mir geantwortet hatte? So lange meine Mutter so wütend war würde sie mir den Brief sowieso nicht zu lesen geben.
    „Isabella“, sagte sie schließlich um einen ruhigeren Ton bemüht. „Ich verstehe ja, dass du dich nach etwas eigenem sehnst. Du bist nun eine junge, erwachsene Frau und dem Zuhause überdrüssig. Aber glaub mir, dies ist der falsche Weg“ Sie hob den Briefumschlag hoch. „Für eine Frau ist es nicht gut, an einer Universität zu studieren. Das wirft ein schlechtes Licht auf sie. Und wie willst du dann einen Ehemann finden?“
    „Wer sagt denn, dass ich das will?“, grummelte ich leise.
    Meine Mutter verdrehte nur die Augen. „Sei nicht töricht. Isabella, ich möchte, dass du in Zukunft keine heimlichen Briefe mehr an Professoren oder Universitäten schreibst Bevor du solch einen Schritt unternimmst sprichst du zu aller erst mit deinem Vater oder mit mir. Hast du mich verstanden?“
    Ich nickte. Was blieb mir auch schon anderes übrig?
    „Gut. Jetzt geh auf dein Zimmer und überdenke dein Verhalten. Und Isabella, ich muss es deinem Vater erzählen. Heute Abend werden wir uns noch mal in aller Ruhe darüber unterhalten“ Sie erhob sich und strich ihre Röcke glatt.
    Das war für mich das Zeichen, zu gehen. Langsam erhob ich mich und schlich mich zurück in mein Zimmer. Der Tag hatte so schön begonnen, aber vor dem bevorstehenden Abendessen graute es mir bereits jetzt schon. Was würde wohl mein Vater zu diesem Brief sagen?


    In meinem Zimmer legte ich mich wieder auf mein Bett und starrte an die Decke. Ich wusste im Grunde ja zur Zeit selbst nicht, was mit mir los war. Nur eines war mir klar: Lange würde ich es Zuhause nicht mehr ertragen. Ich fühlte mich eingesperrt und ständig wurde ich wie ein kleines Kind behandelt. Und das, obwohl ich schon siebzehn war. Meine Mutter konnte einfach nicht akzeptieren, dass ich kein kleines Mädchen mehr war, sondern eine junge Frau, die sich Dinge wünschte, die ihrer Mutter vielleicht nicht mehr recht waren. Aber ging das nicht allen Eltern so, deren Kinder erwachsen wurden?
    Seufzend rollte ich mich auf eine Seite und dachte daran, was Mr. Bertram mir gesagt hatte. Zu diesen Zeiten gab es viele Veränderungen, welche die Erwachsenen überforderten. Und daher fiel es meinen Eltern vielleicht auch so schwer zu akzeptieren, dass ich etwas anderes wollte als das, was sie sich für mich vorgestellt hatten.

    Eine Ehe! Ich musste mich zurückhalten, um nicht verächtlich zu lachen. Beide bewiesen mir jeden Tag, warum man nicht heiraten sollte – sie hatten sich zwar als Jugendliche ineinander verliebt, doch diese Liebe war recht schnell abgekühlt, als sie sich besser kennen gelernt hatten. Nur war es dann zu spät gewesen – ich war sozusagen schon auf dem Weg und eine Ehe konnte man nicht einfach auflösen. Daher verstand ich nicht, wieso sie sich so etwas auch für mich wünschten. Wieso sollte ich jemanden heiraten, den ich kaum kannte, nur damit ich nicht alleine blieb und womöglich arm und einsam starb? Wo ich doch so viele andere Dinge tun könnte – zum Beispiel etwas Lernen und eine Arbeit haben. Ich war überzeugt davon, dass ich keinen Ehemann bräuchte, um mein Leben zu meistern.

    Doch in letzter Zeit hatte es sich meine Mutter in den Kopf gesetzt, mir jemanden zu suchen. Sie überprüfte sämtliche Familien, mit denen wir befreundet waren, auf heiratsfähige Söhne. Sie sah sich auf der Straße nach besonders gut aussehenden jungen Männern um und versuchte mich zu überreden, diese auch ansprechend zu finden. Und was noch schlimmer war – sie gab unzählige Dinerpartys und lud jedes Mal einen unverheirateten Mann ein, von dem sie überzeugt war, dass er zu mir passen könnte. Es war schrecklich und ein Grund mehr, um aus diesem Leben auszubrechen.

    Ein leises Klopfen riss mich aus meinen Gedanken.
    „Miss?“ Emily, meine Magd, steckte ihren Kopf in mein Zimmer.
    „Alles in Ordnung Emily. Komm ruhig herein“ sagte ich und setzte mich rasch hin.
    Emily arbeitete noch nicht lange bei uns. Sie stammte aus einem Indianerreservat von der Westküste und war nach Chicago gekommen, um eine Arbeit zu finden. Glücklicherweise war sie in unserem Haus gelandet - ich mochte Emily von der ersten Minute an und hoffte, dass ich keine allzu strenge Herrin für sie war. Emily war unglaublich sanftmütig und hörte mir oft stundenlang zu, während sie mir meine Haare wusch und auf den Lockenstab aufdrehte. Freundinnen waren wir nicht, dazu war der Standesunterschied zu groß. Aber ich gab mir immer sehr viel Mühe, Emily respektvoll zu behandeln. Ich war jedes Mal sehr wütend, wenn ich mitbekam, wie meine Eltern mit ihr umgingen. Emilys Leben war sicher nicht einfach, daher war es mir wichtig, dass sie sich hier wenigstens einigermaßen wohl fühlte.

    Langsam kam sie nun in mein Zimmer und sah mich vorsichtig an. Natürlich hatte sie den Streit mit meiner Mutter mitbekommen und wusste wahrscheinlich nicht, in welcher Stimmung ich jetzt war oder wie sie mich am besten ansprechen sollte.
    „Ist es schon so weit?“, fragte ich sie seufzend.
    Sie lächelte schwach. „Miss, ich verspreche Ihnen, dass ich heute besonders schnell sein werde“
    „Ach Emily, sei nicht albern. Ich meinte nicht dich, sondern das Abendessen“, sagte ich und lächelte zurück.
    Ich genoss es sehr, wenn Emily mich für das Essen vorbereitete. Sie war die einzige, von der ich mich gerne ankleiden ließ ohne mir wie eine zu groß geratene Puppe vor zukommen.
    „Also, was hast du mir heute heraus gesucht?“, fragte ich betont munter und stand von meinem Bett auf.
    „Das blaue Kleid, Miss. Sie sehen darin immer so schön aus“, antwortete sie lächelnd.

    Ich selbst empfand mich nicht gerade als Schönheit – meine Haut war einfach viel zu blass dafür. Ich hatte nicht den rosigen Teint, der momentan als Schönheitsideal galt. Mein ganzer Stolz waren meine langen braunen Haare, die selbst hochgesteckt wunderschön aussahen. Blau war eine der wenigen Farben, die mir wirklich sehr gut standen.
    Die nächste Stunde verbrachte sie damit, mich in das Kleid zu stecken, meine Haare zu frisieren und mir den passenden Schmuck herauszusuchen. Die ganze Zeit schwieg ich und starrte mein Spiegelbild an. Wieso sollte ich in meinem Leben lediglich eine Ehe eingehen und Kinder bekommen? Das war einfach nicht gerecht.

    „Miss?“ Emily sah mich prüfend an. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sind die ganze Zeit so schweigsam“
    Ich seufzte. „Mach dir keine Sorgen Emily. Es ist nichts. Ich bin einfach nur ein wenig rastlos, das ist alles“
    Emily legte mir beruhigend eine Hand auf meine Schulter. „Machen Sie sich keine Sorgen, Miss. Manchmal erscheint alles so ungewiss, aber es kann sich alles schneller ändern als man denkt“ Sie lächelte mich an und widmete sich wieder meiner Hochsteckfrisur.
    „Danke Emily“, sagte ich leise. Sie schaffte es immer, mir wieder etwas Hoffnung zu geben.


    Eine halbe Stunde später saß ich am Tisch im Esszimmer zum Abendessen. Meine Eltern waren bereits anwesend und nahmen ihre Suppe schweigend ein. Ich würde bestimmt nicht die erste sein, die das Schweigen brach. Auch wenn die Stille wirklich unangenehm war. Mein Vater sah mich nicht einmal an und schlürfte seine Suppe geräuschvoll, während meine Mutter mir ab und zu tadelnde Blicke zuwarf. Der zweite Gang wurde serviert und ich fragte mich erneut, wie mein Vater in der Lage war, so ein köstliches Essen zu finanzieren, während in Europa der Krieg tobte und unser Land darin verwickelt war.

    „Isabella“, sagte mein Vater schließlich und sah mich prüfend an. „Mir ist heute zu Ohren gekommen, dass du den Plan hattest, an einer Universität zu studieren“
    Ich nickte. „Das ist wahr, Vater“, sagte ich mit fester Stimme.
    „Hm. Du weißt, dass deine Mutter und ich davon nicht begeistert sind?“
    „Ja, das weiß ich“
    Er legte sein Besteck beiseite. „Isabella, was sollte das? Du hast hier doch alles, was du brauchst. Weswegen willst du studieren? Das ist doch nichts für eine junge Frau wie dich. Du solltest dir langsam einen Ehemann suchen und eine Familie gründen, anstatt deine Zeit mit Universitäten zu verschwenden!“
    Meine Mutter lächelte ihn zufrieden an. „Isabella, dein Vater hat recht“, sagte sie und versuchte dabei möglichst gütig zu klingen.
    Ich sagte nichts und beschäftigte mich weiterhin mit meinem Essen.
    „Deine Mutter und ich hatten vorhin ein Gespräch und ich würde dir gerne mitteilen, zu welchem Ergebnis wir gekommen sind“, fuhr mein Vater ungerührt fort und lächelte meine Mutter liebevoll an.
    „Charlie ist nur um dein Wohl besorgt“, fügte sie an mich gewandt hinzu. Sie legte eine Hand auf seine und sie sahen sich für einen Augenblick beinahe verliebt in die Augen.
    Mir war dieses Getue zuwider. Ich wusste, sie spielten das nur vor, damit ich ihre Entscheidung ohne zu murren akzeptieren würde. Langsam legte ich mein Besteck weg und tupfte mir mit der Serviette den Mund ab.

    „Weißt du, in ein paar Tagen ist doch der große Frühjahrsball von unserem Stadtviertel“, begann mein Vater zögerlich.
    Ich schluckte. Dass mein Vater sich an den Ball erinnerte war schon recht ungewöhnlich. Und noch schlimmer war, dass er offenbar von der Idee, dass wir auf einen Ball gehen würden recht angetan war. Er verabscheute große gesellschaftliche Zusammenkünfte ziemlich, er fühlte sich in einer kleinen Runde viel wohler. Meine Mutter hingegen war so ziemlich genau das Gegenteil davon. Sie liebte Bälle – sie liebte eigentlich alle Ereignisse, bei denen sie sich in den Mittelpunkt stellen konnte. Große Feierlichkeiten waren eigentlich immer etwas, worüber sich meine Eltern fürchterlich streiten konnten.
    „Du meinst den Ball, den die Newtons geben?“, fragte ich vorsichtig und betete, dass es sich um ein Missverständnis handelte.
    „Ja, Schatz! Du hast es erfasst!“, rief meine Mutter zufrieden.
    „Renée, sei so gut, lass mich ausreden“, meinte mein Vater leise und meine Mutter verstummte sofort. „Isabella, wir werden dort alle gemeinsam hingehen. Und deine Mutter und ich, wir werden dir an diesem Abend einen geeigneten Hochzeitskandidaten auswählen“
    Ich hielt erschrocken die Luft an. So weit ließen sie es beide eigentlich nie kommen.
    „Ihr wollt was?“, hauchte ich bestürzt.
    „Isabella, Kind, stell dich nicht so an. Du bist alt genug. Und auch dein Vater ist der Meinung, dass du einen Ehemann brauchst“ Meine Mutter lächelte mich gefährlich an. Übersetzt hieß das so etwas wie „Sei still und gehorche, sonst gibt es Aerger“
    „Hör auf deine Mutter“, fügte mein Vater hinzu, der sich mittlerweile bereits dem Nachtisch widmete.
    Mir war schlagartig der Appetit vergangen. Wortlos erhob ich mich und bat um Entschuldigung. So schnell es mir möglich war verließ ich den Saal und stürzte in mein Zimmer.

    Die ganze Nacht verbrachte ich, in dem ich verzweifelt weinte und meine Wut an den schönen Daumenkissen ausließ.  Als ich mich wieder besser unter Kontrolle hatte, ging ich auf und ab und zerbrach mir den Kopf, wie ich diesem Schicksal entrinnen könnte. Meine Zukunft sah zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht sonderlich rosig aus.

    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 2 : Einkaufstour mit Folgen



    Bereits am nächsten Tag musste ich mit meiner Mutter einige Einkäufe erledigen. Auch wenn sie mir zustimmte, dass ich furchtbar aussah und mich nicht wohl genug für eine Anstrengung dieser Art fühlte, bestand sie darauf. So machte ich mich gleich nach dem Frühstück auf, mit einer besonders aufgekratzten Renée die Geschäfte Chicagos zu durchforsten. Wenn auch etwas widerstrebend. Aber ich war eigentlich ziemlich froh, dass ich mitkommen konnte.
    Meine Mutter besaß nämlich die ziemlich anstrengende Eigenschaft, sich in der Oeffentlichkeit recht schnell zu blamieren. Und meistens konnte ich eingreifen, bevor es zu peinlich wurde.

    Was das Blamieren in der Oeffentlichkeit anging war ich leider auch kein leuchtendes Vorbild. Ich konnte mich zwar – im Gegensatz zu meiner Mutter – ordentlich benehmen, dafür stolperte ich so ziemlich über jeden Gegenstand, der auf der Straße herumlag, stieß gegen sämtliche Regale in einem Geschäft und verletzte mich eigentlich immer, sobald ich das Haus verließ. Meine Mutter konnte sich stundenlang über meine Tölpelhaftigkeit ereifern. Schon drei Anstandsdamen, eine davon kam sogar aus England, hatten versucht, mich zu einer anmutigen Dame zu erziehen. Vergebens, alle drei gaben nach einer Weile kopfschüttelnd auf. Das ganze hatte laut meinem Vater ein halbes Vermögen gekostet, aber ich hatte mich einfach nicht gebessert. Ich war immer noch hoffnungslos tollpatschig. Manchmal warf mir meine Mutter genau das vor, wenn sie wieder einmal klagte, dass ich keinen Ehemann fand. Meiner Meinung nach übertrieb sie hier völlig. Jeder hatte doch eine Schwäche, oder nicht?

    Als wir in eine Kutsche stiegen achtete meine Mutter besonders darauf, dass ich heil und unbeschadet hinein gelangte. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um ein Schnauben zu unterdrücken. So schlimm war ich jetzt auch wieder nicht.
    „Am besten, wir fahren zu den Webers, die haben immer so schöne Stoffe“, sinnierte meine Mutter gedankenverloren vor sich hin.
    „Hm“, antwortete ich und bereitete mich schon mal innerlich auf diesen schrecklichen Tag vor. Auch wenn ich den Webers, die im eigentlichen Sinne wirklich sehr nett waren, Unrecht tat. Und außerdem würde meine Freundin Angela sicher auch im Laden sein. Angela war die Tochter von Mr. und Mrs. Weber und sie war eine der wenigen jungen Damen in meinem gesellschaftlichen Umfeld, mit der mich mehr verband als leblose, zwanghafte Konversation.
    „Du brauchst unbedingt ein neues Kleid, Isabella. Ich kann es einfach nicht fassen, dass wir daran noch nicht gedacht haben. Was willst du denn am Frühjahrsball anziehen? Du hast ja nichts Passendes“ Meine Mutter redete offenbar immer noch über das Kleid und ich bemühte mich, einen interessierten Gesichtsausdruck aufzusetzen.
    Gott sei dank erreichten wir bald die Grosven Street, wo sich auch der Laden der Webers befand. Endlich konnte ich der beklemmenden Enge der Kutsche entkommen.

    Sobald wir nur ein paar Schritte gegangen waren hörten wir auch schon eine schrille Stimme unsere Namen rufen.
    „Mrs. Swan! Miss Swan!“ Eine Dame mittleren Alters kam auf uns zugeeilt und als sie uns fast erreicht hatte, erkannte ich auch, um wen es sich handelte. Ich hatte eigentlich gedacht, dieser Tag wäre schon schlimm gewesen, aber er wurde noch schlimmer, als ich diese Frau erblickte.
    „Oh, Mrs. Newton!“, rief meine Mutter erfreut.
    „Was für eine angenehme Ueberraschung, Sie beide hier zu sehen!“, antwortete die Angesprochene und lächelte gekünstelt.
    Mrs. Newton war nach der neuesten Mode gekleidet und trug einen überdimensional großen Hut. Kein Wunder, dass ich sie zuerst nicht erkannt hatte.
    „Wie ich sehe, erledigen Sie auch gerade Besorgungen. Ich hoffe doch sehr, dass ich Sie auf meinem Ball begrüßen kann?“ Sie strahlte uns an, als sie ihren Ball erwähnte.
    „Aber natürlich! Vielen Dank für Ihre Einladung, das ist sehr großzügig von Ihnen!“, antwortete meine Mutter überschwänglich.
    „Ach, was wäre mein Ball nur ohne Ihre Anwesenheit?“, gab Mrs. Newton zurück und lachte laut, als würde die bloße Vorstellung, dass wir auf ihrem Ball fehlen könnten, der beste Witz sein, den sie je gehört hatte.
    „Ich hoffe, Ihr Sohn wird auch anwesend sein?“, fragte meine Mutter scheinbar unbeteiligt. Nur ich sah, dass diese Frage sie brennend interessierte.
    „Oh, selbstverständlich!“ Mrs. Newton seufzte leise. „Mein Mike ist doch schon ein richtiger Mann. Er wird sich sicher nach einer Ehefrau umsehen wollen. Und wo könnte er das besser, als auf meinem Ball, wo sich die hübschesten Mädchen Chicagos versammeln?“ Sie lächelte wieder entzückt.
    „Da haben Sie vollkommen recht!“, stimmte meine Mutter ihr sofort zu.
    Beide plauderten noch etwas und schienen meine Anwesenheit vollkommen vergessen zu haben, wofür ich allerdings mehr als dankbar war. Diese leeren Konversationen, die nur so strotzten vor falschen Schmeicheleien und Höflichkeitsbekundungen waren mir schon immer in Dorn im Auge gewesen. Ich konnte mich nur so verstellen, wenn es wirklich nötig war. Und ich konnte mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich selbst einmal so enden sollte. Allein bei diesem Gedanken wurde mir schlecht.

    Als ich der Unterhaltung wieder folgte bekam ich gerade noch rechtzeitig mit, dass sie sich gerade von einander verabschiedeten. Rasch sagte ich auch noch meine notwendigen Sprüche und Mrs. Newton rauschte wieder davon. Fast wie ein Wirbelsturm, der nun bei den Nächsten Unheil anrichten würde.
    „Was für eine reizende Frau!“, sagte meine Mutter seufzend. „Findest du nicht auch Isabella?“
    „Oh, ja, wirklich sehr elegant“, meinte ich unbeteiligt.
    „Wie überaus nett von ihr, dass sie uns auf den Ball eingeladen hat“, fuhr meine Mutter fort.
    „Ja, wirklich sehr reizend“, antwortete ich seufzend. Ich hasste es, wenn meine Mutter vor sich hinplapperte und auf meine Antworten sowieso keinen Wert legte.
    „Freust du dich nicht, dass Mike Newton auch anwesend sein wird?“
    Aha. Jetzt kamen wir dem Kern des Ganzen schon näher.
    „Er ist ein wirklicher Gentleman. So einen wohlerzogenen und überaus höflichen jungen Mann habe ich selten gesehen“ Sie redete noch eine ganze Weile über die Vorzüge von Mike Newton und ich dachte selbst ein wenig über ihn nach.

    Ich kannte Mike nur flüchtig, meine Mutter hatte ihn und seine Familie manchmal zu uns eingeladen und bei diesen Gelegenheiten hatte ich mich nicht wirklich mit ihm unterhalten können. Mein Eindruck war, dass es sich bei Mike Newton um einen im Grunde netten jungen Mann handelte, der allerdings viel zu viel von sich selbst überzeugt und selbstverliebt war. Und garantiert war dieser Mann kein geeigneter Heiratskandidat für mich. Was meine Mutter leider anders sah. Ich hatte mich schon gefragt, wann sie wieder mit ihren Vorträgen über die vorteilhafte Partie mit Mike beginnen würde. Und ich hoffte, dass sie diese wenigstens im Laden der Webers unterbrechen würde.
    „Isabella, mach nicht so ein Gesicht!“, rügte sie mich und ich seufzte innerlich. Offenbar hatte sich meine Abneigung den Newtons gegenüber auf meinem Gesicht nur allzu deutlich widergespiegelt.
    „Mutter, können wir uns nicht lieber auf die Einkäufe konzentrieren?“, schlug ich rasch vor, um ihre Aufmerksamkeit etwas abzulenken.
    „Oh, na gut. Aber wir reden später weiter, mein Fräulein!“

    Im Laden der Webers waren wir die einzigen Kunden. Mrs. Weber begrüßte uns erfreut und bot uns sogleich etwas zu trinken an, da sie wusste, dass wir länger bleiben würden. Meine Mutter hatte gleich beim Eintreten erwähnt, dass wir Stoffe für ein neues Ballkleid suchten. Während ich mich gedankenverloren im Laden umsah tauschten meine Mutter und Mrs. Weber wieder den neuesten Klatsch und Tratsch aus. Diesmal ging es um eine neue Familie, die erst seit kurzem in unserem Viertel in Chicago wohnte.
    „Mr. Masen arbeitet in einer großen Bank und ist ein sehr angesehener Mann, das habe ich mir jedenfalls sagen lassen. Und glauben Sie mir, Mrs. Swan, Mrs. Masen ist eine reizende Person. So überaus liebevoll, sie war erst vor ein paar Tagen hier und hat sich bei mir vorgestellt!“ Mrs. Weber war offenbar sehr angetan von der neuen Familie.
    „Und, haben sie denn Kinder?“, wollte meine Mutter wissen und wirkte dabei mehr als uninteressiert.
    „Oh ja, einen Sohn! Den sollten Sie kennen lernen, so ein höflicher junger Mann!“, schwärmte Mrs. Weber weiter.
    Jetzt war das Interesse meiner Mutter geweckt. „Einen Sohn?“, fragte sie sofort begierig.
    Ich drehte mich zu den beiden um und studierte den Gesichtsausdruck meiner Mutter.
    Mrs. Weber lächelte verschmitzt. „Er dürfte genau so alt sein wie Miss Swan“, meinte sie.
    „Na sieh einer an!“, murmelte meine Mutter.
    Ich seufzte leise und widmete mich wieder den Stoffen. Wie es aussah, war soeben noch ein Heiratskandidat für mich aufgetaucht. Mein Schicksal schien mich am heutigen Tag regelrecht zu hassen.

    Eine halbe Stunde später hatten meine Mutter und ich uns endlich auf vier mögliche Stoffe geeinigt und Mrs. Weber hatte uns ein Schnittmuster präsentiert, das sowohl der neuesten Mode entsprach als auch für einen Ball mehr als nur geeignet war. Eigentlich freute ich mich auf das neue Kleid, auch wenn ich wusste, dass es mich nur zur Schau stellen sollte. Ich kam mir vor wie eine Ware, die an den Meistbietenden verkauft werden sollte.
    Gerade als meine Mutter und ich über die Farben der Stoffe diskutierten ertönte die Klingel und neue Kunden betraten den Laden. Mrs. Weber ließ uns einen Moment alleine und ich konnte mit meiner Mutter endlich offen reden.
    „Mutter, glaub mir, ich habe nichts gegen die Farbe Grün, aber mir gefällt die Verarbeitung dieses Stoffs einfach nicht! Das sieht grauenvoll aus, ich weiß nicht, was du daran so gut findest!“, sagte ich ungehalten und bedachte den Favoriten meiner Mutter mit einem bösen Blick.
    „Isabella, das ist ein Frühlingsball und grün ist nun mal eine Farbe des Frühlings!“, gab meine Mutter ebenso ungehalten zurück. „Die anderen Stoffe sind auch nicht viel besser“
    „Ich habe vorhin einen gesehen, der wirklich schön aussah. Wenn du kurz wartest, dann hole ich ihn“, sagte ich rasch.
    „Na gut, geh ruhig!“ Meine Mutter sah mich grimmig an, dann studierte sie wieder das Schnittmuster.
    Grummelnd eilte ich in die hinterste Ecke des Ladens um den Stoff zu holen, der mir schon vorhin aufgefallen war. Ich verstand nicht, weshalb Mrs. Weber ihn nicht gleich heraus gesucht hatte, denn meiner Meinung nach war er wirklich sehr schön.
    Wieder einmal achtete ich nicht darauf, wohin ich lief und ehe ich mich versah war ich auch schon über ein Stück Stoff gestolpert, das auf den Boden gefallen war.

    Ich schloss die Augen und breitete meine Arme aus, um den Aufprall etwas abzufedern, doch ich berührte den Boden nicht. Zwei starke Arme fingen mich auf, bevor es zu spät war und ich benötigte einige Sekunden, um zu realisieren, was gerade passiert war.
    „Miss? Miss, ist alles in Ordnung?“ hörte ich jemanden besorgt nach mir fragen. Ich bekam eine Gänsehaut - diese Stimme war samten und weich und so viel schöner als all die Stimmen, die ich bisher gehört hatte.
    Als ich meinen Kopf drehte sah ich das schönste Gesicht, das ich je in meinem Leben gesehen hatte. Ein junger Mann mit ebenmäßigen Gesichtszügen, bronzefarbenem Haar und intensiven, grünen Augen hatte mich vor meinem Sturz bewahrt. Und ich lag immer noch in seinen Armen.
    Auch er schien zu begreifen, dass die Gefahr nun vorbei war und stellte mich rasch wieder auf meine Füße.
    Ich ordnete meine Röcke und sah mich kurz um. Ich hatte Glück, niemand schien Zeuge meines Missgeschicks geworden zu sein. Niemand bis auf den jungen Mann vor mir, der mich nun neugierig musterte. Ich errötete unter seinem Blick und er räusperte sich rasch.
    „Vielen Dank, dass Sie mich aufgefangen haben“, brachte ich heraus und sah beschämt auf meine Schuhspitzen. Er musste mich für ein tollpatschiges kleines Mädchen halten.
    „War mir ein Vergnügen Miss“, antwortete er und als ich wieder in sein Gesicht sah lächelte er mich schief an. Wie war es möglich, dass er dabei noch schöner aussah als vorher?
    „Dürfte ich wohl Ihren Namen erfahren?“, fragte er und sah mich freundlich an.
    „Isabella Swan“ hauchte ich, nicht dazu in der Lage, den Blick von ihm abzuwenden.
    „Ich bin Edward Masen. Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen“, sagte er lächelnd und deutete eine Verbeugung an. Rasch machte ich einen Knicks.
    Dann lächelte er mich wieder an. „Weswegen sind Sie denn so überstürzt hierher geeilt?“, wollte er wissen.
    Ich schluckte, bevor ich wieder zu sprechen begann. Ich war wie verzaubert von ihm. „Ich suche nach einem Stoff“, sagte ich schlicht.

    „Edward?“ Eine junge, wunderschöne Frau kam auf uns zugeschritten und musterte mich neugierig. Sie hatte die selbe Augenfarbe wie ihr Sohn und ihre Haare enthielten ebenfalls einen ähnlichen bronzefarbenen Ton.
    „Mutter, das ist Miss Isabella Swan“, sagte er rasch. „Ich habe gerade ihre Bekanntschaft gemacht“
    „Oh, dann sind Sie die Tochter von Mr. Swan, nicht wahr?“, sagte Mrs. Masen freundlich. „Mein Mann, Edward, kennt Ihren Vater von früheren Studienzeiten!“
    „Oh, Mrs. Masen!“ Meine Mutter war nun auch auf die beiden aufmerksam geworden. Ich stöhnte innerlich. Sie musste sich auch überall einmischen. „Wie schön Sie kennen zu lernen!“ Beide Damen machten einen Knicks und lächelten sich an.
    „Und das ist wohl Ihr Sohn, nicht?“, fuhr meine Mutter fort.
    „Ja wohl, Mrs. Swan. Ich bin Edward Masen!“, sagte Edward lächelnd und deutete auch bei ihr eine Verbeugung an. Ich konnte nicht anders und starrte ihn wie hypnotisiert an. Es sah umwerfend aus, wie elegant und anmutig er sich bewegte.
    „Nun, wir müssen dann leider weiter“, sagte Mrs. Masen bedauernd.
    „Aber wir sehen Sie doch sicher auf dem Frühjahrsball der Newtons, oder?“, fragte meine Mutter sofort. „Meine Tochter wird auch dort sein“, fügte sie hinzu und ich starrte beschämt zu Boden. So hatte sie mich schon lange nicht mehr angepriesen.
    „Es wird mir eine Freude sein, Sie dort wieder zusehen, Miss Swan!“, sagte Edward und schenkte mir ein hinreißendes Lächeln. Ich lächelte schwach.
    Mrs. Weber und meine Mutter verabschiedeten die beiden überschwänglich, ich aber, hatte nur Augen für Edward. Wie konnte es sein, dass so ein schöner Mensch existierte? Ich sah ihnen noch eine Weile nach, wie sie die Straße entlang schritten und ich hätte schwören können, dass Edward sich einmal kurz umdrehte.

    Von dem weiteren Tag bekam ich kaum noch etwas mit. Ich war so verwirrt, dass ich das Abendessen rasch beendete und früher als üblich zu Bett ging. Was war nur mit mir passiert? Seitdem ich Edward Masen getroffen hatte konnte ich an nichts anderes mehr denken als an ihn. Emily schien zu merken, dass etwas mit mir nicht stimmte, fragte mich aber nicht danach. Stattdessen lächelte sie mich merkwürdig an, als ich ihr berichtete, dass wir die neue Familie und deren Sohn getroffen hatten.
    Meine letzten Gedanken vor dem Einschlafen galten Edward Masen. Und überrascht stellte ich fest, dass ich mich sogar ein bisschen auf den Ball freute.

    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 3: Konversation am Nachmittag


    Ich hatte gehofft, dass sich meine Verwirrtheit legen würde, aber dem war nicht so. Auch am nächsten Tag dachte ich die ganze Zeit über Edward Masen nach. Vor allem seine Augen und sein schiefes Lächeln wollten mir nicht aus dem Sinn gehen. Selbst dann, als ich mich den Tätigkeiten widmete, die mir sonst sehr verhasst waren, wie zum Beispiel Sticken, ließen sich meine Gedanken nicht ablenken.
    Ich war verflucht – anders konnte ich mir meinen Zustand nicht erklären. Meiner Mutter schien nichts aufzufallen, nur Emily ahnte wohl etwas, wollte mir aber nicht sagen, was sie vermutete.
    Als auch am nächsten Tag keine Besserung eintrat beschloss ich grimmig, in den Park zu gehen um mich ein bisschen an der frischen Luft zu bewegen. Ich hoffte, dass diese Aktivität mir meine merkwürdigen Gedanken schon noch austreiben würde. Zudem war das Wetter wirklich herrlich. Die Nachmittagssonne schien fröhlich und nicht eine Wolke war zu sehen. Dieses schöne Frühlingswetter musste ich einfach ausnutzen!
    Meine Mutter hatte nichts dagegen, dass ich für eine Weile alleine durch den Park schlendern wollte und so machte ich mich ein wenig später auf den Weg. Ich war froh, dass sie nicht mitkam. Ihr Geplapper hätte ich heute nicht ertragen. Und die passenden Antworten hätte ich sowieso nicht geben können. Meine Gedanken waren viel zu sehr mit einem gewissen Mr. Masen beschäftigt...
    Nein, heute wollte ich alleine sein und ein bisschen in Ruhe über alles nachdenken. Zur Sicherheit hatte ich ein Buch mitgenommen. Vielleicht würde ich ja genug Ruhe finden, um mich endlich wieder meinem Lieblingsbuch zu widmen. Dazu war ich nämlich momentan auch nicht in der Lage gewesen.


    Ich hatte Glück – im Park waren mehrere Bänke unbesetzt und so suchte ich mir eine aus, die mitten in der warmen Frühjahrssonne stand und recht einladend aussah. Hier ging es mir gleich viel besser. Ich war nicht eingesperrt, so wie zu Hause und auch keiner ständigen Beobachtung ausgesetzt. Ich musste mich nicht verstellen und auch nicht auf meine Mimik achten. Hier wurde ich weitgehend in Ruhe gelassen. Einige Passanten liefen an mir vorbei und schenkten mir keine Beachtung. Was für ein schönes Gefühl!
    Eine Weile saß ich mit geschlossenen Augen auf der Bank und genoss das Gefühl der wärmenden Sonnenstrahlen auf meiner blassen Haut. Es tat so gut, einfach auf dieser Bank zu sitzen. Ich öffnete den obersten Knopf meiner Bluse und lockerte den engen Bund an meinen Aermeln. Dann nahm ich mein Buch zur Hand und begann zu lesen.
    Es war wirklich ein großer Unterschied, ob ich mich Zuhause oder hier draußen aufhielt. Ich konnte mich endlich auf die Handlung des Buches konzentrieren und fühlte mich gleich viel weniger rastlos. Das Gezwitscher der Vögel war seltsam beruhigend und die Geräusche der Parkbesucher störten mich nicht. Ich war endlich wieder ruhig und entspannt.

    Allerdings währte dieser Zustand nicht lange. Eine angenehme und mir nur zu bekannte Stimme ließ mich aus meinem Buch hoch schrecken.
    „Das ist wirklich ein interessantes Buch. Auch wenn ich die Faszination nicht verstehen kann, die es auf die weiblichen Leser ausübt!“
    Ich schaute überrascht auf, direkt in das Gesicht von Edward Masen. Augenblicklich bekam ich einen Kloß im Hals, welcher es mir unmöglich machte zu sprechen.
    „Entschuldigen Sie, Miss Swan, ich habe sie erschreckt!“, sagte er sofort und musterte mich besorgt.
    Oh je, ich musste einen jämmerlichen Eindruck hinterlassen.
    „Oh, nein Mr. Masen, haben Sie nicht!“, meinte ich rasch und versuchte ihn beruhigend an zulächeln.
    „Erlauben Sie mir, mich neben Sie zu setzten?“, fragte er mich.
    „Natürlich! Setzen Sie sich“, antwortete ich und jetzt war ich mir sicher, dass ich wie ein Idiot aussehen musste, denn ich strahlte ihn regelrecht an.
    Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander und betrachteten die Passanten, die vorbeigingen. Ich überlegte fieberhaft, was ich sagen könnte, um eine Unterhaltung in Gang zu bringen, aber er kam mir zuvor.

    „Ich würde Sie bitten, mir nun das Geheimnis dieses Buches zu verraten, Miss Swan“, sagte er und seine Augen funkelten belustigt.
    Ich schnappte leise nach Luft. Auch ein Edward Masen durfte sich nicht über mein Lieblingsbuch lustig machen.
    „Mr. Masen, `Sturmhöhe ist ein wirklich faszinierendes Buch. Haben Sie es denn schon gelesen?“ fragte ich ihn neugierig.
    Er lachte leise. „Ich gebe zu, jetzt haben Sie mich erwischt. Ich habe es angefangen, aber ich konnte nicht weiter lesen. Es riss mich einfach nicht mit“ Er zuckte mit den Achseln und sah mich entschuldigend an. „Können Sie mir dieses Vergehen denn verzeihen?“
    Ich lächelte. „Nun, ich denke, dass ich das kann. Aber nur, wenn Sie mir versprechen, eines Tages noch mal zu versuchen es zu lesen“ Ich war erstaunt über mich selbst. Woher nahm ich plötzlich den Mut, so keck zu sein? Meine Mutter würde, falls sie dies sähe, die Hände vor dem Kopf zusammen schlagen. Doch Edward schien das anders zu sehen. Er lächelte breit und meinte nur: „Na schön, ich verspreche es Ihnen. Doch welche Gegenleistung kann ich von Ihnen für dieses Versprechen erwarten?“
    Ich errötete, als mir der schmale Grat bewusst wurde, auf dem ich mich soeben bewegte. Da saß ich nun, allein im Park und plauderte viel zu vertraut mit einem jungen Mann, den ich kaum kannte.
    „Mr. Masen“, sagte ich leise und sah ihn leicht tadelnd an.
    „Habe ich Sie etwa in Verlegenheit gebracht?“, wollte er wissen und sah dabei überhaupt nicht so aus, als ob dies ihm Kummer bereiten würde. Im Gegenteil, er fuhr sich grinsend durch sein Haar und mir stockte der Atem bei diesem Anblick. Das helle Sonnenlicht ließ es in den unterschiedlichsten Farben schimmern und auch sein Gesicht sah noch schöner aus als beim letzten Mal.

    „Sagen Sie nichts, Miss Swan, mir ist schon etwas eingefallen“, meinte er schließlich, als ich endlich zu einer Antwort ansetzten wollte. Ich sah ihn misstrauisch an und wartete darauf, dass er fort fuhr.
    „Ich würde Sie beim morgigen Ball gerne um einen Tanz bitten. Vielleicht auch um zwei, wenn Sie mit mir zufrieden sein sollten“ Er lächelte mich wieder so schief an und ich konnte gar nicht anders, als einverstanden zu sein.
    „Na schön, das kann ich akzeptieren“, meinte ich und lächelte ebenfalls. Irgendetwas war anders an ihm als bei den anderen jungen Männern, die ich bisher kennen gelernt hatte. Ich kam nur noch nicht drauf, was es war. Aber, es gefiel mir. Es gefiel mir außerordentlich.
    „Und was machen Sie hier, Miss Swan, wenn Sie nicht gerade das hochinteressante Buch von Emily Bronte lesen?“, wollte er wissen und ich war erstaunt über diesen plötzlichen Themenwechsel.
    „Nun, ich war eigentlich auf der Suche nach etwas Ruhe“, gestand ich und wunderte mich selbst darüber, weswegen ich so ehrlich war.
    „Es tut mir leid, wenn ich diese Ruhe gestört habe“, sagte er schnell. „Wenn Sie möchten, dann lasse ich sie gerne wieder allein,“ bot er an.
    Nein! Das sollte er auf keinen Fall! „Nein, bleiben Sie ruhig“, antwortete ich sofort. „Ich habe mich sowieso kaum auf das Buch konzentrieren können“
    Er legte den Kopf etwas schief und sah mich so intensiv an, dass mir schon wieder die Röte ins Gesicht schoss. Rasch versuchte ich, meine aufkommende Verlegenheit zu überspielen.

    „Und Sie, Mr. Masen? Was machen Sie zu dieser Zeit im Park, außer natürlich die Ruhe junger Damen zu stören?“
    Er lachte leise. „Miss Swan, es überrascht Sie vielleicht, aber ich war ebenfalls auf der Suche nach etwas Ruhe. Bei mir Zuhause sind alle viel zu aufgeregt wegen dem Ball morgen Abend. Ich habe also die Flucht ergriffen“, sagte er grinsend.
    Er war mir definitiv sympathisch!
    „Seit wann wohnen Sie eigentlich in Chicago?“, fragte ich neugierig. Ich war mir sicher, dass Mrs. Weber diese Information neulich schon berichtet hatte. Da ich aber nicht zugehört hatte, war sie mir wohl entgangen.
    „Seit ungefähr vierzehn Tagen, Miss Swan“, antwortete er lächelnd.
    „Ich will nicht unhöflich sein, Mr. Masen, aber weswegen sind Sie denn umgezogen?“
    „Meine Familie lebte seit meiner Geburt in New York. Doch in letzter Zeit liefen die Geschäfte für meinen Vater dort nicht mehr so gut und er entschloss sich, zurück nach Chicago zu kommen um dort seine neue Geschäftsidee in die Tat umzusetzen. Und ich kam mit, da ich die Stadt Chicago auch gerne kennen lernen wollte“, erzählte er mir. „Und, Miss Swan, Sie sind nicht unhöflich“, fügte er grinsend hinzu.
    „Haben Sie schon Pläne, was Sie aus Ihrer Zukunft hier machen möchten?“ Ich konnte mir diese Frage einfach nicht verkneifen. Die Antwort verriet sehr viel über den Charakter eines jungen Mannes. Viele wollten der Armee beitreten, einige andere sich gleich eine Anstellung suchen und nur wenige wollten an eine Universität und studieren. Ich war sehr gespannt, was Edward vorhatte.

    Er zögerte zunächst ein bisschen, bevor er sprach. „Wissen Sie, Miss Swan, mein Vater sähe es gerne, wenn ich der Armee beitreten würde. Aber das ist nichts für mich. Ich würde am liebsten an einer Universität studieren“ Er blickte sehnsuchtsvoll in die Ferne.
    „Studieren“, seufzte ich leise. „Das würde ich auch gerne“
    Eine Sekunde später biss ich mir wütend auf die Lippen. Ich konnte nicht fassen, dass ich das gerade eben gesagt hatte. Jetzt hatte ich es mir sicher mit ihm verdorben.
    „Wirklich?“ Er sah mich prüfend an.
    „Vergessen Sie es lieber schnell, Mr. Masen“, murmelte ich peinlich berührt.
    „Aber nein, das finde ich gut!“, sagte er. „Ehrlich! Ich muss Ihnen gestehen, dass ich Frauen, die nur sich selbst im Kopf haben ziemlich langweilig finde!“
    Ich kicherte, gegen meinen Willen und sagte leise: „Das geht mir genauso“
    Wir sahen uns einen Augenblick grinsend an und ich fragte mich erneut, ob ich wahnsinnig geworden war. Da saß ich hier und erzählte einem jungen Mann von meinen geheimsten Wünschen. Weiter konnte ich mich sicher nicht mehr hinunterlassen.
    „Miss Swan, verzeihen Sie, aber ich muss Ihnen sagen, dass mir Ihre Einstellung außerordentlich gut gefällt“ Er lächelte mich beinahe liebevoll an und ich spürte, wie ich schon wieder rot wurde.
    „Vielen Dank für das Kompliment, Mr. Masen“, stammelte ich. Lieber Himmel, was war nur mit mir los? Sonst stellte ich mich doch auch nicht so an!

    Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander und hingen unseren Gedanken nach. Doch im Gegensatz zu sonst, wo ich Schweigen immer als sehr unangenehm empfand war es dieses Mal recht unkompliziert. Es fühlte sich sogar recht angenehm an. Fast so, als wären wir beide mit unseren Gedanken im Einklang.
    Schließlich warf er einen Blick auf eine Taschenuhr, die er aus dem Inneren seiner dunkelblauen Jacke herausgeholt hatte.
    „Miss Swan, ich möchte Sie nicht zum Aufbruch drängen, aber es ist schon fast fünf Uhr und ich kann mir vorstellen, dass man Sie bereits vermisst“
    „Himmel, schon so spät?“ Ich erschrak und packte hastig mein Buch zusammen.
    „Erlauben Sie, dass ich Sie nach Hause begleite?“ Dies war eine rein rhetorische Frage, denn er stand schon neben mir und reichte mir seinen Arm.
    Nach der ersten Verblüffung setzte mein altes Verhaltensmuster wieder ein. „Ich würde mich freuen!“, sagte ich und lächelte ihn strahlend an.
    Er lächelte zurück und gemeinsam liefen wir den Weg zu meinem Haus zurück. Unterwegs zogen wir die Blicke sämtlicher Passanten auf uns. Vermutlich fragten sich alle, wieso so ein schöner Mann so ein gewöhnliches Mädchen an seinem Arm hatte. Er unterhielt mich mit ein paar Anekdoten aus seinem Leben und ich musste zugeben, dass dies das erste Mal war, wo ich solche Geschichten wirklich witzig und interessant fand. Meist war es nämlich so, dass die jungen Männer in meiner Umgebung zu grässlichen Übertreibungen neigten und nur versuchten, sich selbst möglichst großartig und fehlerfrei darzustellen. Doch Edwards Geschichten waren wie er selbst - vollkommen und perfekt! Und äußerst amüsant...
    Ich war fast ein wenig traurig, als er mich bei mir Zuhause absetzte, meiner völlig verblüfften Mutter die besten Wünsche seiner Familie ausrichtete und sich dann von mir mit den Worten „Wir sehen uns dann ja morgen, auf dem Ball!“ verabschiedete.
    Wir beide starrten ihm noch eine Weile hinterher. Bis meine Mutter schließlich murmelnd in das Hausinnere verschwand und mich ohne einen weiteren Kommentar einfach stehen ließ. Misstrauisch geworden tat ich es ihr gleich. Das war so gar nicht typisch für sie und ich machte mich lieber schnell aus dem Staub, falls ein neues Donnerwetter auf mich wartete.

    Emily wartete bereits in meinem Zimmer auf mich und übergab mir einen Brief meiner Freundin Angela Weber. Sie bat mich um Erlaubnis, mich morgen vor dem Ball besuchen zu dürfen. Ich freute mich über diese Nachricht außerordentlich– Angela und Emily waren die einzigen, die mich für einen Ball vorbereiten durften. Und außerdem musste ich einfach mit jemanden über Edward reden. Ich war mir sicher, dass ich heute Nacht nicht viel Schlaf zu erwarten hatte, da ich sicherlich wieder die gesamte wundervolle Unterhaltung mit Edward in meinem Kopf abspulen würde. Ich musste mir eingestehen, dass Edward Masen mich faszinierte. Und ich betete inständig, dass dieses Interesse auf ein wenig Gegenseitigkeit beruhte.

    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    Kapitel 4: Ballvorbereitungen und Frauengespräche



    Der nächste Tag ging recht schnell vorbei. Es gab einfach so viel zu tun, sodass mir keine Zeit blieb, ungeduldig auf die Uhr zu starren und zu hoffen, dass die Zeit schneller vorüber gehen würde.
    Am Vormittag wurde mein Ballkleid abgegeben. In mir brannte die Neugierde, wie ich wohl darin aussehen würde. Emily nahm es in Empfang und bestand darauf, dass ich es anprobieren würde, damit sie eventuell vorhandene Fehler sofort ausbessern konnte.
    Nach langem Hin und Her hatten meine Mutter und ich uns endlich auf einen Stoff geeignet. Entgegen unseren anfänglichen Vorstellungen hatten wir einen cremfarbenen Stoff herausgesucht, der sehr fein gewebt worden war. Eigentlich wollte ich ein farbiges Kleid haben, doch Mrs. Weber hatte mich überzeugen können, dass die cremfarbenen Stoffe wieder in Mode waren.

    Als ich es anprobierte fühlte ich mich sogleich wie eine komplett andere Person. Das Kleid war bodenlang, hatte eine leichte Schleppe und einen Ausschnitt, der nicht zu tief war. Perlen verzierten den Halsausschnitt und die Aermel. Ich war in diesem Moment überzeugt, dass ich wohl doch nicht so hässlich aussehen würde, wie ich befürchtet hatte. Auch Emily war sehr zufrieden mit mir und zog mir das Kleid rasch wieder aus, damit ich es nicht durch eine meiner Unachtsamkeiten kaputt machen konnte.
    Während Emily begann sich Gedanken über meine Frisur zu machen tauchte plötzlich meine Mutter in meinem Zimmer auf. Ich musterte sie erschrocken, da ich nur mit meinem Unterkleid bekleidet auf einem Schemel stand. Ich war mir nicht sicher, ob meine Mutter dies als angebracht empfinden würde.
    „Emily, sei so gut und lass uns einen Moment allein“, sagte meine Mutter streng zu ihr. Emily nickte und entfernte sich aus dem Zimmer.
    „Mutter, was soll das?“, fragte ich misstrauisch.
    „Mein Kind, setz dich doch bitte!“ Sie deutete auf mein Bett, auf dem sie sich schon niedergelassen hatte.
    Ich nahm mir eins meiner großen Tücher, legte es mir um meine Schultern und setzte mich neben sie.
    Sie sah mich sehr merkwürdig an. Ich hatte das Gefühl, mein Kopf würde gleich anfangen zu rauchen, da ich fieberhaft versuchte herauszufinden, was sie wohl von mir wollen könnte.

    „Isabella. Ich möchte mit dir über den gestrigen Tag sprechen“, begann sie schließlich.
    Ich seufzte. Das hätte ich mir ja denken können. „Mutter, da gibt es nichts zu besprechen“, sagte ich sofort.
    „Das sehe ich anders“, meinte sie nur kühl.
    Ich sah zu Boden. Würde sie mir arge Vorwürfe machen, weil ich alleine mit einem Mann unterwegs gewesen war?
    „Dieser Edward Masen scheint ein netter junger Mann zu sein, oder?“, fragte sie mich neugierig.
    „Er ist sehr wohlerzogen, das ist richtig“ Ich bemühte mich möglichst unbeteiligt zu klingen.
    „Wo hast du ihn denn getroffen? Ich fand es überaus reizend von ihm, dich nach Hause zu begleiten!“
    „Ich bin ihm im Park begegnet. Und er hat mir angeboten, mich nach Hause zu bringen, ich habe ihn also nicht darum gebeten, falls du das meinst!“, sagte ich etwas schärfer als beabsichtigt.
    „Gute Güte, mein Kind, sei nicht gleich so aufgebracht!“, lachte meine Mutter und schon wieder schlich sich dieser merkwürdige Ausdruck, der mich beunruhigte, in ihre Augen.
    „Mutter, falls du es unschicklich findest, dass ich mit Mr. Masen alleine umhergegangen bin, dann sei doch bitte so frei und sage es mir. Ich werde in Zukunft darauf achten, dass dies nicht mehr geschieht“, sagte ich kalt.
    Sie lächelte. „Aber nein. Ich finde es sogar ausgesprochen klug von dir Isabella. Viele Leute haben euch beide gestern zusammen gesehen. Das lockt nun auch deine anderen Verehrer endlich aus der Reserve. Ich wette mit dir, dass du bald einige Anträge erhalten wirst!“ Sie klatschte erfreut in die Hände.
    „Und dabei dachte ich, dass du dich so vehement dagegen stellen würdest, einen Ehemann zu finden. Aber da habe ich mich wohl getäuscht.“
    Ich sah sie entsetzt an. Was dachte sie da eigentlich von mir?
    „Mutter, ich...“, setzte ich an um meine eigentlichen Absichten zu erklären, doch sie unterbrach mich sofort.
    „Ich bin sehr zufrieden mit dir Isabella. Heute Abend wird sich dann ja zeigen, ob du mit deiner Taktik Erfolg hattest. Und jetzt soll sich Emily mal um deine Haare kümmern!“, meinte sie und klang wieder so wie immer.
    Der innige Mutter-Tochter-Augenblick war wohl vorbei. Beklagen konnte ich mich darüber nicht, im Gegenteil, ich war froh darüber. Ich hoffte, dass Angela bald kommen würde, damit ich endlich Ruhe vor meiner Mutter hatte.

    In diesem Moment betrat Emily wieder mein Zimmer und teilte mir auch sofort mit, dass Angela angekommen sei.
    „Nun, ich lass euch dann mal alleine. Sei bitte pünktlich um sieben Uhr fertig mit den Vorbereitungen, wir möchten dann losfahren!“, sagte meine Mutter im Hinausgehen und ich nickte schwach.
    Einige Augenblicke später stand Angela in meinem Zimmer und ich umarmte sie erfreut.
    „Angela, schön dich zu sehen!“, sagte ich, als ich sie losgelassen hatte.
    „Du liebes bisschen Isabella, du wirst dich erkälten, wenn du weiter so herumläufst!“, rief sie entsetzt, als sie bemerkte, dass ich nur im Unterkleid herumstand. Dann lächelte sie mich glücklich an.
    Ich hatte sie sehr vermisst. In letzter Zeit hatte ich sie nicht so oft gesehen, da sie ihrer Mutter im Laden aushelfen musste. Die Webers waren herzensgute Leute, die nur leider nicht so viel Geld hatten. Angela hatte keine Wahl, sie würde bald heiraten müssen, um sich selbst zu versorgen. Doch manchmal beneidete ich sie auch darum – Angela konnte sich in so vielen Dingen anders verhalten als ich und war nicht so eingesperrt. Auf die viele Konventionen und gesellschaftliche Regeln brauchte sie nicht so genau zu achten wie ich. Diese große Freiheit schien sie selbst allerdings gar nicht so wahrzunehmen.
    „Kommen Sie, Miss Weber, Miss Swan wird sicher unsere Hilfe bei ihren Haaren benötigen“, meinte Emily und runzelte die Stirn, als sie sich meine offenen Haare ansah.
    „Die werden wir wohl waschen müssen Emily!“, sagte Angela zufrieden und ich rollte mit den Augen. Das war immer eine so aufwändige Prozedur.
    „Muss das wirklich sein?“, fragte ich genervt.
    Emily kicherte und Angela meinte gut gelaunt: „Stell dich nicht so an, sei lieber froh, dass du das überhaupt machen kannst!“
    Also fügte ich mich meinem Schicksal. Angela schien es großen Spaß zu bereiten, meine Haare zu waschen und anschließend auf den Lockenstab zu drehen. Emily lobte sie für ihre Geschicklichkeit und ich kam mir bei dem ganzen recht überflüssig vor.

    „So, meine Liebe“, begann Angela schließlich und sah mein Spiegelbild grinsend an. „Jetzt sag mir doch mal, ob die Gerüchte stimmen“
    „Welche Gerüchte?“, wollte ich neugierig wissen.
    „Na, du und Mr. Masen!“ Sie sah mich an, als ob ich nicht ganz zurechnungsfähig wäre. „Meine Mutter hat euch beide gestern spazieren gehen sehen!“
    „Ach, hat sie das?“ Mir war die Vorstellung irgendwie unangenehm.
    „Jetzt lenk nicht ab!“ Angela war richtig begeistert von der Vorstellung, dass ich mit Edward irgendwo spazieren gegangen war.
    „Angela, da gibt es nicht viel zu erzählen“, versuchte ich ihre Aufregung zu dämpfen. „Ich habe ihn gestern im Park angetroffen und er hat mir angeboten, mich nach Hause zu begleiten“
    Sie grinste mich immer noch wissend an und ich sah hilfesuchend zu Emily, die nicht mal mehr versuchte, ihr Kichern zu verbergen.
    „Was? Wieso lacht ihr denn so?“, fragte ich wütend.
    „Ach Bella“, seufzte Angela und strich mir über meine soeben vollendete Lockenmähne. „Ich glaube, Mr. Masen scheint dich zu mögen“
    „Unsinn“, erwiderte ich und stand rasch auf, damit die beiden mir mein Kleid anziehen konnten.
    „Weswegen würde er dich sonst nach Hause begleiten?“
    „Das ist ein Zeichen von Höflichkeit und guter Erziehung“, antwortete ich unter zusammengebissenen Zähnen.
    „Er hat offenbar deine Gesellschaft gesucht Bella. Er hat meine Mutter gefragt, ob deine Familie oft im Park anzutreffen sei und sie hat ihm berichtet, dass vor allem du gerne dort spazieren gehst. Tja, und einen Tag später triffst du ihn rein zufällig dort“ Sie ließ immer noch nicht locker.
    „Hmpf“, machte ich. Gleich darauf schnappte ich erschrocken nach Luft, da Emily mir mein Korsett zuschnürte. „Emily, vorsichtig!“, zischte ich und bemühte mich, nicht ohnmächtig zu werden.
    „Bella, sei nicht so verzärtelt“, tadelte Angela mich und begann, mir meinen Unterrock anzuziehen.
    „Du hast leicht reden“, flüsterte ich, da mir immer noch die Luft wegblieb.
    „Du willst doch sicher hübsch aussehen heute Abend, oder? Schließlich wird Edward Masen auch anwesend sein“, sagte Angela grinsend. „Angela“, seufzte ich.
    „Bella, du wirst ja rot!“, quietschte sie begeistert und ich wünschte mir, dass ich die magische Fähigkeit besitzen würde, mich in Luft aufzulösen.
    „Gut, ich gebe zu, er gefällt mir“, sagte ich wütend und schnürte mir kurzerhand selbst meinen Unterrock. Emily und Angela tauschten wissende Blicke.
    „Er wird dich heute Abend bestimmt zum Tanz auffordern!“, rief Angela entzückt.
    „Oh ja Miss, Sie müssen unbedingt Ihre flachen Schuhe anziehen, damit Sie nicht stolpern“, sagte Emily und lächelte mich liebevoll an.
    „Oh nein, daran hatte ich gar nicht gedacht“, stöhnte ich. „Ich werde mich furchtbar blamieren, da ich sicher wieder gegen etwas stoßen werde oder mein Gleichgewicht verliere“
    Angela kicherte. „Bella, ich wette, selbst das wird er hinreißend finden“
    „Dabei ist Mr. Masen gar nicht mein größtes Problem“, jammerte ich weiter, während Emily und Angela mir mein Ballkleid anzogen und zuschnürten.

    „Ach nein?“ Angelas Neugierde war von neuem geweckt.
    „Meine Mutter lässt seit ein paar Tagen keine Gelegenheit aus um mir mitzuteilen, wie sehr Mike Newton sich freut, dass ich auch erscheinen werde. Ich wette, er wird mir keine freie Minute lassen!“, berichtete ich ihr genervt.
    „Mike Newton?“ Angela sah mich mitleidig an. „Das ist vielleicht ein eingebildeter Hahn! Gestern war er in unserem Laden und hat sich Stoffe für ein neues Jackett ausgesucht. Du wirst es nicht glauben, wie lange er sich im Spiegel angestarrt hat!“ Sie rollte mit den Augen und ich seufzte laut. Ich freute mich überhaupt nicht ihn heute Abend ebenfalls zu treffen.
    Emily lachte leise. „Aber Miss Swan, ich denke, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Mr. Masen wird sich sicher um Sie bemühen!“
    Ich sah sie einen Moment lang streng an, dann seufzte ich noch lauter.
    „Na schön“, sagte ich resigniert. „Fangt mit meinen Haaren an!“
    Ich packte den Stoff meines Kleides und hob ihn hoch, damit ich nicht darüber stolpern würde, und lief zu meiner Frisierkommode zurück. Ich konnte es nicht fassen, dass die beiden mich ständig mit Edward Mason aufzogen. Ich beschloss, den Spieß bei der nächsten Gelegenheit umzudrehen.
    Emily und Angela diskutierten eine Weile, wie sie meine Haare hochstecken wollten und ich hatte genug Zeit, mich im Spiegel zu betrachten. Ich war wirklich überrascht von meinem Anblick. Das Kleid stand mir hervorragend und betonte meine Figur sehr vorteilhaft. Meine Haut, die ja sehr hell war, kam durch die helle Farbe ebenfalls gut zur Geltung. Stellte ich mir meine Haare noch hochgesteckt vor konnte ich durchaus mit Lauren Mallory mithalten. Und dass, obwohl Lauren Mallory als Schönheit unseres Viertel galt. Zufrieden lächelte ich mein Spiegelbild an.
    Angela und Emily begannen dann auch sofort, meine Locken kunstvoll mit einigen Perlen zu verzieren und dann hochzustecken. Die hellen Perlen leuchteten wie Sterne in meinem dunklen Haar und verliehen mir beinahe eine engelhafte Ausstrahlung.

    „Sag mal, Angela“, begann ich grinsend. Es war Zeit für eine kleine Rache. „Wie geht es denn eigentlich Ben?“
    Ben Cheney war der Sohn der Familie, die neben den Webers wohnten. Angela hatte sich schon seit einiger Zeit in ihn verliebt und wie es aussah erwiderte er ihre Gefühle. Beide waren aber viel zu schüchtern, als dass sie sich einmal ordentlich unterhalten konnten und so wussten beide nicht gewiss, was der andere fühlte.
    Angela lief feuerrot an und nestelte nervös an einer meiner Haarsträhnen herum. „Ach, da gibt es leider keine Neuigkeiten“, meinte sie leichthin.
    Jetzt war es an Emily und mir einen wissenden Blick auszutauschen.
    „Du wolltest doch vorschlagen, dass deine Eltern die Cheneys zum Essen einladen. Was ist denn aus diesem Plan geworden?“, wollte ich neugierig wissen. Genauer genommen stammte dieser Vorschlag eigentlich von mir. Ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, die Sache etwas voran zu treiben.
    „Oh, ich bin noch nicht dazu gekommen, diese Idee vorzuschlagen“, sagte Angela leise.
    „Angela“, seufzte ich. „So wird das nie etwas!“
    „Miss Swan“, ermahnte mich Emily leise. Offenbar hatte sie beschlossen, sich auf die Seite von Angela zu schlagen.
    „Ich meinte lediglich, dass Angela sich ein bisschen mehr anstrengen muss“, verteidigte ich mich.
    „Das sagt die richtige“, grummelte Angela leise.
    „Wie auch immer“, sagte Emily rasch. „Miss Swan, wir sind nun fertig mit Ihnen. Sie sollten nach unten gehen, Ihre Eltern erwarten Sie sicherlich bereits“
    Ich lächelte Emily an. Sie schaffte es immer, eine angespannte Situation zu entschärfen. „In Ordnung“, antwortete ich.
    Angela half mir aufzustehen und ich sah sie einen Moment lang entschuldigend an. Sie schien zu verstehen und nickte mir lächelnd zu. Auch sie schien mir vergeben zu haben.

    Als ich die Treppe hinunterlief sahen mich meine Eltern bewundernd an. Es war das erste Mal, dass mein Vater mir ein wirklich übertriebenes Kompliment machte und mich wohlwollend musterte. Meine Mutter freute sich wie ein kleines Mädchen über mein Aussehen und während der gesamten Kutschfahrt musste ich ihre Lobpreisungen über mich ergehen lassen. Ich war jedoch so nervös, dass ich davon nur herzlich wenig mitbekam. Ich fieberte dem Augenblick entgegen, da ich Edward endlich wieder sehen würde. Auch wenn wir uns gerade mal einen Tag nicht gesehen hatten, es war mir wie eine Ewigkeit vorgekommen. Und ich fragte mich, wie er wohl auf mich reagieren würde. Würde mein Anblick ihm gefallen?
    „Wir sind da“, sagte mein Vater plötzlich und die Kutsche hielt an. Er stieg als erstes aus, half meiner Mutter und dann mir aus der Kutsche heraus und führte uns dann direkt in das riesige Anwesen der Newtons.
    Nervös fummelte ich an meinem silbernen Armband herum, welches Emily mir noch rasch gegeben hatte und bemühte mich gelassen zu wirken. Doch selbst mein Vater schien meine Nervosität zu bemerken und ermahnte mich mit einem leisen „Isabella“ mich zusammen zu reißen. Wir betraten das Haus durch die Eingangstür und gaben unsere Mäntel dem Dienstpersonal. Leise Musik schallte durch die Gänge und ich konnte nicht anders, als fröhlich zu lächeln. Überall standen Gäste und unterhielten sich leise. Ich staunte schon etwas, als ich die kostbaren Kleider der vielen Damen betrachtete. Plötzlich kam ich mir furchtbar schäbig und einfach vor.

    Meine Mutter zog mich mit sich in das Gedränge um Mrs. Newton zu suchen während mein Vater schon gleich im ersten Raum Bekannte traf und sich zu diesen gesellte. Mir graute schon jetzt vor der Unterhaltung mit der Gastgeberin, doch irgendjemand meinte es gut mit mir: Wie aus dem Nichts stand plötzlich Edward Masen vor mir und lächelte mich schief an.
  • Happy EndDatum12.03.2009 17:13
    Thema von Rosalie Hale im Forum Edward und Bella

    !!!!Spoiler!!!!

    Wie fandet ihr das Ende?
    Also mit Der Hochzeit, Bella wird zum Vampir, Reneesme und die Sache mit den Volturi?


    Also ich kann ja nur von mir sprechen:
    Ich fands total geil! Hat alle sgepasst und war total toll und süß!

  • Edwards LektionDatum11.03.2009 21:11
    Thema von Rosalie Hale im Forum Fanfiktion

    „Hi Bella!“ .Jacob stand neben seinem Wagen und winkte mir freudig zu. Ich lachte und winkte zurück. Ich umarmte Edward und gab ihm einen liebevollen Kuss. Edward knurrte leise vor sich hin bevor er mich losließ. „Ich hole dich um Punkt elf wieder ab..“ . Ich nickte und lief zu Jacob. Er umarmte mich zur Begrüßung und half mir ins Auto. „Halt dich ja zurück Hündchen..“ , rief Edward ihm zu bevor er in sein Auto stieg und wartete das wir losfuhren. Ihm passte es gar nicht dass sich Bella wieder mit Jacob traf nachdem sie ihn geküsst hatte aber er gab sich an der ganzen Situation selbst die Schuld und außerdem wusste er ja dass sie nichts anstellen würde. Immerhin war Bella nun seine Verlobte und nicht Jacobs. Das gab ihm eine unheimliche Genugtuung. Trotzdem traute er ihm nicht. Wer wusste schon ob dieser Flohteppich nicht doch versuchte sich an Bella heran zu machen. Er hoffte schon fast darauf damit er einen Grund hatte ihm an die Gurgel zu gehen. Er fluchte leise vor sich hin und fuhr los.
    „Und bist du sicher dass der Blutsauger dich glücklich machen kann?“ ,fragte mich Jacob scherzhaft. Ich rollte übertrieben mit den Augen und verpasste ihm einen leichten Hieb in die Rippen. „ Du weißt doch genau das ich mich entschieden habe und ich meine Meinung nicht ändern werde Jacob..“ . Ich lenkte vom Thema ab „danke für die Einladung! Ich freue mich schon riesig auf das Lagerfeuer!“ . Ich war unheimlich glücklich darüber dass ich mich wieder mit Jacob versöhnt hatte.
    Es war alles beinahe wie früher. Anfangs hatte ich mich in seiner Gegenwart unbehagen gefühlt weil mir nun bewusst war das ich in ihn verliebt war und ich hatte nicht so recht gewusst wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Doch Jacob hatte alles im Griff und wusste genau was er sagen und tun musste um mir dieses Gefühl zu nehmen. Ich war total froh darüber dass er mich zu dem Lagerfeuer eingeladen hatte. Ich hatte die anderen Wölfe schon länger nicht mehr gesehen und freute mich schon auf das Wiedersehen. Mir war bewusst das Edward nicht glücklich darüber war dass ich mich alleine mit ihnen traf . Er hatte die ganze Zeit versucht mich davon abzubringen und mir angeboten dass er und Alice in der Nähe blieben um eingreifen zu können falls etwas passieren sollte. Natürlich hatte ich das entschieden abgewiesen. Aber nun machte ich mir doch Gedanken darüber. Ich kannte Edward gut genug und fragte mich was er wohl anstellen würde. Er würde sicher nicht in Ruhe zuhause sitzen bleiben. Gott , hoffentlich stellte er nichts an. Er konnte doch nicht immer auf mich aufpassen . Er musste lernen mir zu vertrauen. Besonders wenn es um mich und Jacob ging. Wir waren nun einmal befreundet und damit musste Edward einfach zurecht kommen.
    Als wir aus dem Auto stiegen konnte ich schon das Feuer sehen. Ich ging um das Auto herum und fiel prompt auf die Nase. Verdammter Ast. Was lag er hier auch einfach so in der Gegend rum. Jacob schaute zu mir herunter und bewegte sich nicht von der Stelle. Er dachte überhaupt nicht daran mir zu helfen. Er schüttelte bloß amüsiert seinen Kopf. „Bella, wie machst du das nur immer?!“ . Nun reichte er mir doch seine Hand aber ich schlug sie weg und rappelte mich mit aller Mühe alleine hoch. „Halt die Klappe Jacob!“ . Ich klopfte mir den Dreck von den Klamotten und stapfte beleidigt los. Jacob kicherte vor sich hin und holte mich schnell ein. „Na komm schon wir wollen doch nicht die Stimmung verderben..“ . Er griff nach meiner Hand und führte mich sicher zu dem Lagerfeuer Platz. Alle hatten gute Laune und die Zeit verging wie im Flug. Ich saß neben Jacob auf dem Boden und schmiegte mich an ihn um mich zu wärmen. Gespannt lauschten wir den Geschichten der anderen. „Hey hast du Lust noch ein wenig spazieren zu gehen bevor dein Leibwächter dich abholen kommt?“ , flüsterte er mir plötzlich ins Ohr. Eigentlich wäre ich noch gerne hier sitzen geblieben aber mir war bewusst das Jacob irgendetwas mit mir bereden wollte dass die anderen nicht mitbekommen sollten also nickte ich ihm zu und wir verließen die Runde und gingen in den Wald. Wieder hielt er mich an der Hand und führte mich immer tiefer hinein ohne ein Wort zu sagen. Irgendwie fühlte ich mich unwohl. „Ähm..Jacob? Du wolltest doch nicht wirklich nur mit mir spazieren gehen oder? Du hast doch irgendetwas zu sagen..“ .Er ging noch schweigend ein Stückchen weiter und ließ sich dann auf einem umgekippten Baumstamm nieder. Er klopfte mit der Handfläche darauf und ich setzte mich neben ihn. „Bella..versprichst du mir nicht wütend zu werden?“ . Ich schloss einen Moment lang meine Augen und atmete tief durch. Er hatte ja wohl nicht vor schon wieder das Thema durch zu kauen. Ich dachte das hätten wir längst hinter uns. „Ich kann nichts versprechen aber ich werde es versuchen..“ . Bevor ich es richtig realisieren konnte hatte er sich auch schon zu mir gebeugt und küsste mich. Ich stemmte meine Hände gegen ihn um ihn wegzustoßen aber natürlich kam ich nicht gegen ihn an. Als er den Kuss beendete stand ich auf und verpasste ihm eine Ohrfeige. „Jacob! Was sollte ..“ .Ich brach ab als er laut lachte. Ich verstand überhaupt nichts mehr. Er blickte mich an und grinste schelmisch „ Tut mir leid Bella aber ich konnte einfach nicht anders.. Du hast dich plötzlich so verkrampft also dachte ich , ich lockere damit die Stimmung etwas auf..war nicht böse gemeint..ehrlich!“ . Ich wischte mir über den Mund und starrte ihn noch immer verwirrt an. Als ich kapierte das es bloß ein Scherz von ihm war entkrampfte ich mich und setzte mich wieder zu ihm. „ Das war nicht witzig..“ ,mahnte ich ihn. „Doch war es! Du hättest mal deinen schockierten Blick sehen sollen…“ . Ich ging gar nicht darauf ein. „Also was wolltest du denn jetzt mit mir besprechen?“ . Jacob kam nicht dazu mir zu antworten. Mein Handy vibrierte in der Tasche. Ich nahm es raus und schaute nach. Es war Edward. Komisch es waren doch noch gar nicht elf. War vielleicht irgendetwas passiert? .Ich ging ran und sofort drang seine Stimme zu mir „ Mach sofort dass du da weg kommst! Komm sofort zurück , ich warte an der Grenze auf dich!“ . Er klang aufgewühlt. „Edward, ist irgendetwas passiert? Was ist los?“ ,fragte ich besorgt doch er hatte schon aufgelegt. Täuschte ich mich oder hatte ich in seiner Stimme tatsächlich ein wenig Wut wahrgenommen? . „Alles OK?“ .Jacob schien genauso irritiert zu sein wie ich. „Jacob fährst du mich zurück zur Grenze? Irgendetwas scheint passiert zu sein..Edward klang so merkwürdig.“ .
    Als wir an der Grenze ankamen, stand tatsächlich schon Edwards silberner Volvo dort. „ Wenn du irgendwie Hilfe brauchst ruf an ja?!“ sagte Jacob zu mir als er mir aus dem Auto half. Als ich ihn zum Abschied umarmte glaubte ich von einem brennenden Blick durchbohrt zu werden. Als ich zu Edwards Wagen lief wusste ich woher dieser Blick kam. Allerdings hatte er nicht mir gegolten. Edward war ausgestiegen und kam mir entgegen. Er hatte seine Augen auf Jacob gerichtet und statt mich in die Arme zu nehmen ging er an mir vorbei auf ihn zu. Mit einer unglaublich schnellen Bewegung stand er vor ihm und haute ihm eine runter. Jacob flog mit voller Wucht gegen sein Auto. „ Ich sagte doch du sollst dich zurückhalten , Hund !“ . Als ich begriff was überhaupt geschehen war rannte ich zu ihm und stellte mich zwischen die beiden. Jacob zitterte am ganzen Körper. Edward schob mich hinter sich. „Bleib zurück Bella..Er verwandelt sich gleich“ .Jacob schnaubte verachtend „ Das willst du doch oder? Aber ich habe mich unter Kontrolle.“ .Er beruhigte sich tatsächlich kurze Zeit später wieder und hörte auf zu zittern. Dafür war nun ich umso wütender. „ Edward? Hast du etwa zugehört ?“ . Ich war stock wütend auf ihn. Er hatte nicht das recht gehabt das zu tun. Er musste begreifen dass er nicht tun und lassen konnte was er wollte. Auch ich hatte noch so etwas wie eine Privatsphäre und die hatte er gefälligst zu respektieren. Er konnte nicht immer die Gedanken der anderen lesen nur um zu erfahren was ich gerade trieb. Er war einfach zu weit gegangen. Er musste seine Eifersucht nun endlich mal in den Griff bekommen. Hätte er mich schon verwandelt gäbe es dieses Problem nicht. „Lass uns das später bereden Bella..“ versuchte Edward mich zu beruhigen doch ich dachte gar nicht daran. Ich löste mich aus seinem sanften Griff und ging zu Jacob herüber. „Was soll das denn jetzt Bella?“ fragte er mich leicht gereizt. „Ganz einfach! Ich werde nicht mit dir gehen! Ich bleibe jetzt bei Jacob und du fährst nach hause kapiert?! Ich werde kein Wort mehr mit dir reden bis du verstanden hast was du falsch gemacht hast!“ . Ich hatte zwar ein ziemlich schlechtes Gewissen aber ich würde nicht nachgeben. Edward musste auf die harte Tour lernen dass nicht immer alles nach seiner Nase lief. Ich musste mich wirklich zusammen reißen um nicht zu ihm zu laufen als er mich total verstört anblickte „Bella?“ . Er bewegte sich nicht von der Stelle. Ich gab nicht nach. „Worauf wartest du? Fahr endlich!“ . Als ich in Edwards Augen blickte konnte ich die Verzweiflung in ihnen erkennen. Ich schaute weg um nicht weich zu werden. „Na los komm!“ . Jacob legte triumphierend den Arm um mich und brachte mich zu seinem Auto. Edward wollte wieder auf ihn los doch ich ging dazwischen „Ich meine es ernst Edward! Du musst begreifen dass du mich nicht immer so kontrollieren kannst! Solange du das nicht verstehst möchte ich dich nicht mehr sehen!“ . Ich stieg ein und wartete dass Jacob losfuhr. Als wir rückwärts den Weg entlangfuhren blickte ich noch einmal zu Edward und sah dass er immer noch ganz steif dort stand.
    „ Ich kann zwar nicht gerade behaupten dass mich das traurig macht aber bist du sicher dass du das richtige getan hast?“ fragte mich Jacob ehrlich besorgt als er mich nach hause fuhr. Ich hatte den Abend wirklich nicht mehr genießen können aber ich war zu stur um nach zu geben. Ich hatte ein total schlechtes Gewissen aber Edward hatte es nicht anders verdient. „Er muss es einfach lernen! Er wird es schon überleben!“ .Jacob lachte vor sich hin „ Da wäre ich mir nicht so sicher!“ .Er deutete mit dem Zeigefinger auf den silbernen Volvo der in unserer Einfahrt stand. Das konnte doch nicht wahr sein. Was hatte er denn jetzt hier zu suchen? Ich stöhnte genervt auf. „ Das ist nicht lustig Jacob..“ . Ich blieb noch länger im Wagen sitzen als nötig gewesen wäre. Ich wollte mich noch nicht mit ihm auseinandersetzen. Als ich den Zeitpunkt nicht länger heraus zögern konnte öffnete ich die Tür und schob mich langsam vom Sitz. „Du kannst gerne wieder mit zu mir kommen. Charlie wird sicher nichts dagegen haben“ . Jacob schien die ganze Sache ziemlich lustig zu finden. Wie gerne wäre ich auf sein Angebot eingegangen. Ich war mir sicher dass Billy mich mit offenen Armen empfangen hätte. Ich schüttelte den Kopf „ Du glaubst überhaupt nicht wie verlockend das klingt aber ich sollte das schnellstmöglich hinter mich bringen..Gute Nacht Jacob!“ . Ich stieg aus und wartete bis er aus meinem Blickfeld verschwunden war. Sicher wusste Edward bereits dass ich wieder da war. Ich ging zum Haus und öffnete die Tür. Ich trat so langsam es ging in die Küche und schaute mich um. Vielleicht lag ja irgendwas zum spülen herum. Ich wollte den Schritt ins Wohnzimmer so lange verzögern wie es möglich war. „Bella?“ rief mir Charlie aus dem Wohnzimmer entgegen. „Ja Charlie! Ich bins!“ . „ Wie war der Abend mit Jacob?“ fragte er weiter. Na toll. Musste er jetzt auch noch damit anfangen? „Ganz OK! Hat wirklich Spaß gemacht!“ . „Willst du nicht zu uns kommen Bella?“ . Mist. Jetzt war es soweit. Ganz langsam schlurfte ich ins Wohnzimmer und blieb im Türrahmen stehen. Charlie und Edward saßen auf der Couch und schauten wie immer eine Sportsendung. „Hallo Schatz!“ .Edward drehte sich zu mir und grinste scheinheilig. Charlie schien die frostige Atmosphäre zu spüren und stand auf . „ Ich glaube ich ruf mal Billy an. Macht nicht zu lange ja?“ . Er verschwand in der Küche. „Was willst du denn hier? Ich habe mich doch gründlich genug ausgedrückt oder?!“ ,zischte ich ihn an. Edward verstand die Welt nicht mehr. „Bella, würdest du mir mal erklären weshalb du dich so aufführst? Bist du wütend weil ich die Gedanken dieses Hundes gelesen habe?“ . Er stand ebenfalls auf und trat auf mich zu. Kapierte er es denn wirklich nicht? „ Es geht nicht nur darum das du Jacobs Gedanken gelesen hast Edward. Es geht mir darum das du ständig die Gedanken irgendwelcher Leute liest die mit mir zu tun haben nur um mich auszuspionieren..“ . Endlich ging ihm ein Licht auf. Er lachte erleichtert auf. „Ich dachte schon du wärst wütend weil ich ihn geschlagen habe.“ . Er kam ganz nah an mich heran und lächelte mein allerliebstes schiefes Lächeln. Mein Herz schlug schneller doch so einfach würde ich nicht nachgeben. Ich ging vorsichtshalber einen halben Schritt zurück. Einen ganzen hätte ich nicht übers Herz gebracht. „Edward ich meine es ernst! Würdest du bitte mal mehr auf mich eingehen? So geht das nicht weiter!“ . Er hielt mein Gesicht fest und als er sprach konnte ich seinen süßen Atem spüren. „ Ich meine es auch ernst! Tut mir leid Bella..“ . Er versuchte mich zu küssen doch ich wich ihm aus. „Du meinst es überhaupt nicht ernst! Du sagst das nur um mich zu besänftigen aber diesmal lasse ich mich nicht darauf ein“. Ich wurde erneut wütend. Er nahm mich nicht im geringsten ernst. Wenn er tatsächlich dachte mit einer Entschuldigung sei es getan hatte er sich tief geschnitten. „ Was erwartest du denn von mir Bella?“ . Er war sichtlich gekränkt darüber das ich mich von ihm abgewendet hatte. „Ich habe dir doch gesagt was ich von dir möchte Edward! Denk darüber nach. Wenn du kapiert hast worum es mir geht kannst du wieder kommen. Bis dahin möchte ich dich nicht mehr sehen!“ . Es schmerzte ihm diese Worte zu sagen doch ich würde hart bleiben. Edward starrte mich einen Moment intensiv an. Versuchte er ernsthaft meine Gedanken zu lesen? „Du weißt dass das nicht funktioniert..“ . Er nahm seinen Blick von mir „Wenn du es wirklich ernst meinst werde ich jetzt gehen. Falls du mich doch sehen willst lass dein Fenster auf..Gute Nacht Bella.“ .Er drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und ging. Ich atmete tief durch. Das war wirklich schwieriger als ich gedacht hatte aber ich hatte mich doch ziemlich tapfer geschlagen. Nachdem Edward gegangen war trat Charlie wieder ins Wohnzimmer „Alles OK Bella?“ . Ich nickte „Ich bin ziemlich müde..ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht Charlie!“ . Er war sichtlich irritiert aber wie nicht anders erwartet schwieg er und widmete sich wieder seinem Sportsender. Ich lief im schnellen Tempo die Treppe hoch und war froh als ich meine Zimmertür hinter mir schließen konnte. Ich schnappte meine Sachen und ging ins Bad um mich Bettfertig zu machen. Als ich später auf dem Bett lag bekam ich keine Ruhe. Ich schielte die ganze Zeit zum Fenster hinüber. Sollte ich es doch öffnen? Ich wollte Edward nicht noch mehr verletzten aber andererseits würde ihm so eine Abfuhr sicher ganz gut tun. Ich entschied mich das Fenster geschlossen zu lassen und schlief mit riesigen Gewissensbissen ein.
    „Alice hilf mir!“ .Edward war total deprimiert zu ihr in die Garage gestürmt. Alice würdigte ihn keines Blickes „ Was erwartest du denn auch? Es wurde ja mal Zeit das Bella dir zeigt wo es langgeht!“ . Edward lehnte sich gegen sein Auto und nahm das Gesicht in die Hände. „Bitte Alice ich bin total verzweifelt! Sie hat sogar ihr Fenster zu gelassen! Es ist wirklich ernst!“ .Alice stöhnte „ Jetzt krieg dich aber mal wieder ein. Dein Selbstmitleid ist ja kaum zu ertragen..wie wärs wenn du mal anfangen würdest das Problem zu lösen statt hier rum zu heulen! Lass dir lieber was einfallen wie ihr euch wieder versöhnen könnt..“ .Edward stand völlig aufgelöst und verzweifelt da. „Kannst du mir nicht verraten ob du etwas gesehen hast Alice? Weißt du ob wir uns wieder vertragen? Es ist allein meine Schuld oder?“. „Nein! Ich werde dir nichts sagen Edward. Das musst du schon alleine klären. Bella hat dir doch gesagt was sie von dir verlangt. Wenn du ihr richtig zugehört hast weißt du ja was du zu tun hast..“ .Sie ging an ihm vorbei und wollte ins Haus gehen. Vorher wendete sie sich noch einmal an ihn . „An deiner Stelle würde ich mich beeilen..Ich habe keine große Lust dazu noch einmal nach Italien zu fliegen weil du wieder voller Schuldgefühle ausflippst..“ .Er ging gar nicht erst auf ihre Provokation ein. Alice war sowieso auf Bellas Seite. Gegen die beiden kam er eh nicht an. Er lief in sein Zimmer , machte eine Klassik CD an und ließ sich auf das Kingsize Bett fallen. Er starb fast an seinen Selbstvorwürfen.
    „Edward? Wie siehst du denn aus?“ .Alice konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Er übertrieb es wirklich. Sie war am nächsten Tag in sein Zimmer gekommen um nach ihm zu sehen. Er hatte sich den ganzen Morgen nicht blicken lassen und jetzt wusste sie auch warum. Er lag wie ein Häufchen Elend auf dem Bett und hatte sich das Kopfkissen an die Brust gedrückt. Er war noch blasser als vorher und seine Haare standen überall ab. Er seufzte leise vor sich hin. Er wirkte wie ein Liebeskranker Teenager mit Liebeskummer. Alice zog ihn auf „ Das ist jawohl nicht dein Ernst ! Wieso forderst du nicht gleich die Volturi heraus? Das wäre nicht weniger erbärmlich als das hier ! “. Edward schaute sie beleidigt an „Hau ab Alice! Lass mich in Ruhe! Es hat doch eh alles keinen Sinn mehr. Bella wird mir nie verzeihen!“. Alice rollte mit den Augen, trat an sein Bett und warf ihn mit voller Kraft runter. „Jetzt reiß dich aber mal zusammen! Was soll denn Bella von dir denken? Du sorgst jetzt dafür dass du wieder erträglich aussiehst und dann lässt du dir was einfallen wie du sie zurück gewinnen kannst klar?“ .

    Ich stieß einen Schreckenslaut von mir. Mein Herz wäre vor Schock beinahe stehen geblieben als ich im Auto saß und losfahren wollte. Vor mir war urplötzlich Edward aufgetaucht und blickte mich durch die Scheibe an. Er wirkte irgendwie krank. Die Ringe unter seinen Augen waren noch dunkler als sonst. Auch sonst sah er ziemlich elendig aus. Was zur Hölle hatte er letzte Nacht getrieben? Obwohl selbst ich nicht gerade gut geschlafen hatte und dementsprechend aussah wirkte ich im Gegensatz zu ihm geradezu erholt. Er hatte scheinbar nicht vor sich von der Stelle zu bewegen also deutete ich ihm an sich auf den Beifahrersitz zu setzen. Er gehorchte sofort und saß keine Sekunde später neben mir. Von nahem sah er noch fertiger aus. „Edward? Alles in Ordnung? Du siehst irgendwie krank aus..“ .Er drehte seinen Kopf zu mir und blickte mich finster an „ Was glaubst du denn woran das liegt?“ . Ich antwortete nicht. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht dass ihn das so mit nehmen würde. Dennoch musste er da durch. Ich würde ihm erst verzeihen wenn er seine Lektion gelernt hatte. Wir schwiegen eine Weile . „Wo wolltest du denn hinfahren?“ . „Ich wollte kurz zu Jacob. Er hat ein Motorrad gefunden das er wieder in Gang bringen will und ich möchte es mir mal ansehen..“ . Er atmete scharf aus. „Was ist? Passt es dir nicht das ich zu ihm fahre?“ . Ich wusste dass ich gemein war aber ich wollte dass er sich darüber Gedanken machte. Er senkte seinen Kopf und drückte seinen Daumen und Zeigefinger an seinen Nasenrücken. „Bella?“ . Ich musste mir ein triumphierendes Lächeln verkneifen. Scheinbar war er auf meine Provokation hereingefallen. „ macht dir das eigentlich Spaß ?“ . Nun blickte er mich wieder direkt an. Ich war etwas erschrocken. Ich hatte damit gerechnet dass er wütend war doch auf seinen verletzten Ausdruck war ich nicht vorbereitet. Er erinnerte mich irgendwie an ein kleines Kätzchen das man im Regen ausgesetzt hatte. Ich musste schlucken. Mein Gewissen meldete sich wieder. Ich versuchte mich zusammen zu reißen. „natürlich macht es mir keinen Spaß . Ich leide auch unter der Situation aber bevor du nicht verstanden hast worum es mir geht kann ich dir nicht vergeben..“. Er schaute nachdenklich aus dem Fenster. „Ich habe schon begriffen worum es dir geht Bella..“ .Ein Hoffnungsschimmer wurde in mir geweckt. „Kannst du dann auch versprechen dass du zukünftig mehr Rücksicht nimmst und nicht mehr lauscht?“ . Ich hörte wie er tief einatmete und langsam den Kopf schüttelte „Ich weiß nicht ob ich das kann..“ . Mir war als hätte man ein Schwert in mein Herz gerammt. „Ich verstehe..dann ist die Diskussion hiermit beendet..tut mir leid..“ . Er dachte gar nicht daran auszusteigen. „Edward?! Ich möchte jetzt losfahren also..“ . Er bewegte sich noch immer nicht. „Bella. Ich will das du weißt das ich nicht aufgeben werde..Ich werde alles tun damit du zu mir zurück kommst..“ . Er nahm meine Hand. „OK..das freut mich wirklich zu hören..also bis dann..“ war alles was ich heraus bekam. Edward gab mir einen Kuss auf die Hand und stieg aus.
    Ich war länger bei Jacob geblieben als ich vorgehabt hatte. Mittlerweile war es schon spät abends und als ich ins Haus ging, bemerkte ich das sogar Charlie schon am schlafen war. Müde schleppte ich mich die Treppe hoch und warf mich aufs Bett. Plötzlich streifte mich ein Windhauch und ich blickte zum Fenster. Es war offen. Verwundert stand ich auf und schloss es. Als ich das Licht einschaltete traute ich meinen Augen nicht. Durch mein komplettes Zimmer war ein Riesen großes Banner aufgehängt auf dem folgende Worte standen: TUT MIR LEID BELLA! BITTE VERZEIH MIR, ICH LIEBE DICH! . Ich konnte einfach nicht glauben dass er das getan hatte. Dramatischer ging es ja wohl kaum noch. In den folgenden Tagen wurde ich öfter von ihm überrascht. Er hatte mir einen monströsen Strauß Rosen schicken lassen auf dessen Karte dasselbe stand. Ein anderes mal hatte er mir durch Alice eine CD überreichen lassen auf der ein eigenes komponiertes Lied war das meinen Namen trug. Ich war wirklich schon darauf gespannt was er als nächstes machen würde. Es konnte wohl kaum noch schlimmer werden.
    „ Alice wo schleppst du mich denn hin?“ Sie war bei mir zuhause aufgetaucht und hatte mich ohne ein Wort zu sagen in ihren Porsche geschleppt. „Tut mir leid Bella aber Edward hat mir dafür ein neues Auto versprochen.“ Sie lächelte mich ein wenig beschämt an. „OK aber wohin geht’s denn jetzt?“ .Sie kicherte „Das darf ich nicht sagen..du wirst es schon noch früh genug erfahren!“ . Ich gab mich geschlagen. Wenn Alice sich etwas in den Kopf gesetzt hatte würde sie es auch durchziehen. Ich lehnte mich zurück und versuchte mich zu entspannen. Als Alice dann stehen blieb und ich aus dem Fenster blickte erkannte ich die Gegend. Sie hatte auf dem Platz vor dem Wald geparkt der zu der Lichtung führte auf der Edward und ich uns damals näher gekommen waren. Ich schaute sie verdutzt an. Alice stieg aus und hielt mir dir Tür auf. „Na komm schon! Er wartet schon.“ .Ich stieg aus und folgte ihrem Blick. Edward stand etwas weiter von uns entfernt und wartete. Bevor ich etwas sagen konnte war Alice schon wieder im Auto verschwunden und fuhr davon. Ich stand da und brachte kein Wort heraus. „Hallo Bella..“ . Ich blickte hoch und schaute ihn an. In mir kamen so viele Emotionen hoch. Ich konnte sie kaum unter Kontrolle halten. „Hi Edward..“ . Er kam einen Schritt auf mich zu „Hast du meine Geschenke bekommen?“ . Ich nickte verlegen. „Ja..vielen Dank! Ich habe mich sehr darüber gefreut. Nur das mit dem Banner war leicht übertrieben.“. Er näherte sich noch einen Schritt. „ Ich habe mir noch einmal Gedanken gemacht und glaube ich habe eine Lösung dafür gefunden..“ . Jetzt hatte er meine Neugierde geweckt. „ Ist das der Grund wieso Alice mich hergebracht hat?“ . Er lächelte und näherte sich einen weiteren Schritt. „Ja..Und wenn du mir vertraust würde ich dich jetzt gerne zu der Lichtung bringen. Dort wird sich dann alles aufklären..“ . Ich brauchte nicht lange zu überlegen . „Du weißt doch dass ich dir vertraue!“ . Kaum ausgesprochen stand er schon vor mir und warf mich über seinen Rücken. Ich krallte mich an ihm fest und schloss die Augen. Ich wusste was jetzt kam. Er rannte los und wir flogen durch den Wald. Ich spürte den Wind in meinem Gesicht und presste es an seinen Rücken. Alte Erinnerungen wurden in mir wach. Es war so schön ihm wieder so nah zu sein. Ich sog seinen wunderbaren Duft ein und ließ mich fallen. „Wir sind da!“ hörte ich ihn sagen. Ich öffnete meine Augen und blickte auf die Lichtung. Wehmütig ließ ich von ihm los und rutschte auf den Boden. Edward ging vor und ich folgte ihm. Er lief bis zur Mitte und drehte sich dann zu mir um. Ich war wirklich gespannt weshalb er mich hierher geführt hatte. Er lächelte wieder sein schiefes Lächeln und ich spürte wie eine Hitzewelle in mir hoch stieg. Zu meinem Erstaunen trat plötzlich Jacob aus dem Wald und gesellte sich zu ihm. Ich verstand überhaupt nichts mehr. „Was ist denn hier los?“ . Jacob blickte Edward an und er nickte ihm zu. Jacob kam zu mir gelaufen und nahm mich an die Hand. „Dein Blutsauger hat sich etwas überlegt..Da er ohne meine Hilfe nicht auskommt und ich dich nicht leiden sehen kann hab ich zugestimmt..“ . Ich verstand noch immer nichts und blickte Edward Hilfe suchend an. „Würdet ihr mich jetzt bitte mal aufklären?“ Jacob hielt noch immer meine Hand und zog mich mit sich. Vor Edward blieben wir stehen. Dieser räusperte sich kurz und fing an. „Ich habe lange überlegt und du weißt selbst das ich nicht ganz unterbinden kann die Gedanken zu lesen wenn es um dich geht..du kennst ja selbst dein Talent ständig in Schwierigkeiten zu geraten..aus diesem Grund habe ich einen Kompromiss geschlossen mit du sicher gut zurecht kommen wirst..“ . Ich konnte diese Spannung kaum noch aushalten. „Und was hast du dir jetzt überlegt?“. Wieder grinste er. „Also hör zu. Ich werde dir nicht mehr nachspionieren wenn du weg gehst aber nur unter der Bedingung dass der da dich begleitet..“ . Als er der da sagte zeigte er auf Jacob. „ Ich denke in seiner Gegenwart dürftest du einigermaßen sicher sein. Ich werde auch seine Gedanken nicht belauschen solange ihr unter anderen Menschen seit. Ich denke dass du nichts dagegen haben wirst. Im Gegenzug dafür werde ich aber weiterhin nach Bedarf zuhören wenn ihr zwei alleine seit. Soviel vertraue ich ihm dann doch nicht..Er ist damit einverstanden .Jetzt liegt es nur an dir.“ Ich konnte kaum glauben was ich da hörte. Edward hatte sich ja wirklich Gedanken darüber gemacht und mich ernst genommen. Zwar war seine Lösung nicht perfekt aber mehr konnte ich einfach nicht erwarten. Alleine schon dass er sich zusammen gerissen hatte und mit Jacob geredet hatte bedeutete mir einiges. Ich musste ihm wirklich sehr viel bedeuten. Ich nickte und lief Edward stürmisch in die Arme. „Angenommen! Endlich hast du verstanden das ich von dir ernst genommen werden wollte!“ Er schlang seine Arme um mich und die Kälte seines Körpers ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Nach etlichen Minuten ließ ich ihn wieder los und wendete mich an Jacob. „Danke das du das mitmachst!“ Er grinste schelmisch „Hey, immerhin verbringe ich ab sofort noch mehr Zeit mit dir..da stört es doch nicht das der Blutsauger ab und zu meine Gedanken ließt..“. Er schaute Edward herausfordernd an. Keine Ahnung was er gerade gedacht hatte aber es brachte Edward zum lachen. „Niemals!“ . Nun wendeten sich beide gleichzeitig an mich „Aber glaub ja nicht dass wir jetzt Freunde wären! Das machen wir nur für dich!“ Ich prustete. Die beiden schauten sich grimmig an weil sie synchron gesprochen hatten. „Hey, du kannst jetzt gehen. Bella und ich haben etwas zu feiern..“ . Jacob nahm ihn nicht für voll. „Ja, ja rede du nur, du Eisblock. Mal schauen wie du reagierst wenn ich mehr Zeit mit ihr verbringe als du..“ Erneut dachte er etwas. „Träum weiter du wandelnde Sauna. Sie ist nicht umsonst meine Verlobte..“ Jacob kicherte und verschwand wieder im Wald. Bildete ich mir das ein oder verstanden sie sich etwas besser als sonst? Edward zog mich wieder an sich und küsste mich ausgiebig. Diesmal war er nicht so zurückhaltend wie ich es normalerweise von ihm gewohnt war. Wir ließen uns auf der Wiese nieder und ich kuschelte mich an ihn. „Bella?“ .Edward blickte mich an. Ich schaute gespannt zu ihm hoch . Er hatte seinen Arm um mich gelegt und ich spürte wie sein Griff etwas fester wurde. „ Tu mir so was nie wieder an! Ich stand kurz davor wieder nach Italien zu fliegen..“ . Ich schmunzelte „Versprochen!“ .Er beugte sich über mich und küsste mich erneut.

  • Die Cullen-TherapieDatum11.03.2009 21:08
    Thema von Rosalie Hale im Forum Fanfiktion
    Was passiert wenn Carlisle seine Familie zum Therapeuten schleppt ?
    Das totale Chaos :D

    Carlisle: Guten Tag, Herr Doktor. Wie Sie sehen können, streiten meine Kinder oft.
    Esme: Wir entschlossen uns zu Ihnen zu kommen, weil sie sehr gut sein sollen.
    Therapeut: Nun gut. Ich hoffe sie haben nichts dagegen, wenn ich das aufnehme.... Lassen sie uns mit dem anfangen, der die meiste Zeit benötigt.
    Emmett: Das wird dann wohl Edward sein ...
    Therapeut: Wie meinst du das, Emmett ?
    Emmett: Ähm ... Er ... hört Stimmen.
    Therapeut: *dreht sich zu Edward* Stimmt das, Edward ?
    Edward: *völlig ruhig* Ja, das stimmt.
    Therapeut: Und was sagen dir diese Stimmen ?
    Edward: *grinst* Sie zeigen mir manchmal wie ich nackt aussehe ...
    Bella: *will von Edward ablenken* Rosalie hat Anorexie !
    Therapeut: *dreht sich zu Bella* Was willst du damit sagen, Bella ?
    Bella: Ich kann nicht behaupten sie jemals etwas essen zu sehen.
    Therapeut: *dreht sich zu Rosalie* Stimmt das Rosalie ?
    Rosalie: *knurrt* .... Jasper mag Männer in Uniformen !
    Therapeut: *zieht eine Augenbraue hoch* Jasper, findest du Männer in Uniformen attraktiv ?
    Jasper: *mit geweiteten Augen* N-Nein... ich respektiere sie nur !
    Therapeut: Wie SEHR respektierst du sie ?
    Jasper: Emmett trägt Damenunterwäsche !
    Therapeut: *runzelt die Stirn*
    Emmett: *nicht beschämt* Ich mache es für meine Freundin.
    Therapeut: Und fühlst du dich schön, wenn du sie trägst ?
    Emmett: Wir mögen nur Rollenspiele, wie ein Mal, als sie sich wie Cat Woman anzog.
    Rosalie: *schaut wütend*
    Alice: DAS wolllte niemand wissen, Emmett !
    Thrapeut: Wenn dein Bruder ein Problem hat, dann müssen wir darüber reden, Alice.
    Alice: *aktiv wie immer* Er hat kein Problem, er ist nur ein Idiot und ich bin sicher, dass wissen Sie !
    Therapeut: Alice, du scheinst sehr hyperaktiv zu sein.
    Alice: So bin ich immer.
    Therapeut: Und hast du auch immer diese Augenringe ?
    Alice: Ja, ich schlafe nicht sehr viel.
    Therapeut: Hast du schon jemals mit Kokain experementiert ?
    Alice: ... Bella hat Nekrophilie und Bestialität *grinst*
    Therapeut: ... Bella !
    Bella: *wird rot* Ich ...
    Esme: Sie müssen unsere Kinder entschuldigen, Herr Doktor.
    Therapeut: ...
    Mal schauen, Rosalie ist möglicherweise magersüchtig ... Alice hat anscheinend ein Drogenproblem .. Edward hört Stimmen ... Bella ist bestialisch und necrophilisch ... Jasper ist bi ... und Emmett ist ein Cross-Dresser ... Soltte ich noch etwas wissen ??
    Edward: Wir sind Vampire ...
    Therapeut *vom Stuhl fall*
    Carlisle: *seufzt* Nehmt das Band und lasst uns gehn ...
    Esme: Ich liebe Heim-Videos :) !





    *WICHTIG*
    Anorexie = Magersucht
    Nekrophilie = Totenliebe
    Bestialität = Man hat's nicht so mit Menschen ;)
    Cross-Dresser = Jmd. kleidet sich mit Damen- und Herrenkleidung
    und eigentlich müsste jeder wissen was bi heißt :D
  • InhaltDatum11.03.2009 21:02
    Thema von Rosalie Hale im Forum Das Buch

    Das Buch ist in drei Teile bzw. Bücher geteilt. Das erste Buch wird aus Bellas Sicht erzählt, das zweite aus Sicht von Jacob und das dritte wieder aus Bellas Sicht.

    Erstes Buch

    Bella, die durch ihr Versprechen, richtige Flitterwochen zu haben, eingewilligt hat, Edward zu heiraten, muss es ihren Eltern erzählen, die unterschiedlich darauf reagieren - der Vater ist nicht gerade begeistert, die Mutter nimmt es sehr gut auf. Alice arrangiert Bellas Hochzeit, bei der viele Menschen und Vampire eingeladen sind, und Bella gefällt die Hochzeit schließlich auch. Als dann Jacob dazu stößt, scheint nahezu alles perfekt. Doch Bella verplappert sich und so findet Jacob heraus, dass Bella und Edward in den Flitterwochen miteinander schlafen wollen. Daraufhin streiten Jacob und Bella. Jacob muss von den Werwölfen zurückgehalten werden und Bella begibt sich wieder zu den anderen Gästen. Schließlich fahren Bella und Edward zum Flughafen und fliegen nach Rio de Janeiro und von dort aus mit einem Boot auf eine kleine Insel, die Esme von Carlisle geschenkt bekommen hatte und ihnen nun zur Verfügung stellt. Dort stellt Bella fest, dass Alice ihr nur Dessous eingepackt hat. In dieser Nacht schlafen sie und Edward zum ersten Mal miteinander.

    Als Bella am nächsten Morgen aufwacht, ist Edward wütend auf sich selbst, weil er Bella überall mit Blutergüssen versehen hat, was sie selbst zunächst gar nicht bemerkt hat. Er will nicht mehr mit ihr schlafen, bis sie ein Vampir ist, um ihr nie wieder wehzutun. Doch Bella wusste gar nichts von den Verletzungen, bis er sie darauf aufmerksam machte. Ein paar Tage später verführt sie Edward, um einen ihrer Träume, der an dieser Stelle endete, wahr zu machen. Am nächsten Tag fehlt dem Kopfteil ihres Bettes zwar ein großes Holzstück, Bella jedoch ist unverletzt.

    Siebzehn Tage nach der Hochzeit stellt Bella, nach Heißhungerattacken, Schlafübermaß, extremen Stimmungsschwankungen und Übelkeit fest, dass sie schwanger ist und ruft daraufhin Carlisle an, der mit Edward beschließt, dass sie sofort nach Forks zurückkehren muss, um das Baby abzutreiben. Bella ist strikt dagegen und ruft in ihrer Verzweiflung Rosalie an, um sie um Hilfe zu bitten.

    Zweites Buch

    Jacob erfährt von Charlie, dass Bella schwer krank sein soll und schließt daraus, dass Edward Bella in den Flitterwochen in einen Vampir verwandelt hat. Er wird darauf so wütend, dass er mit Sam und den anderen Werwölfen die Cullens angreifen will. Sam weigert sich jedoch die Cullens anzugreifen, da für ihn kein Grund bestehe und so macht sich Jacob allein auf den Weg zu dem alten Haus der Cullens, um sie anzugreifen. Dort sieht er zum ersten Mal seit der Hochzeit Bella und stellt entsetzt fest, dass sie schwanger ist. Bei einem Gespräch mit Edward überredet dieser ihn, dass er versuchen soll, Bella von einer Abtreibung zu überzeugen. Dies gelingt Jacob jedoch nicht. Außerdem bittet Edward Jacob ihn umzubringen, falls Bella die Geburt nicht überleben sollte; Jacob willigt ein.

    Als Sam Jacobs Gedanken liest, beschließt er, die Cullens anzugreifen und den Fötus zu töten. Doch Jacob ist dagegen und gründet sein eigenes Rudel, das aus Seth und dessen Schwester Leah besteht. Bella geht es immer schlechter, es ist als würde das Baby sie aussaugen. Dann kommt Jacob auf die Idee, dass das Baby wahrscheinlich auch ein Vampir ist und Bella versuchen sollte, von da an Blut zu trinken. Ab diesem Zeitpunkt geht es Bella besser, doch ein paar Tage später löst sich Bellas Plazenta ab und das Baby droht zu ersticken. Edward holt das Baby, ein Mädchen, heraus und gibt sie Rosalie, die das Baby mit einer Blut-Flasche füttert. Bella droht zu sterben, doch Edward sticht ihr in letzter Sekunde eine Spritze mit seinem Gift mitten in ihr Herz, so dass sie sich auch in einen Vampir verwandelt, um die Geburt zu überleben. Jacob, der glaubt Bella sei tot, verlässt daraufhin das Zimmer um das Baby zu töten, das Bella umgebracht hat. Dabei merkt er, dass er sich auf das wunderschöne Halbvampir-Baby geprägt hat.

    Drittes Buch

    Die Geburt von Renesmee (Mischung aus Renée und Esme) Carlie (Mischung aus Charlie und Carlisle) Cullen wird aus Bellas Sicht erzählt. Trotz des Morphiums, das Edward (Carlisle war zu dem Zeitpunkt der Geburt nicht da)ihr verabreicht hat, spürt Bella die furchtbaren Schmerzen der Verwandlung und sie fragt sich die ganzen zwei Tage, wo ihre Tochter ist. Als sie schließlich vollkommen erwacht sieht sie die Dinge plötzlich ganz neu: Sie sieht jede einzelne Faser und riecht jeden Geruch in der Umgebung.

    Plötzlich ist sie unglaublich stark, anmutig und vollkommen. Und von nun an ist sie diejenige, die aufpassen muss, Edward nicht zu verletzen. Sie möchte unbedingt zu ihrer Tochter, doch Edward will zuerst auf die Jagd mit ihr. Dann spürt Bella auch das trockene Gefühl in ihrer Kehle. Auf der Jagd wittert sie den Geruch zweier Wanderer, doch Bella ist unglaublich kontrolliert und rennt so weit wie möglich weg, um ihre Gerüche nicht mehr wahrzunehmen. Schließlich jagt sie einen Puma und saugt ihn aus. Nachdem Sie und Edward noch ein paar andere Tiere ausgesaugt haben, rennen sie wieder nach Hause. Bevor Bella zu ihrer Tochter darf, testet sie ihre Selbstkontrolle an Jacob, um nicht ihre Tochter zu verletzen. Dort überredet sie die anderen, ihr Renesmee zu geben, deren Gabe es ist, bei einer Berührung des Kopfes der Anderen ihnen Bilder ihrer Gedanken zu zeigen. Diese ist zwar erst drei Tage alt, sieht jedoch aus wie ein mehrere Wochen altes Baby. Jacob hat sich auf sie geprägt und hat ihr den Spitznamen "Nessie" gegeben. Als Bella hört, dass ihre Tochter wie das Monster von Loch Ness genannt wird, rastet sie aus und springt Jacob an die Gurgel. Später haben die anderen eine Überraschung für Bella (sie hat ihren Geburtstag wieder einmal vergessen). Esme hat ihr, Edward und Renesmee ein kleines Häuschen nur eine halbe Vampir-Sekunde entfernt, eingerichtet. Dort verbringen Bella und Edward die ganze Nacht. Bella gewöhnt sich an das Leben als Vampir und geht mit Renesmee, die inzwischen so groß ist wie ein etwa drei Jahre altes Mädchen, jagen. Dort sieht Irina sie und geht davon aus, dass Renesmee ein unsterbliches Kind ist (ein Kind das zu einem Vampir verwandelt wurde und ewig ein Kind bleibt). Daraufhin flüchtet sie zu den Volturi, was Alice in ihren Visionen sah. Sie verlässt die Familie (mit Jasper) in dem Vorwand sich besser konzentrieren zu können, da Renesmee und Jacob da sind und sie den Werwolf und das Halbvampirmädchen nicht sehen kann. Ab dem Zeitpunkt kommen viele andere Vampire als Zeugen und in der Not auch als Kämpfer um zu üben. Bella entdeckt ihre Gabe: Sie hat ein Schutzschild das sie erweitern und sogar auf andere (Halb)Vampire übertragen kann. Als die Volturi kommen und bemerken dass Renesmee kein unsterbliches Kind ist, wird Irina getötet, da sie sich nicht besser informiert hat. Die Volturi versuchen auf andere Weise das zu bekommen was sie wollen: Den Zirkel von Carlisle zu vernichten. Sie benutzen den Vorwand, dass keiner weiß was aus Renesmee wird, um sie zu töten. Doch dann kommt Alice mit einem anderen Halbvampir aus Südamerika. Er kann die Volturi überzeugen und so wird keiner verletzt. Bella und Edward sind glücklich und Bella schafft es, Edward ihre Gedanken zu zeigen, wenn auch nur für kurze Zeit. Das Buch endet mit den Worten "And then we continued blissfully into this small but perfect piece of our forever." (dt. Glückselig setzten wir unsere Reise in den kleinen, aber vollkommenen Teil unserer Ewigkeit fort.)

  • TrailerDatum11.03.2009 19:37
    Thema von Rosalie Hale im Forum Der Film
  • Film SoundtrackDatum19.02.2009 14:20
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Film Soundtrack

    Mutemath - Spotlight

  • Film SoundtrackDatum19.02.2009 14:15
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Film Soundtrack

    Linkin Park - Leave Out All The Rest

  • Film SoundtrackDatum14.02.2009 08:19
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Film Soundtrack

    The Black Ghosts - Full Moon

  • Film SoundtrackDatum14.02.2009 08:13
    Foren-Beitrag von Rosalie Hale im Thema Film Soundtrack
    Paramore - Decode
Inhalte des Mitglieds Rosalie Hale
Beiträge: 78
Seite 1 von 4 « Seite 1 2 3 4 Seite »
Xobor Ein Kostenloses Forum von Xobor.de
Einfach ein Forum erstellen
Datenschutz